Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 24. September 2001
Aktenzeichen: II ZB 13/00

(BGH: Beschluss v. 24.09.2001, Az.: II ZB 13/00)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Die Beteiligten zu 1 und 7 haben gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf, die den Ausgleichsbetrag für Aktionäre in einem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag erhöht hat, sofortige Beschwerde eingelegt. Sie kritisieren, dass das Gericht entgegen einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Zweibrücken die Reduzierung des Körperschaftssteuersatzes nicht bei der Berechnung des Ausgleichsbetrags berücksichtigt hat. Das Beschwerdegericht hingegen argumentiert, dass die Höhe des Körperschaftssteuersatzes keinen Einfluss auf die Berechnung des Ausgleichsbetrags hat und allein auf der erwarteten Ertragslage des Unternehmens zum Bewertungsstichtag basiert. Die Beschwerdeführer argumentieren weiter, dass das Beschwerdegericht willkürliche Feststellungen getroffen und das Sachverständigengutachten fehlerhaft ausgewertet hat. Der Bundesgerichtshof entscheidet, dass die Beschwerde nicht zulässig ist, da die Entscheidung des Beschwerdegerichts nicht offensichtlich gegen geltendes Recht verstößt und die Auswertung des Sachverständigengutachtens nicht willkürlich ist.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BGH: Beschluss v. 24.09.2001, Az: II ZB 13/00


Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 7 gegen die Beschlüsse des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 19. Oktober 1999 und 25. April 2000 werden kostenpflichtig zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 6 Mio. DM.

Gründe

I. Die Beschwerdeführer sind außenstehende Aktionäre der Beteiligten zu 13, deren Aktien überwiegend die Beteiligte zu 14, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, hält. Beide Gesellschaften haben 1987 einen Beherrschungs-und Gewinnabführungsvertrag geschlossen, in dem sich die Beteiligte zu 13 der Leitung der Beteiligten zu 14 unterstellt und zur Abführung ihres Gewinnes an diese verpflichtet hat. Den im Vertrag für die außenstehenden Aktionäre vorgesehenen Ausgleichsbetrag von 7,00 DM jährlich je Aktie im Nennwert von 50,00 DM hat das Beschwerdegericht erhöht, und zwar für die Zeit ab 1992 auf 20,30 DM pro Aktie und Jahr. Zur Berechnung des Ausgleichs hat es in den Gründen des Beschlusses vom 19. Oktober 1999 u.a. folgendes ausgeführt:

"Körperschaftsteuer Auch eine Änderung des Ausspruchs hinsichtlich des angemessenen Ausgleichs im Hinblick auf den ab dem Jahr 1994 abgesenkten Körperschaftssteuersatz ist nicht vorzunehmen. Durch das Standortsicherungsgesetz wurde für Ausschüttungen nach dem 31.12.1993 der Körperschaftssteuersatz von 36 % auf 30 % gesenkt. Dies führt infolge des Anrechnungsverfahrens dazu, daß den Aktionären ab 1994 eine entsprechend geringere Körperschaftssteuergutschrift erteilt wird. Das Oberlandesgericht Zweibrücken hat angenommen, daß dies im Rahmen eines noch anhängigen Spruchstellenverfahrens zu einer Anpassung des angemessenen Ausgleichs führen müsse (OLG Zweibrücken, WM 1995, 980, 982). Dem ist nicht zu folgen.

Nach § 304 Abs. 2 Satz 1 AktG ist für die Bemessung des angemessenen Ausgleichs auf die Ertragslage der Gesellschaft abzustellen, so wie sie zum Bewertungsstichtag zu erwarten ist. Der Ausgleich ist angemessen, wenn er dem voraussichtlich auf jede einzelne Aktie zu verteilenden Gewinn entspricht. Das Gesetz stellt mithin ausschließlich auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens ab. Das heißt aber, daß mittelbare oder unmittelbare steuerliche Gegebenheiten, die bei dem einzelnen Aktionär eintreten, die Höhe des angemessenen Ausgleichs nicht beeinflussen und damit nicht Gegenstand der gerichtlichen Bestimmung des Ausgleichs sind.

Die Höhe des Körperschaftssteuersatzes für Ausschüttungen hatte zudem auf die Ertragswertberechnung durch die Gerichtsgutachter keinen Einfluß. Denn der herrschenden Bewertungspraxis folgend (vgl. Großfeld, a.a.O., S. 52 f.; Piltz, Die Unternehmensbewertung in der Rechtsprechung, 3. Aufl., S. 25), haben sie die Körperschaftssteuer auf die auszuschüttenden Erträge nicht ertragsmindernd abgezogen. Auch deshalb kann die im Tenor festgesetzte Ausgleichszahlung, soweit der Zeitraum nach 1994 betroffen ist, nicht als unangemessen bezeichnet werden."

