Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 18. Juni 2001
Aktenzeichen: AnwZ (B) 49/00

(BGH: Beschluss v. 18.06.2001, Az.: AnwZ (B) 49/00)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Der Bundesgerichtshof hat in diesem Beschluss entschieden, dass die Antragsgegnerin die Kosten beider Rechtszüge zu tragen hat und der Antragstellerin die entstandenen außergerichtlichen Auslagen erstatten muss. Zudem wird der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren auf 100.000 DM festgesetzt.

In dem zugrunde liegenden Fall hatte die Antragstellerin, eine Rechtsanwältin, ihre Berufshaftpflichtversicherung nicht wie vorgeschrieben aufrechterhalten. Daraufhin hat die Antragsgegnerin, die für die Zulassung von Rechtsanwälten zuständig ist, die Zulassung der Antragstellerin widerrufen und die sofortige Vollziehung dieser Entscheidung angeordnet. Der Anwaltsgerichtshof hat die Anträge der Antragstellerin auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde eingelegt.

Während des Beschwerdeverfahrens hat die Antragsgegnerin jedoch ihren Widerrufsbescheid aufgehoben, da die Antragstellerin nachgewiesen hatte, dass seit dem 14. Februar 1999 wieder eine lückenlose Haftpflichtversicherung besteht. Die Beteiligten haben daraufhin erklärt, dass das Verfahren erledigt ist.

Da das Verfahren nunmehr erledigt ist, muss nur noch über die Kosten des Verfahrens entschieden werden. Es ist angemessen, die Kosten der Antragsgegnerin aufzuerlegen, da sie ohne die Erledigung der Hauptsache unterlegen wäre.

Der Anwaltsgerichtshof hatte seine Entscheidung damit begründet, dass die Antragstellerin trotz des nachgewiesenen Versicherungsschutzes für den Zeitraum vom 14. Februar 1999 bis zum 8. Februar 2000 keinen gesetzlich vorgeschriebenen Haftpflichtversicherungsschutz nachweisen konnte. Dem widerspricht der Bundesgerichtshof jedoch. Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO), der den Rechtsanwalt dazu verpflichtet, eine Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen und während der Zulassung aufrechtzuerhalten, dient diese Pflicht dem Schutz des rechtsuchenden Publikums. Da die Antragstellerin nachgewiesen hat, dass sie seit dem 9. Februar 2000 wieder eine Haftpflichtversicherung unterhält, besteht kein Grund mehr, ihr die Berufsausübung zu untersagen.

Der Anwaltsgerichtshof hat den Umstand, dass die Antragstellerin erneut ihre Zulassung beantragen kann, offenbar nicht ausreichend berücksichtigt. Daher ist der Widerrufsbescheid aufzuheben, da der Widerrufsgrund durch die Wiederherstellung des Versicherungsschutzes entfallen ist.

Dieser Beschluss wurde von den Richtern Deppert, Basdorf, Schlick, Otten, Salditt, Schott und Wosgien gefasst.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BGH: Beschluss v. 18.06.2001, Az: AnwZ (B) 49/00


Tenor

Die Antragsgegnerin hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen und der Antragstellerin die ihr entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 100.000 DM festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin ist seit 1994 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Schreiben vom 11. Mai 1999 teilte die G. Firmen- und Privat-Service AG der Antragsgegnerin mit, daß der Versicherungsschutz der Antragstellerin seit dem 14. Februar 1999 unterbrochen sei.

Mit Verfügung vom 9. November 1999 hat die Antragsgegnerin die Zulassung der Antragstellerin zur Rechtsanwaltschaft gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 9 BRAO wegen Nichtunterhaltung der vorgeschriebenen Berufshaftpflichtversicherung widerrufen und zugleich die sofortige Vollziehung dieser Verfügung angeordnet. Mit Beschluß vom 8. Mai 2000 hat der Anwaltsgerichtshof die Anträge der Antragstellerin auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Dagegen hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde eingelegt.

Während des Beschwerdeverfahrens hat die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 20. Juli 2000 die Widerrufsverfügung vom 9. November 1999 mit der Begründung aufgehoben, die Antragstellerin habe nunmehr, wie erforderlich, nachgewiesen, daß seit dem 14. Februar 1999 "lückenloser" Versicherungsschutz bestehe. Die Beteiligten haben das Verfahren für erledigt erklärt.

