Bundespatentgericht:
Urteil vom 20. April 2005
Aktenzeichen: 4 Ni 20/04
(BPatG: Urteil v. 20.04.2005, Az.: 4 Ni 20/04)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Bundespatentgericht hat in seinem Urteil vom 20. April 2005 das europäische Patent EP 0 769 262 für nichtig erklärt. Das Patent, das eine Gefriertruhe und eine Abdeckhaube zum Nachrüsten einer solchen Gefriertruhe betrifft, wurde für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang der Ansprüche 1 bis 7, 11 und 12, soweit dieser auf die Patentansprüche 2 bis 7 rückbezogen ist, für nichtig erklärt. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits und das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger hatte argumentiert, dass der Gegenstand des Patents nicht patentfähig sei, da er weder neu noch erfinderisch sei. Der Kläger bezieht sich dabei auf verschiedene Druckschriften und Messungen. Die Beklagte hingegen hält das Patent für patentfähig. Das Gericht urteilte, dass der Patentgegenstand nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht. Es kommt zum Schluss, dass die Unterschiede zwischen dem Patent und dem Stand der Technik für den Fachmann naheliegend sind und daher keine erfinderische Tätigkeit vorliegt. In den verschiedenen Anträgen wurden zusätzliche Merkmale vorgeschlagen, die jedoch ebenfalls als naheliegend erachtet wurden. Das Gericht entschied daher, dass das Patent für nichtig erklärt wird.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Urteil v. 20.04.2005, Az: 4 Ni 20/04
Tenor
1. Das europäische Patent EP 0 769 262 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang der Ansprüche 1 bis 7, 11 und 12, soweit dieser auf die Patentansprüche 2 bis 7 rückbezogen ist, für nichtig erklärt.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents EP 0 769 262, das am 15. Oktober 1996 unter Inanspruchnahme der Prioritäten der deutschen Gebrauchsmusteranmeldungen DE 295 16 629 U vom 20. Oktober 1995 und DE 296 01 805 U vom 3. Februar 1996 angemeldet worden ist. Das Streitpatent ist in der Verfahrenssprache Deutsch veröffentlicht und wird beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nr. DE 596 03 774 geführt. Es betrifft eine Gefriertruhe und eine Abdeckhaube zum Nachrüsten einer solchen Gefriertruhe. Es umfasst 12 Ansprüche, von denen die Ansprüche 11 und 12 die Abdeckhaube betreffen. Der Kläger greift die Ansprüche 1, 2 bis 7, 11 und 12, letzteren, soweit auf die Ansprüche 2 bis 7 rückbezogen, an. Patentanspruch 1 lautet wie folgt:
Gefriertruhe mit mindestens einem von oben zugänglichen und durch eine Umwälzkühlung gekühlten Kühlraum (39), in dessen Wand (15, 16) ein Kaltluft-Einlass (18) und ein Kaltluft-Auslass (19) vorgesehen sind, wobei über dem Kühlraum (39) eine Abdeckhaube (11, 12, 51, 60) mit Zugriffsöffnung vorgesehen ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Zugriffsöffnung der Abdeckhaube (11, 12, 51, 60) mit mindestens einem als transparente Scheibe ausgebildeten Deckel (27, 28, 31, 32, 63, 64) verschlossen ist, der zur Entnahme von Tiefkühlwaren aus dem Kühlraum (39) geöffnet werden kann, und dass der Deckel (27, 28, 31, 32, 63, 64) in solcher Höhe gegenüber dem Kaltluft-Einlass (18) und dem Kaltluft-Auslass (19) angeordnet ist, dass sich unter ihm ein im wesentlichen ruhendes Luftvolumen (42; 42') oberhalb einer Kühlströmung zwischen dem Kaltluft-Einlass (18) und dem Kaltluft-Auslass (19) bildet, dessen Luftgeschwindigkeit nicht größer als 0,2 m/s ist.
