Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. April 2005
Aktenzeichen: 30 W (pat) 195/03
(BPatG: Beschluss v. 11.04.2005, Az.: 30 W (pat) 195/03)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Bundespatentgericht hat in seinem Beschluss vom 11. April 2005 (Aktenzeichen 30 W (pat) 195/03) über eine Beschwerde einer Markeninhaberin gegen eine Entscheidung der Markenstelle für Klasse 6 IR des Deutschen Patent- und Markenamtes entschieden.
Die Markeninhaberin hatte eine internationale Marke für verschiedene Waren eingetragen, darunter auch Kautschuk, Guttapercha, Gummi, Asbest und Glimmer. Die Markenstelle hatte den Schutz für diese Waren verweigert, da sie die Marke "THW" als reine Beschaffenheitsangabe ansah und einen Zusammenhang mit dem Technischen Hilfswerk (THW) sah. Die Markeninhaberin legte Beschwerde ein und argumentierte, dass das THW keine Prüfung von Waren dieser Art durchführt und nicht im kommerziellen Verkehr tätig ist. Sie beschränkte zudem das Warenverzeichnis auf hochspezialisierte elektrische Geräte und deren Kunststoffteile aus dem Bereich der Gebäudeautomation, für die kein Berührungspunkt mit dem THW besteht.
Das Bundespatentgericht entschied, dass die Buchstabenfolge "THW" als beschreibende Angabe für bestimmte Waren ein Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG aufweist. Das THW ist als technische Hilfsorganisation des Bundes bekannt, die auch Aufgaben im Bereich der Infrastruktur wahrnimmt. Das THW betont in seinem Behördenleitbild die Leistungsfähigkeit seiner Fahrzeuge und Geräte und dass diese den hohen Qualitätsstandards des THW entsprechen. Der Verkehr würde daher eine Verbindung zwischen der Marke und dem THW herstellen, da die beanspruchten Waren im Zusammenhang mit den Aufgaben des THW stehen können.
Für die im Tenor genannten Rohstoffe der Klasse 17 konnte das Bundespatentgericht hingegen kein Freihaltebedürfnis feststellen.
Die Markeninhaberin beantragte zudem die Zulassung der Rechtsbeschwerde, konnte jedoch keine Gründe dafür darlegen oder ersichtlich machen.
Insgesamt wurde die Beschwerde der Markeninhaberin teilweise begründet und der Beschluss der Markenstelle aufgehoben, soweit der Schutz für bestimmte Waren verweigert worden war. Für die Rohstoffe der Klasse 17 wurde die Beschwerde hingegen zurückgewiesen.
(Hinweis: Dies ist eine kurze Inhaltsangabe der Gerichtsentscheidung und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, es wird empfohlen, im Zweifelsfall die Gerichtsentscheidung im Original zu konsultieren.)
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 11.04.2005, Az: 30 W (pat) 195/03
Tenor
Auf die Beschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 6 IR des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 21. Mai 2003 aufgehoben, soweit darin der international registrierten Marke IR 761 864 der Schutz für die Bundesrepublik Deutschland auch für folgende Waren der Klasse 17 versagt worden ist, nämlich Kautschuk, Guttapercha, Gummi, Asbest, Glimmer.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I.
Um Schutz in der Bundesrepublik Deutschland sucht die international registrierte Marke 761 864 siehe Abb. 1 am Endenach, die nach Beschränkung im Beschwerdeverfahren (in deutscher Fassung eingereicht) noch für folgende Waren eingetragen werden soll:
Kabel und Drähte aus Metall (nicht für elektrische Zwecke); Metallrohre; Gehäuse aus Metall;
Bewegungslichtschalter; elektrische Transformatoren; elektrische Signal- und Kontrollapparate und -instrumente zur Gebäudeautomatisierung; Kautschuk: Guttapercha, Gummi, Asbest, Glimmer und Waren daraus, soweit in Klasse 17 enthalten; Waren aus Kunststoffen (Halbfabrikate); Kabelschächte sowie Verbindungselemente für Kabelschächte aus Kunststoff; Gehäuse aus Kunststoff; Dichtungs-, Packungs- und Isoliermaterial; Schläuche (nicht aus Metall).
Die Markenstelle für Klasse 6 IR des Deutschen Patent- und Markenamtes hat der Marke den für diese und weitere Waren nachgesuchten Schutz wegen fehlender Unterscheidungskraft verweigert, da die Bezeichnung THW wegen der hohen Bekanntheit des Technischen Hilfswerks in der Bundesrepublik Deutschland als eine reine Beschaffenheitsangabe zu verstehen sei, nämlich als eine Art Zertifizierung durch das THW verstanden werde, also die Bescheinigung der Unbedenklichkeit im Sinne des Aufgabenkreises des THW.
