Finanzgericht Köln:
Beschluss vom 13. März 2008
Aktenzeichen: 10 Ko 3867/07
(FG Köln: Beschluss v. 13.03.2008, Az.: 10 Ko 3867/07)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Finanzgericht Köln hat in seinem Beschluss vom 13. März 2008 über die Kostenfestsetzung in einem Erinnerungsverfahren entschieden. Es ging um die Frage, ob eine Erledigungsgebühr entstanden ist. Der Antragsteller litt an Herzkrankheiten und Depressionen und war als Arzt tätig. Eine Steuerprüfung ergab den Verdacht auf zusätzliche Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit und Kapitaleinkünfte aus Luxemburg. Nach umfangreichen Beweisaufnahmen konnte dieser Verdacht nicht bestätigt werden. Der Berichterstatter schlug vor, dass beide Parteien sich darauf einigen, die Zuschätzungen zurückzunehmen. Beide Parteien stimmten zu und der Rechtsstreit wurde für erledigt erklärt. Die Kosten des Verfahrens wurden dem Erinnerungsgegner auferlegt. Im Kostenfestsetzungsverfahren stritten die Parteien darüber, ob auch eine Erledigungsgebühr entstand. Der Prozessbevollmächtigte des Erinnerungsgegners argumentierte, dass seine Tätigkeit nicht über die Klageerhebung und -begründung hinausgegangen sei und somit keine Erledigungsgebühr anfalle. Das Gericht stimmte dem zu und entschied, dass die Tätigkeit des Anwalts sich auf die Ausführungen zur Sach- und Rechtslage und auf die Stellung von Anträgen beschränkt habe, was Teil der allgemeinen Prozessführung sei und bereits mit der Prozessgebühr abgegolten sei. Die Erinnerung wurde daher für begründet erklärt. Die Kostenentscheidung beruhte auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
FG Köln: Beschluss v. 13.03.2008, Az: 10 Ko 3867/07
Tenor
Die dem Erinnerungsgegner zu erstattenden Kosten werden auf 36.463,67 € festgesetzt.
Die Kosten des Erinnerungsverfahrens hat der Erinnerungsgegner zu tragen.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob eine Erledigungsgebühr entstanden ist.
Der Erinnerungsgegner, der bereits im Jahr 2001 an Herzkrankheit sowie an Depressionen litt, war als Arzt für Allgemeinmedizin tätig. Die ursprüngliche Bevollmächtigte hatte für ihn mit Schriftsatz vom 5. Februar 2001 im Verfahren 2 K 686/01 Klage erhoben wegen Einkommensteuer 1986 bis 1997 und Vermögensteuer 1986 bis 1996. Streitgegenstand waren Zuschätzungen von Kapitaleinkünften und freiberuflichen Einkünften im Anschluss an eine Steuerfahndungsprüfung. Er war in dieser Sache am 13. November 1998 festgenommen worden. Die Untersuchungshaft dauerte bis zum 20. Oktober 1999 an. Die Eröffnung des Hauptverfahrens wurde vom Landgericht der Stadt L im Juni 2001 wegen gesundheitsbedingter Verhandlungsunfähigkeit abgelehnt. Die von der Staatsanwaltschaft dagegen erhobene Beschwerde blieb ohne Erfolg.
