Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 17. Dezember 2002
Aktenzeichen: 4 O 78/02
(LG Düsseldorf: Urteil v. 17.12.2002, Az.: 4 O 78/02)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
In diesem Gerichtsverfahren vor dem Landgericht Düsseldorf geht es um ein hydraulisches Pressgerät mit einem Festteil und einem Bewegungsteil. Die Klägerin ist Inhaberin eines Patents und eines Gebrauchsmusters, die dieses Gerät schützen. Sie hat die Beklagte verklagt, da diese ein ähnliches Pressgerät unter dem Namen "PRESSLiner" herstellt und vertreibt. Das Gericht hat der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Unterlassung, Rechnungslegung, Entschädigung und Schadensersatz verurteilt. Zudem wurde festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin eine angemessene Entschädigung für die begangenen Handlungen zu zahlen. Die Kosten des Verfahrens wurden der Beklagten auferlegt und das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Tatbestand des Verfahrens umfasst die technischen Details des Pressgeräts sowie die bekannten Stand der Technik Dokumente, die das Gericht bei seiner Entscheidung berücksichtigt hat. Das Gericht hat festgestellt, dass die angegriffene Ausführungsform des Pressgeräts die Merkmale des Klagepatents verletzt und somit die Klägerin Anspruch auf Unterlassung, Entschädigung und Schadensersatz hat. Es wird erklärt, warum keine Aussetzung des Verfahrens erforderlich ist und dass die Vernichtung des Klagepatents nicht wahrscheinlich ist. Schließlich wird die Höhe des Streitwerts festgelegt.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
LG Düsseldorf: Urteil v. 17.12.2002, Az: 4 O 78/02
Tenor
I.
Die Beklagte wird verurteilt,
1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,-- Euro - ersatzweise Ordnungshaft - oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, zu unterlassen,
hydraulische Pressgeräte mit einem Festteil und einem Bewegungsteil, wobei das Bewegungsteil durch einen Hydraulikkolben relativ zu dem Festteil bewegt wird und mittels einer Rückstellfeder in eine Ausgangsstellung zurückbewegbar ist, wobei die Rückbewegung in Abhängigkeit von einem vorbestimmten Pressdruck auslösbar ist durch Ansprechen eines Rücklaufventils,
herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,
bei denen das selbsttätig ansprechende Rücklaufventil so ausgebildet ist, dass es durch den Druck des zurücklaufenden Öls über den gesamten Rückstellweg des Hydraulikkolbens in der Öffnungsstellung gehalten ist,
und bei denen das Rücklaufventil als Ventilkolben mit einer Ventilkolbenfläche ausgebildet ist, wobei eine im Verschlusszustand wirksame Teilkolbenfläche im Hinblick auf den gewünschten Maximaldruck ausgelegt ist,
und bei denen das Rücklaufventil vermittels einer Andruckfeder in die Verschlussstellung vorgespannt ist, der Zylinder, in welchem der Ventilkolben aufgenommen ist, eine Ablauföffnung zu einem Ölvorratsraum aufweist und die Ablauföffnung im Zuge einer Bewegung des Ventilkolbens in die Öffnungsstellung freigegeben wird;
2.
der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie, die Beklagte, die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 22. Mai 1999 begangen hat, und zwar unter Angabe
a)
der Herstellungsmengen und Herstellungszeiten,
b)
der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, Lieferzeiten, Lieferpreisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
c)
der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, Angebotszeiten, Angebotspreisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d)
der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e)
der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, der nicht durch Abzug von Fixkosten und variablen Gemeinkosten gemindert ist, es sei denn, diese könnten ausnahmsweise den unter I, 1 genannten Gegenständen unmittelbar zugeordnet werden,
wobei
- von der Beklagten die Angaben zu e) nur für die Zeit seit dem 27. April 2002 zu machen sind;
- der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.
II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist,
1.
der Klägerin für die unter I, 1 bezeichneten, in der Zeit vom 22. Mai 1999 bis zum 26. April 2002 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;
2.
der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die unter I, 1 bezeichneten, seit dem 27. April 2002 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
III.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
IV.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 650.000,-- Euro vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheit kann auch durch die unbedingte Bürgschaft einer in Deutschland ansässigen, als Zoll- und Steuerbürgin zugelassenen Bank oder Sparkasse erbracht werden.
