Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 18. April 2005
Aktenzeichen: AnwZ (B) 38/04

(BGH: Beschluss v. 18.04.2005, Az.: AnwZ (B) 38/04)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Der Bundesgerichtshof hat in einem Beschluss vom 18. April 2005 (Aktenzeichen AnwZ (B) 38/04) eine sofortige Beschwerde gegen einen Beschluss des Sächsischen Anwaltsgerichtshofes zurückgewiesen. Der Antragsteller hatte seit 1990 als Rechtsanwalt gearbeitet, nachdem ihm in der DDR aus politischen Gründen der Zugang zur Rechtsanwaltschaft verwehrt worden war. Im Juni 2003 wurde über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet, woraufhin seine Zulassung widerrufen wurde. Der Antragsteller legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein.

Der Bundesgerichtshof entschied, dass die Beschwerde zulässig, aber in der Sache nicht erfolgreich sei. Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist und dadurch die Interessen der Rechtsuchenden gefährdet sind. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird der Vermögensverfall gesetzlich vermutet. Eine Widerlegung dieser Vermutung sei nicht ersichtlich, da die Forderungen im Insolvenzverfahren in einer Höhe von über 7 Millionen Euro unbestritten seien und sein Immobilienvermögen bei weitem nicht ausreiche, um diese abzudecken.

Es sei nur in extremen Ausnahmefällen anzunehmen, dass die Interessen der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall nicht gefährdet seien. Im vorliegenden Fall sei dies nicht anzunehmen, da die gegen den Antragsteller geltend gemachten Forderungen beträchtlich seien. Auch die Tatsache, dass er seine Berufsunfähigkeitsrente an seine Ehefrau abgetreten habe und diese über geregelter Einkünfte verfüge, ändere daran nichts. Zudem sei die Selbstbeschränkung des Antragstellers auf eine anwaltliche Tätigkeit in eigenen Angelegenheiten nicht ausreichend, um die Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden zu verhindern. Der Widerruf der Zulassung bleibe somit gerechtfertigt, auch wenn der biographische Hintergrund des Antragstellers und das Fehlen von Schuld an seinem Vermögensverfall bedauerlich seien.

Die sofortige Beschwerde wurde zurückgewiesen und der Antragsteller muss die Kosten des Rechtsmittels tragen. Zudem muss er der Antragsgegnerin die entstandenen außergerichtlichen Auslagen erstatten. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wurde auf 50.000 Euro festgesetzt.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BGH: Beschluss v. 18.04.2005, Az: AnwZ (B) 38/04


Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des 1. Senats des Sächsischen Anwaltsgerichtshofes vom 5. März 2004 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

1.

Der Antragsteller ist, nachdem ihm in der DDR aus rechtsstaatswidrigen politischen Gründen der Zugang zur Rechtsanwaltschaft versagt worden war, seit 1990 als Rechtsanwalt, zuletzt beim Amtsund Landgericht L. und beim Oberlandesgericht D., zugelassen. Nachdem am 13. Juni 2003 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Antragstellers eröffnet worden war, hat die Antragsgegnerin seine Zulassung mit Bescheid vom 30. Juli 2003 wegen Vermögensverfalls widerrufen. Den Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Anwaltsgerichtshof zurückgewiesen. Gegen dessen Beschluß richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers.

2.

Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 3 BRAO), bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.

a) Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, daß dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Der Vermögensverfall wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 (2. Halbsatz) BRAO gesetzlich vermutet. Für eine Widerlegung der Vermutung ist, wie der Antragsteller selbst nicht bestreitet, nichts ersichtlich angesichts im Insolvenzverfahren unbestrittener Forderungen in Gesamthöhe von über 7 Mio. €, die auch durch sein Immobilienvermögen bei weitem nicht abgedeckt werden. Weder die gläubigersichernden Maßnahmen eines Insolvenzverfahrens (etwa die Übertragung der Verwaltungsund Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter) noch die Aussicht auf eine künftige Restschuldbefreiung bedeuten die Wiederherstellung geordneter Vermögensverhältnisse (BGH BRAK-Mitt. 2000, 144; NJW-RR 2002, 1718).

b) Bei einem Vermögensverfall kommt die Annahme, daß die Interessen der Rechtsuchenden hierdurch abweichend von der Regel nicht gefährdet wären, allenfalls in einem extrem gelagerten Ausnahmefall in Betracht; dies gilt auch in Fällen der Insolvenz (vgl. BGH NJW 2005, 511; vgl. ferner Feuerich/ Weyland, BRAO 6. Aufl. § 14 Rdn. 59 f. m.w.N). Der Anwaltsgerichtshof hat zutreffend dargetan, daß ein solcher vorliegend nicht anzunehmen ist. Dies gilt namentlich im Blick auf die beträchtliche Höhe der gegen den Antragsteller geltend gemachten Forderungen, und zwar ungeachtet der nicht unerheblichen pfändungsfreien Berufsunfähigkeitsrente, die er an seine Ehefrau abgetreten hat, und deren geregelter Einkünfte. Auch der Umstand der seit längerem geübten weitestgehenden Beschränkung des Antragstellers auf eine anwaltliche Tätigkeit in eigenen Sachen ist, wie der Anwaltsgerichtshof zutreffend ausgeführt hat, für einen ausnahmsweise begründeten Ausschluß der Gefährdung schon mangels absehbarer Stabilität dieser -auch für die Zukunft nicht absicherbaren -Selbstbeschränkung ungeeignet. Die an eine auslaufende Berufstätigkeit anknüpfende Erwägung des Senats in seinem Beschluß vom 12. Januar 2004 -AnwZ (B) 17/03 -betraf einen wegen des hohen Alters des dort betroffenen Rechtsanwalts gänzlich untypisch gelagerten Fall. Der biographische Hintergrund des in der DDR rechtsstaatswidrig beruflich verfolgten Antragstellers, die schlimme Ursache von ihm erlittener massiver, für seine Berufstätigkeit nachhaltig hinderlicher Verletzungen und die Tatsache, daß ihn, soweit ersichtlich, kein Verschulden an dem eingetretenen Vermögensverfall trifft, sind individuelle Umstände, die den Widerruf der Zulassung im Fall des Antragstellers als besonders bedauerlich erscheinen lassen. Sie müssen indes für den zwingenden Widerrufsgrund des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO, der kein Verschulden voraussetzt, letztlich unerheblich bleiben.

Hirsch Basdorf Ganter Ernemann Kieserling Hauger Kappelhoff






BGH:
Beschluss v. 18.04.2005
Az: AnwZ (B) 38/04


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