Der zuständige Berichterstatter führte am 20. und 27. September 2006 sowie am 7. März 2007 umfangreiche Beweistermine durch. Nach Durchführung der Beweisaufnahme kamen die Beteiligten übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass der den Zuschätzungen zugrunde liegende Verdacht des Erinnerungsführers, der Erinnerungsgegner habe nach seiner Pensionierung noch Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit bzw. Kapitaleinkünfte aus Luxemburg erzielt, trotz verbleibender Unklarheiten im Sachverhalt nicht habe erhärtet werden können. Der Erinnerungsführer habe weder die Erzielung zusätzlicher Einnahmen noch entsprechende Kapitalanlagen des Erinnerungsgegners nachweisen können. Vor dem Hintergrund eines inzwischen nicht mehr streitigen AfA-Abzugs, den der Erinnerungsgegner bereits vorher im Laufe des Verfahrens schriftsätzlich fallen gelassen hatte, schlug der Berichterstatter zur Erledigung des Rechtsstreits vor, dass der Erinnerungsführer sich zu einer Bescheidänderung dahin verpflichte, die Zuschätzungen von Kapitaleinkünften aus Luxemburg und von Einkünften aus fortgeführter selbstständiger Arbeit rückgängig zu machen. Ausweislich des Verhandlungsprotokolls erklärten sich beide Beteiligten damit einverstanden und den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Mit Beschluss vom 9. März 2007 wurden die Kosten des Verfahrens dem Erinnerungsgegner auferlegt; die Zuziehung eines Bevollmächtigten wurde für notwendig erklärt.
Im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens streiten die Beteiligten darüber, ob auch eine - der Höhe nach unstreitige - Erledigungsgebühr von 7.646 € entstanden ist. Der Kostenbeamte hatte die dem Erinnerungsgegner zu erstattenden Kosten mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 24. September 2007 auf 45.562,41 € festgesetzt und dabei - entsprechend dem Antrag des Bevollmächtigten des Erinnerungsgegners - auch eine Erledigungsgebühr berücksichtigt, weil die Einwirkung des Bevollmächtigten auf den Erinnerungsgegner nach Rücksprache mit dem zuständigen Berichterstatter nicht nur unwesentlich zur Erledigung beigetragen habe.
Der Erinnerungsführer ist dagegen der Ansicht, es fehle an der für die Entstehung einer Erledigungsgebühr erforderlichen Mitwirkung. Der Bevollmächtigte habe keine Tätigkeit entfaltet, die über die bereits mit der Prozess- oder Verhandlungsgebühr abgegoltene Einlegung und Begründung des Rechtsbehelfs hinausgegangen sei. Der Erinnerungsführer habe die angefochtenen Bescheide antragsgemäß geändert, weil die Vertreter des Erinnerungsführers nach Durchführung der Beweisaufnahme in Übereinstimmung mit dem Berichterstatter zu dem Ergebnis gelangt seien, dass man die streitigen Zuschätzungen nicht halten könne. Daher habe man dem Vorschlag des Berichterstatters ohne weiteres zugestimmt.
Der Erinnerungsgegner trägt vor, es habe nach Durchführung der Beweisaufnahme nicht allein in der Hand des Erinnerungsführers gelegen, der Klage abzuhelfen. Ohne Einwirkung durch die Bevollmächtigten hätte sich der Erinnerungsgegner nicht zur Abgabe einer Erledigungserklärung bereiterklärt und vor allem vor dem Hintergrund seiner unberechtigten Inhaftierung auf ein der Klage stattgebendes Urteil bestanden, welches nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ohne weiteres zu erwarten gewesen sei. Nur die Einwirkung des Bevollmächtigten habe den Kläger zur Abgabe der Erledigungserklärung veranlasst.
II. Die Erinnerung ist begründet. Eine für die Entstehung einer Erledigungsgebühr hinreichende Mitwirkung des Bevollmächtigten liegt nicht schon dann vor, wenn der Kläger ohne Einwirkung des Bevollmächtigten keine Erledigungserklärung abgegeben hätte.
