Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. Juni 2010
Aktenzeichen: 27 W (pat) 259/09
(BPatG: Beschluss v. 21.06.2010, Az.: 27 W (pat) 259/09)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Die Beschwerde gegen die Wort-Bild-Marke "302 46 500" wurde vom Bundespatentgericht zurückgewiesen. Die Marke war für verschiedene Waren und Dienstleistungen eingetragen. Die Widersprechende legte Widerspruch gegen die Marke ein, da sie eine ähnliche Wort-Bild-Marke besitzt. Diese ist noch für verschiedene Waren und Dienstleistungen geschützt. Die Markenstelle entschied im Widerspruchsverfahren, dass keine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken besteht, da die graphische Gestaltung und die Zahl "1" in der Widerspruchsmarke nicht berücksichtigt werden dürfen. Die Widersprechende erhob daraufhin Beschwerde und argumentierte, dass ihre Marke eine erhöhte Kennzeichnungskraft habe. Das Bundespatentgericht entschied jedoch, dass eine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken nicht besteht. Die Nichtbenutzungseinrede der Markeninhaberin ist derzeit nicht zulässig. Die Widersprechende beantragte daraufhin die Löschung der Marke. Das Bundespatentgericht wies die Beschwerde der Widersprechenden jedoch zurück, da keine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken besteht und auch keine erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke vorliegt. Eine Kostenentscheidung wurde nicht getroffen.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 21.06.2010, Az: 27 W (pat) 259/09
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die farbige (rot, weiß) Wort-Bild-Marke 302 46 500 wurde am 16. Januar 2003 für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 16, 35, 38, 41 und 42 eingetragen, nämlich für Computer und Datenverarbeitungsgeräte; Speicher für Datenverarbeitungsanlagen; Computer-Software, insbesondere für die Abfrage, Darstellung, Bearbeitung und Ausgabe multimedialer Daten in Computernetzwerken einschließlich des Internets; mit Informationen versehene maschinell lesbare Datenträger aller Art sowie Tonund Bildaufzeichnungsträger, insbesondere Disketten, CD-ROMs, DVDs, Chip-Karten, Magnet-Karten, Video-Kassetten, Compact-Disks und Video-Disks; auf Datenträgern aufgezeichnete Informationssammlungen und Datenbanken, elektronische Publikationen (herunterladbar); Druckereierzeugnisse, Druckschriften, Zeitschriften, Zeitungen, Bücher; Buchbinderartikel, Poster, Aufkleber, Kalender; Schilder und Modelle aus Papier und Pappe; Fotografien und Lichtbilderzeugnisse; Papier, Pappe, Schreibwaren und Büroartikel (ausgenommen Möbel); Lehrund Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate), soweit in Klasse 16 enthalten; E-Commerce-Dienstleistungen, nämlich Vermittlung, Abschluss und Abwicklung von Handelsgeschäften über Online-Shops; Werbung einschließlich Rundfunkwerbung sowie Printund Internetwerbung; Dienstleistungen einer Werbeagentur; Vermietung von Werbeflächen im Internet; Marketing, auch für Dritte in digitalen Netzen (Web-Advertising), Marktforschung und -analyse; Verteilung von Waren zu Werbezwecken, Verkaufsförderung; Öffentlichkeitsarbeit; Durchführung von Werbeveranstaltungen; Geschäftsführung für andere, Unternehmensverwaltung; Dienstleistung einer Multimediaagentur, nämlich Präsentation von Firmen im Internet und anderen Medien; Telekommunikation; Übermittlung von Informationen an Dritte, Verbreitung von Informationen über drahtlose oder leitungsgebundene Netze; Ausstrahlung von Rundfunksendungen; Online-Dienste, nämlich Übermittlung von Nachrichten und Informationen aller Art; E-Mail-Datendienste (= elektronischer Postversand); Internet-Dienstleistungen, nämlich Bereitstellen von Informationen im Internet, jeweils soweit in Klasse 38 enthalten, Dienstleistung einer Multimediaagentur, nämlich Präsentation von Firmen in Internet und anderen Medien; Veröffentlichung und Herausgabe von