Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. Dezember 2005
Aktenzeichen: 21 W (pat) 324/03
(BPatG: Beschluss v. 21.12.2005, Az.: 21 W (pat) 324/03)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Bundespatentgericht hat in einem Beschluss vom 21. Dezember 2005 (Aktenzeichen 21 W (pat) 324/03) über einen Einspruch gegen ein Patent entschieden. Das Patent, das ein Endoskop betrifft, wurde widerrufen. Der Einspruch wurde von einer Einsprechenden erhoben, die die mangelnde Ausführbarkeit der patentgemäßen Lehre geltend machte und verschiedene Druckschriften als Grundlage für ihren Einspruch verwies. Die Einsprechende beantragte den Widerruf des Patents, während die Patentinhaberin beantragte, dass das Patent aufrechterhalten wird. Das Gericht prüfte den Einspruch und entschied, dass der Gegenstand des Patentanspruchs nicht neu ist und daher nicht patentfähig ist. Das Patent wurde daher widerrufen. Das Endoskop, das durch das Patent geschützt wurde, umfasst einen längerlichen Hohlschaft zur Aufnahme eines Lichtträgers und einer Optik sowie eine Fluidleitung zur Zuführung von Spülflüssigkeit für die Optik. Das Ziel des Endoskops ist es, eine Sichtbehinderung an der Optik zu vermeiden, auch wenn die Reinigung unterbrochen ist. Der Fachmann ist ein Ingenieur, der mit der Herstellung von Endoskopen vertraut ist. Die Patentansprüche sind formal zulässig und entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen. Der Einspruch hatte Erfolg, da der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht neu ist. Der in einer Entgegenhaltung offenbarte Stand der Technik zeigt ein ähnliches Endoskop, das alle Merkmale des Patentanspruchs umfasst. Zusätzlich beansprucht der Patentanspruch 1 eine reduzierte Fließrate kurz vor einer Unterbrechung des Flüssigkeitsstrahls, um einen minimalen Flüssigkeitsfilm auf der Optik zu erzeugen. Diese räumlich-körperliche Ausgestaltung ist ebenfalls im Stand der Technik offenbart. Das Patent wurde daher wegen fehlender Neuheit widerrufen. Die Patentansprüche 2 bis 9 teilen das Schicksal des Anspruchs 1.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 21.12.2005, Az: 21 W (pat) 324/03
Tenor
Nach Prüfung des Einspruchs wird das Patent widerrufen.
Gründe
I.
Auf die am 19. April 1999 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereichte Patentanmeldung ist das nachgesuchte Patent unter der Bezeichnung "Endoskop" erteilt worden; die Veröffentlichung der Erteilung ist am 3. April 2003 erfolgt.
Gegen das Patent ist am 2. Juli 2003 Einspruch erhoben worden.
Zur Begründung des Einspruchs hat die Einsprechende mangelnde Ausführbarkeit der patentgemäßen Lehre geltend gemacht und auf folgende Druckschriften verwiesen:
E1 DE 40 00 410 A1 E2 DE 39 33 085 A1 E3 EP 0 497 347 A2 E4 US 5 339 800 E5 US 4 576 146 E6 US 4 960 259 E7 Auszug aus DE-Firmenkatalog der Karl Storz GmbH & Co. KG,
"Endoskope und Instrumente für HNO", Ausgabe 1/96, Seite SI 40 E8 US 3 980 078 Die Einsprechende führt zur Begründung ihres Einspruchs im Wesentlichen aus, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 dem Fachmann aus der E3 in Kombination mit der E4 nahe gelegt sei. Aus der E4 sei insbesondere die Ausbildung eines Flüssigkeitsfilms auf einer Optik eines Endoskops bekannt. Darüber hinaus seien auch schon alle konstruktiven Merkmale des Anspruchs 1 aus der E3 oder E4 bekannt.
Die Einsprechende stellt den Antrag, das Patent zu widerrufen.
Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent aufrecht zu erhalten.