1. Erledigt sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Zurücknahme oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts, so erhält der Rechtsanwalt, der bei der Erledigung mitgewirkt hat, eine volle Gebühr (§ 24 BRAGO). Nach welchen Gesichtspunkten der Begriff "mitwirken" an der Erledigung in diesem Sinne auszulegen ist, wird in der Rechtsprechung und im Schrifttum nicht einheitlich beurteilt.
a) Nach einer teilweise vertretenen Rechtsauffassung fällt die Erledigungsgebühr bereits an, wenn der Prozessbevollmächtigte in der Klagebegründung Argumente vorträgt, die das Gericht oder die Verwaltungsbehörde mit der Folge der Erledigung ohne Urteil überzeugen (vgl. insoweit die Nachweise bei Tipke/Kruse, AO/FGO, § 139 FGO Rz 99). Dagegen spricht jedoch, dass die Erledigungsgebühr einen Ersatz für die Vergleichsgebühr nach § 23 BRAGO darstellt, die in öffentlichrechtlichen Streitsachen nur ausnahmsweise in Betracht kommt (vgl. § 23 Abs. 3 BRAGO). Auch die Vergleichsgebühr wird nicht bereits durch die allgemeine Prozessführung (Klageerhebung und Begründung derselben) verdient; erforderlich ist vielmehr eine darüber hinausgehende Mitwirkung beim Abschluss oder bei der Vorbereitung eines Vergleichs, auch wenn die Vergleichsbereitschaft des Gegners durch die allgemeine Prozessführung gefördert wird (vgl. FG Köln, Beschluss vom 2. Juli 2001 10 Ko 2725/01, EFG 2001, 1321).
Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Prozessbevollmächtigte im finanzgerichtlichen Verfahren gegenüber einem Rechtsanwalt privilegiert werden sollte, der im Zivilprozess eine auf einen Vergleich gerichtete Tätigkeit entfaltet. Deshalb kommt als "Mitwirkung bei der Erledigung" nur eine besondere Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten in Betracht, die die materielle Erledigung des Rechtsstreits ohne Urteil herbeiführt und die über die bereits mit der Prozess- oder Verhandlungsgebühr abgegoltene Einlegung und Begründung des Rechtsbehelfs hinausgeht (BFH-Beschluss vom 16. Dezember 1969 VII B 45/68, BStBl II 1970, 251). Es versteht sich von selbst, dass der Prozessbevollmächtigte in möglichst überzeugender Weise die rechtlichen Argumente vorträgt, die der Klage seines Mandanten zum Erfolg verhelfen können. Dies ist keine besondere Leistung, die nicht bereits mit der Prozessgebühr abgegolten wäre (FG Köln, Beschluss vom 28. Juni 2004 10 Ko 1603/04, EFG 2004, 1642, FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 4. September 1995 1 Ko 2/95, EFG 1995, 1077).
c) Die Erledigungsgebühr ist danach keine reine Erfolgsgebühr, sondern eine besondere Tätigkeitsgebühr, die anlässlich einer nichtstreitigen Erledigung im Rahmen des Klageverfahrens verdient werden kann. Sie entsteht weder, wenn sich die Sache bereits im Rahmen des Verwaltungsvorverfahrens erledigt noch dann, wenn lediglich die Äußerungen des Berichterstatters im Rahmen eines Erörterungstermins das Finanzamt zur Rücknahme oder Änderung des Bescheides veranlasst haben. Ebenso wenig genügt es, dass das Finanzamt unter dem Eindruck der Klagebegründung bzw. eines diese ergänzenden Schriftsatzes oder aufgrund eines Hinweises auf die Rechtslage/Rechtsprechung den Bescheid aufhebt bzw. ändert und damit den Kläger klaglos stellt (FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 4. September 1995 1 Ko 2/95, EFG 1995, 1077 und Außensenate Stuttgart, Beschluss vom 2. Oktober 1985 XII Ko 1/85, EFG 1986, 309; Niedersächsisches FG, Beschluss vom 17. Juli 1995 IX 3/94 Ko, 1077; FG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 17. Februar 1987 3 Ko 2/87, EFG 1987, 322; FG Bremen, Beschluss vom 16. Dezember 1993 292138 E 2, EFG 1994, 316; Tipke/Kruse, AO/FGO, § 139 FGO Rz 100).
