Finanzgericht München:
Urteil vom 21. März 2013
Aktenzeichen: 14 K 3608/11

(FG München: Urteil v. 21.03.2013, Az.: 14 K 3608/11)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Finanzgericht München hat in der Entscheidung vom 21. März 2013 (Aktenzeichen 14 K 3608/11) die Klage abgewiesen. Die Klägerin, eine GmbH, hatte argumentiert, dass zwischen ihr und einem Verein eine umsatzsteuerliche Organschaft bestehe, wodurch die von ihr erbrachten Geschäftsführerleistungen nicht umsatzsteuerbar seien. Das Finanzamt hingegen vertrat die Ansicht, dass es sich dabei um steuerbare und steuerpflichtige Umsätze handle. Das Gericht entschied zugunsten des Finanzamts und stellte fest, dass die Klägerin nicht in das Unternehmen des Vereins organisatorisch eingegliedert sei und somit die Geschäftsführerleistungen umsatzsteuerbar seien. Die finanzielle und wirtschaftliche Eingliederung sowie das uneingeschränkte Weisungsrecht des Vereins fehlten. Da keine organisatorische Eingliederung vorliege, sei auch nicht zu prüfen, ob die weiteren Voraussetzungen für das Vorliegen einer Organschaft erfüllt seien. Die Klage wurde daher abgewiesen. Das Gericht begründete seine Entscheidung ausführlich und führte die relevanten rechtlichen Bestimmungen an. Die Klägerin hat die Möglichkeit, gegen das Urteil Revision einzulegen.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

FG München: Urteil v. 21.03.2013, Az: 14 K 3608/11


Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

I. Streitig ist, ob zwischen der Klägerin und dem XYZ-Verein e.V. (Verein) eine umsatzsteuerliche Organschaft besteht und damit die Geschäftsführerleistungen der Klägerin nicht umsatzsteuerbar sind.

Die Klägerin ist die mit notariellem Vertrag vom 16. Oktober 2007 gegründete XYZ Verwaltungs GmbH mit Sitz in B. Gegenstand ihres Unternehmens ist die Übernahme der Vorstandstätigkeit im Verein, der eine Kinderkrippe, einen Kindergarten sowie eine Grund- und Hauptschule betreibt. Die Gründungsgesellschafter der Klägerin waren W und G, die zunächst jeweils 50 % der Stammeinlage von insgesamt 25.000 € übernommen hatten.

Mit notarieller Urkunde vom 4. März 2008 wurden die Geschäftsanteile von W und G aufgeteilt. Gleichzeitig erfolgte eine Abtretung von Geschäftsanteilen an den Verein sowie an B und A, so dass der Verein nunmehr über Anteile von 88 % sowie G, B und A über Anteile von jeweils 4 % an der Klägerin verfügten. W ist aus der Geschäftsführung ausgeschieden.

Bereits in der Mitgliederversammlung des Vereins am 23. Oktober 2007 war die Klägerin mit Wirkung zum 30. Januar 2008 zum Vorstand gewählt worden. Die bisherigen drei leitenden Angestellten des Vereins, G, B und A, wurden zu einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführerinnen der Klägerin, die seitdem die Vorstandstätigkeit des Vereins ausübt. Laut § 9 Nr. 4 der Satzung des Vereins vom 26. November 2009 beschließt der Vorstand über alle nicht der Mitgliederversammlung vorbehaltenen Angelegenheiten, laut § 10 Nr. 5 der Satzung wird die Vertretungsbefugnis des Vorstands hinsichtlich des Abschlusses von Bürgschaftsverträgen und verwandten Rechtsgeschäften, die ein Einstehen für fremde Schuld zum Gegenstand haben, insofern eingeschränkt, dass insoweit die Zustimmung der Mitgliederversammlung erforderlich ist. Nach § 10 Nr. 8 der Satzung kann der Vorstand nur aus wichtigem Grund durch Beschluss des Verwaltungsrates und der Mitgliederversammlung abberufen werden. Unter § 2 einer Vereinbarung vom 15. März 2008 zwischen dem Verein und der Klägerin wurde festgehalten, dass für bestimmte Rechtsgeschäfte der Klägerin eine vorherige Zustimmung durch den Verwaltungsrat des Vereins nötig sei. Hierzu zählen unter anderem Abweichungen von mehr als 20.000 € vom Budget des laufenden Geschäftsjahres, jegliche Abmachungen über eine Gewinn- oder Umsatzbeteiligung, der Erwerb oder Veräußerung von Gegenständen über 10.000 € sowie die Aufnahme von Krediten, wenn diese eine Laufzeit von einem Jahr und einen Darlehensbetrag von 10.000 € übersteigen. Für die Geschäftsführung der Klägerin war ein Entgelt von jährlich 133.851 €, für die Zeit von Januar bis August 2008 von 89.216 € vereinbart. In der vom Vorstand und des Verwaltungsrates des Vereins erlassenen Geschäftsordnung für die Klägerin vom 13. Februar 2009 wurde unter § 2 Nr. 2 geregelt, dass die Geschäftsführung den Weisungen der Gesellschafterversammlung und des Verwaltungsrates in den Fällen des § 10 Nr. 5 der Satzung des Vereins Folge zu leisten habe.