Tatbestand
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patentes x xxx xxx (Klagepatent, Anlage 3), dessen unter anderem für die Bundesrepublik Deutschland erfolgte Anmeldung auf der internationalen PCT-Anmeldung xxxxxxxx vom 22. April 1999 beruht und dessen Erteilung am 27. März 2002 veröffentlicht wurde. Die Klägerin ist ferner Inhaberin des deutschen Gebrauchsmusters xxx xxx xx (Klagegebrauchsmuster, Anlage 2), dessen Eintragung vom 10. Januar 2002 am 14. Februar 2002 bekanntgemacht wurde. Gegen die Patenterteilung hat die Beklagte Einspruch (Anlage B 3) beim Europäischen Patentamt erhoben sowie beim Deutschen Patentamt Löschungsantrag (Anlage B 1) gegen das aus der europäischen Patentanmeldung abgezweigte Klagegebrauchsmuster gestellt. Die Klageschutzrechte betreffen ein hydrauliches Pressgerät. Die im vorliegenden Rechtsstreit vornehmlich interessierenden Patentansprüche 1 bis 3 haben folgenden Wortlaut:
"Hydrauliches Pressgerät (2) mit einem Festteil (26) und einem Bewegungsteil (24), wobei das Bewegungsteil (24) durch einen Hydraulikkolben (9) relativ zu dem Festteil (26) bewegt wird und mittels einer Rückstellfeder (10) in eine Ausgangsstellung zurückbewegbar ist, wobei die Rückbewegung in Abhängigkeit von einem vorbestimmten Pressdruck auslösbar ist durch Ansprechen eines Rücklaufventils (1), dadurch gekennzeichnet, dass das selbsttätig ansprechende Rücklaufventil (1) so ausgebildet ist, dass es durch den Druck des zurücklaufenden Öls über den gesamten Rückstellweg des Hydraulikkolbens (9) in der Öffnungsstellung gehalten ist." (Patentanspruch 1)
"Pressgerät nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das Rücklaufventil (1) als Ventilkolben (3) mit einer Ventilkolbenfläche (4, 5) ausgebildet ist, wobei eine im Verschlusszustand wirksame Teilkolbenfläche im Hinblick auf den gewünschten Maximaldruck ausgelegt ist." (Patentanspruch 2)
"Pressgerät nach einem der Ansprüche 1 oder 2, wobei das Rücklaufventil (1) vermittels einer Andruckfeder (8) in der Verschlussstellung vorgespannt ist, dadurch gekennzeichnet, dass ein Zylinder (11), in welchem der Ventilkolben (3) aufgenommen ist, eine Ablauföffnung (12) zu einem Ölvorratsraum (13) aufweist und dass die Ablauföffnung (12) im Zuge einer Bewegung des Ventilkolbens (3) in die Öffnungsstellung freigegeben wird." (Patentanspruch 3)
Der Wortlaut der Schutzansprüche 1 bis 3 des Klagegebrauchsmusters ist nahezu identisch und umschreibt denselben Erfindunsgegenstand. Die nachfolgenden Abbildungen (Figuren 3, 5 und 6 der Klageschutzschriften) veranschaulichen den Erfindungsgegenstand anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels.
Die Beklagte stellt her und vertreibt unter der Bezeichnung "PRESSLiner" eine Akkupresse, von der die Klägerin als Anlage 9 ein Originalmuster zur Akte gereicht hat. Die Ausgestaltung der Akkupresse und die Funktionsweise der Pressbacken kann den nachfolgenden Abbildungen, die aus der Bedienungsanleitung (Anlage 10) stammen, entnommen werden.
Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass die vorbezeichnete Akkupresse die Merkmale der Ansprüche 1 bis 3 der Klageschutzrechte erfüllt. Die Klägerin nimmt die Beklagte deshalb aus den Klageschutzrechten auf Unterlassung, Rechnungslegung, Entschädigung und Schadensersatz in Anspruch. Ursprünglich hat die Klägerin neben den Schutzansprüchen 1 der Klageschutzrechte die Unteransprüche 2 und 3 in ihrem Unterlassungsantrag lediglich "insbesondere" geltend gemacht. Ferner hat sie Entschädigung lediglich für die Zeit bis zum 13. März 2002 und Schadensersatz bereits ab dem 14. März 2002 verlangt. Nunmehr beantragt die Klägerin,
die Beklagte wie erkannt zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt,
1.
die Klage abzuweisen;
2.
hilfsweise, das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den gegen das Klagegebrauchsmuster eingereichten Löschungsantrag sowie über den gegen das Klagepatent erhobenen Einspruch auszusetzen;
3.