d) Das erforderliche Mitwirken kann beispielsweise in dem Unterbreiten eines Erledigungsvorschlags bestehen. Denkbar ist auch ein Einwirken auf eine vorgesetzte Behörde, das die Aufhebung/Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts nach sich zieht. Auch die mit einer zusätzlichen Beratungsleistung verbundene Prüfung, ob das ursprüngliche Klagebegehren im Interesse der außergerichtlichen Beendigung des Rechtsstreits nicht unwesentlich eingeschränkt werden soll, kann eine über die allgemeine Prozessführung hinausgehende Tätigkeit sein, die den besonderen Erfolg der Erledigung der Sache ohne förmliche Entscheidung fördert und ermöglicht. Ein entsprechendes Einwirken auf den Steuerpflichtigen, der außergerichtlichen Erledigung des Rechtsstreits zuzustimmen, ist eine besondere Leistung, die nicht mit der allgemeinen Prozessgebühr abgegolten ist. Aus Gründen der Praktikabilität und Vereinfachung nimmt der beschließende Senat in inzwischen ständiger Rechtsprechung eine nicht unwesentliche Einschränkung des ursprünglichen Klagebegehrens an, wenn es um mehr als 10% eingeschränkt wird (FG Köln, Beschluss vom 28. Juni 2004 10 Ko 1603/04, EFG 2004, 1642).
2. Im Streitfall hat der Prozessbevollmächtigte des Erinnerungsführers nicht in diesem Sinne bei der materiellen Erledigung mitgewirkt. Denn seine Tätigkeit beschränkte sich auf Ausführungen zur Sach- und Rechtslage und auf die Stellung von Anträgen. Er hat keinen eigenen Verständigungsvorschlag unterbreitet, sondern lediglich eine Erledigungserklärung abgegeben, nachdem sich der Erinnerungsführer unter dem Eindruck des für ihn nachteiligen Beweisergebnisses auf Vorschlag des Gerichts im Beweistermin bereiterklärt hat, die angefochtenen Bescheide antragsgemäß zu ändern und damit den Kläger klaglos gestellt hat.
Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Vortrag, der Erinnerungsgegner hätte sich ohne die Einwirkung durch den Bevollmächtigten nicht zur Abgabe einer Erledigungserklärung bereiterklärt und angesichts seiner unberechtigten Inhaftierung auf ein der Klage stattgebendes Urteil bestanden, welches nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ohne weiteres zu erwarten gewesen sei. Hätte nämlich der Erinnerungsgegner keine Erledigungserklärung abgegeben und auf einem Urteil bestanden, nachdem sich der Erinnerungsführer unter dem Eindruck des Beweistermins auf Vorschlag des Berichterstatters sogleich zur Bescheidänderung und damit Klaglosstellung des Erinnerungsgegners verpflichtet hatte, hätte seine aufrechterhaltene Klage mangels Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig abgewiesen werden müssen.
Im Übrigen beschränkte sich seine Tätigkeit auf Ausführungen zur Sach- und Rechtslage und auf die Stellung von Anträgen. Diese Tätigkeiten sind keine besonderen Leistungen, sondern Teil der allgemeinen Prozessführung, die bereits mit der Prozessgebühr abgegolten ist. Sie waren darauf gerichtet, dem Antrag zum Erfolg zu verhelfen und halten sich im Rahmen dessen, was von einem mit der Prozessführung beauftragten Bevollmächtigten im Allgemeinen zu erwarten ist.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Entscheidung über die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss ergeht gerichtsgebührenfrei, weil das Kostenverzeichnis (Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz) eine Gebühr für diesen Beschluss nicht vorsieht. Die Pflicht zur Kostentragung beschränkt sich demgemäß auf die Auslagen des Gerichts und die außergerichtlichen Kosten.
FG Köln:
Beschluss v. 13.03.2008
Az: 10 Ko 3867/07
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