Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 17. November 2014
Aktenzeichen: AnwZ (Brfg) 84/13

(BGH: Beschluss v. 17.11.2014, Az.: AnwZ (Brfg) 84/13)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Der Bundesgerichtshof hat in einem Beschluss entschieden, dass der Antrag eines Klägers auf Zulassung der Berufung gegen ein Urteil des Anwaltsgerichtshofs Berlin abgelehnt wird. Der Kläger hatte beantragt, die Fachanwaltsbezeichnung "Handels- und Gesellschaftsrecht" führen zu dürfen, was jedoch abgelehnt wurde, da er die erforderlichen praktischen Erfahrungen nicht nachgewiesen hatte. Der Kläger hat daraufhin die Zulassung der Berufung beantragt, was jedoch ohne Erfolg blieb.

Der Kläger konnte keinen Verfahrensfehler dargelegen, der die Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs hätte beeinflussen können. Der Anwaltsgerichtshof hat dabei nicht gegen den Amtsermittlungsgrundsatz verstoßen. Dem Antrag des Klägers fehlten die erforderlichen Angaben dazu, welche tatsächlichen Umstände aufgeklärt werden sollten und welche Feststellungen voraussichtlich getroffen worden wären. Außerdem ergaben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass das Gericht von sich aus hätte weitere Ermittlungen anstellen müssen.

Auch gibt es keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Im Antrag des Klägers wurden keine schlüssigen Argumente vorgebracht, die den Urteilssatz in Frage stellen würden. Zudem wurde der Beschluss des Vorstands der Beklagten nicht für nichtig erklärt. Der Kläger hat auch nicht nachgewiesen, dass er die erforderlichen Fälle im Fachgebiet bearbeitet hat. Die Ausführungen des Klägers zu den weiteren Fällen waren unverständlich und er konnte nicht nachweisen, dass er an Fachgesprächen teilgenommen hat. Schließlich hat die Sache auch keine grundsätzliche Bedeutung, da der Kläger keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen hat.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens und der Streitwert wurde auf 12.500 € festgesetzt.

(Grundlage: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17. November 2014, Aktenzeichen AnwZ (Brfg) 84/13)




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BGH: Beschluss v. 17.11.2014, Az: AnwZ (Brfg) 84/13


Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs Berlin vom 6. November 2013 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 12.500 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger ist im Bezirk der Beklagten zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Er ist Fachanwalt für Insolvenzrecht. Am 29. Dezember 2011 beantragte er, ihm zu gestatten, die Fachanwaltsbezeichnung "Handels- und Gesellschaftsrecht" zu führen. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 12. Dezember 2012 ab, weil der Kläger die besonderen praktischen Erfahrungen gemäß § 5 Abs. 1 lit. p FAO nicht nachgewiesen habe. Die Klage gegen diesen Bescheid ist erfolglos geblieben. Nunmehr beantragt der Kläger die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.

II.

Der Antrag des Klägers ist nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt jedoch ohne Erfolg.

1. Der Kläger hat keinen Verfahrensfehler dargelegt, auf dem die Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs beruhen kann (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Der Anwaltsgerichtshof hat nicht gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) verstoßen.

a) Im Antrag auf Zulassung der Berufung wegen eines Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) muss substantiiert dargelegt werden, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären. Weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist, oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (BVerwG, NJW 1997, 3328; Schmidt-Räntsch in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 112e Rn. 82).

b) Diesen Anforderungen genügt der Zulassungsantrag nicht.

aa) Der Anwaltsgerichtshof hat die nach § 5 Abs. 1 lit. p erforderlichen zehn gerichtlichen Streitverfahren, Schieds- oder Mediationsverfahren als nicht nachgewiesen angesehen, weil der Kläger zwar 13 Fälle gemeldet habe, hinsichtlich der Fälle 4 bis 6, 8 und 9 eine inhaltliche Bearbeitung in dem nach § 5 Abs. 1 FAO maßgeblichen Zeitraum von drei Jahren vor Antragstellung aber nicht erkennbar sei. Hinsichtlich der Fälle 8 und 9 sowie 11 und 12 sei unklar, ob es sich um unterschiedliche Fälle gehandelt habe. Hinsichtlich der Fälle 7 und 13, die nur mit dem Schlagwort "Schadensersatzansprüche" beschrieben worden seien, sei ein Bezug zum Handels- und Gesellschaftsrecht nicht ersichtlich.