äußerst hilfsweise, ihr zu gestatten, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung der Klägerin abzuwenden.
Die Beklagte vertritt unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen im Einspruchs- und Löschungsverfahren sowie unter Hinweis auf den vorläufigen Prüfungsbescheid der Gebrauchsmusterabteilung des Deutschen Patentamtes vom 1. Oktober 2002 (Anlage B 4) die Ansicht, die Klageschutzrechte würden sich als nicht rechtsbeständig erweisen. Bereits die in der Klagepatentschrift als Stand der Technik gewürdigte xxxx x xxx xxx (D 6 = Anlage 4) nehme bei zutreffender Auslegung und Würdigung die technische Lehre der Klageschutzrechte neuheitsschädlich vorweg oder stehe doch zumindest der Annahme eines erfinderischen Schrittes entgegen. Gleiches gelte für die im Erteilungsverfahren nicht gewürdigte xxxx x xxx xxx (D 12). Auch stünden die im Erteilungsverfahren mit Ausnahme der xxxx xxx xxx (D 9) ebenfalls nicht berücksichtigten Druckschriften xx xxx xx xxx (D 1), xxxx x xxx xxx (D 2) und xxxx xx xx xxx (D 13) der Schutzfähigkeit der Klageschutzrechte entgegen. Neben diesen Druckschriften belegten außerdem die Entgegenhaltungen D 3 bis D 5, D 7, D 8 und D 11, dass dem Fachmann erfinderungsgemäß wirkende Ventile, bei denen der Druck zum Öffnen und zum anschließenden Offenhalten des Ventils z.B. wegen der unterschiedlichen Querschnittsverhältnisse der Querschnittsflächen von Hauptkolben und Ventilsitz unterschiedlich ist und ein sogenanntes Hystereseverhalten des Ventils begründet, vorbekannt gewesen seien. Es stelle vor diesem Hintergrund keine erfinderische Leistung dar, ein Ventil für den Öldruck in hydraulischen Pressgeräten so auszugestalten, dass nach dem selbsttätigen Öffnen des Ventils bei einem vorgegebenen Druck - etwa durch Anheben eines geringflächigen Ventilsitzes - das zurückfließende Öl auf eine derart verhältnismäßig viel größer bemessene Fläche des Ventilhauptkörpers trifft, dass der Druck des zurücklaufenden Öls ausreicht, das Ventil über den gesamten Rückstellweg des Hydraulikkolbens in der Öffnungsstellung zu halten. Gleiches gelte für die Klageschutzrechte im Hinblick auf vorgesteuerte Ventile, bei denen das Vorventil einen kleinen Querschnitt und das nachgeschaltete Hauptventil einen größeren Querschnitt zur Druckanlage aufwiesen.
Die Klägerin tritt dem Aussetzungsantrag und dem diesbezüglichen Vorbringen der Beklagten unter Hinweis auf ihr Vorbringen im Einspruchs- und Löschungsverfahren entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der beiderseitigen Schriftsätze und der mit ihnen vorgelegten Urkunden und Anlagen Bezug genommen.
Gründe
Die zulässige Klage ist begründet. Der Klägerin stehen gegen die Beklagte die zuerkannten Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung, Entschädigung und Schadensersatz zu, da die Beklagte mit Herstellung und Vertrieb der angegriffenen Akkupresse widerrechtlich und schuldhaft von der technischen Lehre der Klageschutzrechte Gebrauch macht.
I.
Die Klageschutzrechte betreffen ein hydraulisches Pressgerät mit einem Festteil und einem Bewegungsteil.
Den einleitenden Darlegungen der Klageschutzschriften zufolge werden für bestimmte Fügevorgänge (z.B. beim Aufpressen von Kabelschuhen auf elektrische Leiter) hand- oder motorbetriebene Hydraulikwerkzeuge eingesetzt, bei denen das Bewegungsteil mittels eines Hydraulikkolbens relativ zu dem Festteil bewegt werden kann, was es ermöglicht, zusammenzufügende Teile miteinander zu verpressen. Nach Abschluss des Pressvorgangs ist das Bewegungsteil mittels einer Rückstellfeder in seine Ausgangsstellung zurückbewegbar.
