Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. September 2010
Aktenzeichen: 26 W (pat) 126/09
(BPatG: Beschluss v. 29.09.2010, Az.: 26 W (pat) 126/09)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Bundespatentgericht hat in einem Beschluss vom 29. September 2010 entschieden, dass die angemeldete Marke "clever Kitchen" für bestimmte Waren und Dienstleistungen nicht eingetragen werden kann. Die Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamtes hatte die Anmeldung zuvor zurückgewiesen, da die Marke entweder beschreibend oder von geringer Unterscheidungskraft sei. Der Anmelder hatte gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt.
Das Bundespatentgericht stellte fest, dass die Wortkombination "clever Kitchen" eine intelligente und technisch ausgestattete Küche bezeichnen könne. Daher sei die Marke für Küchenmöbel, Küchenutensilien und bestimmte Elektrogeräte beschreibend und könne nicht eingetragen werden. Auch für sanitäre Anlagen, die in Großküchen verbaut werden, könne die Marke beschreibend sein.
Das Gericht argumentierte weiter, dass die Marke "clever Kitchen" auch für die angebotenen Dienstleistungen wie Kochkurse und Veranstaltungen in intelligenten Küchen beschreibend sei. Die Marke könne zudem auf die Art der Zubereitung von Speisen hinweisen. Das Gericht stellte fest, dass die Marke für die meisten der beanspruchten Waren und Dienstleistungen keine Unterscheidungskraft habe und daher nicht eingetragen werden könne.
Allerdings entschied das Gericht, dass die Marke für die Waren "Spiegel, Bilderrahmen, Kämme" und "Stahlspäne" eingetragen werden könne, da hier kein beschreibender Bezug zur Marke bestehe. Das Gericht wies darauf hin, dass frühere Eintragungen ähnlicher Marken keine Selbstbindung für diese Entscheidung darstellten.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 29.09.2010, Az: 26 W (pat) 126/09
Tenor
1. Auf die Beschwerde werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 20 des Deutschen Patentund Markenamtes vom 12.3.2009 und vom 27.6.2008 insoweit aufgehoben, als die Anmeldung für die Waren "Spiegel, Bilderrahmen, Kämme" und "Stahlspäne" zurückgewiesen worden ist.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I.
Mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 20 des Deutschen Patentund Markenamtes die Anmeldung der unter anderem für die Waren und Dienstleistungen
"Schlosserwaren und Kleineisenwaren, Metallrohre; Waren aus Metall, soweit in Klasse 6 enthalten;
Wäge-, Mess-, Signalund Kontrolleinstrumente; Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regel und Kontrollieren von Elektrizität; Feuerlöschgeräte;
Beleuchtungs-, Heizungs-, Dampferzeugungs-, Koch-, Kühl-, Trocken-, Lüftungsund Wasserleitungsgeräte sowie sanitäre Anlagen; Küchenherde, Kühlanlagen für Flüssigkeiten, Kühlbehälter, Kühlschränke;
Möbel, Spiegel, Bilderrahmen; Waren, soweit in Klasse 20 enthalten, aus Holz, Kork, Rohr, Binsen, Weide, Horn, Knochen, Elfenbein, Fischbein, Schildpatt, Bernstein, Perlmutt, Meerschaum und deren Ersatzstoffe oder aus Kunststoffen; Ablageplatten, Befestigungsflaschen für Kunststoff, Kabel und Rohre, Auflage-Böcke, Bolzen, nicht aus Metall, Container, nicht aus Metall; Tische aus Metall;
Geräte und Behälter für Haushalt und Küche (nicht aus Edelmetall oder plattiert); Kämme und Schwämme; Bürsten (mit Ausnahme von Pinseln); Bürstenmachermaterial; Putzzeug; Stahlspäne; rohes und teilweise bearbeitetes Glas (mit Ausnahme von Bauglas); Glaswaren, Porzellan und Steingut, soweit in Klasse 21 enthalten;
Organisation und Veranstalten von Kochkursen, Organisation und Veranstaltung von Prominenten-Wettkochen;
Dienstleistungen zur Verpflegung und Beherbergung von Gästen"