Aus dem vom Landgericht eingeholten Sachverständigengutachten vom 6. März 1995 (S. 122 f.) ergibt sich, daß die Sachverständigen von dem Gewinn, der für die ab 1992 zu berücksichtigenden Jahre zugrunde gelegt worden ist, die Körperschaftssteuer in Höhe von 36 % abgezogen und aus dem daraus hervorgegangenen Differenzbetrag den auf eine Aktie von nominal 50,00 DM entfallenden Ausgleichsbetrag errechnet haben.

Die Beteiligten zu 1 und 7 haben gegen den Beschluß vom 19. Oktober 1999 sofortige Beschwerde eingelegt. Sie rügen die trotz Abweichung von der Entscheidung des Oberlandesgerichts Zweibrücken unterlassene Vorlage des Verfahrens an den Bundesgerichtshof als "greifbare Gesetzeswidrigkeit". Die Abweichung sei entscheidungserheblich, weil der weitere vom Beschwerdegericht zur Stützung seines Ergebnisses angeführte Grund, die Sachverständigen hätten die Körperschaftssteuer nicht vom ermittelten Gewinn abgezogen, falsch sei. Es handele sich um eine unhaltbare, auf Willkür beruhende Annahme.

II. Die weitere sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 7 ist nicht zulässig (§ 306 Abs. 1 i.V.m. § 99 Abs. 3 Satz 7 AktG).

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann zwar ein nach den gesetzlichen Vorschriften unanfechtbarer Beschluß mit der Beschwerde angegriffen werden, wenn er mit der geltenden Rechtsordnung schlechthin unvereinbar ist, weil er jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und inhaltlich dem Gesetz fremd ist (vgl. u.a. Sen.Beschl. v. 7. Juli 1997 -II ZB 7/97, ZIP 1997, 1553; Sen.Beschl. v. 2. April 2001 -II ZB 17/00, Umdr. S. 3 -nicht veröffentlicht). Die Voraussetzungen einer solch greifbaren Gesetzeswidrigkeit sind im vorliegenden Falle jedoch nicht erfüllt.

1. Die Beschwerdeführer weisen allerdings zu Recht darauf hin, daß das Beschwerdegericht in der Frage, ob die für Ausschüttungen ab 1994 vorgenommene Reduzierung der Körperschaftssteuer von 36 % auf 30 % die Höhe der von diesem Zeitpunkt an festzusetzenden Ausgleichsbeträge beeinflussen und damit Gegenstand der durch das Gericht vorzunehmenden Bestimmung des Ausgleichs sein konnte, eine von der Entscheidung des Oberlandesgerichts Zweibrücken (WM 1995, 980, 982) abweichende Beurteilung abgegeben hat. Das Oberlandesgericht Zweibrücken hat dazu entschieden, daß sich die Ermäßigung des Körperschaftssteuersatzes in Form höherer Ausgleichszahlungen auswirken müsse. Das Beschwerdegericht hingegen leitet aus § 304 Abs. 2 Satz 1 AktG her, daß sich die Bemessung des angemessenen Ausgleichs allein nach der zum Bewertungsstichtag zu erwartenden Ertragslage der Gesellschaft richte. Mittelbare oder unmittelbare, bei dem einzelnen Aktionär eintretende steuerliche Gegebenheiten könnten die Höhe des angemessenen Ausgleichs nicht beeinflussen und seien daher nicht Gegenstand der gerichtlichen Bestimmung des Ausgleichs.

Hätte das Beschwerdegericht das Ergebnis seines Beschlusses auf diese von dem Oberlandesgericht Zweibrücken abweichende Beurteilung der Rechtslage gestützt, läge darin ein offensichtlicher Verstoß gegen die zwingende Regelung der §§ 306 Abs. 2 und 99 Abs. 1 AktG in Verbindung mit § 28 Abs. 2 FGG, wonach es verpflichtet gewesen wäre, die sofortigen Beschwerden gegen den Beschluß des Landgerichts vom 14. Februar 1996 dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung dieser Rechtsfrage vorzulegen. Ob ein derartiger Verfahrensverstoß die Voraussetzungen einer greifbaren Gesetzeswidrigkeit im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes erfüllt, kann indessen dahingestellt bleiben. Denn die Entscheidung des Beschwerdegerichts beruht nicht auf der von ihm abweichend vom Oberlandesgericht Zweibrücken beurteilten Rechtsfrage.