Wegen der unmittelbar und mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 7, 11 und 12 wird auf die Streitpatentschrift EP 0 769 262 B1 Bezug genommen.
Der Kläger behauptet, der Gegenstand des Streitpatents sei im angegriffenen Umfang nicht patentfähig, er sei weder neu noch beruhe er auf erfinderischer Tätigkeit. Er trägt vor, dass ein ruhendes Luftpolster mit einer Strömungsgeschwindigkeit von weniger als 0,2 m/s in nahezu jeder Tiefkühltruhe mit Umwälzkühlung herkömmlicher Bauart und insbesondere unabhängig von der Anbringung eines Verschlussdeckels oder einer Abdeckhaube an der Tiefkühltruhe auftrete. Es handele sich dabei um ein intrinsisch bei einer herkömmlichen Tiefkühltruhe mit Umwälzkühlung bereits verwirklichtes Merkmal, das weder neu noch erfinderisch sei. Dies hätten seine eigenen und auch von der Beklagten durchgeführte Messungen ergeben. Zur Begründung beruft sich der Kläger im wesentlichen auf die Druckschriften - FR A 941 248 (Anlage K2)
- DE 295 09 700 U1 (Anlage K3)
- DE-PS 914 013 (Anlage K7)
- US 5 442 932 (Anlage K8)
- DE-GM 75 34 896 (Anlage K9)
- DE 295 12 039 U1 (Anlage K10)
- sowie auf die in der mündlichen Verhandlung überreichte Druckschrift "Dämmt den Wärme/Kälte-Durchgang", in: Glaswelt 2/1994 S 49 und bietet seine eigene Vernehmung sowie die Einholung eines Sachverständigengutachtens an.
Der Kläger beantragt, das europäische Patent 0 769 262 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang der Ansprüche 1, 2 bis 7 sowie 11 und 12, soweit dieser auf Merkmale der Patentansprüche 2 bis 7 Bezug nimmt, für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise mit der Maßgabe, dass die Patentansprüche folgende Fassung erhalten (Hilfsantrag 1):
1. Gefriertruhe mit mindestens einem von oben zugänglichen und durch eine Umwälzkühlung gekühlten Kühlraum (39), in dessen Wand (15, 16) ein Kaltluft-Einlass (18) und ein Kaltluft-Auslass (19) vorgesehen sind, wobeiüber dem Kühlraum (39) eine Abdeckhaube (11, 12, 51, 60) mit Zugriffsöffnung vorgesehen ist, die Zugriffsöffnung der Abdeckhaube (11, 12, 51, 60) mit mindestens einem als transparente Scheibe ausgebildeten Deckel (27, 28, 31, 32, 63, 64) verschlossen ist, der zur Entnahme von Tiefkühlware aus dem Kühlraum (39) geöffnet werden kann, der Deckel (27, 28, 31, 32, 63, 64) in solcher Höhe gegenüber dem Kaltluft-Einlass (18) und dem Kaltluft-Auslass (19) angeordnet ist, dass sich unter ihm ein im wesentlichen ruhendes Luftvolumen (42; 42') oberhalb einer Kühlströmung zwischen dem Kaltluft-Einlass (18) und dem Kaltluft-Auslass (19) bildet, dessen Luftgeschwindigkeit nicht größer als 0,2 m/s ist, undmindestens einige der Scheiben (26-28, 30-32) der Abdeckhaube (11, 12) an ihren Innenseiten eine wärmereflektierende Beschichtung aufweisen.
2. Gefriertruhe nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Abdeckhaube (11, 12) transparente Scheiben (26, 30) als Wände aufweist.
3. Gefriertruhe nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass jede Scheibe (26-28, 30-32) der Abdeckhaube (11, 12, 51) um einen Abstand (A) höher als der Kaltluft-Einlass (18) ist, wobei der Abstand (A) mindestens 5 cm beträgt.
4. Gefriertruhe nach einem der Ansprüche 1-3, dadurch gekennzeichnet, dass der Deckel eine Schiebetür (27, 28, 31, 32) ist.