Die vorbekannten hydraulischen Presswerkzeuge verfügen über ein Überdruckventil, welches den Öldruck und damit die Presskraft des Bewegungsteils auf das zu verpressende Werkstück auf einen Maximalwert begrenzt. Dadurch ist gewährleistet, dass die für den Fügevorgang benötigte volle Presskraft wirksam wird und zugleich die Presskraft nicht auf einen so hohen Wert ansteigt, dass die miteinander zu verpressenden Teile beschädigt werden können. Als Stand der Technik verweist die Klagepatentschrift insoweit auf die xxxx x xxx xxx (Anlage 4 = D 6) und führt hierzu aus, dass aus dieser Druckschrift ein hydraulisches Pressgerät mit einem Rücklaufventil und einem gesonderten Überdruckventil bekannt ist, wobei das Rücklaufventil durch Handbetätigung aktiviert werden muss und das Überdruckventil selbsttätig nur solange anspricht, bis der Druck soweit abgebaut ist, dass die Ansprichsgrenze wieder unterschritten wird. In vergleichbarer Weise arbeitet auch das aus der xxxx x xxx xxx vorbekannte hydraulische Pressgerät, da bei diesem das Überdruckventil ebenfalls nur das Zurückfließen einer Teilmenge des Hydrauliköls in den Vorratstank zulässt und für den Rücklauf des Bewegungsteils vom Verwender ein besonderer Rücklaufhebel betätigt werden muss.
Vor diesem Hintergrund sehen es die Klageschutzrechte als Aufgabe der Erfindung an, ein hydraulisches Pressgerät anzugeben, das funktionssicherer und handhabungstechnisch verbessert ausgestaltet ist. Zur Lösung dieser Aufgabe sehen die Ansprüche 1 bis 3 der Klageschutzrechte die Kombination folgender Merkmale vor:
1.
Hydraulisches Pressgerät (2) mit
1.1
einem Festteil (26)
1.2
und einem Bewegungsteil (24).
2.
Das Bewegungsteil (24)
2.1
wird durch einen Hydraulikkolben (9) relativ zu dem Festteil (26) bewegt
2.2
und ist mittels einer Rückstellfeder (10) in eine Ausgangsstellung zurückbewegbar.
3.
Die Rückbewegung ist in Abhängigkeit von einem vorbestimmten Pressdruck durch Ansprechen eines Rücklaufventils (1) auslösbar.
4.
Das selbsttätig ansprechende Rücklaufventil (1) ist (so ausgebildet, dass es) durch den Druck des zurücklaufenden Öls über den gesamten Rückstellweg des Hydraulikkolbens (9) in der Öffnungsstellung gehalten (ist).
5.
Das Rücklaufventil (1) ist als Ventilkolben (3) mit einer Ventilkolbenoberfläche (4, 5) ausgebildet, wobei eine im Verschlusszustand wirksame Teilkolbenoberfläche im Hinblick auf den gewünschten Maximaldruck ausgelegt ist.
6.
Das Rücklaufventil (1) ist vermittels einer Andruckfeder (8) in die Verschlussstellung vorgespannt, der Zylinder (11), in welchem der Ventilkolben (3) aufgenommen ist, weist eine Ablauföffnung (12) zu einem Ölvorratsraum (13) auf und die Ablauföffnung (12) wird im Zuge einer Bewegung des Ventilkolbens (3) in die Öffnungsstellung freigegeben.
Die Erfindung stellt damit ein hydraulisches Pressgerät zur Verfügung, bei dem nach Erreichen eines Maximaldrucks ein selbsttätiges Öffnen des Werkzeugs und ein ebenso selbsttätiges Zurückfahren des Bewegungsteils in die Ausgangsstellung erreicht wird, ohne dass ein manueller Eingriff seitens des Anwenders erforderlich ist. Dies ist möglich, da die Rückstellkraft der Rückstellfeder genutzt wird, um das erfindungsgemäße Rücklaufventil über den gesamten Rückverlagerungsweg des Bewegungsteils offen zu halten. Mechanische Arretierungsmittel zum Öffnen oder Schließen des Rücklaufventils sind nicht notwendig.