Druckereierzeugnissen, insbesondere von Zeitungen, Zeitschriften und Büchern, sowie von Lehrund Informationsmaterial, jeweils einschließlich gespeicherter Tonund Bildinformation und auch in elektronischer Form; Produktion von Tonund Bildaufzeichnungen auf Tonund Bildträger; Vorführung und Vermietung von Tonund Bildaufzeichnungen; Produktion von Rundfunksendungen, Zusammenstellen von Rundfunk-Programmen; Unterhaltung, insbesondere Rundfunkunterhaltung; Durchführung von Unterhaltungsveranstaltungen, kulturelle und sportliche Live-Events, Schulungsveranstaltungen, Bildungsveranstaltungen sowie kulturellen und sportlichen Veranstaltungen, soweit in Klasse 41 enthalten; Bereitstellen von elektronischen Publikationen (nicht herunterladbar), Online-Publikationen von elektronischen Büchern und Zeitschriften; Dienstleistungen einer Datenbank, nämlich Sammeln, Speichern, zur Verfügung stellen und Aktualisieren von Daten und sonstigen Informationen; Erstellen und Design von Programmen für die Datenverarbeitung (Computer-Software); Pflege und Aktualisierung von Programmen für die Datenverarbeitung sowie Online-Updating-Service für EDV-Programme; Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der Datenverarbeitung; Entwurf, Entwicklung und Beratung im Bereich von Computersystemen, Computerberatungsdienste; Konfiguration von Computer-Netzwerken durch Software; Dienstleistungen eines Netzwerkbetreibers und Providers, nämlich Vermittlung und Vermietung von Zugriffszeiten zu Datenbanken; Erstellung, Design und Einrichtung von Internetpräsentationen; Konzeption, Wartung und Pflege von Internet-Inhalten; Erstellen von Dokumentationen, im Rahmen einer redaktionellen Betreuung von Internetauftritten; Dienstleistung einer Multimediaagentur, nämlich Sammeln, Speichern und Zurverfügungstellen von Software, Daten, Bildern, Audiound Videoinformationen.
Dagegen hat die Widersprechende aus ihrer farbigen (pink und schwarz) Wort-/Bild-Marke 300 91 078 (Anmeldetag 13. Dezember 2000; eingetragen am 10. September 2001; Widerspruchsverfahren abgeschlossen am 21. März 2007)
Widerspruch eingelegt. Die Widerspruchsmarke ist nach einer Teillöschung noch geschützt für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 16, 18, 20, 21, 24-26, 28-30, 35, 38 und 41, nämlich für Bespielte magnetische, magnetooptische, optische Träger für Ton und/oder Bild und/oder Daten, einschließlich CDs, CD-ROM, Videound Audiokassetten sowie -platten; Datenbanken; Waren aus Papier und Pappe (Karton), soweit in Klasse 16 enthalten, Papierhandtücher, Servietten, Filterpapier, Verpackungsbehälter aus Papier und Pappe (Karton), Verpackungstüten und Einwickelpapier; Druckereierzeugnisse, Zeitungen, Zeitschriften, Magazine, Broschüren, Faltblätter, Prospekte, Programmhefte, Pressemappen, Bücher, Plakate, Telefonkarten, Teilnahmekarten, Einladungskarten; Postkarten; Ausweise, Aufkleber, Gütesiegel, Anhänger, Sticker; Wandtafeln; Verpackungsmaterial aus Kunststoff, nämlich Hüllen, Beutel, Taschen, Folien; Spielkarten, Kartenspiele; Waren aus Leder und Lederimitationen, nämlich Taschen und nicht an den aufzunehmenden Inhalt angepasste Behältnisse, einschließlich Handtaschen, Aktentaschen, Einkaufstaschen, Reisetaschen, Sporttaschen, Schulranzen, Packsäcke und Rucksäcke, Gürtel, Hosenträger; Kleinlederwaren, einschließlich Geldbeutel, Brieftaschen, Schlüsseltaschen, Reisenecessaires, Toilettenbeutel und -taschen, ferner Schreibgeräteköcher und -schalen, Zettelhalter und -behälter, Reiseund Handkoffer; Regenschirme, Sonnenschirme, Spazierstöcke; Waren aus Kunststoff oder Holz, soweit in Klasse 20 enthalten, nämlich Figuren, Flaschenverschlüsse, Scherzartikel, Untersetzer, Tisch-Sets, Tischdecken, Mouse-Pads, Abziehbilder, Aufkleber, auch teilweise transparent, Seifendosen und -schalen, Zahnputzbecher, Zahnbürstenköcher; Papierkörbe; Waren aus Glas, Porzellan und Steingut für Haushalt und Küche, soweit in Klasse 21 