Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 18. Dezember 2007
Aktenzeichen: 4 U 140/07
(OLG Hamm: Urteil v. 18.12.2007, Az.: 4 U 140/07)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Oberlandesgericht Hamm hat in einem Urteil vom 18. Dezember 2007 entschieden, dass die Berufung der Klägerin gegen ein Urteil des Landgerichts Essen zurückgewiesen wird. Die Klägerin ist eine Gemeinschaft von Tierarztpraxen, die auch in H eine Tierarztpraxis betreibt. Die Beklagte ist die Verlegerin einer Wochenzeitung für H und Umgebung. In einem redaktionellen Teil der Zeitung veröffentlichte sie eine Liste von verschiedenen Notdiensten von Ärzten, Zahnärzten und Apotheken in H mit den entsprechenden Telefonnummern. Unter den aufgeführten Notdiensten war auch der tierärztliche Notdienst der Klägerin nicht aufgeführt. Die Klägerin sah darin eine unzulässige Werbung der Beklagten für einen privaten Notdienst und eine wettbewerbswidrige Förderung des Fremdwettbewerbs. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht bestätigte diese Entscheidung. Es befand, dass die Beklagte mit der Veröffentlichung der Telefonnummer keinen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht begangen hat. Die Veröffentlichung stellt keine getarnte Werbung dar und ist nicht als Schleichwerbung anzusehen. Der redaktionelle Beitrag dient der sachlichen Unterrichtung der Leser und erfüllt den Informationsauftrag der Presse. Eine eventuelle Werbewirkung ist lediglich eine Begleiterscheinung. Das Oberlandesgericht wies daher die Berufung der Klägerin zurück und bestätigte das Urteil des Landgerichts. Die Klägerin kann gegen diese Entscheidung keine Revision einlegen.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
OLG Hamm: Urteil v. 18.12.2007, Az: 4 U 140/07
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 19. Juli 2007 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Essen wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Die Klägerin ist eine Gemeinschaft von bundesweit tätigen Tierarztpraxen, die auch in H, M-Straße, eine Tierarztpraxis betreibt. Sie bietet dort auch einen 24-stündigen Notdienst an.
Die Beklagte ist die Verlegerin der Wochenzeitung "T" für H und Umgebung. Im redaktionellen Teil am rechten Rand veröffentlicht sie unter der Überschrift "Nachtglocke" ein Verzeichnis verschiedener Notdienste von Ärzten, Zahnärzten und Apotheken in H mit den entsprechenden Telefonnummern. Unter dieser Rubrik war am 11. Oktober 2006 und ist bis heute regelmäßig die Eintragung abgedruckt:
Tierärztlicher Notdienst und darunter nach einem Bildzeichen für Telefon die Nummer: ......#/.......
Diese Nummer gehört einem privaten Notdienst, zu dem sich verschiedene H Tierarztpraxen zusammengeschlossen haben. Weitere Notdienste von Tierärzten sind im redaktionellen Teil nicht aufgeführt. Die Klägerin hat im Anzeigenteil mit ihrem tierärztlichen Notdienst geworben und dabei auch die Telefonnummer des Notdienstes angegeben.
Die Klägerin hat in der Veröffentlichung der Telefonnummer des Notdienstes der zusammengeschlossenen Tierärzte im redaktionellen Teil der Zeitung eine unzulässige getarnte redaktionelle Werbung der Beklagten und eine darin liegende wettbewerbswidrige Förderung fremden Wettbewerbs des aufgeführten privaten Notdienstes gesehen. Sie hat gemeint, es sei kein journalistischer Grund dafür ersichtlich, nur diese eine Telefonnummer dauerhaft redaktionell zu veröffentlichen und damit hervorzuheben. Es widerspreche im Übrigen auch Nr. 3 der Verlegerrichtlinien (Bl.17), in der geregelt sei, dass Notdienste von Ärzten im Anzeigenteil erscheinen sollten. Die Klägerin hat ferner gemeint, die Leser bekämen durch die Auflistung der Notrufnummer im redaktionellen Teil in Zusammenhang mit den anderen Notdiensten den Eindruck, es handele sich um einen quasi "amtlichen" tierärztlichen Notdienst, wie man ihn von Ärzten und Apotheken her kenne. Der Eindruck werde noch dadurch verstärkt, dass sie, die Klägerin, im Anzeigenteil desselben Blattes gegen Honorar für ihren Notdienst werben müsse, um auf ihn aufmerksam zu machen.
