Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. November 2006
Aktenzeichen: 14 W (pat) 314/04

(BPatG: Beschluss v. 28.11.2006, Az.: 14 W (pat) 314/04)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in einem Beschluss vom 28. November 2006 (Aktenzeichen 14 W (pat) 314/04) über mehrere Einsprüche gegen das Patent mit der Nummer 100 14 468 entschieden. In dem Beschluss wurden folgende Feststellungen getroffen:

Der Einspruch der ersten Einsprechenden wurde als unzulässig verworfen.

Die Einsprüche der zweiten und dritten Einsprechenden führten zum Widerruf des Patents.

Das Patent beschreibt ein Verfahren zur Herstellung eines Baustoffs, bei dem Zement, Zuschlagstoffe und Wasser vermischt werden und dieser Mischung ein Gemisch aus Grünsalz und einem inerten Trägermaterial zugemischt wird.

Die Einsprüche wurden unter anderem damit begründet, dass das beanspruchte Verfahren nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

Das Patent wurde am 30. Oktober 2003 veröffentlicht. Gegen das Patent wurden am 26., 27., 29. und 30. Januar 2004 vier Einsprüche erhoben. Einer der Einsprüche wurde noch am gleichen Tag zurückgenommen.

Der Patentinhaber beantragte, das Patent in vollem Umfang aufrechtzuerhalten oder hilfsweise auf der Grundlage eines geänderten Patentanspruchs vom 8. November 2006.

Das Bundespatentgericht kam zu dem Ergebnis, dass der Einspruch der ersten Einsprechenden unzulässig ist, da das genannte Forschungsinstitut nicht parteifähig ist.

Der Einspruch der zweiten Einsprechenden wurde zwar falsch adressiert, aber innerhalb der Einspruchsfrist an den richtigen Adressaten weitergeleitet und ist daher zulässig.

Auch der Einspruch der dritten Einsprechenden wurde als zulässig angesehen.

Die zulässigen Einsprüche führten zum Widerruf des Patents, da das beanspruchte Verfahren nicht als erfinderisch angesehen wurde.

Die aufgezeigten Lösungen ergeben sich in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.

Daher haben die erteilten Patentansprüche und der geänderte Patentanspruch keinen Bestand.

Dies ist eine vereinfachte Zusammenfassung des Beschlusses vom Bundespatentgericht.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 28.11.2006, Az: 14 W (pat) 314/04


Tenor

1. Der Einspruch der Einsprechenden 1 wird als unzulässig verworfen.

2. Auf die Einsprüche der Einsprechenden 2 und 3 wird das Patent 100 14 468 widerrufen.

Gründe

I Die Erteilung des Patents 100 14 468 mit der Bezeichnung

"Verfahren zur Herstellung eines Baustoffs"

ist am 30. Oktober 2003 veröffentlicht worden. Der (einzige) erteilte Patentanspruch lautet:

"Verfahren zur Herstellung eines chromatarmen Baustoffs, wobei Zement als hydraulisches Bindemittel, Zuschlagstoffe und Wasser vermischt werden und dieser Mischung ein Gemisch aus Grünsalz und einem inerten Trägermaterial in Form von gemahlenem Kalkstein oder anderen natürlichen Mineralien zugemischt wird, so dass das Grünsalz in einer Menge von 0,01 Gew.-% bis 3 Gew.-% bezogen auf die Zementmenge und das inerte Trägermaterial in einer Menge zwischen 5 Gew.-% und 15 Gew.-% bezogen auf die Grünsalzmenge zugegeben werden."

Gegen das Patent sind am 26., 27., 29. und 30. Januar 2004 vier Einsprüche erhoben worden, von denen der am 29. Januar 2004 eingelegte noch am gleichen Tag zurückgenommen wurde.

Die Einsprüche sind u. a. auf die Behauptung gestützt, das beanspruchte Verfahren beruhe gegenüber dem durch die Entgegenhaltungen D1 WO 84/01 942 A1 D2 Hinweise zur Herstellung chromatarmer Werkmörtel, Bundesverband der deutschen Mörtelindustrie e. V. 1999 D3 Beton 2/1999 Seiten 78 bis 85 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die Einsprechenden beantragen übereinstimmend, das Patent zu widerrufen.

Der Patentinhaber beantragt, das Patent in vollem Umfang aufrecht zu erhaltenhilfsweise das Patent beschränkt aufrecht zu erhalten auf der Grundlage des Patentanspruchs vom 8. November 2006.

