Hessisches Landesarbeitsgericht:
Beschluss vom 10. April 2014
Aktenzeichen: 9 TaBV 106/13

(Hessisches LAG: Beschluss v. 10.04.2014, Az.: 9 TaBV 106/13)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Hessische Landesarbeitsgericht hat in einem Beschluss vom 10. April 2014 entschieden, dass der Beteiligte zu 2) es unterlassen muss, Mitgliedern der Beteiligten zu 1) mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen zu drohen, wenn diese Mitarbeiter des Beteiligten zu 2) wegen Beeinträchtigung ihrer Tätigkeit zu einer Stellungnahme auffordert. Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hatte zuvor bereits einen ähnlichen Beschluss erlassen, der nun teilweise abgeändert wurde. Dem Beteiligten zu 2) wurde außerdem ein Ordnungsgeld von bis zu € 10.000,00 angedroht, falls er gegen die Unterlassungsverpflichtung verstößt. Die Anschlussbeschwerde des Beteiligten zu 2) wurde dagegen zurückgewiesen. Eine Rechtsbeschwerde wurde für beide Beteiligten nicht zugelassen.

In dem zugrundeliegenden Fall hatte die Schwerbehindertenvertretung beim Beteiligten zu 2) verlangt, dass dieser es unterlässt, Handlungen vorzunehmen, die sie als Behinderung ihrer Arbeit ansieht. Die Schwerbehindertenvertretung ist im Betrieb des Beteiligten zu 2) tätig und vertritt die Interessen von 48 schwerbehinderten Mitarbeitern. Die Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen, Mitarbeiter B, hatte ein vertrauliches Gespräch mit einem Mitarbeitern geführt, bei dem die Mitarbeiterin Frau D anwesend war und mithörte. Die Schwerbehindertenvertretung sah dies als Behinderung ihrer Tätigkeit an und beantragte vor Gericht, dass der Beteiligte zu 2) es unterlassen solle, Mitarbeiter der Schwerbehindertenvertretung in ihrer Tätigkeit zu behindern.

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hatte den Antrag teilweise stattgegeben und festgestellt, dass dem Beteiligten zu 2) untersagt werden müsse, der Vertrauensperson Vorgaben zur zeitlichen Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu machen. Die weiteren Anträge der Schwerbehindertenvertretung wurden dagegen abgelehnt.

Gegen diesen Beschluss haben sowohl die Schwerbehindertenvertretung als auch der Beteiligte zu 2) Beschwerde eingelegt. Das Hessische Landesarbeitsgericht hat nun entschieden, dass die Beschwerde der Schwerbehindertenvertretung in der Sache Erfolg hat. Der Beteiligte zu 2) wurde dazu verpflichtet, es zu unterlassen, Mitgliedern der Schwerbehindertenvertretung mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen zu drohen, wenn sie Mitarbeiter des Beteiligten zu 2) wegen Beeinträchtigung ihrer Tätigkeit zu einer Stellungnahme auffordern. Die Androhung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu € 10.000,00 wurde bestätigt.

Die Anschlussbeschwerde des Beteiligten zu 2) wurde dagegen zurückgewiesen. Das Arbeitsgericht hatte zu Recht entschieden, dass der Beteiligte zu 2) der Vertrauensperson Vorgaben zur zeitlichen Wahrnehmung ihrer Aufgaben gemacht hatte, was unzulässig ist. Das Landesarbeitsgericht schließt sich den begründeten Entscheidungen des Arbeitsgerichts an und sieht keine Anhaltspunkte für eine andere Sichtweise.

Die Schwerbehindertenvertretung beantragt in der Beschwerde außerdem, dass der Beteiligte zu 2) auch dazu verpflichtet werden solle, Mitarbeiterin Frau D anzuweisen, vertrauliche Gespräche der Schwerbehindertenvertretung nicht zu belauschen. Dieser Antrag wurde jedoch abgelehnt. Das Landesarbeitsgericht verweist auf die Begründung des Arbeitsgerichts und sieht keine Notwendigkeit für eine Änderung dieser Entscheidung.