Die Beklagte hat sich gegen die Klage verteidigt. Sie hat in Abrede gestellt, dass sie mit der Veröffentlichung der Telefonnummer Werbung für den aufgeführten Notdienst betrieben habe. Der Veröffentlichung habe kein entgeltlicher Anzeigenauftrag zugrunde gelegen. Sie habe auch nicht den Wettbewerb der in diesem Notdienst vertretenen Tierärzte fördern wollen, sondern im öffentlichen Interesse über diesen Zusammenschluss verschiedener Tierärzte der Region zum Zwecke der Bildung eines Notdienstes informieren wollen. Den Lesern habe eine Telefonnummer für den Notfall an die Hand gegeben werden sollen, unter der sie in einem Notfall tierärztliche Hilfe rund um die Uhr erlangen könnten. Welche der möglichen Notrufnummern sie dabei auswähle, stehe in ihrem redaktionellen Ermessen. In keinem Fall sei sie verpflichtet, im redaktionellen Teil alle denkbaren Notdienst-Nummern aufzuführen, was schon aus Platzgründen scheitern müsste.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat zwar eine Wettbewerbshandlung der Beklagten bejaht, aber einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch wegen getarnter redaktioneller Werbung im Sinne des § 4 Nr. 3 UWG verneint. Dabei hat es entscheidend darauf abgestellt, dass sich die Klägerin nicht dagegen wende, dass die Beklagte im redaktionellen Teil Notdienstrufnummern veröffentliche und damit für die hinter den Rufnummern stehenden Ärzte und Tierärzte werbe, sondern dass sie selbst nicht in eine solche Werbung einbezogen werde. Eine Verpflichtung der Beklagten zur Veröffentlichung sämtlicher Notdienstrufnummern, die ihr angetragen würden, hat das Landgericht aber verneint. Es liege vielmehr in ihrem redaktionellen Ermessen, in welchem Umfang sie die Öffentlichkeit informiere. Die redaktionelle Freiheit sei grundsätzlich weit zu fassen und ende erst dort, wo mit ihr eine unlautere Wettbewerbsförderung verbunden sei. Wenn die sachliche Unterrichtung der Leser im Vordergrund stehe und eine bestimmte Werbewirkung nur eine Begleiterscheinung darstelle, scheide eine solche Wettbewerbswidrigkeit aus. Es möge zwar ein Nebeneffekt des angegriffenen Verhaltens sein, dass der Eindruck entstehe, es handele sich bei der veröffentlichten Telefonnummer um die Nummer des amtlichen tierärztlichen Notdienstes, neben dem es keinen weiteren tierärztlichen Notdienst gebe. Die dadurch möglich werdende Beeinträchtigung der Klägerin im Hinblick auf das Angebot ihres eigenen Notdienstes genüge aber nicht für eine Wettbewerbsverletzung. Eine solche setze vielmehr das zielgerichtete Fördern oder Benachteiligen eines bestimmten Wettbewerbers voraus. Eine solche Absicht der Beklagten sei weder dargelegt noch ersichtlich. Diese habe sich vielmehr aus redaktionellen Gründen dafür entschieden, die Sammelnummer zu veröffentlichen, unter der ein Großteil der örtliche Tierärzte im Wechsel Notdienst anböten. Damit solle auch ersichtlich kein bestimmter Tierarzt gefördert, sondern den Lesern eine bestimmte weitere Information geboten werden.