Die Klägerin behandelte die Umsätze aus der Geschäftsführung als nicht steuerbar im Rahmen einer umsatzsteuerlichen Organschaft. Im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung für die Jahre 2007 und 2009 vertrat das Finanzamt hingegen die Auffassung, dass es sich insoweit um steuerbare und steuerpflichtige Umsätze handle. Eine Organschaft scheitere an der organisatorischen Eingliederung der Klägerin in den Verein, da diese die Geschäfte des Vereins eigenverantwortlich führe.

Mit Bescheiden vom 18. Mai 2011 wurde die Umsatzsteuer für 2008 auf 21.368,16 € und für 2009 und 2010 auf jeweils 21.371,20 € festgesetzt. Dabei legte das Finanzamt steuerbare und steuerpflichtige Umsätze von 112.464 € bzw. 112.480 € zugrunde und berücksichtigte keine Vorsteuern.

Am 28. März 2011 beschloss die Klägerin im Rahmen einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung die Änderung ihrer Geschäftsordnung. Unter § 2 Nr. 4 der Geschäftsordnung wurde aufgenommen, dass der Verwaltungsrat des Vereins jederzeit in die laufende Geschäftsordnung der Klägerin eingreifen könne, um die Vereinsinteressen zu sichern.

Mit Schreiben vom 20. April 2011 erteilte das Finanzamt der Klägerin eine verbindliche Zusage gemäß § 204 Abgabenordnung (AO) mit dem Inhalt, dass mit Wirkung ab dem 1. April 2011 eine organisatorische Eingliederung der Klägerin in den Verein vorliege und die von der Klägerin in Rechnung gestellten Geschäftsführungsleistungen für den Verein ab diesem Zeitpunkt nicht steuerbare Innenumsätze darstellen.

Die gegen die geänderten Umsatzsteuerfestsetzungen eingelegten Einsprüche wurden damit begründet, dass die Klägerin in der Rechtsform der GmbH den Vorstand des Vereins bilde. Da sie aufgrund dieser Rechtsform zu keiner eigenen Willensbildung fähig sei, werde die Willensbildung des Vereinsvorstands durch ihre Geschäftsführerinnen wahrgenommen, die gemeinsam über die laufenden Geschäfte der GmbH und des Vereins entscheiden. Diese Struktur müsse vergleichbar einem Beherrschungsvertrag nach § 291 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 des Aktiengesetzes (AktG) mit der Folge gesehen werden, dass eine organisatorische Eingliederung in dieser Konstellation zu bejahen sei.

Die Einsprüche hatten jedoch keinen Erfolg. Mit Entscheidung vom 21. November 2011 wurden sie vom FA als unbegründet zurückgewiesen.

Mit ihrer dagegen gerichteten Klage verfolgt die Klägerin ihr Ziel weiter. Sie sei nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Vereins eingegliedert, so dass die Voraussetzungen einer umsatzsteuerlichen Organschaft vorlägen.

Da der Verein nach dem Erwerb der Gesellschaftsanteile der Klägerin mit 88 % an deren Stammkapital beteiligt sei, liege die finanzielle Eingliederung vor. Darüber hinaus bestehe zwischen der Tätigkeit der Klägerin und des Vereins ein enger wirtschaftlicher Zusammenhang, da die Gründung der Klägerin ausschließlich im Interesse des Vereins gegründet worden sei, um Führungs- und Verwaltungstätigkeiten auszuführen. Daher sei auch eine wirtschaftliche Eingliederung gegeben.

Zu Unrecht vertrete das Finanzamt die Ansicht, dass keine organisatorische Eingliederung der Klägerin in den Verein bestehe. Die Klägerin habe einerseits die Vorstandstätigkeit auf der Ebene des Vereins übernommen, andererseits führten die Geschäftsführer der Klägerin auch die Geschäfte des Vereins in Personalidentität. Soweit das Finanzamt in der Einspruchsentscheidung auf ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14. Dezember 1978 verweise, sei der dort entschiedene Sachverhalt nicht auf den Streitfall zu übertragen, da vorliegend nicht die GmbH (Klägerin) an dem Verein, sondern vielmehr der Verein an der GmbH beteiligt sei.