bestimmten Marke 307 81 623.0 / 20 clever Kitchenwegen der vorstehenden Warenund Dienstleistungen zurückgewiesen, weil der angemeldeten Marke für die bezeichneten Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehle und für die beschreibende Wortkombination ein Freihaltungsbedürfnis im Sinne der §§ 37, 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG bestehe. Das aus dem Englischen stammende Adjektiv "clever" habe in der Bedeutung "klug, geschickt, intelligent" als Fremdwort Eingang in die deutsche Sprache gefunden. In Kombination mit dem dem englischen Grundwortschatz zuzuordnenden Wort "kitchen" für Küche könne es eine intelligent gestaltete, eingerichtete oder ausgestattete Küche und weitere Waren bezeichnen, die zu deren Einrichtung und zur Verwendung im Zusammenhang mit intelligenten Kücheneinrichtungen geeignet und bestimmt seien. Soweit "Clever Kitchen" die Art der Zubereitung von Speisen bezeichne, weise das angemeldete Zeichen darauf hin, dass die "Organisation und Veranstaltung von Kochkursen", "Prominenten-Wettkochen" und "Dienstleistungen zur Verpflegung und Beherbergung von Gästen" eine intelligente Zubereitung und Präsentation von Speisen zum Gegenstand hätten. Voreintragungen könnten nicht zu einer anspruchsbegründenden Selbstbindung des Deutschen Patentund Markenamts führen.
Hiergegen wendet sich der Anmelder mit seiner Beschwerde, mit welcher er sinngemäß beantragt, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben.
Er ist der Ansicht, bei der zusammengesetzten Marke handele es sich um eine Fantasiebezeichnung, die durch eine "Vermenschlichung" der Begrifflichkeit Küche entstanden sei, denn eine "intelligente" Küche gebe es nicht. Für eine Anzahl näher bezeichneter Waren sowie für die beanspruchten Dienstleistungen fehle ein unmittelbarer Produktbezug zur angemeldeten Marke. "Clever Kitchen" sei für die identischen Waren und Dienstleistungen der Klassen 11, 20 und 21 unter dem Aktenzeichen 307 13 950.6 durch das Deutsche Patentund Markenamt bereits einmal eingetragen worden.
Ergänzend wird auf den Inhalt der Akten des Deutschen Patentund Markenamtes Az. 307 81 623.0/20 Bezug genommen.
II.
Die nach § 66 MarkenG zulässige Beschwerde hat lediglich in geringem Umfang Erfolg. Denn mit Ausnahme der Waren "Spiegel, Bilderrahmen, Kämme" und "Stahlspäne" stehen einer Eintragung der angemeldete Marke "clever Kitchen" für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen absolute Schutzhindernisse gem. §§ 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2, 37 Abs. 1 MarkenG entgegen, weil für die angemeldete Wortkombination im Übrigen entweder als beschreibende Sachangabe ein Freihaltebedürfnis besteht oder ihr insoweit jegliche Unterscheidungskraft fehlt.
Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind solche Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehru. a. zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der Waren und Dienstleistungen dienen können. Insbesondere hat eine Marke, die sich aus einem Wort mit mehreren Bestandteilen zusammensetzt, von denen jeder Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen beschreibt, selbst einen die genannten Merkmale beschreibenden Charakter im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, es sei denn, dass ein merklicher Unterschied zwischen dem Wort und der bloßen Summe seiner Bestandteile besteht. Dabei führt die bloße Aneinanderreihung solcher beschreibender Bestandteile ohne Vornahme einer ungewöhnlichen Änderung, insbesondere syntaktischer oder semantischer Art, nur zu einer Marke, die ausschließlich aus beschreibenden Zeichen oder Angaben besteht (EuGH GRUR Int. 2004, 410, 413 -BIOMILD; EuGH GRUR Int. 2004, 500, 507 - Postkantoor).