Die Klägerin greift das Urteil mit der Berufung an. Sie kritisiert unter Bezugnahme auf ihr bisheriges Vorbringen zunächst, dass das Landgericht übersehen habe, dass die unlautere Wettbewerbsförderung aus ihrer Sicht darin bestehe, dass die Beklagte nur eine private kommerzielle Notdienstrufnummer in ihre redaktionelle Rubrik "Nachtglocke" aufgenommen habe und diese dort regelmäßig nenne. Durch die regelmäßige Veröffentlichung nur dieser einen Nummer an dieser Stelle entstehe der Eindruck, es handele sich um eine Art von amtlichem Notdienst, etwa der Tierärztekammer. Dieser Eindruck werde noch dadurch verstärkt, dass andere tierärztliche Notdienste wie derjenige, an dem sich die Klägerin im Rahmen eines Zusammenschlusses mehrerer Tierärzte beteilige, durch Anzeigen an anderer Stelle auf sich aufmerksam machen müssten. Es werde für die Leser nicht erkennbar, dass es sich bei der Veröffentlichung der Notrufnummer in der "Nachtglocke" tatsächlich um Werbung handele. Das Landgericht sei auch nicht darauf eingegangen, dass die Verlegerrichtlinien verbieten würden, solche Notdienste in den redaktionellen Teil aufzunehmen. Aus der Rechtsprechung des BGH und des Senats (in der Sache 4 U 51 / 07) lasse sich jedenfalls entnehmen, dass beim Abdrucken von Telefonnummern in Notdienstrubriken die Grundsätze der Wettbewerbsneutralität und Gleichbehandlung zu beachten seien. Um diesem Gebot gerecht zu werden, könne die Beklagte entweder gar keinen privaten Notdienst aufnehmen oder aber alle. Sie könne nur nicht weiterhin so verfahren wie bisher, ohne Schleichwerbung zu betreiben. Die Klägerin hält insoweit die Einschätzung des Landgerichts, es gehe bei der exklusiven Nennung des einen Notdienstes in erster Linie um eine Serviceleistung und sachliche Unterrichtung des Lesers, für unrichtig. Eine sachliche Unterrichtung erfordere es in diesem Zusammenhang gerade, umfassend darüber zu berichten, dass es mehrere Anbieter gebe, unter denen die Leser auswählen könnten. Insoweit könne sich die Beklagte auch nicht auf Platzgründe berufen. Ein Blick auf die fragliche Zeitungsseite mache sofort klar, dass es nicht zutreffen könne, dass die Nachtglocke durch die Aufnahme zweier zusätzlicher Telefonnummern überfrachtet werde.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, es unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, in der von ihr verlegten Wochenzeitung "T" H in der redaktionellen Rubrik "Nachtglocke-Notdienste" für H Notdienstnummern von privat organisierten, kommerziellen tierärztlichen Notdiensten abzudrucken, ohne dabei alle privaten tierärztlichen Notdienste in H zu nennen und darauf hinzuweisen, dass es sich um private Notdienste handelt, wie geschehen in der Veröffentlichung im "T" vom 11. Oktober 2006.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich zunächst auf ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie wiederholt ihre Einschätzung, dass durch den Abdruck der Telefonnummer des tierärztlichen Notdienstes keine Beeinträchtigung der gewerblichen Interessen der Klägerin beabsichtigt gewesen oder entstanden sei. Es handele sich bei dem mit seiner Telefonnummer aufgeführten tierärztlichen Notdienst um den Zusammenschluss von ganz unterschiedlichen Tierärzten der Region. Es sei ihr nicht bekannt, warum sich die Klägerin dem Verbundservice nicht angeschlossen habe . Die Klägerin könne jedenfalls nicht verlangen, dass sie bevorzugt werde, indem ihre Notrufnummer zusätzlich angegeben werde, während die zusammengeschlossenen Tierärzte unter der Sammelnummer nur nacheinander ihre Dienste anbieten würden. Mit dem bloßen Hinweis auf die Sammelnummer des Notdienstes sei auch keine Schleichwerbung verbunden. Es werde weder ein Werturteil über den entsprechenden Notdienst abgegeben, noch eine Empfehlung für ihn ausgesprochen. Dem Hinweis auf die Existenz eines solchen Notdienstes lasse sich auch nicht entnehmen, dass es sich um einen amtlichen Notdienst handele. Soweit die Klägerin verlange, dass alle privaten Notdienste in der Nachtglocke aufgeführt würden, beschränke sie in unzulässiger Weise die redaktionelle Freiheit der Redakteure. Soweit es der Klägerin angeblich nicht vorrangig auf die Veröffentlichung ihrer eigenen Telefonnummer ankomme, sondern darauf, dass der zusammengeschlossene tierärztliche Notdienst nicht mehr in der Nachtglocke erwähnt werde, sei eine solche Motivation nicht glaubhaft. Die Klägerin greife aber auch mit einem solchen Begehren in unzulässiger Weise in das Informationsrecht der Leser ein. Sie, die Beklagte, informiere ihre Leser neutral und objektiv. Die Leser seien auch gerade daran interessiert, ob ein solcher Notdienst im Verbreitungsgebiet der Zeitung vorhanden sei oder nicht.
II.
