Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 17. Februar 1993
Aktenzeichen: 17 W 274/91
(OLG Köln: Beschluss v. 17.02.1993, Az.: 17 W 274/91)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Oberlandesgericht Köln hat in seinem Beschluss vom 17. Februar 1993 (Aktenzeichen 17 W 274/91) entschieden, dass eine Anwaltssozietät bei der gerichtlichen Geltendmachung einer ihr zustehenden Honorarforderung von einem oder mehreren Sozietätsmitgliedern oder einem externen Anwalt vertreten werden kann. In diesem Fall sind die Voraussetzungen für die Erhöhung der Prozessgebühr gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO erfüllt. Jedoch gehört der Mehrvertretungszuschlag zur Prozessgebühr bei einer Honorarklage der Anwaltssozietät nicht zu den vom unterlegenen Mandanten zu erstattenden notwendigen Kosten des Rechtsstreits im Sinne von § 91 ZPO.
Der Tenor der Entscheidung lautet, dass die Beschwerde der Kläger zurückgewiesen wird und diese die Gerichtsgebühren des Beschwerdeverfahrens tragen müssen. Die übrigen Kosten des Erinnerungs- und Beschwerdeverfahrens werden den Klägern zu 7/11 und dem Beklagten zu 4/11 auferlegt.
Das Gericht hat festgestellt, dass die Kläger zwar einen Mehrvertretungszuschlag gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO für ihre Vertretung im Prozess erhalten, dieser aber nicht zu den erstattungsfähigen Kosten im Sinne von § 91 ZPO gehört. Die Kosten, die der obsiegenden Partei vom unterlegenen Gegner erstattet werden können, sind nur diejenigen, die sie bei vernünftiger Interessenwahrung zur Erreichung des Prozessziels aufwenden musste. Es wird davon ausgegangen, dass die Kläger ihr Rechtsschutzziel, einen auf Zahlung des Honorars an alle Mitglieder der Sozietät lautenden Vollstreckungstitel zu erwirken, auch ohne den Mehrvertretungszuschlag erreichen können. Daher ist dieser nicht erstattungsfähig.
Die Entscheidung beruht auf dem Grundsatz, dass eine Anwaltssozietät einem ihrer Mitglieder die gerichtliche Geltendmachung einer Honorarforderung überlassen kann, um Kosten zu sparen. Jedes Mitglied der Sozietät ist berechtigt, den Vergütungsanspruch im eigenen Namen als Gesamtgläubiger geltend zu machen. Durch einen Vollstreckungstitel, der auf Zahlung an alle Mitglieder der Sozietät lautet, werden diese nicht schlechter gestellt als bei einem Titel, der mehrere oder alle von ihnen als Vollstreckungsgläubiger ausweist. Die Anwaltssozietät hat somit ihre vertraglichen Verpflichtungen gegenüber dem Mandanten erfüllt, indem sie die Honorarforderung auf effiziente und kostengünstige Weise geltend macht.
Die beschwerdeführenden Kläger haben ihre Beschwerde somit zu Unrecht eingereicht. Die Kostenentscheidung des Gerichts beruht auf den entsprechenden Vorschriften der Zivilprozessordnung.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
OLG Köln: Beschluss v. 17.02.1993, Az: 17 W 274/91
1. Läßt sich eine Anwaltssozietät bei der gerichtlichen Geltendmachung einer ihr zustehenden Honorarforderung gegenüber dem Mandanten von einem oder mehreren Sozietätsmitgliedern oder einem außenstehen Anwalt als Prozeßbevollmächtigten vertreten, sind die Voraussetzungen der Erhöhung der Prozeßgebühr gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO erfüllt.
2. Der Mehrvertretungszuschlag zur Prozeßgebühr gehört bei einer Honorarklage der Anwaltssozietät aber nicht zu den vom unterlegenen Mandanten zu erstattenden notwendigen Kosten des Rechtsstreits im Sinne von § 91 ZPO.
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen. Die Kläger tragen die Gerichtsgebühr des Beschwerdeverfahrens. Die übrigen Kosten des Erinnerungs- und Beschwerdeverfahrens werden den Klägern zu 7/11, dem Beklagten zu 4/11 auferlegt.