5. Gefriertruhe nach einem der Ansprüche 1-4, dadurch gekennzeichnet, dass die Abdeckhaube (11) quaderförmig ausgebildet ist, wobei die Höhe über dem Kaltluft-Einlass (18) vorzugsweise 5 bis 30 cm, insbesondere 10 bis 15 cm beträgt.
6. Gefriertruhe nach einem der Ansprüche 1-4, dadurch gekennzeichnet, dass die Abdeckhaube (12) eine pultartige Form aufweist, wobei die Höhe mindestens 5 bis 30 cm, vorzugsweise 10 bis 15 cm beträgt.
7. Gefriertruhe nach einem der Ansprüche 1-6, dadurch gekennzeichnet, dass die Abdeckhaube (60) mindestens einen Außenlufteinlass (65) und mindestens einen höher angeordneten Außenluftauslass (66) aufweist, unddass im Bereich des Außenlufteinlasses (65) eine Heizvorrichtung (67) angeordnet ist, von der die einströmende Außenluft erwärmt wird, die an der Deckelinnenseite entlang zum Außenlufteinlass (66) strömt.
8. Gefriertruhe nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, dass die Heizvorrichtung (67) eine wärmeabgebende Beleuchtungsvorrichtung ist.
9. Gefriertruhe nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, dass die Beleuchtungsvorrichtung (67) einen im Außenluftstrom (72) angeordneten Reflektor (71) aufweist, der das Licht in Richtung des Kühlraumes (39) reflektiert und gleichzeitig die auf ihn auftreffende Wärmestrahlung absorbiert.
10. Abdeckhaube zum Nachrüsten einer oben offenen Gefriertruhe nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1, wobeidie Zugriffsöffnung der Abdeckhaube (11, 12, 51, 60) mit mindestens einem als transparente Scheibe ausgebildeten Deckel (27, 28, 31, 32, 63, 64) verschlossen ist, der zur Entnahme von Tiefkühlware aus dem Kühlraum (39) geöffnet werden kann, der Deckel (27, 28, 31, 32. 63, 64) in solcher Höhe gegenüber dem Kaltluft-Einlass (18) und dem Kaltluft-Auslass (19) angeordnet ist, dass sich unter ihm ein im wesentlichen ruhendes Luftvolumen (42; 42') oberhalb der Kühlströmung zwischen dem Kaltluft-Einlass (18) und dem Kaltluft-Auslass (19) bildet, dessen Luftgeschwindigkeit nicht größer als 0,2 m/s ist, undmindestens einige der Scheiben (26-28, 30-32) der Abdeckhaube (11, 12) in ihren Innenseiten eine wärmereflektierende Beschichtung aufweisen.
11. Abdeckhaube nach Anspruch 10, mit den Merkmalen einer der Ansprüche 2-9.
weiter hilfsweise mit der Maßgabe, dass in Anspruch 1 und 10 nach Hilfsantrag 1 folgendes Merkmal hinzugefügt wird (Hilfsantrag 2):
...und die Deckel-Scheiben (27,28;31,32) Einfach-Scheiben sind.
weiter hilfsweise mit der Maßgabe, dass in Anspruch 1 und 10 nach Hilfsantrag 2 folgendes Merkmal hinzugefügt wird (Hilfsantrag 3):
...und der Deckel eine Schiebetür (27,28,31,32) ist.
Die Beklagte tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen und hält das Streitpatent für patentfähig.
Gründe
Die zulässige Klage, die auf den Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit gemäß Art II § 6 Abs 1 Nr 1 iVm Art 138 Abs 1 lit a, Art 54 und 56 EPÜ gestützt ist, ist begründet. Der Gegenstand des Streitpatents beruht weder in der erteilten noch in den hilfsweise verteidigten Fassungen auf erfinderischer Tätigkeit.
I.