Die Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts kann nicht weiter angefochten werden, da keine gesetzliche Grundlage für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde besteht. Die relevanten Rechtsfragen wurden bereits höchstrichterlich entschieden.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

Hessisches LAG: Beschluss v. 10.04.2014, Az: 9 TaBV 106/13


Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 2. Mai 2013 € 19 BV 670/12 € teilweise abgeändert:

1. Dem Beteiligten zu 2) wird aufgegeben, es zu unterlassen, Mitgliedern der Beteiligten zu 1) mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen zu drohen, wenn die Beteiligte zu 1) Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen des Beteiligten zu 2) wegen Beeinträchtigung ihrer Tätigkeit zu einer Stellungnahme auffordert.

2. Dem Beteiligten zu 2) wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung zu Ziffer 1) des Beschlusses des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 2. Mai 2013 € Az: 19 BV 670/12 € sowie gegen die Verpflichtung zu Ziffer 1) dieses Beschlusses ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von € 10.000,00 (in Worten: Zehntausend und 0/100 Euro) angedroht.

Die Anschlussbeschwerde des Beteiligten zu 2) wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird für beide Beteiligte nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Schwerbehindertenvertretung beim Beteiligten zu 2) begehrt von diesem die Unterlassung von Handlungen, die sie als Behinderung ihrer Tätigkeit ansieht.

Beteiligte zu 1) ist die gewählte Schwerbehindertenvertretung im Betrieb des Beteiligten zu 2) in A. Es sind dort 48 schwerbehinderte Menschen beschäftigt. Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen ist der Mitarbeiter B.

Am 20. Okt. 2011 waren jeweils auf 10.00 Uhr ein Monatsgespräch, zu dem der Beteiligte zu 2) eingeladen hatte, und eine Arbeitsbesprechung anberaumt. An diesem Tag um 07.29 Uhr erhielt die Vertrauensperson von der Bereichsleiterin Arbeitsmarktdienstleistungen C folgendes E-Mail (Bl. 25 d. A.):

€Betreff: Arbeitsbesprechung zu Prozessbeschreibungen u.a.m. am 20.10.2011Guten Morgen Herr B,heute findet € wie Ihnen bekannt ist, die weitere Arbeitsbesprechung in der TN-Sachbearbeitung statt; ich habe Ihnen die Tagesordnung am 13.10.2011 geschickt.Ich bitte Sie an dieser Besprechung teilzunehmen und lehne daher vorsorglich Ihren Antrag auf BR-Tätigkeit bzw. SBV-Tätigkeit am heutigen Tag bis 12.30 Uhr ab.Ich danke für Ihr Verständnis.€€

Um 10.00 Uhr antwortete die Vertrauensperson, sie werde bis um 13.30 Uhr an der Betriebsratssitzung teilnehmen.

Am 21. März 2012 führte die Vertrauensperson gegen 13.45 Uhr im Treppenhaus eines der Gebäude des Beteiligten zu 2) ein vertrauliches Gespräch mit einem Mitarbeiter, zu dem sich die Mitarbeiterin Frau D hinzugesellte und mithörte. Die Vertrauensperson B wandte sich mit E-Mails vom 26. und 29. März 2012 (Bl. 255 ff. d. A.) an Frau D. Er erhielt darauf vom Beteiligten zu 2) unter Hinweis auf ihm zur Verfügung stehende arbeitsrechtliche Mittel die schriftliche Weisung vom 3. April 2012 (Bl. 55 d. A.), seine Korrespondenz mit Frau D unverzüglich einzustellen.

Mit ihrem am 10. Aug. 2012 beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main eingegangenen Antrag hat die Beteiligte zu 1) geltend gemacht, die Maßnahmen des Beteiligten zu 2) stellten eine Behinderung ihrer Arbeit im Sinne des § 96 Abs. 2 SGB IX dar. Frau C habe mit ihrer Weisung unmissverständlich klargestellt, dass die Arbeitsbesprechung gegenüber der Tätigkeit für die Schwerbehindertenvertretung oder den Betriebsrat Priorität habe. Die Geschäftsführung des Beteiligten zu 2) sei bereits am 12. Okt. 2011 zu dem Monatsgespräch eingeladen worden. Der Beteiligte zu 2) habe im Übrigen auch keinen Gesichtspunkt vorgetragen, unter welchem die Teilnahme der Vertrauensperson B an der Arbeitsbesprechung dringlich gewesen sei.

