Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. August 2006
Aktenzeichen: 25 W (pat) 63/04
(BPatG: Beschluss v. 11.08.2006, Az.: 25 W (pat) 63/04)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Bundespatentgericht hat in einem Beschluss vom 11. August 2006 entschieden, dass die Beschwerde gegen die Zurückweisung einer Markenanmeldung abgewiesen wird. Die angefochtene Marke, die aus dem Wort "Multi-Vital" besteht, wurde vom Deutschen Patent- und Markenamt wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Das Gericht bestätigte diese Entscheidung. Es befand, dass die Marke lediglich eine beschreibende Angabe sei und keine Marke darstelle. Der Begriff "Multi-Vital" werde im Verkehr allgemein verwendet, um auf Produkte hinzuweisen, die die Lebenskraft stärken oder lebenswichtig sind. Darüber hinaus sei die graphische Gestaltung der Marke nicht schutzfähig, da die Verwendung von Rot in der Werbung gängig und keine originelle Gestaltung sei. Das Gericht führte aus, dass die Marke daher nicht als Unterscheidungsmittel für die fraglichen Waren wahrgenommen werde und somit keine Schutzfähigkeit besitze. Die Beschwerde wurde daher zurückgewiesen.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 11.08.2006, Az: 25 W (pat) 63/04
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die farbige Bildmarke Grafik der Markeist am 5. November 2002 zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden.
Das aktuelle Warenverzeichnis lautet:
"Klasse 5: Vitaminpräparate, Spurenelement-Präparate für Humankonsum und medizinische Zwecke, Nahrungsergänzungspräparate und -getränke für medizinische Zwecke auf der Basis von Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen, Diätsäfte für medizinische Zwecke, Diätsäfte auf der Basis von Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen;
Klasse 29: Nahrungsergänzungspräparate und -getränke auf der Basis von Proteinen, Diätsäfte auf der Basis von Proteinen;
Klasse 32: Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken, Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer, demineralisiertes Wasser, Fruchtgetränke und Fruchtsäfte, Gemüsesäfte als Getränk".
Mit Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 9. Februar 2004 wurde die Anmeldung gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG durch eine Prüferin des gehobenen Dienstes zurückgewiesen.
Die angemeldete Marke bestehe ausschließlich aus Angaben, die im Verkehr zur Bezeichnung der Wirkungsweise der Waren dienen könnten. Der Bestandteil "Multi" habe die Bedeutung von "vielfach", und das Wort "Vital" bedeute "lebenskräftig, lebensvoll, wendig, munter". "Multi-Vital" bilde in der Gesamtheit eine für jedermann verständliche Sinneinheit, die im Kontext mit den beanspruchten Waren eine unmittelbar beschreibende Angabe darstelle, weil lediglich auf die Wirkungsweise hingewiesen werde. Für die Waren der Klasse 5 und 29 "Vitaminpräparate, Spurenelement-Präparate, Nahrungsergänzungspräparate und -getränke, Diätsäfte" weise die angemeldete Marke darauf hin, dass es sich hierbei um Präparate handele, die in vielfacher Hinsicht lebenswichtig seien bzw. die Lebenskraft steigerten. Insoweit werde der Begriff bereits beschreibend verwendet. Auch für die Waren der Klasse 30 weise die angemeldete Kennzeichnung darauf hin, dass die Getränke in vielfacher Hinsicht lebenswichtig seien bzw. die Lebenskraft steigerten. Dabei sei unbeachtlich, ob den Mitbewerbern gleichwertige Ausdrücke zur Verfügung stünden. Auch die bildliche Ausgestaltung vermöge die Schutzfähigkeit nicht zu begründen, da die Rotfärbung sich im Rahmen des Werbeüblichen halte. Wegen des beschreibenden Inhalts sähen die angesprochenen Verkehrskreise in der angemeldeten Bezeichnung eine reine Sachangabe, so dass ihr auch die Unterscheidungskraft fehle.
Dagegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders mit dem Antrag (sinngemäß), den Beschluss der Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts vom 9. Februar 2004 aufzuheben.
Die Marke besitze Unterscheidungskraft. Es sei keine rein beschreibende Bezeichnung. Es könne aus ihr nicht entnommen werden, welche Bestandteile im Produkt enthalten seien und welche Bestimmung das Produkt habe. Auch eine Angabe der Wirkungsweise in der Art, dass eine konkrete Wirkung beschrieben sei, sei bei der Marke nicht gegeben. Im Verkehr werde niemand eine konkrete Wirkung oder eine bestimmte Produktgruppe mit der Marke verbinden. Wie aus der Anlage 1 des Beschlusses hervorgehe, werde der Begriff "Multi-Vital" für Produkte von Algen bis Hundefutter benutzt. Ein Freihaltebedürfnis bestehe daher für die beanspruchten Warengruppen nicht. Dies werde dadurch untermauert, dass eine Vielzahl ähnlicher Marken, auch für die Klasse 5, eingetragen sei. Außerdem sei das Wort "Vital" mehrdeutig. Die farbige Gestaltung sei ebenfalls schutzfähig, da Rot bei den vorliegenden Waren, bei denen es gewöhnlich um Frische gehe, eher ungewöhnlich sei. Insbesondere bezogen auf die Waren "Mineralwässer" sei das angemeldete Zeichen nicht beschreibend und die Farbe Rot ungewöhnlich.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten einschließlich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 4. Mai 2006 Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde des Anmelders ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg, denn der Eintragung des angemeldeten Zeichens stehen für die beanspruchten Waren aus den von der Markenstelle bereits ausgeführten Gründen Schutzhindernisse entgegen.
Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist nach ständiger Rechtsprechung im Hinblick auf die Hauptfunktion der Marke, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten, die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl. zur st. Rspr. BGH GRUR 2003, 1050 - Cityservice; EuGH GRUR 2004, 674 - Postkantoor). Es muss also eine Kennzeichnungskraft mit der Eignung zur Ausübung der Herkunftsfunktion verbunden sein, auch wenn eine Marke zusätzlich noch weitere Funktionen haben kann (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl. § 8 Rdn. 39).
Die Unterscheidungskraft ist zum Einen im Hinblick auf die angemeldeten Waren und zum Anderen im Hinblick auf die beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen, wobei auf die mutmaßliche Wahrnehmung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Dienstleistungen abzustellen ist.
Keine Unterscheidungskraft besitzen nach der Rechtsprechung vor allem solche Marken, denen die angesprochenen Verkehrskreise für die fraglichen Waren und Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 678 - Postkantoor). Jedoch hat der EuGH auch darauf hingewiesen, dass eine unmittelbar beschreibende Bedeutung nicht Voraussetzung für die Annahme fehlender Unterscheidungskraft ist. Vielmehr kann die Unterscheidungskraft auch aus anderen Gründen fehlen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674 - Postkantoor; GRUR 2004, 680 - Biomild).
Der Verkehr wird in der angemeldeten Marke eine beschreibende Angabe sehen und keine Marke. Die aus den Bestandteilen "Multi" (= vielfach) und "vital" (voller Lebenskraft; lebenswichtig) zusammengesetzte angemeldete Marke weist in ihrer Gesamtheit darauf hin, dass die Waren in mehrfacher Hinsicht die Lebenskraft stärken bzw. lebenswichtig sind. Die Bezeichnung ist sprachüblich zusammengesetzt. (vgl. z. B. multifunktional, Multipräparate, Multivitalstoffpräparate). Auch bieten mehrere Firmen Multivital-Produkte, insbesondere Multivital-Tabletten als Nahrungsergänzung an, wie auch aus der Internetrecherche ersichtlich ist, die dem Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung überreicht wurde. So sind etwa auf der Seite www.timelesswell.de unter der Überschrift "Multivital Nahrungsergänzungsmittel" u. a. "Multivital Tabletten mit Acerola, Spirulina, Papaya, Lapacho" aufgeführt, oder es gibt nach der Internetrecherche die Produkte "Greenridge MultiVital 200 ml", "Kyberg Ernährung BioDoc Bio-Sanddorn Multivital plus Weizenkeimöl" oder "Multivital-Tabletten" von allcura. Auch auf der Seite www.ayurvedatoday.org gibt es ein Produkt "MULTIVITA", das man in Fällen von Stress und Müdigkeit mit Milch oder Fruchtsaft einnehmen soll. Ebenso gibt es einen Fruchtsaft "Libella Multivital". Außerdem wird der Begriff "Multivital" für Produkte von Algen bis Hundefutter verwendet, was bereits die Markenstelle in ihrem Beschluss belegt hatte und der Anmelder auch nicht in Abrede stellt.
Doch selbst wenn es sich bei der angemeldeten Bezeichnung um eine Wortneuschöpfung handeln würde, könnte daraus noch keine Schutzfähigkeit hergeleitet werden, da sie sprachüblich gebildet ist und sich in einer Sachaussage erschöpft und deshalb vom Verkehr nicht als Marke verstanden wird. Dass es noch andere Möglichkeiten gibt, etwas auszudrücken, ändert nichts am Verständnis des Verkehrs, dass es sich auch bei dem Ausdruck um einen bloßen Sachhinweis handelt (vgl. EuGH GRUR 2004, 674 - Postkantoor - Nr. 101).