Das Streitpatent betrifft eine Gefriertruhe mit einem von oben zugänglichen Kühlraum, der durch eine Umwälzkühlung gekühlt wird und eine Abdeckhaube zum Nachrüsten einer solchen Gefriertruhe. Nach der Patentbeschreibung wird im Stand der Technik insbesondere bei Gefriertruhen mit großen Öffnungen der Kühlraum durch Umwälzkühlung gekühlt. Die Kaltluft gelangt dabei durch einen Kaltluft-Einlass in der Kühlraumwand in den Kühlraum. An der gegenüberliegenden Kühlraumwand befindet sich ein Luftauslass, durch den Luft angesaugt und einer Luftkühlvorrichtung zugeführt wird, die die Kaltluft erzeugt. Die an der Oberseite des Kühlraums strömende Kaltluft bildet einen unsichtbaren Vorhang gegen die Umgebungsluft und füllt den Kühlraum von oben, also genau dort, wo die größten Kälteverluste auftreten. Umgebungsluft wird von der Kaltluftströmung mitgenommen, weshalb keine Umgebungsluft und keine Feuchtigkeit in den Kühlraum gelangen. Die Umgebungsluft muss auf Tiefkühltemperatur abgekühlt werden, was viel Kühlenergie erfordert. Die Feuchtigkeit der Kaltluft kondensiert an der Luftkühlvorrichtung, die daher häufig abgetaut werden muss, was wiederum Heizenergie verbraucht.
Ziel der Erfindung ist es deshalb, eine Vorrichtung zur wesentlichen Verringerung des Energieverbrauchs einer Gefriertruhe zu schaffen.
II. Hauptantrag 1. Hauptanspruch:
Der erteilte, im Hauptantrag verteidigte Patentanspruch 1 beschreibt eine Gefriertruhe, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:
Gefriertruhe mit 1.1 mindestens einem von oben zugänglichen und durch eine Umwälzkühlung gekühlten Kühlraum (39), in dessen Wand (15, 16) ein Kaltluft-Einlass (18) und ein Kaltluft-Auslass (19) vorgesehen sind, 1.2 wobei über dem Kühlraum (39) eine Abdeckhaube (11, 12, 51, 60) mit Zugriffsöffnung vorgesehen ist, dadurch gekennzeichnet, 2. dass die Zugriffsöffnung der Abdeckhaube (11, 12, 51, 60) mit mindestens einem als transparente Scheibe ausgebildeten Deckel (27, 28, 31, 32, 63, 64) verschlossen ist, 2.1 der zur Entnahme von Tiefkühlware aus dem Kühlraum (39) geöffnet werden kann, und 3. dass der Deckel (27, 28, 31, 32, 63, 64) in solcher Höhe gegenüber dem Kaltluft-Einlass (18) und dem Kaltluft-Auslass (19) angeordnet ist, 3.1 dass sich unter ihm ein im wesentlichen ruhendes Luftvolumen (42; 42') oberhalb einer Kühlströmung zwischen dem Kaltluft-Einlass (18) und dem Kaltluft-Auslass (19) bildet, 3.2 dessen Luftgeschwindigkeit nicht größer als 0,2 m/s ist.
Die Gefriertruhe nach Anspruch 1 - und auch die Abdeckhaube nach dem nebengeordneten Anspruch 11 - mögen zwar neu sein, weil in dem in Betracht gezogenen Stand der Technik das Merkmal eines im Wesentlichen ruhenden Luftvolumens, dessen Luftgeschwindigkeit nicht größer als 0,2 m/s ist, nicht ausdrücklich beschrieben ist.
Darauf kommt es aber nicht an, denn der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht gegenüber dem in der K7 beschriebenen Stand der Technik nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
Als Fachmann ist dabei ein in der Entwicklung von Kühltruhen tätiger Fachhochschulingenieur der Kältetechnik, der von seiner Tätigkeit und Ausbildung her auch über Kenntnisse und Erfahrungen in der Strömungsmechanik verfügt, anzusehen.