Die Beteiligte zu 1) hat beantragt,

1. dem Beteiligten zu 2) aufzugeben, es zu unterlassen, Mitgliedern der Schwerbehindertenvertretung die Wahrnehmung ihrer Aufgaben als Schwerbehindertenvertreter zu untersagen;

hilfsweise, dem Beteiligten zu 2) aufzugeben, es zu unterlassen, Besprechungstermine anzuordnen und dabei zeitlich kollidierende Tätigkeit als Vertrauensperson für die Schwerbehindertenvertretung abzulehnen;

2. dem Beteiligten zu 2) aufzugeben, es zu unterlassen, die Wahl der Schwerbehindertenvertretung zu behindern, indem er Handlungen zur Vorbereitung einer Wahl als unentschuldigtes Fehlen des Arbeitsplatzes abmahnt;

3. dem Beteiligten zu 2) aufzugeben, es zu unterlassen, den Mitgliedern der Schwerbehindertenvertretung mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen dafür zu drohen, dass sie eine Mitarbeiterin des Beteiligten zu 2) wegen Beeinträchtigung der Tätigkeit der Schwerbehindertenvertretung zu einer Stellungnahme auffordert;

4. für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtungen aus Ziff. 1 bis 3 dem Beteiligten zu 2) ein Ordnungsgeld anzudrohen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber EUR 10.000 nicht unterschreiten sollte.

Der Beteiligte zu 2) hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Der Beteiligte zu 2) hat behauptet, das E-Mail vom 20. Okt. 2011 sei ein Versehen gewesen. Die Terminskollision zwischen Betriebsratssitzung und der inhaltlich wichtigen Arbeitsbesprechung sei von Frau C nicht wahrgenommen worden, sie hätte den gleichzeitig stattfindenden Termin des Monatsgesprächs nicht präsent gehabt. Frau C habe die Vertrauensperson B lediglich gebeten und nicht aufgefordert, an der Arbeitsbesprechung teilzunehmen. Ebenso wie ein Betriebsratsmitglied habe die Vertrauensperson die Interessen des Betriebs und der Schwerbehindertenvertretung miteinander abzuwägen. Durch ihre Bitte habe Frau C lediglich deutlich gemacht, dass aus ihrer Sicht die Arbeitsbesprechung gegenüber einer gleichzeitig stattfindenden Tätigkeit als Vertrauensperson bzw. als Betriebsratsmitglied Vorrang habe und Letztgenannte ggf. von dessen Stellvertretung wahrgenommen werden könne. Die Entscheidung über die Frage der Erforderlichkeit habe sie der Vertrauensperson B nicht vorgegeben. Sie hätte schließlich Betriebsrats- oder Schwerbehindertenvertretungstätigkeit nur vorsorglich abgelehnt. Konsequenzen für den Fall der Nichtteilnahme seien nicht vorgesehen gewesen. Die Vertrauensperson B hätte schließlich bereits seit dem 13. Okt. 2011 von diesem Termin gewusst. Er warte aber üblicherweise bis fünf Minuten vor einem Termin, bis er Frau C über seine Teilnahme informiere.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten, des vom Arbeitsgericht festgestellten Sachverhalts und des erstinstanzlichen Verfahrens wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen.

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat dem Beteiligten zu 2) durch Beschluss vom 2. Mai 2013 - 19 BV 670/12 - aufgegeben, es zu unterlassen, der Vertrauensperson Vorgaben zur zeitlichen Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu machen. Im Übrigen hat es die Anträge zurückgewiesen. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, der Hilfsantrag zum Antrag zu 1) sei im Sinne der arbeitsgerichtlichen Tenorierung auszulegen und insoweit zulässig und begründet. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die arbeitsgerichtlichen Beschlussgründe verwiesen.

