Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. Mai 2002
Aktenzeichen: 29 W (pat) 95/00
(BPatG: Beschluss v. 08.05.2002, Az.: 29 W (pat) 95/00)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Der Beschluss des Bundespatentgerichts vom 8. Mai 2002 besagt, dass der Beschluss der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 7. Dezember 1999 aufgehoben wird. In dem Verfahren geht es um die Anmeldung einer Wort-Bildmarke mit dem Namen "FREECARD" für verschiedene Dienstleistungen und Waren. Die Markenstelle hatte die Anmeldung abgelehnt, da sie den Begriff als rein beschreibend und nicht schutzfähig betrachtete.
Die Anmelderin hat Beschwerde gegen diese Entscheidung eingelegt und argumentiert, dass der Begriff "FREECARD" keine beschreibende Bedeutung für die beanspruchten Dienstleistungen hat. Sie verweist auch auf die grafische Ausgestaltung der Marke, die auf die Anmelderin hinweist. Der Senat übersandte der Anmelderin die Ergebnisse einer Internet-Recherche zum Suchbegriff "freecard".
Das Gericht entscheidet, dass die Beschwerde der Anmelderin erfolgreich ist, da der Marke weder die Unterscheidungskraft fehlt noch ein Freihaltebedürfnis besteht. Es wird festgestellt, dass der Begriff "FREECARD" in den relevanten Verkehrskreisen wahrscheinlich als "Freikarte" verstanden wird, allerdings ohne einen beschreibenden Inhalt für die beanspruchten Dienstleistungen zu haben. Es wird erklärt, dass Karten in den Bereichen Clearing-Center, Zertifizierungsstellen und elektronischer Zahlungsverkehr nicht als "Freikarten" betrachtet werden und dass die anderen beanspruchten Dienstleistungen ebenfalls keinen Sachbezug zu "FREECARD" aufweisen. Das Gericht sieht auch keine Anhaltspunkte dafür, dass Mitbewerber ein Bedürfnis haben könnten, den Begriff zu benutzen.
Aus diesen Gründen wird entschieden, dass die Marke aufgrund ihres Wortbestandteils als betrieblicher Herkunftshinweis geeignet ist und keine Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 des MarkenG vorliegen. Daher kommt es nicht mehr auf die grafische Ausgestaltung der Marke an.
Quelle: Bundespatentgericht, Beschluss vom 8. Mai 2002, Aktenzeichen 29 W (pat) 95/00.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 08.05.2002, Az: 29 W (pat) 95/00
Tenor
Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 7. Dezember 1999 wird aufgehoben.
Gründe
I.
Die nachstehend wiedergegebene Wort-Bildmarkesiehe Abb. 1 am Endesoll als farbige Eintragung mit den Farben gelb, rot und schwarz nach der im Beschwerdeverfahren vorgenommenen Beschränkung nunmehr noch für die Dienstleistungen
"Dienstleistungen einer elektronischen Vermittlungsstelle zwischen DV-Netzen (Clearing-Center), insbes. Dienste wie das Hinzufügen von Daten, das Konvertieren von Daten in eine empfängerabhängige Form/Struktur und/oder Datenabgleich;
Dienstleistung einer Zertifizierungsstelle (Trust-Center), nämlich Ausgabe und Verwaltung von digitalen Schlüsseln und/oder digitalen Zertifikaten, Prüfung und Bestätigung der Echtheit verwendeter Schlüssel, die sichere Verwahrung geheimer Schlüssel, Verwaltung von Sperrlisten und Beurkundung von Rechtsverhältnissen, Digitalisierung von analogen Informationen und/oder der Vervielfältigung;
elektronische Verarbeitung, Druckaufbereitung und Produktion von Dokumenten aus Dokumentenverwaltungssystemen;
elektronischer Zahlungsverkehr;
Archivierungsdienstleistungen;
technische, kaufmännische und organisatorische Beratung im Bereich der Datenübertragung;
Schulung"
sowie für die Ware "Namensverzeichnis mit den Funktionen eines elektronischen verteilten Verzeichnisdienstes (Directory Service), der es ermöglicht, mit Existenz nur einer Adressdatenbasis im System komplexe Netzwerke zu administrieren"
in das Markenregister eingetragen werden.
Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit Beschluss vom 7. Dezember 1999 auf der Grundlage von § 8 Abs II Nr 1 und 2 MarkenG zurückgewiesen. Das Zeichen setze sich aus einer Kombination schutzunfähiger Bestandteile zusammen, die auch in ihrer Verbindung keinen schutzfähigen Gesamtbegriff ergäben. Der Verkehr werde den aus den englischen Wörtern "FREE" und "CARD" gebildeten Begriff als rein beschreibenden Hinweis darauf verstehen, dass es sich um Karten handle, die freien Zugang zu bestimmter Software oder die uneingeschränkte und unentgeltliche Nutzung der Software ermöglichten. Die grafische Ausgestaltung könne die Schutzfähigkeit nicht begründen, da es sich um gebräuchliche Stilmittel der Gebrauchs- und Werbegrafik handle.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie trägt vor, der angemeldete Begriff "FREECARD" sei eine Wortschöpfung, die für die beanspruchten Dienstleistungen keinen beschreibenden Charakter besitze. Niemand würde in deren Kontext an eine "FREECARD" im Sinne eines kostenlosen Zugangs denken. Die Schutzfähigkeit der angemeldeten Marke ergebe sich erst Recht, wenn man die grafische Ausgestaltung berücksichtige, wobei die farbliche Gestaltung in charakteristischer Weise auf die Anmelderin hinweise, wozu sie auf eine Vielzahl ähnlich gebildeter eigener Anmeldungen Bezug nimmt. Zur farblichen Ausstattung der Marke käme noch die Besonderheit der Schrift hinzu, so dass insgesamt nicht von einer einfachen grafischen Ausgestaltung auszugehen sei.
Die Anmelderin beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluß aufzuheben.
Der Senat hat der Anmelderin das Ergebnis seiner Internet-Recherche zum Suchbegriff "freecard" übersandt, auf das Bezug genommen wird.
II.
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin hat in der Sache Erfolg, da sich für die nach der Einschränkung noch vom Beschwerdeverfahren betroffenen Waren und Dienstleistungen weder feststellen lässt, dass der angemeldeten Marke die Unterscheidungskraft fehlt noch dass ein Freihaltebedürfnis besteht (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 und 1 MarkenG).
1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Hauptfunktion der Marke ist es nämlich, die betriebliche Herkunft der mit ihr gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten. Dabei ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen, d.h. jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden. Kann einer Wortmarke kein für die fraglichen Waren im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen oder einer geläufigen Fremdsprache, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, daß ihr die vorerwähnte Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (vgl. BGH MarkenR 2001, 368 ff - "Gute Zeiten - Schlechte Zeiten" m.w.N.). Der Wortbestandteil "FREECARD" setzt sich aus den englischen Wörtern "free" und "card" zusammen. "Free" gehört mit seinen Bedeutungen "frei, kostenlos, gratis, Frei..." ebenso wie "card" mit der Bedeutung "Karte" (vgl. Langenscheidt, Grundwortschatz Englisch, 4. Aufl. 1999) zum englischen Grundwortschatz in Deutschland. Die vorliegend angesprochenen Verkehrskreise, die sich aus Fachleuten der Telekommunikationsbranche, wie aus Handel, Industrie und Marketing zusammensetzen, verfügen über englische Sprachkenntnisse. Sie werden "FREECARD" daher ohne weiteres als "Freikarte" verstehen, was im Deutschen den Sinn einer Eintrittskarte zum Besuch von Theater oder anderen Veranstaltungen ohne Bezahlung hat. Diese Bedeutung von "FREECARD" hat hier für die beanspruchten Dienstleitungen jedoch keinen im Vordergrund stehenden beschreibenden Inhalt. Dass der Verkehr eine einen kostenlosen oder ungehinderten Zugang zu den beanspruchten Dienstleistungen oder zur verwendeten Software ermöglichenden Karte assoziiert, liegt schon aus Sicherheitsgründen nicht nahe.