Aus der K7 ist eine Gefriertruhe bekannt (Fig 3 iVm S 2 Z 72 bis S 3 Z 51), mit mindestens einem - durch die Öffnung 38 - von oben zugänglichen Kühlraum (Pos 24), der durch eine Umwälzkühlung (Ventilator 26, Kühlvorrichtung 27, Kanäle 29, 30, Leitwand 32, 33) gekühlt wird und in dessen Wand ein Kaltluft-Einlass (bei Pos 32) und ein Kaltluft-Auslass (bei Pos 33) vorgesehen sind (Merkmal 1.1).
Über dem Kühlraum ist eine aus Türen 37 bestehende Abdeckhaube mit Zugriffsöffnung 38 vorgesehen (vgl auch S 1 Zn 7 bis 15) (Merkmal 1.2).
Demgegenüber verbleiben die Merkmale eines die Zugriffsöffnung verschließenden Deckels (Merkmal 2), der zur Entnahme von Ware geöffnet werden kann (2.1) und der in solcher Höhe angeordnet ist (Merkmal 3), dass sich unter ihm ein im Wesentlichen ruhendes Luftvolumen bildet (3.1), dessen Luftgeschwindigkeit nicht größer ist als 0,2 m/s (3.2).
Diese Unterschiede können die Patentfähigkeit jedoch nicht stützen. So wird ein Fachmann aufgrund seines Wissens und Könnens allein schon deshalb einen - hinsichtlich der Verkaufssituation zweckmäßigerweise als transparente Scheibe ausgebildeten - Deckel vorsehen, der nur zur Entnahme von Tiefkühlware aus dem Kühlraum geöffnet werden kann und sonst die Zugriffsöffnung verschließt, um das Eindringen von Feuchtigkeit aus der Umgebung und damit das Vereisen der Kühlanlage zu verhindern. Im Übrigen ist ihm das Vorsehen eines solchen Deckels bspw aus der mit dem Sachverhalt in K7 Fig 3 vergleichbaren K2 S 2 Zn 39 bis 54 bekannt, wo beschrieben ist, dass die dortige Öffnung u.a. mit einer oder mehreren Schiebetüren ("guichets coulissantes") verschlossen werden kann, um Wirbel bzw. Strudel ("tourillons") in der Nähe der Kühlluftschicht ("couche d'air froid") zu verhindern. Somit ergibt sich die Merkmalsgruppe 2 und 2.1 in naheliegender Weise.
Wenn der Fachmann in der in K7 Fig 3 dargestellten Kühltruhe die Zugriffsöffnung 38 mit einem Deckel verschließt, so ist dieser Deckel konstruktionsbedingt in solcher Höhe gegenüber dem Kaltluft-Einlass (bei 32) und dem Kaltluft-Auslass (bei 33) angeordnet, dass sich unter ihm zwangsläufig ein Luftvolumen oberhalb der Kühlströmung zwischen dem Kaltluft-Einlass und dem Kaltluft-Auslass bildet, das im Wesentlichen ruht. Denn erstens verhindert die mit dem Deckel verschlossene Abdeckhaube eine konvektive Bewegung des Luftvolumens durch Strömung von außen. Und zweitens wird auch die Kühlluftströmung der Umwälzkühlung keine wesentliche Strömungsgeschwindigkeit in dem darüber liegenden Luftvolumen erzeugen. Auf S 2 Z 116 bis S 3 Zn 30 der K7 ist nämlich ausgeführt, dass die Strömungsgeschwindigkeit so begrenzt oder berechnet ist, damit sich eine in Bewegung befindliche Kaltluftschicht ausbildet. Da diese Kühlluft viel schwerer ist als die Umgebungsluft, gibt es keine Tendenz, dass sie nach oben ausweicht und sich mit der wärmeren Luft darüber vermischt. Dabei ist es des weiteren sehr wichtig, die Strömungsgeschwindigkeit genau festzulegen, nämlich einerseits schnell genug, um eine ausreichende Kühlwirkung zu erzielen und andererseits - und darauf kommt es in diesem Zusammenhang an - langsam genug, dass die Vermischung mit der wärmeren Luft darüber vermieden wird. Schließlich ist auf S 3 Zn 55 bis 58 dargelegt, dass aufgrund der unterschiedlichen Dichten von kalter und warmer Luft die Abgrenzung zwischen der Kaltluftschicht und der umgebenden - darüberliegenden - Luftschicht von höherer Temperatur sehr scharf ist. Daraus erschließt sich dem Fachmann ohne Weiteres, dass das Luftvolumen oberhalb der Kühlluftströmung - bis auf eine geringfügige laterale Mitnahme der Randschicht des wärmeren Luftvolumens an der Grenze zur Kühlluftströmung durch Reibung - im Wesentlichen ruhen soll.