Der Patentanspruch vom 8. November 2006 unterscheidet sich vom erteilten Patentanspruch dadurch, dass "aus Grünsalz" durch "aus feuchtem Grünsalz, welches keinem Trocknungsvorgang unterzogen wurde," ersetzt ist. Der Patentinhaber vertritt die Auffassung, das beanspruchte Verfahren sei durch die Dokumente D1 bis D3 auch in Verbindung mit den weiteren von den Einsprechenden angezogenen Entgegenhaltungen nicht nahegelegt, was bei der hilfsweise verfolgten Anspruchsfassung besonders deutlich werde. Er macht ferner geltend, die Einsprüche der Einsprechenden 1 und der Einsprechenden 2 seien unzulässig.

Wegen weiterer Einzelheiten des schriftlichen Vorbringens wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Der Einspruch der Einsprechenden 1 ist unzulässig.

Das im Einspruchsschriftsatz genannte Forschungsinstitut der Zementindustrie Düsseldorf ist als Organ des Vereins Deutscher Zementwerke e. V. nicht rechts- und daher nicht parteifähig (§ 50 Abs. 1 ZPO).

Die fehlende Parteifähigkeit wird von der Einsprechenden 1 zugestanden.

Ihr Vertreter weist insoweit darauf hin, dass als Einsprechende die Angabe "Forschungsinstitut der Zementindustrie Düsseldorf in A...str. in B..." im Einspruchsschriftsatz vom 26. Januar 2004 versehentlich erfolgte, wie bereits aus der nachgereichten Korrespondenz ersichtlich sei. Tatsächlich handle es sich um den unter gleicher Adresse ansässigen Verein Deutscher Zementwerke e.V.

Der Einsprechenden kann nicht in ihrer Ansicht gefolgt werden, dass für einen Außenstehenden auch erkennbar war, infolge der fehlenden Parteifähigkeit des Forschungsinstituts sei der unter der gleichen Adresse ansässige, dem Institut übergeordnete Verein gemeint.

Es ist ein in ständiger Rechtsprechung gefestigter Grundsatz (BGH GRUR 1990, 108 - Messkopf), dass die innerhalb der dreimonatigen Einspruchsfrist zu machenden Angaben die Person des Einsprechenden zweifelsfrei erkennen lassen müssen. Die von der Einsprechenden später vorgenommene Klarstellung des Inhalts, die Berichtigung der Einsprechenden sei am 16. November 2004 mit dem Antrag erfolgt, den Einspruch im Namen des Vereins Deutscher Zementwerke e. V. als zulässig anzusehen, ist daher unbeachtlich, da diese Erklärung nach Ablauf der Einspruchsfrist erfolgte.

Angesichts der klaren Angabe "namens und im Auftrag des Forschungsinstituts der Zementindustrie Düsseldorf" ist auch schwer eine Auslegung möglich, den "Verein Deutscher Zementwerke e.V." als Einsprechenden anzusehen.

Dieser Erklärung war im Zeitpunkt der Einspruchserhebung und bis zum Ablauf der Einspruchsfrist kein Hinweis zu entnehmen, dass der Einspruch des Forschungsinstituts der Zementindustrie Düsseldorf in A...str. in B... im Namen des Vereins erhoben sein sollte. Daher lässt er sich auch nicht in einen Einspruch des "Vereins Deutscher Zementwerke e. V." umdeuten.

Dieses eingeräumte Versehen in der Bezeichnung der Einsprechenden kann hier somit nicht rückwirkend beseitigt werden.

Denn auch eine dahingehende Auslegung nach den Grundsätzen der ZPO bezüglich der Berichtigung einer unrichtigen Parteibezeichnung einer Klageschrift ist hier nicht möglich.

Zwar ist der Einsprechenden insoweit beizupflichten, dass nach den Grundsätzen der ZPO anerkannt ist, dass eine unrichtige Parteibezeichnung jederzeit mit Wirkung ex tunc berichtigt werden kann, sofern die Identität im Zeitpunkt der Klageerhebung feststeht oder sich durch Auslegung ermitteln lässt.