Wie von der Markenstelle durch Nachweise belegt, bezeichnet die Wortkombination "clever Kitchen" eine mit gerätetechnischer Intelligenz ausgestattete Küche. Glatt beschreibend ist die Wortkombination daher für Küchenmöbel, Küchenutensilien und solche Elektrogeräte, die ihrer Art und Beschaffenheit nach für den Einsatz in einer intelligenten Küche, auch einer intelligenten Großküche bestimmt sind (vgl. BPatG PAVIS PROMA 30 W (pat) 330/03 - smart client).
Entgegen der Auffassung des Anmelders ist dabei nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht erforderlich, dass die beanspruchten Waren selbst mit gerätetechnischer Intelligenz ausgestattet sind. Ihrer beschreibenden Funktion steht ebenfalls nicht entgegen, dass die angemeldete Marke eine menschliche Eigenschaft ("clever") mit einem Sachbegriff ("Kitchen") kombiniert. Bereits die Markenstelle hat Nachweise für die Üblichkeit einer solchen Kombination vorgelegt. Weitere Belege stellen die Verwendung der Begriffe "Schlaue Stromzähler kommen teuer", "Intelligente Strommesser" (Spiegel online, 14.08.2010, "Schlaue Stromzähler kommen teuer"), "Intelligente Haushaltsgeräte mit Fernbedienung"; (http://www.epreise24.de) und speziell für Küchen die Bezeichnungen "Alles, was dazugehört, findet sich im Tielsa-Programm: (...) Intelligente Funktionen und Ideen, die den Spaß beim Vorbereiten und Kochen erhöhen" (Tielsa Küchen GmbH, Katalog 08/96) und "eine Küche mit Persönlichkeit" (Dt. Möbel-Verbund Handels GmbH, Contur-Einrichtungen, Küchenmagazin 97/98) dar (vgl. auch BPatG PAVIS-PROMA 29 W (pat) 63/00 - SmartBox, HABM PAVIS-PROMA R0218/07-2, 25.04.2007 -Smart House, BPatG PAVIS-PROMA 30 W (pat) 330/03
- smart client).
Wegen des engen beschreibenden Bezuges werden auch speziell für Küchenmöbel gefertigte Bauteile und solche für Elektrogeräte, die typischerweise in einer Küche Verwendung finden, vom Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG erfasst. Auch sanitäre Anlagen wie beispielsweise Duschen werden in Großküchen eingebaut (vgl. BPatG PAVIS-PROMA 32 W (pat) 18/97 - kitchenline). Feuerlöscher werden u. a. speziell zur Verwendung in Küchen hergestellt (vgl. beispielsweise www.mercateo.com, Angebot Prymos Feuerlöschspray Feuerlöscher Küche und Gastro 580 ml). Mitbewerber haben ebenso wie der Anmelder ein Interesse daran, die beschreibende Bezeichnung "clever Kitchen" für diese Waren zu verwenden.
Liegen solche konkret beschreibenden Zusammenhänge für verschiedene multifunktionale Waren wie die genannten Bauteile, so etwa für Schlosserwaren und Kleineisenwaren, Wäge-, Mess-, Signalund Kontrolleinstrumente und die genannten Dienstleistungen nicht ganz so nahe, kann in diesem Fall gleichwohl dahinstehen, ob insoweit noch eine unmittelbare Beschreibung vorliegt. Denn mit Ausnahme der im Tenor genannten Waren fehlt der angemeldeten Marke für sämtliche übrigen beanspruchten Waren und Dienstleistungen jedenfalls jegliche Unterscheidungskraft, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
Dies ist stets der Fall, wenn einer Wortmarke ein für die in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden kann und es sich auch sonst um einen verständlichen Ausdruck der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache handelt, der vom Verkehr -etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung -stets nur als solcher und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird (vgl. BGH WRP 1999, 1169, 1171 "FOR YOU"; WRP 1999, 1167, 1168 "YES"; WRP 2000, 741 "LOGO"; BGH WRP 2001, 35 "RATIONAL SOFTWARE CORPORATION").
