Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 19. März 2009
Aktenzeichen: 6 U 212/08
(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 19.03.2009, Az.: 6 U 212/08)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat in einem Urteil vom 19. März 2009 entschieden, dass die Berufung der Antragsgegnerin gegen ein Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main zurückgewiesen wird. Das Urteil betrifft verschiedene Fragen im Zusammenhang mit irreführender Werbung und der Verbandsklagebefugnis. Das Landgericht hatte bereits festgestellt, dass die Werbeangaben der Antragsgegnerin irreführend sind und der Antragsteller befugt ist, Unterlassungsansprüche geltend zu machen.
Der Antragsteller erfüllt die Voraussetzungen der Verbandsklagebefugnis nach § 8 Abs. 3 Satz 2 UWG und seine Rechtsverfolgung ist nicht rechtsmissbräuchlich. Er gehört einer erheblichen Zahl von Unternehmen an, die auf demselben Markt tätig sind wie die Antragsgegnerin. Es reicht aus, dass eine potenzielle Beeinträchtigung mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit in Betracht gezogen werden kann. Der Antragsteller hat auch eine erhebliche Zahl von Unternehmern als Mitglieder, die in einem abstrakten Wettbewerbsverhältnis zur Antragsgegnerin stehen. Es ist nicht erforderlich, dass diese Mitglieder repräsentativ sind im Verhältnis zu allen anderen auf dem Markt tätigen Unternehmern. Der Antragsteller verfügt auch über die erforderliche personelle, sachliche und finanzielle Ausstattung.
Die gerichtliche Geltendmachung der Unterlassungsansprüche ist nicht rechtsmissbräuchlich. Ein Verband darf grundsätzlich selbst entscheiden, gegen wen er vorgeht. Der Vorwurf des rechtsmissbräuchlichen Vorgehens setzt voraus, dass der Verband grundsätzlich nur gegen Außenstehende vorgeht und die Verletzungshandlungen von eigenen Mitgliedern planmäßig duldet. Im vorliegenden Fall konnte die Antragsgegnerin keine Anhaltspunkte dafür vorlegen, dass der Antragsteller seine eigenen Mitglieder planmäßig duldet.
Die geltend gemachten Unterlassungsansprüche bestehen gemäß §§ 3, 5 Abs. 1 UWG. Die beanstandeten Werbeaussagen sind gesundheitsbezogene Werbeaussagen und daher nur zulässig, wenn sie hinreichend abgesichert sind. Die Antragsgegnerin konnte jedoch nicht glaubhaft machen, dass das beworbene Gerät zu einer deutlichen Gewichtsreduktion führt. Eine vorgelegte Anwendungsbeobachtung ist nicht aussagekräftig, da offen bleibt, ob die Gewichtsreduktion durch weitere Maßnahmen gefördert wurde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Das Urteil ist rechtskräftig.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 19.03.2009, Az: 6 U 212/08
1. Zu den Voraussetzungen der Verbandsklagebefugnis, insbesondere zur erforderlichen Zahl von Mitgliedern, die zum Verletzer in einem abstrakten Wettbewerbsverhältnis stehen
2. Zur Frage, wann die Schonung eigener Mitglieder des Verbands den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs rechtfertigt
3. Gesundheitsbezogene Werbeaussagen sind grundsätzlich nur zulässig, wenn sie hinreichend abgesichert sind; zur Frage der Verteilung der Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast in derartigen Fällen
Tenor
Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 11.09.2008 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Gründe
Von der Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 Abs. 2 in Verbindung mit 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Wie das Landgericht mit Recht angenommen hat, stehen der Antragstellerin die im Wege des Eilverfahrens geltend gemachten Unterlassungsansprüche zu, da die mit ihnen beanstandeten Werbeangaben irreführend sind und der Antragsteller befugt ist, diese Unterlassungsansprüche gerichtlich geltend zu machen.
Der Eilantrag ist zulässig. Der Antragsteller ist klagebefugt, da er die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 Satz 2 UWG erfüllt und seine Rechtsverfolgung nicht gemäß § 8 Abs. 4 UWG als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren ist.
