Bundespatentgericht:
Beschluss vom 25. Juli 2006
Aktenzeichen: 6 W (pat) 343/03
(BPatG: Beschluss v. 25.07.2006, Az.: 6 W (pat) 343/03)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Die Entscheidung des Bundespatentgerichts betrifft das Patent mit der Nummer 196 48 604, das eine auftriebssichere Sohle für eine Baugrube betrifft. Gegen das Patent wurde ein Einspruch erhoben, mit der Begründung, dass der Patentgegenstand nicht patentfähig sei. Der Einspruch stützt sich auf verschiedene Entgegenhaltungen, darunter auch ein geotechnisches Gutachten.
Das Bundespatentgericht hat die Zuständigkeit für die Entscheidung über den Einspruch festgestellt und diesen für zulässig erklärt. Allerdings wurde der Einspruch letztendlich abgelehnt, da der Patentgegenstand gegenüber dem angeführten Stand der Technik patentfähig ist.
Das Gericht kommt zu dem Schluss, dass der Patentgegenstand neu ist, da in den relevanten Druckschriften keine Baugrubensohle beschrieben wird, bei der die Dichtschicht eine natürliche Bodenschicht ist. Insbesondere ist diese Eigenschaft nicht in einer der Entgegenhaltungen zu finden, einschließlich des geotechnischen Gutachtens.
Des Weiteren wird festgestellt, dass der Patentgegenstand auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Keine der Entgegenhaltungen legt nahe, eine natürliche Bodenschicht als Dichtschicht in eine Baugrubensohle einzubauen.
Eine mündliche Verhandlung wurde nicht für erforderlich gehalten, da die Einsprechende auf die Teilnahme an der Verhandlung verzichtet hat und alle Verfahrensbeteiligten ausreichend Gelegenheit hatten, schriftlich zur Sach- und Rechtslage Stellung zu nehmen.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 25.07.2006, Az: 6 W (pat) 343/03
Tenor
Das Patent 196 48 604 wird in vollem Umfang aufrechterhalten.
Gründe
I.
Gegen das Patent 196 48 604 mit der Bezeichnung "Auftriebssichere Sohle für eine Baugrube", dessen Erteilung am 10. April 2003 veröffentlicht wurde, ist am 9. Juli 2003 Einspruch erhoben worden. Der Einspruch stützt sich auf den Widerrufsgrund der fehlenden Patentfähigkeit des Patentgegenstandes, wobei sich die Einsprechende auf folgende Entgegenhaltungen bezieht:
E1: DE 195 25 724 C1, E2: Geotechnisches Gutachten zum Projekt "Kurparkklinik Bad Nauheim" vom Institut für Geotechnik, A..., vom 1. Oktober 1993, mit Ergänzungsschreiben und Zeichnung vom 20. April 1994, E3: DE 20 22 787 A1, E4: DE 35 34 655 A1 und E5: DE 22 40 935 C3.
Für die öffentliche Zugänglichkeit des Geotechnischen Gutachtens (E2) vor dem maßgeblichen Anmeldetag des Patents wird Zeugenbeweis angeboten.
Die Druckschriften E1 und E3 bis E5 waren bereits im Prüfungsverfahren in Betracht gezogen worden.
Die Einsprechende führt in ihrer Einspruchsbegründung aus, dass nach ihrer Auffassung der Patentgegenstand gegenüber dem aufgezeigten Stand der Technik nicht neu sei bzw. nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Die Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.
Die Patentinhaberin beantragt sinngemäß, das Patent in vollem Umfang aufrechtzuerhalten.
Sie widerspricht den Ausführungen der Einsprechenden und begründet aus ihrer Sicht die Patentfähigkeit des Patentgegenstandes, wobei sie insbesondere das Öffentlichwerden des Geotechnischen Gutachtens (E2) und damit dessen Zugehörigkeit zum Stand der Technik bestreitet.
Nachdem beide Beteiligte ordnungsgemäß zu einer mündlichen Verhandlung geladen waren, hat die Einsprechende mit Eingabe vom 20. Juli 2006 auf die Wahrnehmung des Verhandlungstermins verzichtet. Bei der gegebenen Aktenlage sah es der Senat daraufhin als sachdienlich und der Verfahrensökonomie förderlich an, die mündliche Verhandlung mit Einverständnis der Patentinhaberin abzusetzen und im schriftlichen Verfahren zu entscheiden.