Für eine solche Auslegung fehlt es hier jedoch an den erforderlichen Voraussetzungen, insbesondere daran, dass an der Identität keine Zweifel bestehen, weil sich die betroffene Partei für jeden Dritten unschwer ermitteln lässt. Bei objektiver Würdigung des Erklärungsinhalts "Forschungsinstituts der Zementindustrie Düsseldorf in A...str. in B..." zu ermitteln, dies sei eine unrichtige Be- zeichnung mit der grundsätzlich die Parteibezeichnung Verein Deutscher Zementwerke betroffen sein soll, lässt sich mit dem Vortrag der Einsprechenden nicht rechtfertigen.

Bei verständiger und vom Empfängerhorizont vorzunehmenden Würdigung dieser Einspruchserklärung müsste trotz der darin enthaltenen Bezeichnung der Einsprechenden einem Außenstehenden zum einen geläufig sein, dass ein Institut ein unselbständiges Organ des Vereins darstellt, das in aller Regel nicht als eine selbständige Rechtspersönlichkeit anzusehen ist und zum andern müssten ihm zudem die von der Einsprechenden im Einzelnen geschilderten Zusammenhänge im Wirtschaftsleben zwischen dem Organ des Vereins (Forschungsinstitut der Zementindustrie) und dem Verein selbst (Verein Deutscher Zementwerke) und deren jeweiliges Auftreten nach außen bekannt sein. Dies mag bei den Beteiligten der Zementbranche wie auch beim Patentinhaber der Fall sein. Jedoch muss insoweit nicht nur bezweifelt werden dass diese Kenntnisse auch bei dem maßgeblichen Empfänger der Einspruchserklärung, dem DPMA bzw. BPatG, vorhanden sind, sondern nach Überzeugung des Senats jedenfalls für einen beachtlichen Personenkreis diese Kenntnisse nicht vorausgesetzt werden können.

Eine Auslegung kann nach alledem nicht ergeben, dass für jeden Außenstehenden sofort und ohne weiteres erkennbar ist, dass mit der Angabe "Forschungsinstitut der Zementindustrie Düsseldorf in A...str. in B..." trotz dieser unmissverständlichen Angabe als Einsprechende der Verein Deutscher Zementwerke e. V. gemeint ist.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der "Gefäßimplantat"-Entscheidung des BGH (GRUR 1990,348). Der Fall ist dort insoweit anders gelagert als die "Deutschen Institute für Textil- und Faserforschung Stuttgart" bei der Benennung der Einsprechenden "Institut für Textiltechnik" mitbezeichnet waren, während hier bei der Angabe der Einsprechenden "Forschungsinstitut der Zementindustrie Düsseldorf" jeder Hinweis auf den "Verein Deutscher Zementwerke e. V." fehlt und sich auch nicht aus der, wenn auch gleichen, Adresse ergibt.

Nur und allein deshalb, - nämlich angesichts dieser an erster Stelle stehenden Bezeichnung des unselbständigen Organs "Institut für Textiltechnik" mit der Stiftung zusammen, also der weiteren Angabe "der Deutschen Institute für Textil- und Faserforschung Stuttgart" -, war überhaupt die im Gefäßimplantat-Fall vorgenommene Auslegung möglich.

2. Der Einspruch der Einsprechenden 2 ist zwar wegen Adressierung an das BPatG beim falschen Adressaten eingegangen, jedoch innerhalb der Einspruchsfrist an den nach § 147 Satz Abs. 3 Satz 3 PatG richtigen Adressaten weitergeleitet worden. Die falsche Adressierung ist somit unschädlich (siehe Schulte PatG, 7. Aufl., Einleitung Rn. 64).

Der Einspruch ist somit frist- und formgerecht sowie mit Gründen versehen erhoben und mithin zulässig.

3. Der Einspruch der Einsprechenden 3 ist frist- und formgerecht erhoben und mit Gründen versehen, somit zulässig.

III Die zulässigen Einsprüche der Einsprechenden 2 und 3 führen zum Widerruf des Patents, weil das beanspruchte Verfahren nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

Den Gegenständen des erteilten Anspruchs und des Patentanspruchs vom 8. November 2006 liegt ausgehend vom Stand der Technik die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren aufzuzeigen, welches eine einfache und wirtschaftliche Herstellung eines chromatarmen Baustoffs ermöglicht (Streitpatentschrift [0011]).

Diese Aufgabe soll durch ein Verfahren nach dem Patentanspruch gemäß Streitpatentschrift bzw. dem Patentanspruch gemäß Hilfsantrag gelöst werden.

Die aufgezeigten Lösungen ergeben sich jedoch in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.