Wie das Landgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, erfüllt der Antragsteller die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG. Ihm gehört eine erhebliche Zahl von Unternehmen an, die Waren bzw. Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben wie die Antragsgegnerin. Das Tatbestandsmerkmal "derselbe Markt" ist weit auszulegen. Es reicht, dass eine nicht gänzlich unbedeutende potentielle Beeinträchtigung mit einer gewissen, wenn auch nur geringen Wahrscheinlichkeit in Betracht gezogen werden kann (BGH GRUR 2007, 809, 810, Tz. 14 - Krankenhauswerbung). Die beanstandete Werbung der Antragsgegnerin bezieht sich auf ein Gerät, welches Infrarot-Strahlen abgibt und unter anderem der Gewichtsreduktion dienen soll. Mitgliedsunternehmen des Antragstellers, die insoweit in einem abstrakten Wettbewerbsverhältnis zur Antragsgegnerin stehen sind daher neben den Kurkliniken, die unter anderem auch Kuren zur Gewichtsreduktion anbieten, auch Hersteller und Vertreiber pharmazeutischer Produkte. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, dass die Antragsgegnerin das beworbene Gerät nur an Kosmetikerinnen verkauft; auf die Wirtschaftsstufe kommt es für das Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses nicht an.
5Dem Antragsteller gehört auch eine erhebliche Zahl von Unternehmern an, die zu der Antragsgegnerin in Bezug auf das beworbene Produkt in einem abstrakten Wettbewerbsverhältnis stehen. Erheblich ist die Zahl der Mitglieder auf dem einschlägigen Markt dann, wenn diese Mitglieder als Unternehmer in der Weise repräsentativ sind, dass ein missbräuchliches Vorgehen des Verbands ausgeschlossen werden kann; darauf, ob diese Mitglieder nach ihrer Zahl und ihrem wirtschaftlichen Gewicht im Verhältnis zu allen anderen auf dem Markt tätigen Unternehmern repräsentativ sind, kommt es nicht an (BGH a.a.O., Tz. 15). Dem Antragsteller gehören 15 Hersteller von Kosmetika und Nahrungsergänzungsmitteln, 68 Hersteller und Vertreiber pharmazeutischer Produkte, zwei Kurkliniken und der X-Verband mit 90 Mitgliedern an. Dies hat der Antragsteller durch Vorlage einer Mitgliederliste und einer eidesstattlichen Versicherung die Richtigkeit der Liste betreffend glaubhaft gemacht.
Schließlich verfügt der Antragsteller über die erforderliche personelle, sachliche und finanzielle Ausstattung. Dies wird zugunsten eines aktiven Verbandes, wie dem Antragsteller, tatsächlich vermutet (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG 27. Auflage, § 8 Rdz. 3.49).
7Die Klagebefugnis fehlt dem Antragsteller auch nicht deshalb, weil die gerichtliche Geltendmachung der Unterlassungsansprüche rechtsmissbräuchlich gemäß § 8 Abs. 4 UWG wäre. Dem Antragsteller kann keine missbräuchliche Auswahl des Verletzers vorgeworfen werden. Grundsätzlich steht es einem Verband ebenso wie einem Mitbewerber frei zu entscheiden, gegen wen er vorgeht. Er kann die gleiche Werbung bei einem Mitglied dulden und nur gegen einen Dritten vorgehen (BGH GRUR 1997, 681, 683 € Produktwerbung). Bei der Bewertung eines Vorgehens als rechtsmissbräuchlich ist auch zu berücksichtigen, dass irreführende, gesundheitsbezogene Werbung Allgemeininteressen berührt (BGH a.a.O.). Daher setzt der Vorwurf der missbräuchlichen Auswahl des Verletzers voraus, dass ein Verband grundsätzlich nur gegen Außenstehende und nicht gegen eigene Mitglieder vorgeht, vielmehr gleichartige Verletzungshandlungen , die von diesen begangen werden, planmäßig duldet (BGH GRUR 1997, 681, 683 € Produktwerbung; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 8 Rdz. 4.21). Die Antragsgegnerin hat zur Untermauerung ihres Missbrauchsvorwurfs eine Reihe von Werbeaussagen von Mitgliedern des Antragstellers zitiert, die zwar ebenfalls die Themen Gewichtsreduktion und Cellulite betreffen, aber völlig andere Produkte zum Gegenstand haben (Cremes, Pillen). Abgesehen davon, dass schon nicht ohne Weiteres beurteilt werden kann, ob die zitierten Äußerungen tatsächlich irreführend sind, fehlt es jedenfalls an der Gleichartigkeit der als Verletzungshandlung beanstandeten Äußerungen. Überdies sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass dem Antragsteller ein planmäßiges Dulden vorzuwerfen wäre. Vielmehr geht der Antragsteller auch gegen eigene Mitglieder vor, die in irreführender Weise Produkte zur Cellulite-Bekämpfung bewerben. So hat er € neben anderen € die Firma Al, auf deren Werbung die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zur weiteren Untermauerung ihres Missbrauchsvorwurfs verwiesen hat, bereits mit Schreiben vom 16.02.2009 erfolgreich abgemahnt (Anlagen K 5 und K 6 des Schriftsatzes vom 09.03.2009, Bl. 531 ff. d. A.).