II.
Zwischen den Parteien steht mit Recht außer Streit, dass die angegriffene Ausführungsform sämtliche Merkmale der Ansprüche 1 bis 3 der Klageschutzrechte verwirklicht. Aufgrund dieses Verletzungstatbestandes ist die Beklagte der Klägerin gemäß Artikel 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung und, da sie zumindest fahrlässig gehandelt hat, gemäß Artikel 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 2 Satz 2 PatG zum Schadensersatz und gemäß Artikel II § 1 Abs. 1 und 3 IntPatÜG zur Entschädigung verpflichtet. Da sich sämtliche von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche bereits aus der Verletzung des Klagepatents ergeben, bedarf es im vorliegenden Rechtsstreit keiner positiven Feststellung der Schutzfähigkeit der vom Klagegebrauchsmuster beanspruchten technischen Lehre.
Die Schadens- und Entschädigungshöhe ist derzeit ungewiß. Die Klägerin hat deshalb ein berechtigtes Interesse daran, dass die Schadensersatzhaftung und Entschädigungsverpflichtung der Beklagten zunächst dem Grunde nach gemäß § 256 Abs. 1 ZPO festgestellt wird. Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, ihren Anspruch auf Schadensersatz und Entschädigung zu beziffern, hat die Beklagte im zuerkannten Umfang Rechnung über ihre Benutzungshandlungen zu legen (§§ 242, 259 BGB, § 140 b PatG).
III.
Eine Aussetzung des Rechtsstreits gemäß § 148 ZPO kommt nicht in Betracht. Eine Vernichtung des die Klageansprüche bereits alleine rechtfertigenden Klagepatents im Umfang der von der Klägerin im vorliegenden Verfahren allein geltend gemachten kumulativen Kombination der Patentansprüche 1 bis 3 erscheint nicht überwiegend wahrscheinlich.
1.
Zwar vertritt die fachkundige Gebrauchsmusterabteilung des Deutschen Patentamtes in ihrem Vorbescheid vom 1. Oktober 2002 (Anlage B 4) die Auffassung, die in der Klagepatentschrift gewürdigte xxxx x xxx xxx (D 6) nehme die technische Lehre von Patentanspruch 1 neuheitsschädlich vorweg, weil das in Figur 4 der Entgegenhaltung gezeigte und nachfolgend abgebildete Überdruckventil 90 durch den Druck des zurücklaufenden Öls in der Öffnungsstellung gehalten werde.
Mit dieser Begründung lässt sich jedoch nur eine Wahrscheinlichkeit dafür begründen, dass Patentanspruch 1 für sich betrachtet keine schutzfähige Erfindung zum Gegenstand hat. Denn wie die Gebrauchsmusterabteilung weiter ausführt, soll die Forderung des Merkmals 4, das Rücklaufventil so auszubilden, dass es durch den Druck des zurücklaufenden Öls über den gesamten Rückstellweg des Hydraulikkolbens in der Öffnungsstellung gehalten ist, allein deshalb bei der Beurteilung der Neuheit nicht zu berücksichtigen sein, weil es sich um eine bloße Wirkangabe handele, der keine konkreten gegenständlichen Merkmale zugeordnet seien. Eine solche gegenständliche Zuordnung wird aber durch die Kombination des Patentanspruchs 1 mit den Unteransprüchen 2 und 3 erreicht. Die vorbezeichneten Unteransprüche haben nämlich sämtliche Vorrichtungsteile zum Gegenstand, mit denen das in Merkmal 4 angegebene Ziel erreicht werden kann. Insoweit schließt sich die Kammer den überzeugenden Darlegungen der Gebrauchsmusterabteilung an, nach denen für die Erlangung der beanspruchten Ventilfunktion entscheidend ist, dass das Ventil einen Ventilkolben aufweist, der im Verschlusszustand lediglich eine auf den gewünschten Maximaldruck ausgerichtete wirksame Teilkolbenoberfläche besitzt, und dass der Ventilkolben eine Ablauföffnung des ihn aufnehmenden Zylinders öffnet und verschließt, wobei die Andruckfeder entsprechend in die Verschlussstellung vorgespannt wird.