Nachdem der Fachmann die Bedeutung eines ruhenden Luftvolumens zur Vermeidung von Kühlverlusten durch Vermischung der kalten und wärmeren Luftmassen erkannt hat, wird er selbstverständlich im Idealfall eine Luftgeschwindigkeit von 0 m/s anstreben. Im Realfall wird er im Rahmen zumutbarer Untersuchungen herausfinden, welche - geringen - Luftgeschwindigkeiten in dem Luftvolumen oberhalb der Kühlluftströmung durch die laterale Mitnahme gerade noch tolerierbar sind, damit es nicht zu einer Rückvermischung in die Kühlluftströmung hinein kommt, so dass sich die Merkmalsgruppe 3, 3.1 und 3.2 ohne Weiteres ergibt.
2. Nebengeordneter Anspruch:
Die Ausführungen zum Hauptanspruch gelten sinngemäß auch für den nebengeordneten Anspruch 11, der eine Abdeckhaube zum Nachrüsten einer oben offenen Gefriertruhe nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1 betrifft, da die kennzeichnenden Merkmale im Anspruch 11 mit denjenigen im Anspruch 1 übereinstimmen.
3. Rückbezogene Ansprüche:
Die vom Kläger ebenfalls angegriffenen Unteransprüche 2 bis 7 und 12 können die Patentfähigkeit nicht stützen.
So ist die Maßnahme gemäß Anspruch 2 ebenfalls aus K7, Fig 3 iVm S 3 Zn 18 bis 24 bekannt.
Zum Gegenstand des Anspruchs 3 finden sich Anregungen bspw in der K8 Fig 2 sowie K9 Fig jeweils iVm zugehöriger Beschreibung, wo stets jede Scheibe der dortigen Abdeckhaube um einen bestimmten Abstand höher ist als der Kaltluftauslass, so dass der Fachmann auch im vorliegenden Fall je nach Anwendungsziel diesen Abstand geeignet auswählen wird.
Für die im Anspruch 4 angegebene Maßnahme findet der Fachmann Anregung in der K10 S 1 Abs 2 Zn 6 bis 10 und der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung überreichten Druckschrift "Dämmt den Wärme/Kälte-Durchgang" in: Glaswelt 2/1994 S 49 li Sp Abs 2 Zn 1 bis 4.
Der Gegenstand des Anspruchs 5 betrifft eine fachgerechte Ausgestaltung einer Gefriertruhenabdeckung, für die idR entweder Türen mit Anschlag oder Schiebetüren vorgesehen sind (vgl etwa K2 S 2 Zn 39 bis 54 und K3 Fig 1 iVm Anspruch 1).
Die Gegenstände der Ansprüche 6 und 7 ergeben sich für den Fachmann je nach Anwendungsziel im Rahmen seines Wissens und Könnens in naheliegender Weise beispielsweise aus der quader- bzw. pultartigen Gestalt der Abdeckung in K7 Fig 3.
Soweit der auf den nebengeordneten Anspruch 11 rückbezogene Anspruch 12 auf die Ansprüche 2 bis 7 Bezug nimmt, gelten die Ausführungen zu den Ansprüchen 2 bis 7 sinngemäß auch hier, da der kennzeichnende Teil im Anspruch 12 die in diesen Ansprüchen angegebenen Merkmale umfasst.