bb) Der Kläger beanstandet das Fehlen eines gerichtlichen Hinweises. Wie sich aus dem angefochtenen Urteil selbst ergibt, hatte die Beklagte den Kläger jedoch schon während des Verwaltungsverfahrens auf die beschriebenen Mängel der Fallliste hingewiesen. Der Berichterstatter des zuständigen Ausschusses hat dem Kläger mit Schreiben vom 31. Januar 2012 im Einzelnen erläutert, aus welchen Gründen nur die Fälle 1 bis 3 sowie 10 bis 12 als rechtsförmliche Verfahren anerkannt werden könnten. Der Kläger erhielt Gelegenheit zur Nachbesserung. Hiervon machte er keinen Gebrauch, auch nachdem er nochmals darauf hingewiesen worden war, dass der Ausschuss gegebenenfalls nach Aktenlage entscheiden werde. Mit Schreiben vom 25. April 2012, dem Kläger zugestellt am 27. April 2012, gab ihm der Ausschuss unter Hinweis auf das ablehnende Votum erneut Gelegenheit zur Stellungnahme. Am 29. Oktober 2012 wies der Ausschussvorsitzende den Kläger darauf hin, dass der Antrag nunmehr beschieden werden würde, dass aber Posteingänge bis zum 31. Oktober 2012 noch berücksichtigt würden. Keines dieser Schreiben nahm der Kläger zum Anlass, die offensichtlich unzulängliche Fallliste zu überarbeiten. Die Klagebegründung enthielt schließlich ebenfalls keine näheren Angaben zu den genannten unzulänglich beschriebenen Fällen des ersten Abschnitts der Fallliste. Angesichts dieses Verhaltens des Klägers drängten sich weitere Ermittlungen nicht auf. Der Zulassungsantrag legt überdies nicht dar, welche neuen, zusätzlichen Tatsachen der Kläger vorgetragen hätte, wenn der Anwaltsgerichtshof ihm Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt hätte.

2. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

a) Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (BVerfGE 110, 77, 83; BVerfG, NVwZ 2000, 1163, 1164; NVwZ-RR 2008, 1; NJW 2009, 3642; BGH, Beschluss vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 3; vgl. ferner BVerwG, NVwZ-RR 2004, 542, 543; Schmidt-Räntsch in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 112e BRAO Rn. 77).

b) Der Beschluss des Vorstands der Beklagten ist nicht nach § 44 VwVfG nichtig. Die Beklagte hat die Ablichtung des Protokolls der Abteilungssitzung am 12. Dezember 2012 vorgelegt. Danach waren alle vier Mitglieder der Abteilung anwesend. Am 12. Dezember 2012 wurde beschlossen, den Antrag des Klägers abzulehnen. Dass zwei der vier Unterschriften unter dem Beschluss erst am Folgetag geleistet wurden, macht den Beschluss nicht nichtig. Weil der Beschluss in der Sitzung am 12. Dezember 2012 in Anwesenheit aller Beteiligter gefasst wurde, handelt es sich auch nicht um einen Umlaufbeschluss. Die Frage, ob die Geschäftsordnung des Vorstands der Beklagten eine Beschlussfassung im Umlaufverfahren zulässt, stellt sich nicht.

c) Der Kläger hat nicht nachgewiesen, die Fälle 4 bis 6 im maßgeblichen Zeitraum von drei Jahren vor Antragstellung inhaltlich bearbeitet zu haben. Im Zulassungsantrag wiederholt er lediglich seinen Vortrag aus der Klagebegründung, es sei üblich, kurz vor Verkündung der verfahrensbeendenden Entscheidung die Sach- und Rechtslage noch einmal zusammenzufassen. Näherer Vortrag dazu, ob, wann und wie dies in den betreffenden Verfahren tatsächlich geschehen ist, fehlt. Hinsichtlich der Fälle 8, 9, 11 und 12 nimmt er ohne nähere Erläuterung und ohne Angabe einer Fundstelle in den Akten oder des Datums eines Schriftsatzes auf "ergänzenden Vortrag" Bezug, der sich aus den dem Senat vorliegenden Akten jedoch nicht ergibt. Auf die Frage, ob Fall 13 einen hinreichenden Bezug zum Handels- und Gesellschaftsrecht aufweist, kommt es angesichts dessen nicht an.