Bezüglich weiterer Einzelheiten sei auf den Akteninhalt verwiesen.
Das Patent betrifft nach dem Wortlaut des erteilten Patentanspruchs 1 eine
"Auftriebssichere Sohle für eine Baugrube, bestehend aus einer wasserrückhaltenden Dichtschicht (6) und mehreren im Boden unterhalb der Dichtschicht (6) verankerten Verankerungselementen (7), über die auf die Dichtschicht (6) wirkende Auftriebskräfte in den Boden geleitet werden, dadurch gekennzeichnet, dass die Dichtschicht (6) eine natürliche Bodenschicht ist, die unterhalb der Baugrubensohle (2) liegt, dass zwischen der Baugrubensohle (2) und der Dichtschicht (6) eine Deckschicht (3) vorgesehen ist und die Dichtschicht (6) die auf sie wirkenden Auftriebskräfte auf die Deckschicht (3) überträgt, und dass die Verankerungselemente (7) größere lastaufnehmende Köpfe (4a) aufweisen, die oberhalb der Dichtschicht (6) in der Deckschicht (3) liegen und die Verankerungselemente (7) selbst die Dichtschicht (6) durchstoßen und die von der Deckschicht (3) aufgenommenen Auftriebskräfte in den Boden unterhalb der Dichtschicht (6) ableiten".
Hieran schließen sich rückbezogene Unteransprüche 2 bis 15 an, zu deren Wortlaut auf die Patentschrift verwiesen wird.
Gemäß der in Abs. [0004] der Patentschrift angegebenen Aufgabe soll damit eine auftriebssichere Sohle für eine Baugrube geschaffen werden, die mit geringem konstruktiven Aufwand eine ausreichende Abdichtung der Baugrube gegen Grundwasser sicherstellt.
II.
1. Der Senat ist für die Entscheidung über den Einspruch nach § 147 Abs. 3 PatG in der bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassung i. V. m. § 99 Abs. 1 PatG, § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO und § 17 Abs. 1 GVG entsprechend zuständig.
2. Der form- und fristgerecht erhobene Einspruch ist substantiiert auf einen Widerrufsgrund gem. § 21 PatG gegründet und daher zulässig.
3. Der Einspruch ist jedoch nicht erfolgreich, da der Patentgegenstand gegenüber dem angeführten Stand der Technik patentfähig ist.
3.1 Der zweifellos gewerblich anwendbare Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist gegenüber dem aufgezeigten Stand der Technik neu.
Dies ergibt sich für die Entgegenhaltungen E1 und E3 bis E5 bereits daraus, dass in keiner dieser Druckschriften eine Baugrubensohle offenbart ist, bei welcher die Dichtschicht eine natürliche Bodenschicht ist.
Dieses Merkmal ist insbesondere auch der von der Einsprechenden vorrangig als neuheitsschädliche Anmeldung mit älterem Zeitrang angeführten DE 195 25 724 C1 (E1) nicht zu entnehmen. Entgegen den diesbezüglichen Ausführungen der Einsprechenden ist an keiner Stelle dieser Druckschrift von einer natürlichen Bodenschicht als Dichtschicht die Rede. Vielmehr fordert die im dortigen Hauptanspruch angegebene Lehre, welche den Gegenstand dieser Entgegenhaltung am weitesten umfasst, gerade gegenteilig zwingend die Erstellung einer Dichtsohle mittels Einbringen eines Abdichtmaterials (s. dort Merkmal a). Die Argumentation der Einsprechenden, für den Fachmann sei es klar, dass er die Dichtsohle nicht mehr extra herstellen muss, wenn diese bereits natürlich im Boden unterhalb der gewünschten Baugrube vorhanden ist, geht deshalb hinsichtlich der Neuheitsbetrachtung fehl. Für eine derartige Überlegung wäre allenfalls im Rahmen der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit Raum, für die die DE 195 25 724 C1 als nachveröffentlichte Druckschrift jedoch ausscheidet.