Die Berufung ist unbegründet, weil der Klägerin der von ihr geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte nicht zusteht. Die angegriffenen redaktionellen Beiträge sind nicht als Schleichwerbung anzusehen und damit auch nicht wettbewerbswidrig.
1) Bei der Einschätzung des Klageziels ist zu beachten, dass der Kern des Angriffs der Klägerin und des damit erstrebten Verbots die Unterlassung der regelmäßigen Erwähnung nur eines von mehreren privaten Tierarztnotdiensten in der Nachtglocke im redaktionellen Teil des Blattes ist. Die Klägerin sieht eine Ungleichbehandlung darin, dass der Notdienst verschiedener örtlicher Tierärzte ohne eigenen Kostenaufwand hervorgehoben wird, während sie für ihren Notdienst im Anzeigenteil werben muss, um auf ihn hinzuweisen. Die Antragsfassung mag zwar nach ihrem Wortlaut auf erste Sicht den Eindruck entstehen lassen, als ginge es der Klägerin allein um die Aufnahme auch ihrer Notdienstrufnummer in die Nachtglocke. Nimmt man aber die Begründung hinzu, wird deutlich, dass mit dem Zusatz "ohne ... zu" nur eine besonders naheliegende Möglichkeit aufgeführt werden soll, wie die Beklagte aus dem eigentlichen Verbot, nämlich der Angabe nur einer von mehreren Notdienstrufnummern im tierärztlichen Bereich herauskommen kann. Aus der vorgetragenen Sicht der Klägerin wäre es sogar am besten, wenn die Beklagte in Zukunft im redaktionellen Teil überhaupt keine Nummer eines privaten Notdienstes mehr nennen, sondern entsprechend der ZAW-Richtlinie alle tierärztlichen Notdienste annoncieren lassen würde. Auch das in diesem Zusammenhang angesprochene zusätzliche Erfordernis des "ohne ... zu" -Hinweises darauf, dass es sich um private Notdienste handelt, gehört nicht zum Verbot selbst. Ein solches Antragsverständnis wird auch deutlich durch die Einbeziehung der konkreten Verletzungshandlung in den Antrag. Der Senat hat nicht darauf hingewirkt, dass die Klägerin den erwähnten Zusatz im Antrag zur Klarstellung ersatzlos streicht, weil dem Klagebegehren in der Sache kein Erfolg beschieden ist.
2) Auch der so verstandene Unterlassungsantrag ist nämlich nach §§ 8 Abs. 1, 3, 4 Nr. 3 UWG nicht begründet. Die Beklagte hat mit der Veröffentlichung nur einer Nummer eines privaten tierärztlichen Notdienstes in H keine Wettbewerbshandlung begangen, mit der sie deren Werbecharakter gegenüber den Lesern verschleiert hat. Eine solche Verschleierung kann zwar gerade auch im Fall einer getarnten redaktionellen Werbung zu sehen sein. Die dafür erforderlichen Voraussetzungen liegen aber nicht vor.
a) Die für einen Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 UWG erforderliche Wettbewerbsförderung durch die Beklagte mag objektiv zu bejahen sein. Dazu genügt die Förderung fremden Wettbewerbs. Es bedarf dabei auch keiner Gewinnerzielungsabsicht, so dass auch die unentgeltliche Förderung eines bestimmten Wettbewerbers eine Wettbewerbshandlung sein kann. Auch wenn es sich bei der Veröffentlichung der Telefonnummer des tierärztlichen Notdienstes in der Nachtglocke um einen redaktionellen Beitrag der Beklagten handelt, kann sich der Eintrag zugleich auch als Werbung für die an dem Notdienst beteiligten Tierärzte darstellen, weil diese durch die Veröffentlichungspraxis der Beklagten im Verhältnis zu anderen Tierarztpraxen, insbesondere auch der Klägerin gefördert werden (vgl. für Rundfunkwerbung Piper/Ohly, UWG, 4. Auflage, § 2 Rdn. 27). Insoweit spielt es auch keine Rolle, dass nicht nur eine bestimmte Tierarztpraxis gefördert wird. Die Tierärzte, die an der Reihe sind, können in Notfällen die Tiere derjenigen Halter behandeln, die sich im T in der Nachtglocke über Notdienste informieren. Diesen schauen dann unter Umständen nicht mehr in den Anzeigenteil. Selbst wenn sie es täten und die Anzeige der Klägerin und deren Angebot zusätzlich wahrnehmen würden, könnten sie sich Gedanken darüber machen, warum der eine Notdienst der Tierärzte in der Nachtglocke erwähnt ist und der andere nicht und deshalb selbst für sich werben muss.