Aus der nach Auffassung des Senats den nächstgelegenen Stand der Technik bildenden D1 ist ein Gemisch aus Grünsalz und einem inerten Trägermaterial in Form von Kreide (Calciumcarbonat) oder anderen natürlichen Mineralien (Ton, Gips) bekannt (S. 4 Abs. 2) Das Trägermaterial wird dem Grünsalz in Form eines Pulvers (somit gemahlen) und in Mengen von 1 bis 95 %, bezogen auf das entstehende Gemisch, zugesetzt (S. 5 Abs. 3, S. 4 Abs. 3). Damit sind auch Mengen von 4,8 bis 13 % Trägermaterial bezogen auf das entstehende Gemisch, entsprechend 5 (= 4,8 Teile Trägermaterials : 95,2 Teile Grünsalz x 100) bis 15 (= 13 Teile Trägermaterial : 87 Teile Grünsalz x 100) Gew.-% Trägermaterial, bezogen auf Grünsalz, umfasst. Dieser Mischung wird Zement vor, während oder nach dem Vermahlen des Klinkers in Mengen von 0,01 bis 10 %, bezogen auf die Zementmenge, zugegeben, so dass die Menge an Grünsalz zwangsläufig ebenfalls innerhalb dieses Bereiches liegt (Anspruch 1 i. V. m. S. 6 Z. 8 bis 15). Der Fachmann liest ohne weiteres mit, dass die trockene Zementmischung wie üblicher Zement im Werk, auf der Baustelle oder auf dem Transport zur Baustelle mit Zuschlägen und Wasser zu Beton oder Mörtel angemacht und verarbeitet wird. Hierauf deutet auch der Hinweis hin, dass die geringen Zusatzmengen keine Änderungen der Eigenschaften im fertigen Zementprodukt verursachen.

Beim patentgemäßen Verfahren soll nun zunächst handelsüblicher (reduktionsmittelfreier) Zement mit Zuschlagstoffen und Wasser vermischt werden und erst dieser Mischung die Grünsalz - Trägermaterial - Mischung zugemischt werden.

Diese Verfahrensführung bedarf aber keiner das Fachwissen übersteigender Überlegung(en), denn in D2 ist auf Seite 8 unter c) die Zugabe von Eisen (II)-sulfat in Pulverform zum Werk-Frischmörtel während des Mischens beschrieben. Sofern Mörtel nicht ausdrücklich als Trockenmörtel chrakterisiert ist, versteht der Fachmann hierunter ein Gemisch aus Zement, Betonzuschlag mit Korngrößen bis 4 mm und Wasser (vgl. z. B. Piltz-Härig-Schultz: Technologie der Baustoffe, 8. Auflage, Dr. Lüdecke-Verlagsgesellschaft m. b. H., Haslach 1985, Seite 139). D3 enthält im letzten Absatz einen ausdrücklichen Hinweis auf die Zugabe von Eisen (II)-sulfat zu Naßmörtel.

Mischt der Fachmann aber die Komponenten Zement und Trockenmaterial-Grünsalz-Gemisch nicht trocken, wie in D1 vorgeschlagen, sondern gibt das Trockenmaterial-Grünsalz-Gemisch einem Mörtel aus Zement, Zuschlagstoffen und Wasser zu, wie dies in D2 als (eine der) Alternative(n) zur Herstellung von Werk-Trockenmörtel dargestellt ist (S. 7/8), so resultiert unmittelbar ein Verfahren nach dem erteilten Patentanspruch.

Die im Patentanspruch vom 8. November 2006 hinzugefügten Angaben können im Hinblick auf D1 keinen eigenständigen Beitrag zur erfinderischen Tätigkeit leisten.

In D1 sind nämlich die Vorteile der Handhabung von Heptahydrat mit locker gebundenem Wasser unter Pulververdünnung und/oder physikalischer Absorption gegenüber einer Trocknung bereits deutlich herausgestellt (insbes. S. 3 Abs. 2 bis 5 i. V. m. S. 4 Abs. 2). Der dem Hilfsantrag zugrundeliegende Patentanspruchkann daher ebenso wie der erteilte Patentanspruch mangels erfinderischer Tätigkeit seines Gegenstandes keinen Bestand haben.






BPatG:
Beschluss v. 28.11.2006
Az: 14 W (pat) 314/04


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/73a365cb9a9e/BPatG_Beschluss_vom_28-November-2006_Az_14-W-pat-314-04




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