"Clever Kitchen" eignet sich als Hinweis auf die Eignung oder Bestimmung der beanspruchten Waren zum Einsatz in einer mit gerätetechnischer Intelligenz ausgestatteten Küche. Im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen, die "Organisation und Veranstaltung von Kochkursen", "Prominenten-Wettkochen" und "Dienstleistungen zur Verpflegung und Beherbergung von Gästen" kann "Clever Kitchen" aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise darauf hinweisen, dass die genannten Veranstaltungen in einer mit gerätetechnischer Intelligenz ausgestatteten Küche stattfinden und Gäste mit dort hergestellten Speisen verpflegt werden. Wie bereits von der Markenstelle belegt und ausgeführt, kann die angemeldete Wortkombination zusätzlich die Art der Zubereitung von Speisen bezeichnen, die für Gäste oder im Rahmen der genannten Veranstaltungen hergestellt werden. Der angesprochene durchschnittliche Verbraucher wird "Clever Kitchen" wegen dieses im Vordergrund stehenden sachbezogenen Begriffsinhalts für sämtliche beanspruchten Waren und Dienstleistungen mit Ausnahme der im Tenor genannten Waren nur als Sachhinweis, nicht aber als Hinweis auf einen bestimmten Geschäftsbetrieb verstehen. Insoweit war die Beschwerde der Anmelderin daher zurückzuweisen.
Demgegenüber handelt es sich bei der Bezeichnung "clever Kitchen" nicht um eine Angabe, die objektiv zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder zur Bezeichnung sonstiger Eigenschaften der Waren "Spiegel, Bilderrahmen, Kämme" und "Stahlspäne" dienen kann i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG; ein Freihaltebedürfnis besteht nicht. Diesen Waren fehlen spezielle Erfordernisse oder besondere Eigenschaften, die sie für ihren Einsatz in "intelligenten Küchen" geeignet erscheinen lassen und von für andere Zwecke verwendeten Waren unterscheiden. Zwar können diese Waren in irgendeinem entfernten Zusammenhang mit einer "intelligenten Küche" stehen. Es ist aber nicht ersichtlich, inwieweit "clever Kitchen" einen Hinweis auf konkrete Eigenschaften dieser Waren enthalten könnte. Der angesprochene durchschnittliche Verbraucher wird die insoweit i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG unterscheidungskräftige, angemeldete Marke für "Spiegel, Bilderrahmen, Kämme" und "Stahlspäne" weder als Beschaffenheitsoder Bestimmungsangabe, noch als reine Sachangabe verstehen. Da auch andere Schutzhindernisse nicht ersichtlich sind, war der Beschwerde der Anmelderin insoweit teilweise stattzugeben.
Diesem Ergebnis können Voreintragungen identischer oder vergleichbar gebildeter Marken nicht entgegengehalten werden. Denn diese führen weder für sich noch in Verbindung mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes zu einer Selbstbindung derjenigen Stellen, welche über die Eintragung zu befinden haben. Die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke ist keine Ermessens-, sondern eine Rechtsfrage (vgl. EuGH MarkenR 2008, 163, 167 [Rz. 39] -Terranus; GRUR 2004, 674, Nrn. 43, 44 -Postkantoor; GRUR 2004, 428, Nr. 63 -Henkel; BPatG MarkenR 2007, 351, 352 f. -Topline; GRUR 2007, 333, 335 ff. -Papaya; GRUR 2010, 423 amazing discoveries; GRUR 2010, 425 -Volksflat). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs verbietet die Markenrechtsrichtlinie es daher den nationalen Eintragungsbehörden und den mit der Markeneintragung befassten nationalen Gerichten, bei Bestehen eines Eintragungshindernisses dem Eintragungsbegehren allein deshalb stattzugeben, weil bereits identische oder vergleichbar gebildete Marken für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen eingetragen sind (vgl. EuGH, GRUR 2009, 667, 668 [Rz. 15 ff.] -Bild.T-Online.de und ZVS).
Dr. Fuchs-Wissemann Reker Dr. Schnurr Bb
BPatG:
Beschluss v. 29.09.2010
Az: 26 W (pat) 126/09
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/77ccb4e80839/BPatG_Beschluss_vom_29-September-2010_Az_26-W-pat-126-09