II.

Nachdem die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist nur noch über die Kosten des Verfahrens in entsprechender Anwendung von § 91 a ZPO, § 13 a FGG zu entscheiden. Dabei entspricht es billigem Ermessen, der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, weil sie ohne Erledigung der Hauptsache unterlegen wäre.

1.

Der Anwaltsgerichtshof hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Zwar sei nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung davon auszugehen, daß die Antragstellerin seit dem 9. Februar 2000 wieder eine Haftpflichtversicherung unterhalte. Dies habe jedoch auf den Widerruf der Zulassung keinen Einfluß, da sie nach wie vor nicht nachgewiesen habe, daß auch für die Zeit vom 14. Februar 1999 bis zum 8. Februar 2000 der gesetzlich vorgeschriebene Haftpflichtversicherungsschutz bestanden habe.

Dem ist nicht zu folgen.

2.

§ 51 Abs. 1 Satz 1 BRAO, der den Rechtsanwalt dazu verpflichtet, eine Berufshaftpflichtversicherung zur Deckung der sich aus seiner Berufstätigkeit ergebenden Haftpflichtgefahren für Vermögensschäden abzuschließen und die Versicherung während der Dauer seiner Zulassung aufrechtzuerhalten, dient dem Schutz des rechtsuchenden Publikums. Dieses soll darauf vertrauen können, daß eventuelle Schadensersatzansprüche gegen den Rechtsanwalt im Rahmen des vorgeschriebenen Versicherungsschutzes ohne weiteres durchsetzbar sind (vgl. Senatsbeschluß BGHZ 137, 200, 203 f). Diese Pflicht zurdauernden Unterhaltung einer Haftpflichtversicherung ist auch dann verletzt, wenn nur zeitweilig ein Versicherungsschutz nicht besteht. Beruht dies auf einem Verschulden des Rechtsanwalts, so liegt darin eine Berufspflichtverletzung nach §§ 43, 113 Abs. 1 BRAO, die mit anwaltsgerichtlichen Maßnahmen geahndet werden kann (Senatsbeschluß vom 29. Januar 1996 -AnwZ (B) 47/95 - BRAK-Mitt. 1996, 121 f).

Bei Auslegung und Anwendung der mit § 51 BRAO in Zusammenhang stehenden Widerrufsbestimmung des § 14 Abs. 2 Nr. 9 BRAO, die ebenfalls dem Schutz des rechtsuchenden Publikums dient, ist jedoch zu berücksichtigen, daß durch einen Widerruf der Zulassung nur künftig drohenden Vermögensschäden begegnet werden kann, hingegen dadurch nicht solche Vermögensschäden verhindert werden können, die auf einer bereits in der Vergangenheit liegenden Anwaltstätigkeit und dem dabei fehlenden Versicherungsschutz beruhen. Deshalb war es, nachdem die Antragstellerin nachgewiesen hatte, daß sie jedenfalls seit dem 9. Februar 2000 wieder eine Haftpflichtversicherung unterhält, nicht (mehr) geboten, der Rechtsanwältin die (weitere) Berufsausübung zu untersagen. Dies sieht der Anwaltsgerichtshof im Ergebnis ersichtlich nicht anders, weil er betont hat, daß die Antragstellerin wegen des nunmehr wiederhergestellten Versicherungsschutzes nicht daran gehindert sei, erneut ihre Zulassung bei der Antragsgegnerin zu beantragen. Entgegen der Auffassung des Anwaltsgerichtshofs ist jedoch dieser Umstand auch bei der Entscheidung darüber zu berücksichtigen, ob ein ergangener Widerrufsbescheid wegen Beseitigung des Widerrufsgrundes aufzuheben ist (ebenso Feuerich/Braun, BRAO 5. Aufl. § 14 Rn. 78; allgemein zum Beurteilungszeitpunkt beider Frage der Aufrechterhaltung der Zulassungsrücknahme: Senatsbeschlüsse BGHZ 75, 356, 357; 84, 149, 150).

Deppert Basdorf Schlick Otten Salditt Schott Wosgien






BGH:
Beschluss v. 18.06.2001
Az: AnwZ (B) 49/00


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