Hingegen habe der BFH bereits in seinem Urteil vom 3. April 2008 entschieden, dass eine organisatorische Eingliederung in aller Regel vorliege, wenn zwischen den Geschäftsführungsebenen des Organträgers und der Organgesellschaft eine Personalunion bestehe. Auch im Streitfall setze sich der Vorstand des Vereins aus den Geschäftsführern der GmbH zusammen. Die Auffassung des Finanzamt dass der Verein keine Möglichkeit habe, in die laufende Geschäftsführung der Klägerin einzugreifen und dort seinen Willen durchzusetzen, sei daher nicht stichhaltig. Letztlich könne der hier vorliegende Sachverhalt nicht anders entschieden werden, als wenn der Verein einen Vorstand bestehend aus natürlichen Personen hätte. Aufgrund der personellen Identität des Vorstands des Vereins mit der Geschäftsführung der GmbH sei daher von einer organisatorischen Eingliederung der Klägerin in das Unternehmen des Vereins auszugehen.

Die Klägerin beantragt, die Umsatzsteuerbescheide für 2008, 2009 und 2010 jeweils vom 18. Mai 2011 und die Einspruchsentscheidung vom 21. November 2011 aufzuheben, hilfsweise regt sie an, die Revision zum Bundesfinanzhof zuzulassen.

Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist es auf die Einspruchsentscheidung. Der vorliegende Sachverhalt sei mit der so genannten €Einheits-GmbH & Co. KG€ vergleichbar, bei der die Kommanditgesellschaft (KG) 100 % der Anteile an der GmbH halte und die GmbH die Geschäfte der KG führe. Im Streitfall liege zwar eine finanzielle, nicht aber eine organisatorische Eingliederung der Klägerin in das Unternehmen des Vereins vor. Insoweit sei Voraussetzung, dass der Verein als Organträger die Entscheidungshoheit über die Klägerin besitzt. Da es sich bei dieser jedoch um eine GmbH handle, die wiederum nur über ihre Geschäftsführer handlungsfähig sei, komme ein unmittelbares Einwirken des Organträgers nicht in Betracht.

Darüber hinaus sei in § 10 Nr. 5 der Satzung des Vereins festgelegt, dass der Verwaltungsrat und der Vorstand die Richtlinien und Grundsätze für die Führung der laufenden Geschäfte abstimmen. Der Verwaltungsrat könne dem Vorstand für alle Geschäfte, die nicht als laufend i.S. von § 2 Nr. 3 der Geschäftsordnung anzusehen seien, auch konkrete Weisungen für den Einzelfall erteilen. Ein mit der Mehrheit der Anteile verbundenes Weisungsrecht des Gesellschafters, sowie bestimmte zustimmungsbedürftige Geschäfte seien jedoch für die Annahme einer organisatorischen Eingliederung nicht ausreichend. Vielmehr seien insoweit nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 3. April 2008 institutionell abgesicherte unmittelbare Eingriffsmöglichkeiten in den Kernbereich der laufenden Geschäftsführung erforderlich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten sowie auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (§ 90 Absatz 2 der Finanzgerichtsordnung € FGO -).

Gründe

II. Die Klage ist unbegründet. Zu Recht ist das FA davon ausgegangen, dass die Klägerin wegen der fehlenden organisatorischen Eingliederung nicht Organgesellschaft des Vereins ist und die Geschäftsführerleistungen der Klägerin daher umsatzsteuerbar sind.

Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) unterliegen Lieferungen (§ 3 Abs. 1 UStG) und sonstige Leistungen (§ 3 Abs. 9 UStG), die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, der Umsatzsteuer. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen eines anderen Unternehmers eingegliedert ist (Organschaft).

Unionsrechtlich beruht diese Vorschrift auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG. Danach können die Mitgliedstaaten im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, jedoch durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln.

Die Ausübung der Ermächtigung, "Personen ... als einen Steuerpflichtigen zu behandeln", führt zu einer "Verschmelzung zu einem einzigen Steuerpflichtigen[, die] es ausschließt, dass die untergeordneten Personen weiterhin getrennt Mehrwertsteuererklärungen abgeben und innerhalb und außerhalb ihres Konzerns weiter als Steuerpflichtige angesehen werden, da nur der einzige Steuerpflichtige befugt ist, diese Erklärungen abzugeben" (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union € EuGH - vom 22. Mai 2008 C-162/07, Ampliscientifica und Amplifin, Slg. 2008, I-4019 Rdnr. 19). Dementsprechend setzt die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG erforderliche Eingliederung in ein anderes Unternehmen ein Verhältnis der Über- und Unterordnung zwischen einer Organgesellschaft als "untergeordneter Person" und dem sog. Organträger voraus (Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 7. Juli 2011 V R 53/10 DStR 2011, 2044 m.w.N.).