Auch bei Karten, die Zugang zu den Dienstleistungen eines Clearing-Centers oder einer Zertifizierungsstelle gewähren sowie beim elektronischen Zahlungsverkehr eingesetzt werden, handelt es sich erkennbar nicht um "Freikarten". Gleiches gilt für spezielle Karten, die beispielsweise Sicherheitscodes, bestimmte Daten des Berechtigten und, wie im Fall der Trust-Center, zusätzliche der Identifizierung dienende Daten enthalten, die entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen einen uneingeschränkten Zugriff auf die Dienstleistungen gestatten. Vielmehr soll bei diesen Dienstleistungen die Karte als integraler Teil eines Sicherheitssystems einen freien Zugang gerade verhindern. Karten in den genannten Bereichen werden branchenüblich entsprechend ihren Funktionen bezeichnet, z.B. als Signatur-, EC- oder Kreditkarten. Sie werden, auch wenn der jeweils Berechtigte im Rahmen seiner Berechtigung selbstverständlich ungehindert auf die Dienstleistungen bzw. die hierbei eingesetzte Software zugreifen kann, nicht als Freikarten bezeichnet.
Bezüglich der Dienstleistungen "elektronische Verarbeitung, Druckaufbereitung und Produktion von Dokumenten aus Dokumentenverwaltungssystemen" ist ein Sachbezug zu "FREECARD" ebenso wenig ersichtlich wie für "Archivierungsdienstleistungen, technische, kaufmännische und organisatorische Beratung im Bereich der Datenübertragung und Schulung". In diesen Bereichen werden Zugangs- oder sonstige Karten nicht eingesetzt. Gleiches gilt für die Ware "Namensverzeichnis mit den Funktionen eines elektronischen verteilten Verzeichnisdienstes (Directory Service), der es ermöglicht, mit Existenz nur einer Adressdatenbasis im System komplexe Netzwerke zu administrieren", selbst wenn eine Software, die ein derartiges Namensverzeichnis enthält, sich auf einer PC-Karte befinden könnte.
"FREECARD" stellt bezüglich der beanspruchten Dienstleistungen auch nach den Feststellungen des Senats kein in der Werbung gebräuchliches fremdsprachiges Wort dar.
Zwar hat die Internet-Recherche des Senats ergeben, dass der Begriff "FREE-CARD" für Werbepostkarten verwendet wird, die kostenlos an Kunden weitergeben werden sowie für virtuelle "Karten", die kostenlos im Internet verschickt werden. Außerdem bietet die Deutsche Telekom AG beim Erwerb eines bestimmten Mobiltelefons gratis eine "FREECARD" mit einem bestimmten Guthaben an. Derartige Werbemaßnahmen spielen bei den hier teilweise hochspezialisierten Dienstleistungen jedoch keine Rolle, ebenso wenig Guthabenkarten. Der angemeldete Begriff ist dementsprechend auf diesem Gebiet in der Werbesprache nicht feststellbar.
Aus diesen dargelegten Gründen ist daher das Zeichen bereits auf Grund seines Wortbestandteils als betrieblicher Herkunftshinweis geeignet. Daher kommt es auf die konkrete grafische Ausgestaltung des Zeichens nicht mehr an.
2. Bei dieser Sachlage liegen auch keine Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vor. Danach sind von der Eintragung solche Marken ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr (u.a.) zur Bezeichnung der Beschaffenheit, des Wertes oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können (BGH a.a.O. m.w.N.) Bei "FREECARD" ist dies mangels eines entsprechenden Sachbezugs nicht der Fall, so dass ein Bedürfnis von Mitbewerbern, die Bezeichnung im hier beanspruchten Waren- und Dienstleistungsbereich zu benutzen, weder gegenwärtig besteht noch konkrete Anhaltspunkte für eine entsprechende zukünftige Entwicklung ersichtlich sind.
Grabrucker Baumgärtner Pagenberg Cl Abb. 1 http://agora/bpatg2/docs/29W(pat)95-00.3.gif
BPatG:
Beschluss v. 08.05.2002
Az: 29 W (pat) 95/00
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/8638eac8c32a/BPatG_Beschluss_vom_8-Mai-2002_Az_29-W-pat-95-00