Gegen den ihr am 17. Juni 2013 zugestellten Beschluss hat die Schwerbehindertenvertretung am 15. Juli 2013 per Fax Beschwerde eingelegt und diese nach rechtzeitig beantragter Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 17. September 2013 an diesem Tag per Fax begründet. Der Beteiligte zu 2) hat innerhalb der bis zum 21. Nov. 2013 verlängerten Beschwerdeerwiderungsfrist an diesem Tag Anschlussbeschwerde eingelegt und diese gleichzeitig begründet.

Die Beteiligte zu 1) ist der Ansicht, durch die unter Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen erfolgte Weisung des Beteiligten zu 2), die Mitarbeiterin D nicht zu einer Stellungnahme aufzufordern, sei die Schwerbehindertenvertretung in der Ausübung ihrer Tätigkeit behindert worden. Sie behauptet, Frau D hätte das Gespräch zwischen der Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen B und einem Mitarbeiter des Beteiligten zu 2) bewusst belauscht. Auch darin sei eine Behinderung ihrer Tätigkeit im Sinne des § 96 Abs. 2 SGB IX zu sehen. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts gehöre es zu ihren Aufgaben, sich ohne Zwischenschaltung des Arbeitgebers gegen Mitarbeiter durchzusetzen, die die Arbeit der Schwerbehindertenvertretung behinderten. Die Befugnis ergebe sich aus § 97 Abs. 7 SGB IX. Das Arbeitsgericht habe auch übersehen, dass die Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen ausschließlich in dieser Funktion mit Frau D Kontakt aufgenommen habe. Wegen einer Pflichtverletzung als Vertrauensperson könne keine individualrechtliche Abmahnung ausgesprochen werden. Die Abmahnung des Beteiligten zu 2) stelle eine Behinderung der Tätigkeit der Schwerbehindertenvertretung dar.

Die Beteiligte zu 1) beantragt,

1. den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 2. Mai 2013 € 19 BV 670/12 - abzuändern und

2. dem Beteiligten zu 2) aufzugeben, es zu unterlassen, Mitgliedern der Schwerbehindertenvertretung mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen zu drohen, wenn sie Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen des Beteiligten zu 2) wegen Beeinträchtigung ihrer Tätigkeit zu einer Stellungnahme auffordert;

3. hilfsweise, dem Beteiligten zu 2) aufzugeben, der Mitarbeiterin Frau D aufzugeben, es zu unterlassen, vertrauliche Gespräche der Schwerbehindertenvertretung zu belauschen;

4. für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtungen aus Ziff. 1 des Beschlusses des Arbeitsgerichts vom 2. Mai 2013 € Az. 19 BV 670/12 € sowie gegen die Verpflichtung zu Ziff. 2 der Beschwerdebegründungsschrift dem Beteiligten zu 2) ein Ordnungsgeld anzudrohen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird

und die Anschlussbeschwerde des Beteiligten zu 2) zurückzuweisen.

Der Beteiligte zu 2) beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen

und im Wege der Anschlussbeschwerde,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 2. Mai 2013 - 19 BV 670/12 - abzuändern und auch den Antrag zu 1) der Beteiligten zu 1) vollumfänglich zurückzuweisen.

Der Beteiligte zu 2) verteidigt die angefochtene Entscheidung, soweit er obsiegt hat. Er bestreitet, dass der Vertrauensmann der schwerbehinderten Personen das Gespräch mit einem Mitarbeiter im Treppenhaus in dieser Funktion geführt habe, dass es sich dabei um eine Angelegenheit der Schwerbehindertenvertretung gehandelt habe und dass dabei vertrauliche Informationen an Frau D gelangt seien. Es sei aus der Sicht von Frau D nicht erkennbar gewesen, dass das Gespräch im Treppenhaus angeblich vertraulich gewesen sei. Es sei nicht Aufgabe der Schwerbehindertenvertretung, ein etwaiges pflichtwidriges Verhalten anderer Arbeitnehmer zu maßregeln. Herr B hätte sich deswegen an den Beteiligten zu 2) wenden müssen. Die Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen im Schreiben vom 3. April 2012 stehe in keinem Zusammenhang mit dessen Tätigkeit als Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen. Zur Begründung seiner Anschlussbeschwerde trägt er vor, es müsse dem Arbeitgeber gestattet sein, ein Mitglied der Schwerbehindertenvertretung auf wichtige anstehende Arbeiten hinzuweisen bzw., dieses zu bitten, einen Arbeitstermin wahrzunehmen. Hierdurch werde ihm die Abwägung zwischen den Tätigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis und der Aufgabenwahrnehmung für die Schwerbehindertenvertretung erst ermöglicht. Eine Wiederholungsgefahr sei nicht gegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Beschwerdevorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der Beschwerdeschriftsätze und den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 10. April 2014 verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist statthaft, § 87 Abs. 1 ArbGG, und zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden ist, §§ 87 Abs. 2 Satz 1, 66 Abs. 1 Satz 1, 89 Abs. 1 und 2 ArbGG.