Gründe
Das zulässige Rechtsmittel der Kläger
hat keinen Erfolg. Zu Recht hat es die Rechtspflegerin in dem
angefochtenen Beschluß abgelehnt, die von den Klägern geltend
gemachte Erhöhung der Prozeßgebühr um 18/10 gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2
BRAGO zum Betrage von 689,40 DM zuzüglich 14 % Mehrwertsteuer,
insgesamt 785,92 DM, in die Kostenausgleichung einzubeziehen.
1.
Zutreffend gehen die Kläger allerdings
davon aus, daß der Anwaltssozietät, deren Mitglieder sie sind, für
ihre Vertretung im Prozeß ein Mehrvertretungszuschlag gemäß § 6
Abs. 1 Satz 2 BRAGO erwachsen ist. Nach dieser Vorschrift erhöht
sich die Prozeß-gebühr des für mehrere Auftraggeber in derselben
Angelegenheit zum selben Gegenstand tätigen Rechtsanwalts durch
jeden Auftraggeber um 3/10, höchstens jedoch um zwei volle
Gebühren. Die Kläger sind als Auftraggeber der Sozietät anzusehen.
Treten - wie im hier zu entscheidenden Fall - nicht besondere
Umstände in Erscheinung, die eine Selbstvertretung einzelner oder
aller zu einer Sozietät verbundenen klagenden oder beklagten
Rechtsanwälte nahelegen, ist anzunehmen, daß die Anwälte ihre
gemeinschaftliche Vertretung der Sozietät übertragen haben und daß
die Gebühren und Auslagen für ihre Prozeßvertretung in der Instanz
nur einmal anfallen (vgl. hierzu Beschluß des Senats vom 17.
September 1979 - 17 W 252-253/79 -, veröffentlicht in JurBüro
1980, 613). Hinsichtlich des Begriffs "mehrere Auftraggeber"
bestehen hier keine Bedenken. Insoweit ist darauf abzustellen, ob
an der Angelegenheit, in der der Anwalt bzw. die Anwaltssozietät
tätig geworden ist, mehrere natürliche oder juristische Personen
beteiligt sind. Der Senat hat seine früher in ständiger
Rechtsprechung vertretene Auffassung, wonach Mitglieder einer
Anwaltssozietät in Prozessen aus dem Mandatsverhältnis nicht
mehrere Auftraggeber im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO seien
(vgl. z.B. die oben zitierte Entscheidung) aufgegeben (Beschluß des
Senats vom 22. Oktober 1987 - 17 W 279/87 -, veröffentlicht in
JurBüro 1987, 1871 = Rpfl. 1988, 119 = Anw.Bl. 1988, 251 = MDR
1988, 155 mit Anmerkung von Schneider). Hier sind von der
Anwaltssozietät im Prozeß sieben Kläger in derselben Angelegenheit
und zum selben (Streit- ) Gegenstand, nämlich bei der
Geltendmachung einer ihnen gemeinschaftlich zustehenden
Honorarforderung, vertreten worden.
2.
Der der Anwaltssozietät der Kläger
erwachsene Mehrvertretungszuschlag gehört indessen nicht zu den
notwendigen Kosten der Rechtsverfolgung im Sinne von § 91 Abs. 1
Satz 1 ZPO. Führen mehrere Mitglieder einer Anwaltssozietät einen
Aktivprozeß, der eine ihnen gemeinsam zustehende Honorarforderung
zum Gegenstand hat, ist der durch ihre gemeinschaftliche
anwaltliche Vertretung im Rechtsstreit gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2
BRAGO anfallende Mehrvertretungszuschlag in der Regel nicht
erstattungsfähig.