Die Eingliederungsvoraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG dienen der Feststellung, ob das für die Organschaft erforderliche Über- und Unterordnungsverhältnis vorliegt, das zur Verschmelzung zu nur einem einzigen Steuerpflichtigen führt.

Finanziell muss der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt sein, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschluss in der Gesellschafterversammlung durchsetzen kann. Für die wirtschaftliche Eingliederung i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG müssen die Unternehmensbereiche von Organträger und Organgesellschaft miteinander verflochten sein. Dabei kann die wirtschaftliche Eingliederung auf entgeltlichen Leistungen des Mehrheitsgesellschafters (Organträger) gegenüber seiner Tochtergesellschaft (Organgesellschaft) beruhen, wenn diesen für das Unternehmen der Organgesellschaft mehr als nur unwesentliche (geringfügige) Bedeutung zukommt.

Die organisatorische Eingliederung setzt voraus, dass der Organträger die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung wahrnimmt, wobei er die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrschen muss (BFH vom 7. Juli 2011 in DStR 2011, 2044). Es ist dann im Regelfall davon auszugehen, dass der Organträger aufgrund derartiger Leistungen auf die Organgesellschaft Einfluss nehmen kann, für ihn auch aufgrund der Möglichkeit zur Beendigung dieser Leistungsbeziehung eine "beherrschende Stellung" besteht und somit für ihn "besondere Einwirkungsmöglichkeiten" vorliegen.

Regelmäßig besteht die organisatorische Eingliederung zwischen zwei Körperschaften bei einer Personenidentität in den Geschäftsführungsorganen der beiden Gesellschaften (BFH-Urteil vom 17. Januar 2002 V R 37/00, BStBl II 2002, 373). Darüber hinaus kann sich die organisatorische Eingliederung auch aus einer (teilweisen) personellen Verflechtung über diese Geschäftsführungsorgane ergeben (BFH-Urteil vom 3. April 2008 V R 76/05, BStBl II 2008, 905), wenn dem Organträger eine Willensdurchsetzung in der Geschäftsführung der Organgesellschaft möglich ist. Es kommt deshalb darauf an, dass der Organträger die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrscht oder aber zumindest durch die Gestaltung der Beziehungen zwischen dem Organträger und der Organgesellschaft sichergestellt ist, dass eine vom Willen des Organträgers abweichende Willensbildung bei der Organtochter nicht stattfindet (BFH vom 7. Juli 2011 a.a.O.). Sind für die Organ-GmbH z.B. mehrere einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer bestellt, reicht es aus, dass zumindest einer von ihnen auch Geschäftsführer der Organträger-GmbH ist, der Organträger über ein umfassendes Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsführung der Organ-GmbH verfügt (vgl. § 37 Abs. 2 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung -GmbHG-) und zur Bestellung und Abberufung aller Geschäftsführer der Organ-GmbH berechtigt ist (vgl. § 46 Nr. 5 GmbHG).

Im Streitfall sind die Voraussetzungen für eine organisatorische Eingliederung nicht erfüllt, da der Verein im Hinblick auf die Geschäftsführerleistungen der Klägerin nicht über eine beherrschende Stellung und insbesondere nicht über die von der BFH-Rechtsprechung geforderte besondere Einwirkungsmöglichkeit verfügt.

Der Klägerin ist zwar insoweit zuzustimmen, dass zwischen den Geschäftsführungsorganen der Klägerin und des Vereins eine Personenidentität besteht, da die drei leitenden Angestellten des Vereins, G, B und A, auch die einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführerinnen der Klägerin sind. Gleichwohl begründet diese Konstellation keine organisatorische Eingliederung der Klägerin, da der Verein nach den besonderen Verhältnissen des Streitfalls seinen Willen gerade nicht gegenüber der Geschäftsführung der Klägerin durchsetzen konnte. Denn die Klägerin war nach § 10 Abs. 1 Satz 2 der Vereinssatzung vom 26. November 2009 der einzelvertretungsberechtigte Vorstand des Vereins und konnte nach § 10 Abs. 8 Satz 1 der Vereinssatzung nur aus wichtigem Grund abberufen werden.