1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) hat auch in der Sache Erfolg. Dem Beteiligten zu 2) ist aufzugeben, es zu unterlassen, Mitgliedern der Schwerbehindertenvertretung mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen zu drohen, wenn sie Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen des Beteiligten zu 2) wegen Beeinträchtigung ihrer Tätigkeit zu einer Stellungnahme auffordert. Verstößt der Arbeitgeber gegen das Behinderungsverbot des § 96 Abs. 2 SGB IX, steht der Schwerbehindertenvertretung ein Unterlassungsanspruch aus dieser Vorschrift zu (BAG Beschluss vom 7. April 2004 - 7 ABR 35/03 € Juris). Es trifft zwar zu, dass es nicht Aufgabe der Schwerbehindertenvertretung ist, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Rede zu stellen, insbesondere hat sie keine Disziplinarbefugnisse gegenüber Mitarbeitern des Beteiligten zu 2). Die Abmahnung vom 3. April 2012 stellt gleichwohl eine Behinderung der Tätigkeit der Schwerbehindertenvertretung gemäß § 96 Abs. 2 SGB X dar. Fehlverhalten von Mitgliedern der Schwerbehindertenvertretung in dieser Funktion ist einer individualrechtlichen Abmahnung grundsätzlich nicht zugänglich. Das Schreiben an die Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen B vom 3. April 2012 (Bl. 55 d. A.) stellt eine individualrechtliche Abmahnung wegen seines Verhaltens gegenüber der Mitarbeiter D dar. Mit dem vorletzten Absatz des Schreibens werden ihm für den Fall weiteren schriftlichen oder mündlichen Kontaktes mit Frau D in dieser Angelegenheit arbeitsrechtliche Konsequenzen angedroht. Es heißt dort: €€werden wir dieses weisungswidrige Verhalten mit den uns zur Verfügung stehenden arbeitsrechtlichen Mitteln ahnden.€ Nach dem letzten Absatz soll diese Weisung zwar die Gremienarbeit nicht beeinträchtigen und nach Ansicht des Beteiligten zu 2) handele es sich bei den E-Mail-Schreiben an Frau D nicht um Gremienarbeit. Das beanstandete Verhalten betraf jedoch den Mitarbeiter B in seiner Funktion als Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen. Dies zeigen gerade die beiden E-Mails vom 26. und 29. März 2012 (Bl. 255 ff. d. A.), mit denen er geltend macht, in seiner Tätigkeit als Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen gestört worden zu sein. Das E-Mail vom 26. März 2012 trägt auch die entsprechende Unterschriftszeile. Diese individualrechtliche Abmahnung wirkt sich auf das Verhalten als Vertrauensperson aus und behindert den Mitarbeiter B in dieser Funktion, weil Fehlverhalten als Vertrauensperson nur auf der Ebene des Schwerbehindertenrechts gerügt werden kann, nicht aber durch eine individualrechtliche Abmahnung. Bei Verstößen gegen die Pflichten der Schwerbehindertenvertretung kommt eine Kündigungsandrohung nur in Betracht, wenn gleichzeitig eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten vorliegt (vgl. BAG Beschluss vom 10. Nov. 1993 € 7 AZR 682/92 € AP Nr. 4 zu § 78 BetrVG 1972 bezgl. Betriebsratsmitgliedern), was hier aber wie festgestellt nicht angenommen werden kann. Etwas anderes kann gelten, wenn die Vertrauensperson Frau D beleidigt hätte, denn dies wäre von der Aufgabenwahrnehmung der Schwerbehindertenvertretung nicht mehr gedeckt. Die E-Mails vom 26. und 29. März 2012 haben zwar einen anmaßenden, aber keinen beleidigenden Charakter. Dies ergibt sich insbesondere nicht aus den Äußerungen der Vertrauensperson, er habe das Benehmen von Frau D als unhöflich und äußerst aufdringlich empfunden, ihr seien die Grundzüge des BDSG völlig unbekannt, ihr Verhalten sei unprofessionell, ihre Antwort sei schwach ungenügend.

