Landgericht Wuppertal:
Beschluss vom 3. Juli 2006
Aktenzeichen: 6 T 347/06
(LG Wuppertal: Beschluss v. 03.07.2006, Az.: 6 T 347/06)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Landgericht Wuppertal hat in einem Beschluss vom 3. Juli 2006 (Aktenzeichen 6 T 347/06) eine Entscheidung des Amtsgerichts abgeändert. In dem Beschluss wurde der weitere Beteiligte, der mit der Durchführung eines Vollstreckungsauftrages beauftragt wurde, angewiesen, von seinen Bedenken gegen die Durchführung Abstand zu nehmen. Die Gläubigerin betreibt die Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid und beauftragte den weiteren Beteiligten mit der Mobiliarzwangsvollstreckung wegen einer Restforderung in Höhe von 440,76 EUR. In der Forderungsaufstellung wurden auch Einigungsgebühren in Höhe von 387,50 und 81,00 EUR als Kosten verbucht. Diese Gebühren wurden von dem weiteren Beteiligten abgesetzt und der Auftrag wurde zurückgewiesen, da die schuldnerische Gesamtforderung nicht festgesetzt wurde. Das Amtsgericht hat die Erinnerung der Gläubigerin auf ihre Kosten zurückgewiesen. Die Gläubigerin legte daraufhin Rechtsmittel ein und argumentierte, dass die Kosten des Vergleichs, einschließlich der Einigungsgebühren eines Rechtsanwaltes, notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung sind. Das Landgericht folgte in diesem Fall der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach der Gerichtsvollzieher eigenständig prüfen muss, ob Vergleichsgebühren entstanden sind und die vom Schuldner übernommenen Anwaltskosten als notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung gelten. Der weitere Beteiligte wurde angewiesen, von seinen Bedenken abzusehen. Es wird darauf hingewiesen, dass die Prüfung der einzelnen geltend gemachten Gebühren nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist. Es wird auch darauf hingewiesen, dass hinsichtlich der Teilzahlungsvereinbarung vom 24. April 2002 keine Bedenken bestehen, da ein Vergleich mit gegenseitigem Nachgeben vorliegt. Bei der Einigungsvereinbarung vom 7. Dezember 2005 bestehen Bedenken, da der Sinn und die Notwendigkeit der Sicherungsabtretung fraglich erscheint. Der weitere Beteiligte muss prüfen, ob Ungewissheiten über die Erfolgsaussichten der Vollstreckungsmaßnahmen, die Zahlungsfähigkeit oder Zahlungswilligkeit der Schuldnerin vorlagen, was Anlass für die Vereinbarung war. Die Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen und es wurde keine Kostenentscheidung getroffen. Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt 440,00 EUR.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
LG Wuppertal: Beschluss v. 03.07.2006, Az: 6 T 347/06
Tenor
Die angefochtene Entscheidung wird wie folgt abgeändert:
Der weitere Beteiligte wird angewiesen, von den im Schreiben vom 07. April 2006 geäußerten Bedenken gegen die Durchführung des Vollstreckungsauftrages der Gläubigerin nach Maßgabe der folgenden Gründe Abstand zu nehmen.
Gründe
Die Gläubigerin betreibt die Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid. Sie hat am 24. März 2006 unter Überreichung des Titels und einer Forderungsaufstellung den weiteren Beteiligten über die Verteilungsstelle beauftragt, die Mobiliarzwangsvollstreckung wegen einer Restforderung in Höhe von 440,76 EUR zu betreiben. In der Forderungsaufstellung enthalten sind zwei unter dem 29. Mai 2002 und dem 11. Januar 2006 gebuchte "Einigungsgebühren" in Höhe von 387,50 und 81,00 EUR als Kosten verbucht. Diese macht die Gläubigerin geltend aufgrund einer Teilzahlungsvereinbarung mit der Schuldnerin vom 24. April 2002 und eines Einigungsvertrages vom 07. Dezember 2005. Auf die vorgelegten Schriftstücke wird insofern Bezug genommen. Zunächst vorläufig mit Schreiben vom 30. März 2006 und alsdann endgültig durch das im Tenor genannte Schreiben hat der weitere Beteiligte zunächst die Einigungsgebühren abgesetzt und alsdann den Auftrag kostenpflichtig zurückgewiesen, weil diese in Ermangelung einer Festsetzung der schuldnerischen Gesamtforderung nicht zugerechnet werden könnten, so dass nach der vorgelegten Forderungsaufstellung kein Restbetrag mehr verbleibe.