Die geltend gemachten Unterlassungsansprüche bestehen gemäß §§ 3, 5 Abs. 1 UWG.
9Bei der beanstandete Aussage in der Zeitungsanzeige gemäß Anlage A 2 "Umfangreduzierung mit Infrarot-Energie" handelt es sich um eine gesundheitsbezogene Werbeaussage, weil mit ihr das beworbene Gerät als Instrument angepriesen wird, überschüssiges Körperfett abzubauen. Der Antragsteller hat schlüssig dargelegt, dass der Abbau von Körperfett voraussetzt, Fett über den Stoffwechsel zu verbrennen. Es ist nicht ersichtlich, wie dieser Vorgang durch das Bestrahlen mit Infrarot-Energie bei Passivität des bestrahlten Körpers in Gang gesetzt wird. Bei dieser Sachlage ist es Aufgabe der wegen irreführender Werbung in Anspruch genommenen Antragsgegnerin, die durch die Verwendung der beanstandeten Aussage das Gegebensein der in Anspruch genommenen Wirkung behauptet, die wissenschaftliche Absicherung ihrer Werbeangabe zu beweisen (BGH GRUR 1991, 848, 849 € Rheumalind II zu § 3 UWG a. F.). Es kommt daher nicht darauf an, ob die beanstandete Werbung dem Anwendungsbereich des HWG unterfällt.
Die angegriffene Aussage kann € auch von den unmittelbar angesprochenen Kosmetikerinnen € nur dahin verstanden werden, dass das Bestrahlen mit Infrarot-Energie ein einfaches und dauerhaftes, also über den infolge Schwitzens eintretenden Flüssigkeitsverlust hinausgehendes, Abnehmen ermöglicht.
Zur Glaubhaftmachung der wissenschaftlichen Absicherung ihrer Werbeangabe hat die Antragsgegnerin einen medizinischen Bericht des Autors Dr. B vorgelegt, worin es heißt, dass die Bildung von einem Gramm Schweiß 0,586 kcal verbraucht. Gleiches findet sich in der eidesstattlichen Versicherung des Facharztes für Chirurgie und Notfallmedizin Dr. C. Selbst wenn diese Behauptung zutreffend sein sollte, rechtfertigt sie nicht die beanstandete Werbung. Hierfür müsste die Antragsgegnerin vielmehr konkret glaubhaft machen, dass das beworbene Gerät bei bestimmungsgemäßer Anwendung zu einer Umfangreduzierung, also zu einer deutlichen Gewichtsreduzierung führt. Dies ist ihr nicht gelungen. Zwar hat sie in der Berufungsinstanz eine "Anwendungsbeobachtung" von Dr. C vorgelegt, nach der das beworbene Gerät an fünf Personen getestet wurde, die nach zehn Anwendungen eine Gewichtsreduktion von im Durchschnitt etwa zwei Kilogramm erreichten. Die Anwendungsbeobachtung ist jedoch nicht aussagekräftig, weil offen bleibt, ob die Probanden diese Gewichtsreduktion durch weitere Maßnahmen gefördert bzw. herbeigeführt haben.
Die mit dem zweiten Unterlassungsantrag beanstandete Äußerung lautet wie folgt:
"Figurkontrolle leicht gemacht. Immer mehr Frauen wünschen den angenehmen Weg, um schneller schlank zu werden. Hier kommt perfekte Hilfe für die Kabine. Mit der biopositiven Infrarot-Energie beschleunigen sie die Verbrennung von Kalorien, entschlacken und entgiften die Gewebe, reduzieren Umfang und Gewicht. Infrarot ist eine unterstützende Kraft im Kampf gegen Cellulite."
Auch diese Aussage wird im Kontext der konkreten Verletzungsform angegriffen. Sie ist schon deshalb zu verbieten, weil das in ihr enthaltene Versprechen der Gewichtsreduktion aus den oben dargelegten Gründen nicht glaubhaft gemacht ist. Da dieser Aspekt bereits das Verbot rechtfertigt, kommt es auf die Frage nicht an, ob die Aussage aus weiteren Gründen irreführend ist, etwa weil die entgiftende und entschlackende Wirkung sowie die Wirksamkeit gegen Cellulite nicht hinreichend gesichert sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 19.03.2009
Az: 6 U 212/08
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/738f69c0463a/OLG-Frankfurt-am-Main_Urteil_vom_19-Maerz-2009_Az_6-U-212-08