2. Die zulässige Anschlussbeschwerde des Beteiligten zu 2) ist dagegen nicht begründet. Auf die Begründung der Vorinstanz auf Seite acht zu 2 b) aa) bis Seite zehn zu 2 b) dd) der Beschlussgründe, die sich das Beschwerdegericht zur Vermeidung von Wiederholungen zu Eigen macht, wird verwiesen. Das Anschlussbeschwerdevorbringen führt zu keiner anderen Beurteilung. Das Arbeitsgericht hat das E-Mail-Schreiben der Frau C vom 20. Okt. 2011 (Bl. 25 d. A.) zutreffend dahingehend interpretiert, dass diese als Mitglied der Geschäftsleitung Herrn B in seiner Funktion u.a. als Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen Vorgaben zur Ausübung seiner Tätigkeit in dieser Funktion gemacht hat. Es handelt sich nach dem Gesamtinhalt des E-Mail-Schreibens nicht um eine bloße Bitte um die Teilnahme an der Dienstbesprechung und auch nicht lediglich um einen Hinweis auf deren Dringlichkeit. Die Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen hat nach diesem Schreiben keinen Abwägungsspielraum mehr zwischen der betrieblichen Notwendigkeit an der Teilnahme an der Dienstbesprechung und der Erforderlichkeit der Aufgabenwahrnehmung für die Schwerbehindertenvertretung in diesem Zeitraum, da ein Antrag auf diese Tätigkeit von vornherein abgelehnt wird. Anhaltspunkte für eine andere Sichtweise ergeben sich aus dem Empfängerhorizont nicht.

3. Die Androhung eines Ordnungsgeldes beruht auf §§ 96 Abs. 2 SGB IX, 2 a Abs. 1 Nr. 3 a, 85 Abs. 1 Satz 3 ArbGG, 890 Abs. 1 ZPO. Die Schwerbehindertenvertretung ist Gläubigerin einer Unterlassungsverpflichtung. Verstößt der Arbeitgeber gegen das Behinderungsverbot des § 96 Abs. 2 SGB IX, steht der Schwerbehindertenvertretung ein Unterlassungsanspruch aus dieser Vorschrift zu (BAG Beschluss vom 7. April 2004 - 7 ABR 35/03 € Juris). Um die Antragsberechtigung aus § 23 Abs. 3 BetrVG (vgl. (LAG Rheinland-Pfalz vom 19. Juli 2012 - 10 TaBV 13/12 € Juris) geht es hierbei nicht.

4. Eine Kostenentscheidung ergeht nach § 2 Abs. 2 GKG nicht.

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht keine gesetzlich begründete Veranlassung, §§ 92 Abs. 1, 72 ArbGG. Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind höchstrichterlich entschieden. Im Hinblick auf die Androhung eines Ordnungsgeldes besteht keine Divergenz zur Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz vom 19. Juli 2012 (- 10 TaBV 13/12 € Juris), weil es dort anders als hier um die Antragsbefugnis nach § 23 Abs. 3 BetrVG ging.






Hessisches LAG:
Beschluss v. 10.04.2014
Az: 9 TaBV 106/13


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/79483d1d6881/Hessisches-LAG_Beschluss_vom_10-April-2014_Az_9-TaBV-106-13




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