b) Die objektiv die Mitbewerber der Klägerin fördernde redaktionelle Veröffentlichung ist aber keine getarnte und damit verbotene Werbung im Sinne des § 4 Abs. 3 UWG. Eine getarnte Werbung würde voraussetzen, dass die Veröffentlichung der Notrufnummer ungeachtet ihres unbestreitbaren Informationswertes für die Leser des T eine Schleichwerbung darstellen würde. Von einer solchen Schleichwerbung ist auszugehen, wenn im Gewande eines journalistischen Beitrages in Wahrheit Reklame für ein bestimmtes Produkt oder ein bestimmtes Unternehmen gemacht wird. Da hier nichts für eine Honorierung der Beklagten durch den aufgeführten tierärztlichen Notdienst spricht und auch eine Kopplung der Veröffentlichung mit entsprechenden Anzeigen nicht vorliegt, könnte sich die Schleichwerbung hier allein daraus ergeben, dass die in dem Notdienst zu sehende Dienstleistung der verschiedenen Tierärzte im Übermaß werblich herausgestellt wird und deshalb den betroffenen Tierärzten im Wettbewerb unlautere Vorteile bringt. Davon ist aber nicht auszugehen.
aa) Berichten Pressemedien unentgeltlich über ein bestimmtes Unternehmen, so ist das Gebot der Trennung von Werbung und redaktionellem Text verletzt, wenn die Berichterstattung in Wirklichkeit den Charakter einer getarnten Werbung hat. Durch diese Schleichwerbung wird dann dem beschriebenen Unternehmen nämlich ein Wettbewerbsvorsprung verschafft, weil der Verkehr der Äußerung eines Presseorgans als objektiver Meinungsäußerung oder als Berichterstattung einer neutralen Redaktion über Leistungen und Produkte eines Unternehmens unkritischer gegenübersteht und regelmäßig größere Bedeutung beimessen wird als entsprechenden anpreisenden Angaben des Werbenden selbst (BGH GRUR 1998, 481, 482 -Auto 94, BGH GRUR 1998, 835, 838 -Unbestimmter Unterlassungsantrag III, BGHZ 81, 247, 250 -Getarnte Werbung I). Eine Schleichwerbung scheidet dagegen aus, wenn bei der Berichterstattung die sachliche Unterrichtung der Leser als Folge des sachlichpublizistischen Informationsauftrages des Presseorgans im Vordergrund steht und mögliche Werbewirkungen lediglich zwangsläufige Folge der jeweiligen Berichterstattung sind. Das ergibt sich schon unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlich geschützten Pressefreiheit, die im Rahmen der Abwägung der beteiligten Interessen immer einzubeziehen ist.
bb) Zur Abgrenzung, ob die sachliche Information oder die Werbewirkung bei der Berichterstattung im Vordergrund steht, ist eine Gesamtwürdigung von Anlass, Inhalt und Aufmachung der Veröffentlichung vorzunehmen. Dabei kann auch bei Anzeigenblättern mit einem redaktionellen Teil nichts wesentlich anderes gelten als bei Tageszeitungen, auch wenn die unentgeltlich verteilten, meist ortsverbundenen Anzeigeblätter die Trennung nicht so konsequent vornehmen mögen. Es kommt aber auf das besondere Informationsinteresse des von der Zeitung angesprochenen speziellen Leserkreises an. Auch die Leser der sogenannten Anzeigenblätter erwarten, dass die Blätter auch redaktionelle Beiträge enthalten und messen von daher schon einem redaktionell aufgemachten Text die Bedeutung eines sachlich- journalistischen Hinweises zu. Dies gilt umso mehr, als ein solches Anzeigenblatt vielfach sich eines großen und kontinuierlichen Leserkreises erfreut. Der Trennungsgrundsatz ist daher auch hier anzuwenden, insbesondere wenn auch das Anzeigenblatt -wie hier- selbst zwischen den Anzeigen und der informativen Berichterstattung deutlich trennt und damit auch für seine Leser erkennbar werden lässt, dass neben der zum wirtschaftlichen Betrieb der Blätter erforderlichen umfangreichen Werbung auch nach journalistischen Regeln verfasste Beiträge insbesondere über örtliche Begebenheiten und Angebote vermittelt werden. Gerade diese Beiträge empfindet der Leser dann nicht als anpreisende Werbung und wird sie deshalb auch nicht so kritisch hinterfragen. Das gilt auch für im redaktionellen Teil aufgeführte Notdienste.