Im Kostenrecht gilt der Grundsatz, daß
die obsiegende Partei nur diejenigen Kosten ihrer Prozeßführung vom
unterlegenen, zur Kostentragung verurteilten Gegner erstattet
verlangen kann, die sie bei vernünftiger, sachgerechter Wahrung
ihrer Interessen zur Erreichung des Prozeßziels aufwenden mußte. Im
Rahmen dieses Grundsatzes haben die Kostenfestsetzungsorgane nicht
unter allen Umständen diejenigen Kosten zu berücksichtigen, deren
es zum Ablauf des Prozesses, wie er tatsächlich geführt worden ist,
bedurfte. Vielmehr ist auch zu prüfen, ob die jeweilige Partei bzw.
die jeweiligen Parteien ihr Rechtsschutzziel auf eine
gleichwertige Art ohne Gefährdung wohlverstandener Belange hätten
erreichen können (Beschluß des Senats vom 23. September 1991 - 17
W 129/91 -, veröffentlich in OLGR Köln 1992, 79). So ist allgemein
anerkannt, daß eine Partei, die einen oder mehrere Ansprüche ohne
triftigen Grund durch mehrere Klagen verfolgt, obwohl die
Geltendmachung zumutbarerweise in einem Prozeß hätte erfolgen
können, nur diejenigen - geringeren - Kosten erstattet verlangen
kann, die ihr bei der letztgenannten Verfahrensweise entstanden
wären (Zöller-Herget, ZPO, 17. Auflage, § 91 Rn. 13 "Mehrheit von
Prozessen" m.w.N.). Auch gibt es Fallgestaltungen, bei denen eine
Mehrheit von Gläubigern aus dem Gesichtspunkt tunlichster
Kostenersparnis einem von ihnen die gerichtliche Geltendmachung
eines gemeinschaftlichen Anspruchs zu überlassen hat. So hat der
Senat in seinem zuletzt zitierten Beschluß entschieden, daß die
Mitglieder einer ungeteilten Erbengemeinschaft bei ungestörtem
Innenverhältnis unter Kostengesichtspunkten grundsätzlich gehalten
sind, eine Nachlaß-forderung gemäß § 2039 BGB von einem von ihnen
gerichtlich verfolgen zu lassen; klagen in einem derartigen Fall
mehrere Miterben, so ist der einem gemeinsamen
Prozeßbevollmächtigten erwachsene Mehrvertretungszuschlag nicht
erstattungsfähig.
Entsprechendes gilt nach Auffassung des
Senats bei gerichtlicher Geltendmachung einer Honorarforderung,
die einer Anwaltssozietät zusteht. Ohne Gefährdung ihrer
berechtigten Interessen können die Mitglieder der Sozietät ihr
Rechtsschutzziel, einen auf Zahlung des Honorars an alle Mitglieder
lautenden Vollstreckungstitel gegen den Schuldner zu erwirken,
unter Vermeidung eines Mehrvertretungszuschlages dadurch
erreichen, daß ein Mitglied Klage erhebt. Vergütungsansprüche der
Mitglieder einer Anwaltssozietät gehören zwar im allgemeinen zu dem
nach § 719 Abs. 1 BGB gesamthänderisch gebundenen
Gesellschaftsvermögen. Den Besonderheiten der Anwaltsgemeinschaft
Rechnung tragend wird indessen von der Rechtsprechung und Literatur
nahezu einhellig die auch vom Senat geteilte Auffassung zu
vertreten, daß jedes Mitglied der Sozietät berechtigt ist, den
Vergütungsanspruch im eigenen Namen als Gesamtgläubiger geltend zu
machen (z.B. BGH NJW 1980, 2407; OLG Düsseldorf Anw.Bl. 1985, 388;
OLG Saarbrücken Rpfl. 1978, 227; Riedel/Sußbauer, BRAGO, 6.
Auflage, § 5 Rn. 2; Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, BRAGO, 11.
Auflage, § 5 Rn. 9; Hartmann, Kostengesetze, 24. Auflage, § 5
BRAGO Anm. 2 B). Im übrigen können die Grundsätze der gewillkürten
Prozeßstandschaft allgemein auch auf die Einziehung von Forderungen
einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts angewandt werden, so daß ein
Vergütungsanspruch der Anwaltsgemeinschaft von einem ihrer
Mitglieder auch aufgrund einer entsprechenden Ermächtigung der
Sozietät im eigenen Namen gegen den Mandanten eingeklagt werden
kann (BGH NJW 1988, 1585). Durch einen von einem der
Sozietätsanwälte erwirkten Vollstreckungstitel, der auf Zahlung an
alle Mitglieder der Anwaltssozietät lautet, werden diese nicht
schlechter als bei einem Titel gestellt, der mehrere oder gar alle
von ihnen als Vollstreckungsgläubiger ausweist.