Die IR-Markeninhaberin hat Beschwerde eingelegt und im wesentlichen zur Begründung ausgeführt, dass es sich beim Deutschen THW um eine Behörde handele, die zivile Hilfe bei Katastrophenfällen leiste, aber keine Prüfung von Waren der von der IR-Marke beanspruchten Art durchführe und im übrigen auch nicht am kommerziellen Verkehr teilnehme.
Die Markeninhaberin hat das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis im Beschwerdeverfahren auf die oben genannten Waren beschränkt und zudem ausgeführt, dass es sich bei den tatsächlich von der Markeninhaberin vertriebenen Geräten um hochspezielle elektrische Geräte sowie deren aus Kunststoff bestehenden Einzelteile aus dem Bereich der Gebäudeautomation handele, für die keinerlei Berührungspunkte zum Wirkungsbereich des THW bestünden. Diese stehe zudem als staatliche Stelle nicht mit privaten Konkurrenten im Wettbewerb.
Die Markeninhaberin beantragt, den Beschluss der Markenstelle für Klasse 6 IR vom 21. Mai 2003 aufzuheben.
Vorsorglich regt sie an, die Rechtsbeschwerde zuzulassen. Nach der durchgeführten mündlichen Verhandlung hat sie sich mit dem Übergang in das schriftliche Verfahren einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der IR-Markeninhaberin ist teilweise begründet.
1. Hinsichtlich der von der Markeninhaberin in den Klassen 6, 9 und 17 beanspruchten Waren außer den im Tenor genannten Waren Kautschuk, Guttapercha, Gummi, Asbest, Glimmer unterliegt die schutzsuchende Marke THW als beschreibende Angabe einem Freihaltebedürfnis gem § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG.
Nach § 8 Abs 2 MarkenG sind von der Eintragung solche Marken ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen dienen können. Ein schutzhinderndes Freihalteinteresse kann sich daneben auch auf Abkürzungen von Art oder Beschaffenheitsangaben erstrecken. Schutzunfähig sind jedoch nur Abkürzungen, die im Verkehr als solche gebräuchlich, oder aus sich heraus verständlich sind sowie von den beteiligten Verkehrskreisen ohne weiteres der betreffenden Beschaffenheitsangabe gleichgesetzt und insoweit verstanden werden können (vgl Ströbele/Hacker, MarkenG 7. Aufl § 8 Rdn 303).
Unter Beachtung dieser Grundsätze steht für die von der IR-Marke noch beanspruchten Waren einer Eintragung der Buchstabenfolge THW ein Freihaltebedürfnis entgegen.
THW ist in der Bundesrepublik Deutschland die Abkürzung für das Technische Hilfswerk als Anstalt des Bundes (vgl Duden, 4. Aufl., Deutsches Universalwörterbuch CD-ROM).
Dem inländischen Verkehr ist das THW durch seinen Einsatz und seine Hilfeleistungen bei weltweiten Katastophenfällen bekannt.
Das Technische Hilfswerk selbst sieht seine Aufgaben in Deutschland und weltweit nicht nur in der tatsächlichen Hilfeleistung im Katastrophenfall, sondern auch in der hierfür notwendigen "... ständigen Optimierung seiner Einsatzpotentiale sowie auch in einer aktiven Fortführung der Harmonisierung mit anderen Einsatz- und Hilfseinrichtungen wie der Feuerwehr, Bundeswehr und ähnlicher, neben anderem auch in den Bereichen der Ausstattung" und macht dies auch als ihr Behördenleitbild bekannt.
Dabei ist das THW eine technische Hilfsleistungsorganisation des Bundes, deren Aufgaben neben der technischen Gefahrenabwehr auch die technische Hilfe im Bereich der Infrastruktur umfasst, wie Elektroversorgung, Trinkwasserversorgung, Abwasserentsorgung, Brückenbau sowie im Bereich Logistik die Aufgaben der Materialerhaltung, Reparatur und Wartungsarbeiten für Einsatzausstattung.