d) Die Bearbeitung von zehn Fällen, welche die Gestaltung von Gesellschaftsverträgen oder die Gründung oder Umwandlung von Gesellschaften zum Gegenstand haben (§ 5 Abs. 1 lit. p Satz 2 FAO), hat der Kläger ebenfalls nicht nachgewiesen. Der Fallliste nach hat der Kläger in den Fällen 14 bis 36 jeweils im Rahmen eines Insolvenzverfahrens vorhandene, längst in Vollzug gesetzte Satzungen und Verträge überprüft, um hieraus Ansprüche gegen Gesellschafter, Geschäftsführer, Steuerberater oder Urkundsnotare herleiten zu können. Er hat jedoch nicht selbst Verträge entworfen oder bei der Gründung oder Umwandlung einer Gesellschaft beratend und gestaltend mitgewirkt. Die Fälle 37 bis 43, die für sich genommen nicht ausreichen würden, sind nicht ausreichend individualisiert. Auf die zutreffenden Ausführungen des Anwaltsgerichtshofs wird Bezug genommen. Auch hier behauptet der Kläger, Ergänzungen vorgenommen zu haben, ohne dass sich dies nachvollziehen lässt.

e) Die Ausführungen zum dritten Teil der Fallliste auf S. 22 ff. des Zulassungsantrags sind weitgehend unverständlich. Sie nehmen auf Hinweise des Berichterstatters Bezug, nicht auf das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.

f) Die Beklagte war nicht gehalten, den Kläger gemäß § 7 FAO zum Fachgespräch zu laden. Dann, wenn die Fachanwaltsordnung als Nachweis besonderer praktischer Erfahrungen eine Mindestanzahl an aus einem Fachgebiet oder einem Teilbereich dieses Fachgebiets bearbeiteten Fällen zwingend vorschreibt, können fehlende Fälle nicht durch ein erfolgreich absolviertes Fachgespräch ersetzt werden (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2013 - AnwZ (Brfg) 29/12, BRAK-Mitt. 2014, 83 Rn. 28 f.; vom 10. März 2014 - AnwZ (Brfg) 60/12, AnwBl. 2014, 652 Rn. 12). § 5 Abs. 1 lit. p FAO verlangt zwingend, ohne Ausnahme, den Nachweis von 10 gerichtsförmigen Fällen aus dem Gebiet des Handels- und Gesellschaftsrechts, die in den letzten drei Jahren vor Antragstellung persönlich und weisungsfrei bearbeitet wurden.

3. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

a) Dieser Zulassungsgrund ist gegeben, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGH, Beschluss vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 291; BVerfG, NVwZ 2009, 515, 518; BVerwG, NVwZ 2005, 709). Zur schlüssigen Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung gehören Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage sowie ihre Bedeutung für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen oder ihre Auswirkung auf die Allgemeinheit; begründet werden muss auch, warum ein korrigierendes Eingreifen des Berufungsgerichts erforderlich ist.

b) Der Kläger hat keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung dargelegt, insbesondere nicht auf Seite 11 der Begründung des Zulassungsantrags. Die von ihm weiter aufgeworfene Frage, ob der Nachweis von zehn Fällen, welche die Gestaltung von Gesellschaftsverträgen oder die Gründung oder Umwandlung von Gesellschaften zum Gegenstand haben (§ 5 Abs. 1 lit. p Satz 2 FAO), auch durch Fälle geführt werden kann, in welchen die Gründung einer Gesellschaft zum Zwecke der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen überprüft wurde, ist schon aufgrund des Textes der Fachanwaltsordnung zu verneinen; einer Entscheidung des Senats bedarf es nicht.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 194 Abs. 1 BRAO, § 52 Abs. 1 GKG. In Verfahren, welche das Führen von Fachanwaltsbezeichnungen betreffen, setzt der Senat den Streitwert regelmäßig auf 12.500 € fest (vgl. BGH, Urteil vom 26. November 2012 - AnwZ (Brfg) 56/11, NJW 2013, 175 Rn. 13; vom 8. April 2013 - AnwZ (Brfg) 16/12, NJW 2013, 2364 Rn. 17). Umstände, die im vorliegenden Fall ein Abweichen von dieser Praxis erfordern könnten, sind nicht ersichtlich.

Kayser Lohmann Seiters Stüer Braeuer Vorinstanz:

AGH Berlin, Entscheidung vom 06.11.2013 - II AGH 1/13 -






BGH:
Beschluss v. 17.11.2014
Az: AnwZ (Brfg) 84/13


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/74f51d8b9094/BGH_Beschluss_vom_17-November-2014_Az_AnwZ-Brfg-84-13




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