Der erteilte Patentanspruch 1 lautet (Merkmalsgliederung hinzugefügt):
M1 Endoskop, welches M2 einen länglichen Hohlschaft (3) zur Aufnahme eines Lichtträgers und einer Optik sowie M3 einer längs des Hohlschaftes verlegten Fluidleitung aufweist, M4 über welche eine Spülflüssigkeit an das distale Ende des Hohlschaftes zur Reinigung einer stirnseitigen Sichtfläche der Optik zugeleitet wird, dadurch gekennzeichnet, dass M5 mit der Fluidleitung eine Regeleinrichtung verbunden ist, welche die Spülflüssigkeit auf unterschiedliche Fliessraten derart einstellen läßt, dass M6 die Zuleitung der Spülflüssigkeit intervallmäßig und mit einem anfänglich relativ starken Flüssigkeitsstrahl M7 mit einer Ausrichtung gegen die stirnseitige Sichtfläche (5) der Optik (4) geregelt wird und M8 die Zuleitung der Spülflüssigkeit kurz vor einer Unterbrechung des Flüssigkeitsstrahls auf eine Fliessrate reduziert wird, welche an der Sichtfläche (5) der Optik (4) die Ausbildung eines minimalen Flüssigkeitsfilms ergibt, der eine Sichtbehinderung an der Optik vermeiden läßt.
Die Patentinhaberin hält den Gegenstand des Patentanspruchs 1 für neu und erfinderisch. Ihrer Meinung nach führt die E4 weg von der Erfindung, da dort die Tropfen auf der Optik durch Kapillarwirkung der sie umgebenden Ringdüse entfernt würden und nicht durch einen minimalen Flüssigkeitsfilm auf der Optik.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Gemäß § 147 Abs. 3 PatG entscheidet über den Einspruch der technische Beschwerdesenat des Patentgerichts.
Der rechtzeitig und formgerecht eingelegte Einspruch ist zulässig, denn es sind innerhalb der Einspruchsfrist die den Einspruch rechtfertigenden Tatsachen mangelnder Patentfähigkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG) im Einzelnen dargelegt worden, so dass die Patentinhaberin und der Senat daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Widerrufsgrundes ziehen können (§ 59 Abs. 1 PatG).
Der Einspruch hat auch Erfolg, denn der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist nicht neu und deshalb nicht patentfähig (§§ 1,3 PatG). Das Patent war deshalb zu widerrufen, § 61 Abs. 1 PatG.
Der Streitpatentgegenstand betrifft ein Endoskop, welches einen länglichen Hohlschaft zur Aufnahme eines Lichtträgers und einer Optik sowie einer Fluidleitung zur Zuführung von Spülflüssigkeit für die Optik aufweist.
Dem Streitpatentgegenstand liegt die Aufgabe zugrunde, bei einem Endoskop dieser Art Vorkehrungen zu treffen, die eine an der Optik auftretende Sichtbehinderung auch dann verhindern oder zumindest weitgehend reduzieren lässt, wenn die Reinigung unterbrochen ist (siehe Patentschrift Absatz [0005]).
Fachmann ist ein mit der Herstellung von Endoskopen vertrauter Dipl.-Ing. der Fachrichtung Physik.
Die erteilten Patentansprüche sind formal zulässig, denn sie ergeben sich aus den ursprünglichen, am Anmeldetag eingereichten Patentansprüchen.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist gegenüber dem in der Entgegenhaltung E4 offenbarten Stand der Technik nicht neu.
Aus der E4 (siehe insbesondere die Fig. 1 mit zugehöriger Beschreibung Sp. 4 Zeile 21 - Sp. 5, Zeile 42) ist ein M1= Endoskop bekannt, welches M2= einen länglichen Hohlschaft (tube 10) zur Aufnahme eines Lichtträgers und einer Optik (borescope 12, siehe Spalte 4, Zeilen 5 bis 16) sowie M3= einer längs des Hohlschaftes verlegten Fluidleitung (annular passage 22) aufweist, M4= über welche eine Spülflüssigkeit an das distale Ende des Hohlschaftes zur Reinigung einer stirnseitigen Sichtfläche der Optik (siehe Fig. 5, lens cover 53) zugeleitet wird (siehe Spalte 4, Zeilen 60 bis Spalte 5, Zeile 6) wobei M5= mit der Fluidleitung als Regeleinrichtung Trompetenventile (valves 60, 62) verbunden sind (siehe Spalte 4, Zeilen 53 bis 59 und Spalte 7, Zeilen 14, 15), welche die Reinigungsflüssigkeit (siehe Fig. 1, H2O) auf unterschiedliche Fliessraten (z. B. mindestens Ventile auf und zu) derart einstellen lässt, dass M6= die Zuleitung der Spülflüssigkeit bei Bedarf und somit intervallmäßig (siehe Spalte 5, Zeilen 14 bis 24) und mit einem anfänglichen relativ starken Flüssigkeitsstrahl (bei Ventil auf im Vergleich zu Ventil zu, siehe auch Spalte 4, Zeilen 65 bis 68)
M7= mit einer Ausrichtung gegen die stirnseitige Sichtfläche der Optik (siehe Spalte 4, Zeile 68 oder auch Fig. 6) eingestellt wird.