Das Geotechnische Gutachten zum Projekt "Kurparkklinik Bad Nauheim" (E2) zählt nach Auffassung des Senats nicht zum Stand der Technik. Wie der Senat in einer Zwischenverfügung vom 7. Juli 2006 den Beteiligten mitgeteilt hat, werden die von der Einsprechenden vorgetragenen und in das Wissen des Zeugen A... gestellten Tatsachen nicht als hinreichend angesehen, die öf- fentliche Zugänglichkeit dieses Gutachtens zu belegen. Insbesondere fehlt ein hinreichend konkreter und nachvollziehbarer Vortrag dazu, ob der Personenkreis, dem es zugänglich gemacht worden ist, zur Verschwiegenheit verpflichtet war und welche konkreten Tatsachen der Zeuge bekunden könne. Es wird lediglich davon gesprochen, es handele sich um ein im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung vorgelegtes Gutachten. Dies lässt jedoch noch keinen Schluss auf dessen öffentliche Zugänglichkeit zu. Der Inhalt des Gutachtens und des nach Ablauf der Einspruchsfrist nachgereichten ergänzenden Schreibens legt vielmehr die Annahme nahe, dass es sich hierbei um den Bestandteil eines auf eine Ausschreibung des Projekts hin abgegebenen Angebots handelt, dessen Inhalt im allgemeinen Außenstehenden gegenüber geheim gehalten wird. Auch aus dem Verteiler des ergänzenden Schreibens ergibt sich weder, dass das betreffende Gutachten an die im Verteiler genannten Personen gegangen ist, noch ob es sich um einen internen Kreis bzw. um etwa mit einem Genehmigungs- oder Aufsichtsverfahren betraute und daher zur Geheimhaltung verpflichtete Personen (bspw. Wasserwirtschaftsamt bzw. HLfB) handelt. Der diesbezügliche Vortrag erscheint dem Senat daher zu wenig substantiiert, als dass er hierzu von einer Zeugeneinvernahme hinreichend Aufklärung erwarten hätte können.
3.2 Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Nachdem, wie oben zur Neuheitsbetrachtung begründet, das Gutachten E2 nicht zum Stand der Technik zu zählen ist, und die 195 25 724 C1 (E1) als nachveröffentlichte Druckschrift hinsichtlich der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ausscheidet, verbleiben hierzu noch die Entgegenhaltungen DE 20 22 787 A1 (E3), DE 35 34 655 A1 (E4) und DE 22 40 935 C3 (E5).
Das wesentliche Prinzip, auf welchem die angegriffene Erfindung beruht, ist darin zu sehen, dass man sich - so vorhanden und geeignet - einer natürlichen Bodenschicht als Dichtschicht bedient, um die Erstellung einer kostenaufwendigen künstlichen Dichtschicht (etwa in Form einer Injektionssohle) zu vermeiden. Diesen Aspekt bindet die Lehre des Patentanspruchs 1 in den gesamten Aufbau der auftriebssicheren Baugrubensohle mit ein, indem nach den weiteren Merkmalen des Patentanspruchs die übrigen Komponenten der Sohle wie Deckschicht und Verankerungselemente in vorteilhafter Weise angeordnet und miteinander verbunden werden.
Eine Anregung dazu, einen derartigen, eine natürliche Bodenschicht als Dichtschicht einbeziehenden Sohlenaufbau zu schaffen, kann von dem gesamten verbleibenden Stand der Technik (E3 bis E5) schon deshalb nicht ausgehen, weil sich keine dieser Druckschriften überhaupt mit dem Einbau einer Dichtschicht in eine Baugrubensohle, schon gar nicht in Form einer natürlichen Bodenschicht, befasst. Vielmehr beschreiben die Druckschriften E3 bis E5 jeweils Maßnahmen zum Absichern von Baugruben- bzw. Unterwasser- Betonsohlen gegen Auftrieb, wobei über den Sohlenaufbau - bis auf die Ausführung als Betonsohle - nichts ausgesagt ist.
Weder einzeln für sich noch in einer Zusammenschau konnten die Entgegenhaltungen E3 bis E5 daher den Gegenstand des angegriffenen Patentanspruchs 1 nahe legen.
4. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung aus Gründen der Gewährung rechtlichen Gehörs war nicht erforderlich, nachdem die unterliegende Einsprechende durch Verzicht auf die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung konkludent ihren Hilfsantrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurückgenommen hat, die Patentinhaberin sich mit der Absetzung des Termins einverstanden erklärt hat, und die Verfahrensbeteiligten ausreichend Gelegenheit hatten, ausführlich schriftsätzlich zur Sach- und Rechtslage Stellung zu nehmen.
BPatG:
Beschluss v. 25.07.2006
Az: 6 W (pat) 343/03
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