Nicht gefolgt werden kann der Beklagten in ihrer - auch in der mündlichen Verhandlung geäußerten - Ansicht, dass in Figur 4 der Entgegenhaltung D 6 dargestellte Druckentlastungsventil (90) weise bereits eine entsprechende Ausgestaltung auf. Das vorbekannte Presswerkzeug verfügt nicht nur über das vorbezeichnete Druckentlastungsventil, sondern auch über ein manuell betätigbares Rücklaufventil (93). Das Druckentlastungsventil, das lose in den Ölkanal eingepasst ist, hat die Funktion, den Fluid-Druck auf einen bestimmten Wert zu begrenzen und dadurch die Eindringtiefe des Pressstempels festzulegen (vgl. Seite 5, erster Absatz und Seite 9, zweiter Absatz der deutschen Übersetzung gemäß Anlage 4a). Nichts anderes sagt auch die von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung in Bezug genommene Beschreibungsstelle auf Seite 3, rechte Spalte, Zeilen 18 bis 23 der US-Schrift aus (vgl. auch die deutsche Übersetzung in Anlage 4a, Seite 10, letzter Absatz übergreifend auf Seite 11). Soll das Werkzeug zurückgesetzt werden, wird das Öl aus der Stempel- bzw. Kolbenkammer durch manuelles Öffnen des Rücklaufventils (93) in das Öl-Reservoire (48) geleitet (vgl. Anlage 4a, Seite 10, vorletzter Absatz). Diese eindeutige Funktionszuordnung belegt, dass das Druckentlastungsventil (90) tatsächlich nur zum Abbau des Überdrucks vorgesehen und ausgelegt ist, sich also nach der Druckentlastung wieder schließt und nicht geöffnet bleibt. Anhaltspunkte, die eine Abweichung von dieser Funktionsteilung als nützlich oder naheliegend erscheinen lassen, bietet die Entgegenhaltung nicht. Insbesondere findet sich kein Beleg für die Behauptung der Beklagten, bei dem Rücklaufventil (93) handele es sich lediglich um ein zusätzliches von Hand betätigbares Not-Ventil, welches aus Sicherheitsgründen stets erforderlich sei. Soweit die Druckschrift es als wünschenswert ansieht, den Kolben bzw. Stempel automatisch in seine Ausgangsposition zu bringen und ihn nicht manuell zurückziehen zu müssen, wird dieses Ziel durch das Vorsehen der Rückstellfeder erreicht. Die Notwendigkeit des manuellen Öffnens des Rücklaufventils (93) entfällt damit nicht.
Die zuvor gemachten Ausführungen gelten in gleicher Weise für die dem Klagepatent entgegengehaltene xxxx x xxx xxx (D 12), von der nachfolgend Figur 2 abgebildet ist.
Bei diesem Pressgerät wird der Rücklauf des Hydraulikkolbens ebenso wie bei den in der Klagepatentschrift genannten Pressgeräten gemäß der xxxx x xxx xxx (D 6) und der xxxx x xxx xxx (D 9) durch Betätigung eines Handhebels (60), der auf ein zugehöriges Rücklaufventil (53) einwirkt, ausgelöst. Dass es sich bei dem Ventil (24) um mehr handelt als ein Druckentlastungsventil, welches anspricht, wenn ein vorbestimmter Maximaldruck erreicht wird, und sich wieder schließt, wenn der Druck soweit abgebaut wurde, dass die Feder (42) das Ventil in seine Ausgangsstellung zurück drückt, lässt sich der Entgegenhaltung nicht entnehmen.
Das in der xxxx x xxx xxx (D 2) vorgesehene Entlastungsventil (Bezugszeichen 40 in Figur 4) weist eine von der patentgemäßen Lehre völlig abweichende Gestaltung auf, die bewirkt, dass das Ventil durch den vom Pumpenmotor aufgebauten Öldruck geschlossen gehalten wird und erst öffnet, wenn die Ölpumpe abgeschaltet wird, der Öldruck also wieder fällt. Damit handelt es sich schon nicht um ein Ventil gemäß Merkmal 3, das die Rückbewegung des Kolbens in Abhängigkeit von einem vorbestimmten Pressdruck bewirkt.