Die Bezeichnung ist geeignet zur Beschreibung der angemeldeten Waren zu dienen. Daran ändert auch nichts, dass - wie der Anmelder vorträgt - aus der Angabe nicht entnommen werden kann, welche konkreten Inhaltsstoffe das Präparat hat, und wie es genau wirkt. Auch Oberbegriffe, die eine Vielzahl von Waren umfassen bzw. beschreiben können, sind beschreibende Angaben. So könnte z. B. dem Wort "Nahrungsergänzungsmittel" der beschreibende Charakter nicht deshalb abgesprochen werden, weil man die genauen Inhaltsstoffe und die Wirkungsweise aus der Bezeichnung noch nicht ersehen kann. Auch relativ allgemeine Angaben können von Fall zu Fall als verbraucherorientierte Sachinformation zu bewerten sein, insbesondere wenn sie sich - wie hier - auf allgemeine Sachverhalte beziehen (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 8 Rdn. 58).
Die Bezeichnung ist für alle angemeldeten Waren beschreibend, da alle Multivitalstoffe enthalten können.
Für die Waren der Klasse 5 "Vitaminpräparate, Spurenelement-Präparate für Humankonsum und medizinische Zwecke, Nahrungsergänzungspräparate und -getränke für medizinische Zwecke auf der Basis von Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen, Diätsäfte für medizinische Zwecke, Diätsäfte auf der Basis von Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen" und die Waren der Klasse 29 "Nahrungsergänzungspräparate und -getränke auf der Basis von Proteinen, Diätsäfte auf der Basis von Proteinen" ist dies ohne Weiteres ersichtlich, da Vitamine, Mineralien und Spurenelemente, Fettsäuren und andere vitaminähnlichen Substanzen zu den Vitalstoffen gehören. Auch wenn diese Stoffe in dem Oberbegriff "Diätsäfte für medizinische Zwecke" nicht speziell aufgeführt sind, können diese Waren sie ohne Weiteres enthalten. Zur Versagung der Eintragung reicht es bereits aus, wenn das Zeichen nur für einen Teil der Waren nicht schutzfähig ist, der unter die jeweiligen Oberbegriffe fällt.
Gleiches gilt auch für die Waren "Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken, Fruchtgetränke und Fruchtsäfte, Gemüsesäfte als Getränk" der Klasse 32, und die Waren "Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer" können ebenfalls verschiedene Mineralstoffe und Spurenelemente enthalten, so dass auch diese ein Multivitalprodukt sein können.
Die angemeldete Ware "demineralisiertes Wasser" kann mit Vitalstoffen angereichert sein. Unter demineralisiertem Wasser versteht man ein vollentsalztes Wasser (Lexikon der Chemie: in drei Bänden, Heidelberg 1998, S. 299), bzw. ein durch Ionenaustauscher von anorganischen Bestandteilen befreites Trinkwasser (Ternes/Täufel/Tunger/Zobel, Lebensmittellexikon, 4. Aufl. S. 2025). Auch wenn Mineralstoffe eliminiert wurden, können in dem Wasser noch andere Vitalstoffe enthalten sein, oder es kann als Grundlage eines mit Vitalstoffen angereichertes Getränk dienen und damit ein wesentlicher Bestandteil eines Multivitalpräparates sein.
Darüber hinaus liegt auch das Schutzhindernis der beschreibenden Angabe im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vor. Wie bereits ausgeführt, kommt die angemeldete Bezeichnung als beschreibende Angabe für alle angemeldeten Waren in Betracht, indem es angibt, dass es sich um ein Multivitalpräparat handelt oder zumindest ein wesentlicher Bestandteil eines solchen sein kann.
Soweit sich der Anmelder auf eine Reihe von Eintragungen mit dem Bestandteil "Vital" (z. B. Brain-Vital, Body-Vital, Brain-Vital, H2O-Vital, Life-Vital, Figur-Vital) beruft, begründet dies keinen Rechtsanspruch auf Eintragung einer neu bzw. zusätzlich angemeldeten Marke, da es sich bei der Frage der Schutzfähigkeit um eine Rechtsfrage und nicht um eine Ermessensentscheidung handelt. Zudem ist jede Kombination selbstständig zu beurteilen, so dass die Eintragung von Zeichen, die die gleiche Gestaltung, die gleichen Schrifttypen sowie den Bestandteil "Vital" haben, nicht einmal darauf schließen lässt, dass der gleiche Prüfer auch die vorliegende Anmeldung (unzutreffend) als schutzfähig angesehen hätte.
Die graphische Gestaltung, die hier angesichts der Verwendung gängiger Buchstabentypen praktisch nur in der roten Einfärbung des Schriftzuges liegt, führt ebenfalls nicht zur Schutzfähigkeit. Auch wenn der Anmelder geltend macht, dass bei erfrischenden Getränken häufig die Farben Blau und Grün verwendet werden, handelt es sich jedoch bei Rot um eine der gängigsten und in der Werbung üblichsten Farben, welche zudem wegen der Assoziation zu Kraft und Stärke bei Vitalstoffpräparaten besonders nahe liegt.
Die Beschwerde war deshalb zurückzuweisen.
BPatG:
Beschluss v. 11.08.2006
Az: 25 W (pat) 63/04
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/7dec91b5b2e9/BPatG_Beschluss_vom_11-August-2006_Az_25-W-pat-63-04