Dabei betont das ThW in seiner technischen Leitbilddarstellung besonders die Leistungsfähigkeit der Fahrzeuge und Geräte und stellt besonders heraus, dass für die technischen Hilfsmaßnahmen eine Ausstattung von höchster Qualität und Zuverlässigkeit zur Verfügung steht. So unterstreicht das THW, dass es für den weltweiten Einsatz seiner Spezialisten und Einheiten eine an den speziellen Anforderungen ausgerichtete Ausstattung vorhält. Nach Angaben des THW resultieren daraus besondere technische Qualitätsmaßstäbe des THW wie ein aktueller technischer Standard, eine Kompatibilität der Ausstattung auf nationaler und EU-Ebene, ein größtmögliches Verwendungsspektrum, hochleistungsfähige Spezialgeräte sowie wartungsarme bzw wartungsfreundliche Technik (vgl dazu http://www.thw.de/wir_ueber_uns/leitbild_neu/index.htm, der Anmelderin in der mündlichen Verhandlung übergeben).
Dem Verkehr ist zuletzt auch aus diesem Leitbildverständnis auch bekannt und geläufig, dass das THW als staatliche Einrichtung selbst nicht die Fahrzeuge, Geräte und Hilfsmittel herstellt, die es für seinen Einsatz benötigt und auch keine Produktverantwortung für solche Geräte tragen will oder mit diesen Handel treiben würde (vgl BGH GRUR 2001, 240 bis 242 - Swiss Army).
Dem inländischen maßgeblichen Verkehr ist aber auch bekannt, dass das THW bei verschiedenen Herstellern die benötigten Fahrzeuge, Geräte und Hilfsmittel einkauft, die nach den Vorgaben des THW einheitlich - teils mit der Bezeichnung THW versehen - und insbesondere entsprechend den hoch angesetzten Qualitätsstandard des THW gefertigt sind.
Entsprechend den oben genannten vielfältigen Einsatzbereichen des THW umfassen die konkreten Aufgaben des THW insbesondere die Herstellung und den Wiederaufbau der Infrastruktur in den von Unglücksfällen betroffenen Gebieten, wie die Errichtung von Trinkwasserversorgungseinrichtungen, die Brunnenreinigung, Stromversorgungseinrichtungen, Errichtung von Krankenhäusern und anderen sanitären Einrichtungen.
Entgegen der Ansicht der Markeninhaberin ist die Bezeichnung THW als Marke der Markeninhaberin tatsächlich geeignet, beim Verkehr den Eindruck einer Verbindung zwischen ihr und dem technischen Hilfswerk hervorzurufen, da die von der Markeninhaberin beanspruchten Waren für die oben genannten Aufgaben im Bereich des Aufbaus und der Wiederherstellung der Infrastruktur Verwendung finden können und sich sowohl an das allgemeine Durchschnittspublikum als auch an ein Fachpublikum richten können.
Damit gibt die Bezeichnung THW unter Bezugnahme auf die beanspruchten Waren die zur Beschreibung geeignete Sachaussage, dass es sich nach Art, Beschaffenheit und insbesondere ihrer Bestimmung um Waren handeln kann, die als Teil einer Trinkwasserversorgungsanlage, Stromversorgungsanlage oder sonstigen entweder sanitären oder Beherbergungs- oder Wohnzwecken dienenden Einrichtung Verwendung finden oder auch den speziellen Anforderungen bzw Qualitätsvorstellungen des Technischen Hilfswerks entsprechen.
So können neben den von der Markeninhaberin beanspruchten Waren als Fertigprodukte auch die beanspruchten Halbfabrikate und die aus den in Klasse 17 beanspruchten Rohstoffen gefertigten Waren für die oben genannten Bereiche Verwendung finden.
Entgegen der Ansicht der Markeninhaberin verfügt die IR-Marke THW auch über keine augenfällige graphische Ausgestaltung der Einzelbuchstaben. Es handelt sich bei H und W um verkehrsübliche Schrifttypen, bei dem T um eine allenfalls minimale Abänderung einer gewöhnlichen Schrift.
2. Für die von der Markeninhaberin beanspruchten im Tenor genannten Rohstoffe der Klasse 17 kann ein solches Freihaltebedürfnis nicht festgestellt werden.
Im Gegensatz zu den oben genannten Waren und Halbfabrikaten, die vor Ort unter Umständen sofort oder nach nur geringen Bearbeitungsschritten (zB Zuschneiden von Folien) verwendet werden, gibt es keine sicheren Anhaltspunkte dafür, dass die oben genannten Rohstoffe als solche Verwendung finden bzw die bestimmten Anforderungen des THW erfüllen müssen.
Für die angeregte Zulassung der Rechtsbeschwerde sind Gründe weder dargetan noch ersichtlich.
Dr. Buchetmann Winter Hartlieb Hu Abb. 1
BPatG:
Beschluss v. 11.04.2005
Az: 30 W (pat) 195/03
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/840a07dc0a0f/BPatG_Beschluss_vom_11-April-2005_Az_30-W-pat-195-03