cc) Der tierärztliche Notdienst ist hier sachlich und schlicht nur als solcher in Zusammenhang mit seiner Telefonnummer in der Nachtglocke als ein bestimmtes örtliches Angebot erwähnt worden, das den Lesern im Notfall weiterhelfen soll. Zu dem Notdienst werden keine genaueren Angaben gemacht, er wird auch nicht gelobt und im Rahmen seines Umfeldes als solcher in keiner Weise hervorgehoben. Der Inhalt der Aussage, dass unter dieser Nummer ein zum Notdienst bereiter am Ort niedergelassener Tierarzt auch außerhalb der üblichen Behandlungsstunden zur Verfügung steht, trifft gleichfalls zu. Auch die Aufnahme der Notrufnummer in den redaktionellen Teil als solche ist unter den hier vorliegenden Umständen nicht zu beanstanden, selbst wenn die Verlegerrichtlinien aus guten Gründen die Aufnahme von Notdiensten in den Anzeigenteil vorsehen. Insoweit ist der besondere Charakter dieses Anzeigenblattes zu berücksichtigen. Die Nachtglocke befindet sich am Rande und am Ende des redaktionellen Teils, sozusagen gerade noch über dem Impressum. Es werden nicht einmal die dem Notdienst angeschlossenen Tierarztpraxen aufgeführt, geschweige denn wird der Tierarzt, der jeweils an der Reihe ist, namentlich benannt. Diese ausgesprochen nüchterne Erwähnung des Notdienstes spricht gegen eine hervorhebende Schleichwerbung für die betroffenen Tierärzte.
dd) Ein Werbeeffekt der Veröffentlichung von Notdienst und Nummer könnte sich vielmehr allein daraus ergeben, dass dieser Notdienst als einziger tierärztlicher Notdienst in die Nachtglocke und damit in den redaktionellen Teil der Zeitung aufgenommen worden ist, obwohl andere private Notdienste, insbesondere der tierärztliche Notdienst der Klägerin, der gleichfalls im Notfall zur Verfügung stehen würde, dort nicht erscheinen. Die Klägerin muss eine Anzeige aufgeben, um im Anzeigeteil auf ihre entsprechenden Dienste hinweisen zu können. Eine über das sachlich gebotene Maß hinausgehende Hervorhebung gegenüber anderen Mitbewerbern könnte allerdings auch darin liegen, dass nur eine vereinzelte Dienstleistung im Rahmen eines vermeintlich vollständigen, tatsächlich aber selektiven Überblicks über ein bestimmtes Angebot gegeben wird. Das könnte dann ein wichtiges Indiz für eine getarnte Werbung sein (Harte / Henning/ Frank, UWG, § 4 Rdn. 20, 22). Dabei ist allerdings zu beachten, dass die bloße Nennung eines bestimmten Produktes, obwohl es ähnliche Produkte gleichwertiger Art auf dem Markt gibt, allein noch nicht ausreicht (BGH GRUR 1997, 541 -Produkt-Interview). Es muss auch dabei das sachlich gebotene Maß überschritten worden sein oder es darf für eine solche Selektion überhaupt kein publizistischer Anlass bestehen, wobei im Lichte der Pressefreiheit der Begriff des publizistischen Anlasses grundsätzlich weit auszulegen ist (Fezer / Hoeren, UWG, § 4-3 Rdn. 43 ff. unter Hinweis auf OLG Hamm GRUR 1991, 856 -Eurocard). Legt man diese Gesichtspunkte hier zugrunde, so bleibt es zunächst dabei, dass gerade auch unter Berücksichtigung der alleinigen Erwähnung des privaten tierärztlichen Notdienstes, der im Wettbewerb zur Klägerin steht, keine besondere Hervorhebung in der Berichterstattung selber stattgefunden hat. Die Berichterstattung geht über das zu Zwecken der Information gebotene Maß nicht hinaus. Es lässt sich auch nicht sagen, dass für die Berichterstattung über den einzelnen Notdienst kein publizistischer Anlass erkennbar ist. Dieser tierärztliche Notdienst ist der Zusammenschluss verschiedener örtlicher Tierärzte zum Zwecke von Notfallbehandlungen außerhalb der üblichen Sprechzeiten. Er ist dem Anwalt der Klägerin von der Stadt H ausdrücklich als privater Notdienst der niedergelassenen Tierärzte genannt worden (vgl. Bl.12). Der Notdienst, dem die Klägerin angehört, wirbt dagegen unter dem Schlagwort der Klägerin und wird jedenfalls von der Klägerin organisiert (Bl.7), auch wenn sich diesem noch andere Tierärzte angeschlossen haben sollten. Es sind also sachliche Gründe dafür denkbar, warum die Beklagte ausschließlich auf den Notdienst der niedergelassenen Tierärzte hinweist. Auch die dauerhafte Benennung nur des einen Notdienstes reicht angesichts der grundsätzlichen redaktionellen Freiheit des betroffenen Presseorgans und insbesondere der Tatsache, dass die Presse nicht zur Neutralität verpflichtet ist, nicht aus, um darin eine Schleichwerbung für die erwähnten Tierärzte zu sehen.