III. Erster Hilfsantrag Hauptanspruch und nebengeordneter Anspruch 10 gemäß dem ersten Hilfsantrag unterscheiden sich von Hauptanspruch und nebengeordnetem Anspruch 11 gemäß Hauptantrag jeweils durch das zusätzliche Merkmal, dass "mindestens einige der Scheiben (26-28, 30-32) der Abdeckhaube (11, 12) an ihren Innenseiten eine wärmereflektierende Beschichtung aufweisen".
Offenbart ist dieses Merkmal im erteilten Patentanspruch 4 sowie in der Beschreibung Sp 7 Zn 24ff, so dass Haupt- und Nebenanspruch gemäß erstem Hilfsantrag zulässig sind.
Darauf kommt es jedoch nicht an, da diese zusätzliche Maßnahme nicht zur Patentfähigkeit beitragen kann, weil sie sich für den Fachmann in naheliegender Weise ergibt. So ist dem Fachmann bspw aus der Druckschrift "Dämmt den Wärme/Kälte-Durchgang", in: Glaswelt 2/1994 S 49 ein u.a. bei Gefrieranlagen verwendetes Spezialglas geläufig, das Hitze reflektiert und thermisch isoliert, wobei diese Eigenschaften durch eine auf die Glasoberflächen aufgebrachte Beschichtung erreicht wird. Aufgrund dieser Vorteile wird er zur Lösung seines Problems bei den Scheiben einer Abdeckhaube auch eine wärmereflektierende Beschichtung vorsehen. Dabei wird er vorteilhafter Weise die wärmereflektierende Beschichtung auf der Innenseite der Scheiben vorsehen, da er erkennt, dass dann die Scheiben von außen her bis zur Beschichtung auf der Innenseite erwärmt werden können, um ein Beschlagen der Scheiben zu verhindern.
IV. Zweiter und dritter Hilfsantrag Hauptanspruch und nebengeordneter Anspruch 10 gemäß dem zweiten Hilfsantrag unterscheiden sich von Hauptanspruch und nebengeordnetem Anspruch 10 gemäß dem ersten Hilfsantrag jeweils durch das zusätzliche Merkmal "... und die Deckel-Scheiben (27,28; 31,32) Einfach-Scheiben sind."
Hauptanspruch und nebengeordneter Anspruch 9 gemäß dem dritten Hilfsantrag unterscheiden sich von Hauptanspruch und nebengeordnetem Anspruch 10 gemäß dem zweiten Hilfsantrag jeweils durch das zusätzliche Merkmal "... und der Deckel eine Schiebetür (27,28; 31,32) ist."
Es kann dahinstehen, ob das Merkmal, dass die Deckel-Scheiben (27,28;31,32) im Streitpatent als zur Erfindung gehörend offenbart sind, da dieses Merkmal keiner erfinderischen Tätigkeit bedarf. Denn der Fachmann wird für Deckel-Scheiben von fachüblichen Schiebetüren allein schon aus Gründen der Raum- und Gewichtsersparnis Einfach-Scheiben vorsehen, wie bspw aus der K3 Fig 3 Pos 14 ohne Weiteres ersichtlich, zumal er aus der Druckschrift "Dämmt den Wärme/Kälte-Durchgang", in: Glaswelt 2/1994 S 49 re Sp vorle Abs erfährt, dass das dort beschriebene beschichtete Spezialglas ohnehin auch für eine Einfachverglasung in Gefrieranlagen geeignet ist.
V. Kostenentscheidung Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs 2 PatG iVm § 91 Abs 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs 1 PatG iVm § 709 ZPO.
Winkler Schuster Lokys Dr. Maksymiw Dr. Häußler Pr
BPatG:
Urteil v. 20.04.2005
Az: 4 Ni 20/04
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