Mit dieser kostensparenden
Vorgehensweise entspricht die Anwaltssozietät auch ihren
vertraglichen Verpflichtungen gegenüber dem Mandaten. Dabei mag
dahinstehen, ob der von einem Mandaten mit einer Sozietät
geschlossene Anwaltsvertrag im allgemeinen dahin auszulegen ist,
daß der Mandant bei der Beitreibung eines Honoraranspruchs wie bei
der Beauftragung eines einzigen Anwalts zu stellen ist (so z.B. OLG
Düsseldorf JurBüro 1981, 1514; Mümmler JurBüro 1980, 1175 und 1988,
603). Jedenfalls folgt aus der allgemeinen, auch nachvertraglich
wirkenden anwaltlichen Pflicht, vorhersehbare, vermeidbare
Nachteile vom Mandanten fernzuhalten, insbesondere den für ihn
kostengünstigsten Weg einzuschlagen, daß es die Anwaltssozietät
einem ihrer Mitglieder zu überlassen hat, eine ihr zustehende
Honorarforderung im eigenen Namen geltend zu machen (OLG
Zweibrücken JurBüro 1984, 1828; OLG Karlsruhe JurBüro 1988, 1661;
Zöller-Herget, § 91 Rn. 13 "Sozietät"; Gerold/Schmidt/v.
Eicken/Madert, § 6 Rn. 15). Klagen dementgegen alle
Sozietätsmitglieder ein Honorar ein, müssen sie sich gegenüber dem
zur Kostentragung verurteilten Mandanten erstattungsrechtlich so
behandeln lassen, als habe nur eines ihrer Mitglieder im eigenen
Namen den Zahlungstitel erwirkt; der Mehrvertretungszuschlag ist
nicht erstattungsfähig, unabhängig davon, ob sich die
Anwaltsgemeinschaft von einem oder mehreren Mitgliedern oder von
einem außenstehenden Rechtsanwalt im Prozeß hat vertreten lassen.
Erst recht kann es erstattungsrechtlich nicht als gerechtfertigt
angesehen werden, daß jeder der Angehörigen einer Anwaltssozietät
sich selbst vertritt mit der Folge, daß der unterlegene Mandant mit
dem der Anzahl der Sozien entsprechenden Mehrfachen der
Anwaltsgebühren belastet wird (vgl. hierzu den in JurBüro 1988,
457, veröffentlichten Beschluß des Senats vom 16. April 1987 - 17 W
186-187/85 -; außerdem OLG Bamberg JurBüro 1985, 773). Die vom
Senat zur erstattungsrechtlichen Behandlung von anwaltlichen
Honorarprozessen vertretene Auffassung entspricht - jedenfalls im
Ergebnis - der herrschenden Meinung in Literatur und
Rechtsprechung (vgl. die Nachweise bei Gerold/Schmidt/v.
Eikken/Madert a.a.O., auch zur vereinzelten Gegenmeinung).
Für den hier zu entscheidenden Fall
bedeutet dies, daß die von den Klägern zur Kostenausgleichung
angemeldete Erhöhung der Prozeßgebühr nicht den zur
Rechtsverfolgung notwendigen Kosten des Rechtsstreits im Sinne von
§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zuzurechnen ist.
3.
Demgemäß ist die Beschwerde der Kläger
zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97
Abs. 1, 515 Abs. 3 (analog) ZPO. Dabei hat der Senat
berücksichtigt, daß der Beklagte seine Erinnerung gegen den auch
von den Klägern angefochtenen Beschluß zurückgenommen hat.
Streitwert für das Erinnerungs- und
Beschwerdeverfahren: 892,45 DM; Wert für die Gerichtsgebühr des
Beschwerdeverfahrens: 573,72 DM.
OLG Köln:
Beschluss v. 17.02.1993
Az: 17 W 274/91
Link zum Urteil:
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