enthalten, kleine handbetätigte Geräte sowie Behälter für Haushalt und Küche (nicht aus Edelmetall oder plattiert), nämlich Dosen, Schüsseln, Frischhalteboxen; Pappteller und -becher; Textilwaren, nämlich Textilstoffe, Haushaltswäsche, Tischund Bettwäsche; Bettund Tischdecken, Sets, Kochschürzen, Topflappen, Badetücher, Fahnen und Wimpel; Bekleidungsstücke, einschließlich Sportund Freizeitbekleidung; Schuhe, Schuhwaren und Stiefel, einschließlich Sportund Freizeitschuhe und -stiefel; Strümpfe, Strumpfhosen, Socken; Krawatten, einschließlich Binder bzw. Fliegen; Hosenträger und Gürtel (Bekleidung); Handschuhe; Kopfbedeckungen, einschließlich Stirnund Schweißbänder; Buttons; Spielzeuge, Spiele auch in elektrischer und elektronischer Form, soweit in Klasse 28 enthalten; Spielwaren, Spielzeug, einschließlich Stoffund Gummitiere sowie Maskottchen; Turn-, Fitnessund Sportgeräte; Fleisch, Fisch, Geflügel, Wild, Fleischextrakte, konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse, Gallerten, Konfitüren, Fruchtsaucen, Speiseöle und Fette, Mayonnaisen, Salatsaucen, Ketschups und Dressings, Fertigsuppen, Eier, Milch und Milchprodukte, nämlich Butter, Käse, Käsezubereitungen, Quark, Joghurt, Sahne, nicht alkoholische Milch-Mix-Getränke, verarbeitete Nüsse, Feinkostprodukte, Feinkostsalate, Saucen als kochfertige Lebensmittelzubereitungen, Suppen mit Fleisch, Fisch, Gemüse oder Geflügel, Wurstwaren, Schinkenwaren, Pasteten, verarbeitete Weichund Schalentiere; Kartoffelklöße und Fleischklöße; Kaffee, Tee und Kräutertees; Kakao, Kakaopräparate und -getränke, Schokolade und Schokoladewaren, Zucker, Reis, Tapioka, Sago, Kaffee-Ersatzmittel, Honig, Melassesirup; für die menschliche Ernährung zubereitetes Getreide, insbesondere Haferflocken und andere Getreideflocken, Getreidepräparate, Müslipräparate, Brot, Backwaren und Konditorwaren, Speiseeis, Hefe, Backpulver, Aromastoffe, Gewürze, Salz, Senf, Essig, Saucen, Würzmittel, Kühleis; Teigwaren, Pastagerichte, Nudelzubereitungen; Lebensmittel in Konserven und als tiefgekühlte Fertigoder Teilfertigprodukte, soweit in Klasse 29 und 30 enthalten; diätetische Erzeugnisse zu nicht medizinischen Zwecken auf der Basis von Kohlehydraten; Grießklöße, Pizzen und Sojaprodukte, soweit in Klasse 30 enthalten; Werbung, einschließlich Hörfunkund Fernsehwerbung, Marketing; Veranstaltung von Hörfunkund Fernsehsendungen/-programmen über drahtlose und/oder drahtgebundene digitale und analoge Netze; Verbreitung, Verteilung und Weiterleitung von Fernseh-, Hörfunk-, Telekommunikationsund Informationssignalen über drahtlose und/oder drahtgebundene digitale und analoge Netze; Übermittlung von Daten sowohl online als auch offline; Film-, Ton-, Videound Fernsehproduktion; Veröffentlichung und Herausgabe von elektronisch wiedergebbaren Text-, Grafik-, Bildund Toninformationen, die über Datennetze abrufbar sind; Veröffentlichung und Herausgabe von Druckereierzeugnissen; Durchführung von Konzert-, Theaterund Unterhaltungsveranstaltungen, von Seminaren, Lehrgängen, Symposien, Vernissagen, Lesungen; Veranstaltung von Sportwettbewerben.
Mit Schriftsatz vom 2. August 2007 hat die Inhaberin der angegriffenen Marke die Einrede der mangelnden Benutzung erhoben.
Mit Beschlüssen vom 24. November 2008 sowie vom 23. Juli 2009, letzterer ist im Erinnerungsverfahren ergangen, hat die Markenstelle für Klasse 41 den Widerspruch mangels Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Das ist damit begründet, das Wort "live" sei je nach Waren und Dienstleistungen schutzunfähig oder zumindest kennzeichnungsschwach. Daher könne auf die Einbeziehung der graphischen Gestaltung und der Zahl "1" in der Widerspruchsmarke nicht verzichtet werden. Selbst bei Identität der Waren und Dienstleistungen ließen sich die Zeichen auf Grund der zusätzlichen Bestandteile "Lisa" und "1" ohne weiteres auseinanderhalten. Die Nichtbenutzungseinrede sei derzeit nicht zulässig.