Das Beschwerdegericht hat in den Beschlußgründen insoweit ausgeführt, die Höhe des Körperschaftssteuersatzes für Ausschüttungen habe auf die Ertragswertberechnung durch die Gerichtsgutachter keinen Einfluß gehabt. Diese hätten -der herrschenden Beratungspraxis folgend -die Körperschaftssteuer auf die auszuschüttenden Erträge nicht ertragsmindernd abgezogen. Auch deswegen könne die für den Zeitraum ab 1994 festgesetzte Ausgleichszahlung nicht als unangemessen bezeichnet werden. Wie es in seinem Beschluß vom 25. April 2000 klargestellt hat, war dieser Gesichtspunkt entscheidend dafür, daß es trotz seiner vom Oberlandesgericht Zweibrücken abweichenden Rechtsansicht von der Vorlage an den Bundesgerichtshof abgesehen hat, weil die umstrittene Rechtsfrage unter diesen Umständen ohne Auswirkung auf das Ergebnis seines Beschlusses geblieben sei.

Damit hat das Beschwerdegericht nicht gegen die gesetzliche Vorlagepflicht verstoßen.

2. Die Beschwerdeführer werfen dem Beschwerdegericht objektiv willkürliche Feststellungen und eine willkürliche Auswertung des Sachverständigengutachtens vor, soweit es davon ausgegangen ist, daß die Sachverständigen die Körperschaftssteuer in Höhe von 36 % von dem ermittelten Ertrag nicht abgezogen hätten. Offensichtlich sind sie der Ansicht, damit seien die Voraussetzungen einer "greifbaren Gesetzeswidrigkeit" erfüllt. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.

Die Ausführungen des Beschlusses sind zwar in diesem Punkte fehlerhaft. Denn aus dem Sachverständigengutachten läßt sich unschwer entnehmen, daß die Sachverständigen die Körperschaftssteuer von 36 % von dem ermittelten Ertrag abgezogen (GutA 122) und auf dieser Grundlage für die Zeit ab 1992 einen Ausgleichsbetrag von 20,30 DM pro Aktie mit einem Nennwert von 50,00 DM errechnet haben (GutA 123).

Für eine willkürliche Auswertung sind jedoch keine hinreichenden Anhaltspunkte ersichtlich. Das Beschwerdegericht legt seinen Ausführungen im Ausgangspunkt die im Schrifttum vertretene Ansicht zugrunde, die Körperschaftssteuer auf die auszuschüttenden Beträge seien von dem ermittelten Ertrag nicht ertragsmindernd abzuziehen. Seine Ansicht belegt es mit Zitaten aus Arbeiten von Großfeld und Piltz, in denen das Verhältnis von Zukunftsertrag des Unternehmens und Körperschaftssteuer abgehandelt werden. Von einer willkürlich vertretenen Ansicht kann insoweit also nicht gesprochen werden.

Sodann führt das Beschwerdegericht aus, entsprechend dieser (herrschenden) Bewertungspraxis hätten die Sachverständigen die Körperschaftssteuer nicht abgezogen, so daß, wie es im Beschluß vom 25. April 2000 darlegt, eine Erhöhung der Ausgleichszahlungen um den Betrag der Körperschaftssteuer von 30 % für die ausgleichsberechtigten Aktionäre zu einem doppelten Vorteil geführt hätte. Das sind insgesamt Überlegungen, die auf der Grundlage der Regelungen des Körperschaftssteuerrechts, der im Schrifttum vertretenen Ansichten zur Frage ihrer Anrechnung und der zivilprozessualen Vorschriften über den Beweis durch Sachverständige (§§ 402 ff. ZPO) und die Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) angestellt worden sind. Sie entbehren weder einer gesetzlichen Grundlage noch sind sie gesetzesfremd. Daß das Beschwerdegericht dabei übersehen hat, daß die Sachverständigen die Körperschaftssteuer auch im gegebenen Falle bei ihrer Wertberechnung abgezogen haben, läßt seine Entscheidung nicht als mit der geltenden Rechtsordnung schlechthin unvereinbar erscheinen.

3. Der auf den Gesichtspunkt der "greifbaren Gesetzeswidrigkeit" gestützten außerordentlichen sofortigen Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 7 war somit der Erfolg zu versagen.






BGH:
Beschluss v. 24.09.2001
Az: II ZB 13/00


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