Gemäß der Beschreibung weist das strittige Endoskop als Regeleinrichtung ein einstellbares Ventil auf (siehe Absatz [0014]), welches z. B. als Trompetenventil oder Quetschventil ausgebildet sein kann. Eine Regeleinrichtung im Sinne eines Regelkreises mit einer Messeinrichtung für die Fließrate und einer Steuereinrichtung für die Abweichung einer gemessenen von einer vorgegebenen Fließrate (Soll-Ist-Vergleich) ist in der Patentschrift nicht offenbart und war nach Aussage des Vertreters der Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung auch so nicht beabsichtigt. Der Fachmann versteht unter der Regeleinrichtung gemäß dem Streitpatent somit ein Ventil als Steuereinrichtung, das auf unterschiedliche Fließraten eingestellt werden kann, wie es insoweit auch aus der E4 bekannt ist.
Mit der Merkmalsgruppe M8 wird im verteidigten Anspruch 1 noch beansprucht, dass die Zuleitung der Spülflüssigkeit kurz vor einer Unterbrechung des Flüssigkeitsstrahls auf eine Fliessrate reduziert wird, welche an der Sichtfläche der Optik die Ausbildung eines minimalen Flüssigkeitsfilms ergibt, der eine Sichtbehinderung an der Optik vermeiden läßt.
Sachpatente sind durch die räumlichkörperlichen Merkmale ihrer Gegenstände gekennzeichnet und werden von Funktionsangaben nicht eingeschränkt, wenn diese keine unmittelbare Auswirkung auf die räumlichkörperliche Ausgestaltung eines Konstruktionselementes haben (siehe BGH GRUR 1979, 149 - Schießbolzen, Leitsatz und BGH GRUR 1991, 436 - Befestigungsvorrichtung II, Leitsatz 3). Mit den Merkmalsgruppen M5 bis M8 im Anspruch 1 wird ein Ventil beansprucht, dass nicht nur geöffnet und geschlossen werden kann, sondern auch noch auf eine reduzierte Fließrate eingestellt werden kann, die zur Ausbildung eines minimalen Flüssigkeitsfilms auf der Optik führt. Das Endoskop gemäß der E4 wird mit solch einem Ventil 98 betrieben (siehe Fig. 10), bei dem ein Knopf 106 gegen den Widerstand einer Feder 102 ein Ventilelement 108 in einem konischen Ventilsitz 109 (siehe Fig. 10) freigibt und somit je nach Verschiebung des Ventilelementes unterschiedliche Fließraten von einer minimalen bis zu einer maximalen Fließrate einstellt. Weitergehende Regel- oder Einstelleinrichtungen sind auch in der Streitpatentschrift nicht offenbart. Nach Aussage des Vertreters der Patentinhaberin wird die Einstellung bei dem Patentgegenstand auch lediglich vom Arzt durch die entsprechende Betätigung des Ventil vorgenommen. Die in den Merkmalsgruppen M5 bis M8 definierte räumlichkörperliche Ausgestaltung des Ventils ist also aus der E4 bekannt. Die in M8 darüber hinaus angegebenen Funktionen haben keine unmittelbare Auswirkung auf die räumlichkörperliche Ausgestaltung dieser Konstruktionselemente und stellen mithin kein einschränkendes Merkmal dar.
Der Patentanspruch 1 hat infolgedessen wegen fehlender Neuheit seines Gegenstandes keinen Bestand. Da nur über den Antrag insgesamt entschieden werden kann, teilen die darauf rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 9 dessen Schicksal.
Dr. Winterfeldt Engels Dr. Häußler Dr. Morawek Pr
BPatG:
Beschluss v. 21.12.2005
Az: 21 W (pat) 324/03
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