Eine selbständig kennzeichnende Stellung komme dem Bestandteil "live" in der angegriffenen Marke nicht zu. Insbesondere liege keine identische Übernahme des älteren Zeichens vor. Für die Kennzeichnungskraft des Bestandteils "live" sei die Thomson-Live-Entscheidung unerheblich. Auch eine mittelbare Verwechslung oder eine Verwechslung im weiteren Sinne komme nicht in Betracht.
Am 13. August 2009 hat die Widersprechende Beschwerde eingelegt und dazu vorgetragen, der Bestandteil "live" sei nicht kennzeichnungsschwach, was sichu. a. aus der EuGH-Entscheidung zu Thomson-Life ergebe. "Live" präge beide Marken. Die Widersprechende beantragt sinngemäß, die Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben und die Marke 302 46 500 zu löschen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigt den angegriffenen Beschluss. Unter Bezugnahme auf das Vorbringen im Amtsverfahren vertritt sie die Auffassung, die Marken seien nicht verwechselbar. Im Übrigen erhebt sie die Einrede der mangelnden Benutzung.
II.
1. Da die Beteiligten keine mündliche Verhandlung beantragt haben und diese nach Wertung des Senats auch nicht geboten ist, kann ohne diese entschieden werden. Die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs gebietet es, den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit zu geben, Stellungnahmen zum Sachverhalt abzugeben und ihre eigene Auffassung zu den entsprechenden Rechtsfragen darzulegen, sowie Anträge zu stellen. Dazu bestand hinreichend Gelegenheit, nachdem die Beschwerdeerwiderung der Markeninhaberin der Widersprechenden am 23. November 2009 zugestellt worden ist.
2. Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache keinen Erfolg. Auch nach Auffassung des Senats besteht zwischen den Marken keine Verwechslungsgefahr im Sinn von § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG).
a) Die Nichtbenutzungsrede ist unzulässig. Das Widerspruchsverfahren gegen die Widerspruchsmarke endete am 21. März 2007. Nach § 43 Abs. 1 Satz 1, § 26 Abs. 5 MarkenG ist eine Nichtbenutzungseinrede erst fünf Jahre nach Ablauf aller Widerspruchsverfahren gegen die Widerspruchsmarke zulässig, d. h. im vorliegenden Fall nicht vor dem 21. März 2012.
b) Die Frage der Verwechslungsgefahr ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit die Identität oder Ähnlichkeit der zum Vergleich stehenden Marken sowie der von den Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen. Darüber hinaus sind die Kennzeichnungskraft der älteren Marke und -davon abhängig -der dieser im Einzelfall zukommende Schutzumfang in die Betrachtung einzubeziehen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den genannten Faktoren (vgl. EuGH GRUR 2006, 237, 238, Nr. 18 f -Picasso; BGH GRUR 2007, 321, 322 -Cohibar). Nach diesen Grundsätzen kann eine Verwechslungsgefahr im vorliegenden Fall nicht festgestellt werden.
aa) Die Waren und Dienstleistungen sind größtenteils identisch bzw. weisen eine relativ große Ähnlichkeit auf (vgl. Klassen 9, 16, 35, 38 und 41). Allerdings sind einige Waren und Dienstleistungen der angegriffenen Marken im Verzeichnis der Widerspruchsmarke weder enthalten noch überdurchschnittlich ähnlich zu diesen. Dies gilt insbesondere für die Dienstleistungen der Klasse 42. Für die Dienstleistungen E-Commerce, Marktforschung und -analyse, Öffentlichkeitsarbeit, Geschäftsführung für andere und Unternehmensverwaltung der Klasse 35 besteht allenfalls durchschnittliche Ähnlichkeit mit den Dienstleistungen der Widerspruchsmarke.
bb) Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke hält der Senat in Bezug auf einen Großteil der Widerspruchswaren und -dienstleistungen für deutlich geschwächt, da "L1VE" von dem angesprochenen Publikum im Sinne von "live" (= direkt) und damit glatt beschreibend verstanden wird. Dies trifft insbesondere für die bespielten Träger für Ton und/oder Bild (die Live-Aufnahmen enthalten können), Zeitungen, Zeitschriften, Magazine, etc. (die Live-Veranstaltungen ankündigen, besprechen oder bewerben können), Veranstaltung von Fernsehund Hörfunksendungen, Film-Ton-, Videound Fernsehproduktion und die Durchführung von Konzert-, Theaterund Unterhaltungsveranstaltungen zu. Die Schutzfähigkeit der Widerspruchsmarke beruht insoweit nur auf der graphischen Ausgestaltung und ist demgemäß gering.