Die aus den Entgegenhaltungen D 1 (xx xx xxx xx xxx) und D 13 (xxxx xx xx xxx) bekannten Pressgeräte weisen neben dem eigentlichen Rücklaufventil ein Vorsteuer- bzw. Sensorventil auf. Keiner der Druckschriften offenbart oder legt nahe, die Rücklaufventile (30) bzw. (26) durch den Druck des zurücklaufenden Öls über den gesamten Rückstellweg des Hydraulikkolbens in der Öffnungsstellung zu halten. Das Rückstromventil nach D 13 wird nicht durch, sondern vielmehr gegen das zurückströmende Öl offengehalten und mechanisch dadurch geschlossen, dass der Hydraulikkolben am Ende seines Rücklaufs den Schaft (36) in die Verschlussstellung verfährt. Auch bei der D 1 ist vorgesehen, das Ventil in vergleichbarer Weise mechanisch zu schließen.
2.
Schließlich spricht auch keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Klagepatent im Umfang seiner Ansprüche 1 bis 3 wegen mangelnder Erfindungshöhe vernichtet wird. Die Entgegenhaltungen D 6 und D 9 sind im Erteilungsverfahren bereits berücksichtigt und in der Klagepatentschrift zutreffend gewürdigt worden. Mit Rücksicht auf diese und alle weiteren Entgegenhaltungen hat außerdem die Gebrauchsmusterabteilung in ihrem Beschluss vom 1. Oktober 2002 (Anlage B 4, Seite 4, letzter Absatz) das Vorliegen eines erfinderischen Schrittes ausdrücklich bejaht. Für diese Bewertung lässt sich zudem folgendes anführen:
Die Entgegenhaltungen D 3 bis D 5, D 7, D 8 und D 11 sind ebenso wie die in den vorbekannten Pressgeräten gezeigten Überdruckventile lediglich geeignet zu belegen, dass im Prioritätszeitpunkt Druckbegrenzungsventile bekannt waren, mit Hilfe derer der Betriebsdrucks eines Systems auf einen maximalen Wert begrenzt werden kann. Keine der Entgegenhaltungen legt jedoch die erfindungsgemäße Lehre nahe, ein Ventil nicht nur zur Begrenzung des Überdrucks zu verwenden, sondern es zugleich auch so einzusetzen bzw. auszugestalten, dass es als selbsttätig wirkendes Rücklaufventil funktioniert. Dem Fachmann mag allgemein geläufig gewesen sein, dass der Körper solcher Ventile bzw. die Reihenschaltung solcher Ventile so aufgebaut sein kann, dass das Ventil bei Erreichen eines Maximaldrucks öffnet, dann dem Druckmedium eine vergrößerte Angriffsfläche bietet und daher erst wieder bei einem Druckwert schließt, der unter dem auslösenden Maximaldruck liegt. Sich diesen Effekt zunutze zu machen und zur Ausbildung eines selbsttätig ansprechenden Rücklaufventils für hydraulische Pressgeräte zu verwenden, so dass allein der Druck des zurücklaufenden Öls das Ventil über den gesamten Rückstellweg des Kolbens offen hält, liegt für den Fachmann damit aber noch nicht nahe. Die gegenteilige Ansicht der Beklagten erscheint nicht frei von einer unzulässigen rückschauenden Betrachtung, was schon durch den Umstand belegt wird, dass keine der jüngeren Entgegenhaltungen diesen Effekt in der vom Klagepatent beanspruchten Weise übernommen hat, obwohl bereits die im Jahr 1938 angemeldete xxxx x xxx xxx (D 6) ein Überdruckventil zeigt, das dem Druckmedium nach dem Öffnen eine vergrößerte Angriffsfläche bietet.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO und, soweit die Klägerin ihre Klageanträge nachträglich beschränkt hat, auf der entsprechenden Anwendung von § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, da die weitergehende Forderung verhältnismäßig geringfügig war und keine besonderen Kosten veranlasst hat.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709, 108 ZPO. Der Vollstreckungsschutzantrag der Beklagten nach § 712 ZPO bleibt ohne Erfolg, weil keine konkreten Tatsachen dafür vorgetragen sind, dass die Vollstreckung des Urteils der Beklagten einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde.
Der Streitwert beträgt 650.000,-- Euro.
LG Düsseldorf:
Urteil v. 17.12.2002
Az: 4 O 78/02
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