Durch die angefochtene Entscheidung, auf die im übrigen verwiesen wird, hat das Amtsgericht die hiergegen gerichtete Erinnerung der Gläubigerin auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Gläubigerin mit ihrer rechtzeitig bei Gericht eingegangenen Rechtsmittelschrift, auf die verwiesen wird und mit der sie ihr erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt.
Das Rechtsmittel hat auch Erfolg in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfange.
Die Gläubigerin verweist zu Recht auf die neue Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, nach der vom Schuldner übernommene Kosten eines im Zwangsvollstreckungsverfahren geschlossenen Vergleiches regelmäßig notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung sind, wobei dies auch für die durch die Einschaltung eines Rechtsanwaltes entstandene Vergleichs- oder Einigungsgebühr gilt (BGH, 7. Zivilsenat, Beschluss vom 24.01.2006, NJW 2006, 1598 ff. = DGVZ 2006, 68 f.).
Die Kammer folgt nunmehr dieser Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes. Danach hat der Gerichtsvollzieher im Rahmen seiner Zuständigkeit selbständig nach § 788 Abs. 1 ZPO zu prüfen, ob eine Vergleichsgebühr nach § 23 BRAGO bzw. Nr. 1000 VV RVG entstanden ist. Auf das Festsetzungsverfahren nach § 788 Abs. 2 ZPO kann insoweit nicht verwiesen werden.
Ferner stellen, wenn die Gebührentatbestände vorliegen, die insoweit entstandenen Anwaltskosten regelmäßig notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung dar, wenn der Schuldner im Vergleich die Kosten übernommen hat.
Nach diesen Grundsätzen konnte der weitere Beteiligte die Gläubigerin vorliegend nicht pauschal auf das Festsetzungsverfahren nach § 788 Abs. 2 ZPO verweisen. Er war daher anzuweisen, von den geäußerten Bedenken Abstand zu nehmen.
Für das weitere Verfahren weist die Kammer jedoch auf folgendes hin:
Im Hinblick auf die pauschale Beanstandung des weiteren Beteiligten ist die Prüfung der einzelnen geltend gemachten Gebühren, insbesondere die Frage, ob die Kostentatbestände von § 23 BRAGO bzw. Nr. 1000 VV RVG gegeben sind, nicht Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens.
Jedoch bestehen insoweit ersichtlich nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes hinsichtlich der Teilzahlungsvereinbarung vom 24. April 2002 keine Bedenken. Denn es liegt ein Vergleich mit gegenseitigem Nachgeben vor. Die Gläubigerin hat sich mit Ratenzahlungen begnügt, die Schuldnerin hat ihr zur Sicherheit den pfändbaren Teil ihres Arbeitseinkommens (und andere Ansprüche) abgetreten, so dass insofern die Aufgabe einer echten Rechtsposition durch die Schuldnerin vorliegt (vgl. BGH, a.a.O., LG Kassel, JurBüro 1980, 1029).
Hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzungen der Einigungsgebühr nach dem RVG wird der weitere Beteiligte zu beachten haben, dass ein gegenseitiges Nachgeben nicht mehr Tatbestandsvoraussetzung dieser Gebührenvorschrift ist. Insofern bestehen hinsichtlich des Einigungsvertrages vom 07. Dezember 2005 nämlich auch Bedenken, da dort die Schuldnerin unter Ziffer 5 der Vereinbarung zwar eine erneute Sicherungsabtretung vorgenommen hat, deren Notwendigkeit und Sinn aber fraglich erscheint, da sie den gleichen Wortlaut wie die Sicherungsabtretung vom 24.04.2002 hat. Insoweit reicht es nämlich zum Entstehen einer Einigungsgebühr aus, wenn Ungewissheiten über die Erfolgsaussichten von Vollstreckungsmaßnahmen, die Zahlungsfähigkeit oder die Zahlungswilligkeit der Schuldnerin vorlagen, was Anlass für die Vereinbarung war (vgl. Gerold-Schmittvon Eicken-Madert-Müller-Raabe, RVG, 16. Auflage, Rdnr. 23 zu VV 1000). Insoweit wird der weitere Beteiligte zu prüfen haben, ob eine solche Ungewissheit bestand, obwohl bereits ein Ratenzahlungsvergleich existierte, worauf allerdings die Herabsetzung der Rate hinweisen könnte.
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da Fragen von grundsätzlicher Bedeutung nicht zur Entscheidung anstanden, vielmehr die Kammer nunmehr ihre Rechtsprechung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, die auf Rechtsbeschwerde hin ergangen ist, angepasst hat.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
Wert des Beschwerdegegenstandes: 440,00 EUR.
LG Wuppertal:
Beschluss v. 03.07.2006
Az: 6 T 347/06
Link zum Urteil:
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