Für einen Teil der relevanten Widerspruchswaren und -dienstleistungen, z. B. Waren aus Papier und Pappe oder Marketing/Werbung, ist ein beschreibender Bezug zu "L1VE" nicht direkt ersichtlich, so dass insoweit von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen ist.
cc) Eine Verwechslungsgefahr zwischen "L1VE" und "LisaLive" besteht weder in klanglicher noch in schriftbildlicher oder begrifflicher Hinsicht. Selbst bei identischen Waren und Dienstleistungen und unterstellter durchschnittlicher Kennzeichnungskraft ist ein ausreichender Zeichenabstand gegeben.
Schriftbildlich scheitert eine Verwechslungsgefahr bereits an den unterschiedlichen graphischen Ausgestaltungen beider Marken, nämlich dem in der jüngeren Marke vorhandenen Bestandteil "Lisa" und der "1" in der Widerspruchsmarke.
Auch klanglich und begrifflich halten die Marken einen ausreichenden Abstand ein, da jedenfalls die angegriffene Marke nicht durch den Bestandteil "live" geprägt wird. Trotz der relativ kleinen Schrift ist das Element "Lisa" klar und deutlich zu erkennen. Die optische Einbindung in den ersten Buchstaben von "Live" bewirkt eine Fokussierung des Betrachters auf das eingeblendete "Lisa", so dass die Verbraucher die Marke als "Lisa live" wahrnehmen.
Somit ist eine unmittelbare Verwechslungsgefahr zu verneinen.
dd) Eine Verwechslungsgefahr vor dem Hintergrund der Markenusurpation/selbständig kennzeichnenden Stellung oder der Serienmarke liegt ebenfalls nicht vor. Weder ist das ältere Zeichen ein bekanntes Unternehmenskennzeichen noch behält der übernommene Anteil in dem jüngeren Zeichen eine selbständig kennzeichnende Stellung. Gegen letzteres spricht auch, dass "L1VE" nicht identisch übernommen wurde.
Zwar kann eine (unmittelbare) Verwechslungsgefahr auch gegeben sein, wenn der Gesamteindruck der mehrbestandteiligen Marke gerade durch den mit der Gegenmarke übereinstimmenden Bestandteil geprägt wird und die übrigen Bestandteile demgegenüber weitgehend in den Hintergrund treten und für den Gesamteindruck des Zeichens vernachlässigt werden können. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich grundsätzlich allein anhand der betreffenden Marke selbst, d. h. ohne Rücksicht auf die Vergleichsmarke. Nach diesen Grundsätzen kann aber eine den Gesamteindruck prägende und damit kollisionsbegründende Stellung des Bestandteils "LIVE" im vorliegenden Fall nicht bejaht werden.
Zwar handelt es sich bei der angegriffenen Marke nicht um einen geschlossenen Gesamtbegriff, denn "LisaLive" oder "LiveLisa" vermitteln keinen verständlichen Sinngehalt. Inhaltlich stehen die Wörter eher unverbunden nebeneinander. Dennoch wird der Gesamteindruck der jüngeren Marke entgegen der Auffassung der Widersprechenden nicht durch den Bestandteil "LIVE" geprägt. Ein beschreibender Sinngehalt des Bestandteils "Lisa" ist nicht ersichtlich. Dementsprechend haftet dem Bestandteil "Lisa" keine Kennzeichnungsschwäche an, die zur Folge hätte, dass der Gesamteindruck der jüngeren Marke durch den Bestandteil "LIVE" geprägt würde.
Nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfährt jedoch der Grundsatz, wonach die gegebenenfalls den Gesamteindruck einer Marke prägenden Elemente ohne Rücksicht auf die Gegenmarke zu ermitteln sind, eine Einschränkung, wenn der übereinstimmende Bestandteil als isoliertes Zeichen aufgrund seiner tatsächlichen Benutzung für einen Dritten eine erhöhte Kennzeichnungskraft erlangt hat. Eine solche Stärkung wirkt sich nicht nur auf die Kennzeichnungskraft der älteren einbestandteiligen Marke aus, sondern bewirkt gleichzeitig, dass dem Zeichen auch dann ein Hinweis auf den Inhaber der älteren Marke entnommen wird, wenn es als Bestandteil eines anderen, jüngeren Zeichens auftritt (grdl. BGH GRUR 2003, 880, 881 -City Plus; s. ferner BGH GRUR 2005, 513, 514 -MEY/Ella May; GRUR 2006, 60, 61 -Nr. 14 -coccodrillo; GRUR 2006, 859, 862 -Nr. 31 -Malteserkreuz; GRUR 2007, 888, 889 -Euro Telekom).
Auch nach diesen Kriterien scheidet im vorliegenden Fall die Annahme einer Verwechslungsgefahr aus. Eine erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke lässt sich weder für den zunächst maßgeblichen Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke noch für den ebenfalls relevanten Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch feststellen. Die dazu vorliegenden Angaben sind nicht geeignet, eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zu belegen.
Die Widerspruchsmarke weist vielmehr eine deutlich geminderte Kennzeichnungskraft auf. Von einer Anhebung kann mangels tragfähiger Nachweise nicht ausgegangen werden. Dementsprechend kann dem Bestandteil "LIVE" eine den Gesamteindruck der jüngeren Marke prägende Stellung auch nicht auf der Grundlage einer erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zuerkannt werden.
Über die Grundsätze der (modifizierten) Prägetheorie hinaus kann eine Verwechslungsgefahr auch dann anzunehmen sein, wenn die jüngere Marke neben anderen Elementen einen mit der Widerspruchsmarke identischen Bestandteil enthält und dieser in dem zusammengesetzten Zeichen, ohne allein seinen Gesamteindruck zu prägen, eine selbstständig kennzeichnende Stellung behält (EuGH GRUR 2005, 1042, -Thomson Life; BGH GRUR 2006, 859, -Malteserkreuz). Damit ist indessen nicht gemeint, dass jede Übernahme einer älteren Marke in ein jüngeres Kombinationszeichen zwangsläufig zur Annahme einer Verwechslungsgefahr führt; es bedarf vielmehr besonderer Anhaltspunkte dafür, dass der betreffende Bestandteil in dem jüngeren Zeichen eine selbständig kennzeichnende Stellung einnimmt (Hacker, Markenrecht, 1. Aufl. 2007, Rn. 440). Das kann etwa der Fall sein, wenn der älteren Marke lediglich der Handelsname oder eine bekannte Marke des Jüngeren hinzugefügt wird. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Sonstige Anhaltspunkte, die den -wenn man die 1 als i nimmt übereinstimmenden Bestandteil "LIVE" in der angegriffenen Marke als selbständig kennzeichnend erscheinen lassen könnten, liegen ebenfalls nicht vor. Vielmehr wird der Gesamteindruck der angegriffenen Marke durch die Zusammenstellung bestimmt.
Es besteht auch nicht die Gefahr, dass die Vergleichsmarken im Sinn von § 9 Abs. 1 Nr. 2, 2. Halbs. MarkenG gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Diese Art von Verwechslungsgefahr setzt voraus, dass der Verbraucher die Unterschiede beider Marken zwar wahrnimmt, auf Grund von Gemeinsamkeiten in der Zeichenbildung jedoch Anlass hat, die angegriffene Marke (irrtümlich) der Inhaberin der Widerspruchsmarke zuzuordnen oder auf sonstige wirtschaftliche oder organisatorische Verbindungen zwischen den Markeninhabern, vor allem im Sinn einer gemeinsamen Verantwortung für das Warenund Dienstleistungsangebot, zu schließen.
Eine derartige Verwechslungsgefahr wird regelmäßig bejaht, wenn der Widersprechende bereits mit einer Serie von Marken aufgetreten ist, die das in den Vergleichsmarken übereinstimmende Element als Stammbestandteil enthalten und unter Berücksichtigung auch der abweichenden Bestandteile damit zu rechnen ist, dass die jüngere Marke als ein davon abgeleitetes Serienzeichen wirkt. Dies ist vorliegend jedoch nicht gegeben.
3. Für die Auferlegung von Verfahrenskosten gemäß § 71 Abs. 1 MarkenG besteht kein Anlass.
Dr. Albrecht Schwarz Kruppa Bb
BPatG:
Beschluss v. 21.06.2010
Az: 27 W (pat) 259/09
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