Die nach der BFH- Rechtsprechung mögliche Berücksichtigung leitender Mitarbeiter des Organträgers bei der organisatorischen Eingliederung beruht jedoch auf der Annahme, dass der leitende Mitarbeiter des Organträgers dessen Weisungen bei der Geschäftsführung der Organgesellschaft aufgrund eines zum Organträger bestehenden Anstellungsverhältnisses und einer sich hieraus ergebenden persönlichen Abhängigkeit befolgen wird und er bei weisungswidrigem Verhalten vom Organträger als Geschäftsführer der Organgesellschaft abberufen werden kann (BFH vom 7. Juli 2011 in DStR 2011, 2044 m.w.N.). Denn die organisatorische Eingliederung setzt die Möglichkeit der Beherrschung in der laufenden Geschäftsführung voraus. Dies erfordert ein uneingeschränktes Abberufungsrecht, das nicht nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes besteht. Erforderlich sind vielmehr institutionell abgesicherte unmittelbare Eingriffsmöglichkeiten in den Kernbereich der laufenden Geschäftsführung (BFH-Urteil vom 3. April 2008 V R 76/05, BStBl II 2008, 905).

Der Verein konnte seinen Willen gegenüber der Klägerin bereits deshalb nicht durchsetzen, weil diese nur aus wichtigem Grund von ihrer Vorstandstätigkeit abberufen werden konnte und ansonsten über alle nicht der Mitgliederversammlung vorbehaltenen Angelegenheiten beschließen konnte (vgl. § 9 Abs. 4 der Satzung). Unmittelbare Eingriffsmöglichkeiten in die laufende Geschäftstätigkeit der Klägerin standen dem Verein jedoch nicht zu. Diese hat sich der Verein in seiner Satzung vom 26. November 2009 nicht vorbehalten, sondern erst in der Satzungsänderung ab 28. März 2011 berücksichtigt.

Somit bestand während der Streitjahre kein umfassendes Weisungsrecht des Vereins gegenüber der Geschäftsführung der Klägerin, da diese als geschäftsführendes Organ den Willen des Vereins bildete und daher nicht gleichzeitig dem Willen dieser Gesellschaft unterworfen sein konnte (vgl. BFH-Urteil vom 19. September 2011 XI B 85/10, BFH/NV 2012, 283 unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 14. Dezember 1978 V R 85/74, BStBl II 1979, 288).

Der Wille des Vereins war daher immer identisch mit dem Willen der Klägerin. Wegen der besonderen Beteiligungsverhältnisse war jedoch auch eine umgekehrte Willensbildung möglich. Dem Finanzamt ist zuzustimmen, dass es logisch nicht denkbar erscheint, dass der Verein einen bestimmten Willen und wegen derselben Angelegenheit im Sinne der Klägerin gleichzeitig einen entgegen gesetzten Willen bildet und diesen auch gegenüber der Klägerin rechtlich durchsetzen hätte können. Somit konnte der Verein die Klägerin durch die Art und Weise der Geschäftsführung gerade nicht beherrschen (vgl. BFH-Urteil vom 7. Juli 2011 a.a.O.), vielmehr ist aus diesem Grund auch nicht erkennbar, ob der Verein oder die Klägerin als herrschende oder als abhängige Gesellschaft anzusehen war (vgl. auch BFH-Urteil vom 22. April 2010 V R 9/09, BStBl II 2011, 597).

Es liegen auch keine sonstigen Umstände vor, aus denen sich für den Verein eine Möglichkeit zur Willensdurchsetzung ergab.

So begründen auch weder das mit der finanziellen Eingliederung einhergehende Weisungsrecht durch Gesellschafterbeschluss noch eine vertragliche Pflicht zur regelmäßigen Berichterstattung über die Geschäftsführung die organisatorische Eingliederung (vgl. BFH-Urteil vom 7. Juli 2011 a.a.O. m.w.N.). Auch Zustimmungsvorbehalte zugunsten des Verwaltungsrats bei Geschäften, die nicht als laufend anzusehen sind (vgl. § 10 Abs. 5 Satz 2 der Satzung) sind als bloße Verpflichtung zur Einholung von Weisungen unbeachtlich.

Da im Streitfall somit keine organisatorische Eingliederung der Klägerin vorliegt, kommt es im Übrigen auch nicht darauf an, ob die weiteren Voraussetzungen für das Vorliegen einer Organschaft zwischen dem Verein und der Klägerin, insbesondere die finanzielle und wirtschaftliche Eingliederung, erfüllt sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der in § 115 Abs. 2 FGO genannten Gründe ersichtlich ist.






FG München:
Urteil v. 21.03.2013
Az: 14 K 3608/11


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/7ad16d3b3832/FG-Muenchen_Urteil_vom_21-Maerz-2013_Az_14-K-3608-11




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