ee) Weiß ein Redakteur von der Unrichtigkeit einer Aussage über eine Dienstleistung in seinem Beitrag, kann auch daraus zu folgern sein, dass Grund für eine derartige unwahre oder bewusst unvollständige Berichterstattung nicht nur die Unterrichtung und Aufklärung der Leser sein kann (BGH WRP 1994, 862, 864 -Bio-Tabletten). Der Hinweis auf den tierärztlichen Notdienst in der Nachtglocke enthält aber in diesem Sinne auch keine bewusst falsche Behauptung. Es ist davon auszugehen, dass die Beklagte vor der Information durch die Klägerin über deren Notdienst überhaupt nicht wusste, dass es neben dem erwähnten tierärztlichen Notdienst noch einen weiteren Notdienst solcher Art geben könnte. Nach dem Hinweis musste die Beklagte zwar davon ausgehen, dass es im Hause der Klägerin einen weiteren tierärztlichen Notdienst gibt. Sonst hätte die Beklagte im Übrigen auch keine Anzeigen der Klägerin veröffentlichen dürfen, die darauf hinwiesen. Sie war aber auch danach aus Gründen der Pressefreiheit nicht verpflichtet, nunmehr auch den weiteren Notdienst in die Nachtglocke aufzunehmen, selbst wenn dort noch ausreichend Platz gewesen sein sollte. Denn sie konnte im redaktionellen Sinn allein entscheiden, welche Information über welchen der tierärztlichen Notdienste, die nicht völlig gleichartig sind, den Lesern am Besten weiterhelfen könnte. Es stellt aber auch keine einseitige den in der Nachtglocke angeführten Notdienst bewusst begünstigende Berichterstattung dar, wenn sie im Interesse der Information der Leser, an die diese auch schon gewohnt waren, weiterhin den tierärztlichen Notdienst der niedergelassenen Tierärzte in der Nachtglocke aufführt. Es hat sich durch den Hinweis der Klägerin nichts daran geändert, dass bei der Beklagten das Interesse der Information ihrer Leser im Vordergrund steht. Durch diese grundrechtlich geschützte publizistische Informationsaufgabe kommt es nun zwar mit Wissen der Beklagten zu einer gewissen Bevorzugung des schon früher erwähnten Notdienstes vor dem der Klägerin. Die Leser könnten auch meinen, es gebe nur diesen einen Notdienst und sich über weitere Angebote nicht mehr informieren. Die dadurch bedingte Werbewirkung muss das Wettbewerbsrecht im Sinne der Pressefreiheit aber hinnehmen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass eine Mehrheit der niedergelassenen Tierärzte in den Sammelservice einbezogen und damit lediglich zusammen gefördert und nicht eine einzelne Praxis hervorgehoben wird.
5) Einen Anspruch wegen irreführender Werbung im Sinne von § 5 UWG unter dem Gesichtspunkt, dass sich die Leser eine unrichtige Vorstellung über die Art des (rein privaten) Notdienstes und deshalb auch zu Unrecht annehmen, es gäbe nur diesen einen Notdienst, macht die Klägerin als solchen schon nicht geltend.
Ein Grund für die Zulassung der Revision ist in diesem Einzelfall nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Ziff. 10, 711, 713 ZPO.
OLG Hamm:
Urteil v. 18.12.2007
Az: 4 U 140/07
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