Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. Januar 2004
Aktenzeichen: 26 W (pat) 207/01
(BPatG: Beschluss v. 21.01.2004, Az.: 26 W (pat) 207/01)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Bundespatentgericht hat in einer Entscheidung vom 21. Januar 2004 (Aktenzeichen 26 W (pat) 207/01) eine Beschwerde zurückgewiesen. Es ging dabei um die Eintragung einer Marke für alkoholfreie Getränke, Fruchtgetränke und Fruchtsäfte. Gegen diese Eintragung wurde Widerspruch eingelegt, da bereits eine ähnliche Marke für aromatisierte Mineralwässer, andere alkoholfreie Getränke, Fruchtgetränke und Fruchtsäfte eingetragen war. Die Markenstelle wies den Widerspruch zurück, da keine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken bestehe. Das Gericht stellte fest, dass die Marken in klanglicher Hinsicht deutliche Unterschiede aufweisen, da sie sich in den Konsonanten, der vorangehenden Vokallänge und der Betonung unterscheiden. Es bestehe keine Verwechslungsgefahr in anderen Richtungen und daher sei die Frage nach der Benutzung der Widerspruchsmarke ebenfalls irrelevant. Die Widersprechende legte Beschwerde ein, die jedoch als unbegründet angesehen wurde, da sie die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke nicht für den geforderten Zeitraum nachweisen konnte. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung wurde abgelehnt. Das Gericht stellte weiterhin fest, dass keine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken bestehe und wies die Beschwerde daher zurück.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 21.01.2004, Az: 26 W (pat) 207/01
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I Gegen die Eintragung der Marke 397 38 557 siehe Abb. 1 am Endefür die Waren
"Alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte"
ist Widerspruch erhoben worden aus der Marke 2 020 149 Libella , die für die Waren
"Aromatisierte Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke, Fruchtgetränke und Fruchtsäfte sowie Grundstoffe, Essenzen und Präparate zur Herstellung alkoholfreier Getränke"
eingetragen ist.
Die Markenstelle hat den Widerspruch wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Zulässigkeit des Widerspruchs stehe der zwischen den Parteien vor dem Landgericht Magdeburg geschlossene Vergleich vom 23. Oktober 1998 nicht entgegen. In diesem habe sich die Widersprechende zwar verpflichtet, Markenanmeldungen der Markeninhaberin nicht anzugreifen. Sie habe der Markeninhaberin jedoch zugleich nur gestattet, das Wort "Libehna" ausschließlich unter Zusatz der Angabe "Fruchtsaft GmbH - Raguhn" in gleichgroßer Schrift und mit gleichen Schrifttypen zu benutzen. Eine Auslegung des Vergleichs in seiner Gesamtheit ergebe, dass dieser der Markeninhaberin damit auch nur eine Anmeldung der Bezeichnung "LIBEHNA" mit dem gleichgroßen Zusatz "Fruchtsaft GmbH - Raguhn" gestatte und sich die Nichtangriffsabrede nur auf eine dementsprechende Markenanmeldung beschränke.
Die beiderseitigen Marken seien bei Anlegung eines strengen Maßstabs, der wegen der teilweisen Warenidentität geboten sei, auch dann nicht verwechselbar, wenn zugunsten der Widersprechenden davon ausgegangen werde, dass das Wort "LIBEHNA" die angegriffene Marke präge. Trotz der Übereinstimmungen der Wörter "Libella" und "LIBEHNA" in den Wortanfängen und -endungen wiesen die Marken in klanglicher Hinsicht deutliche Unterschiede auf, weil sie sich nicht nur in den Konsonanten "LL" bzw "HN" unterschieden, sondern auch in der durch diese Konsonantenfolgen bewirkten unterschiedlichen Länge des vorangehenden Vokals "E", der in der angegriffenen Marke gedehnt gesprochen werde, hingegen in der Widerspruchsmarke nur kurz anklinge. Eine Verwechslungsgefahr in anderen Richtungen sei weder vorgetragen noch ersichtlich. Angesichts des Fehlens einer Verwechslungsgefahr habe die Frage, ob die Widersprechende die von der Markeninhaberin bestrittene Benutzung der Widerspruchsmarke glaubhaft gemacht habe, dahingestellt bleiben können.
Gegen den Beschluss der Markenstelle wendet sich die Widersprechende mit der Beschwerde. Sie ist der Ansicht, die Unterschiede zwischen dem die angegriffene Marke prägenden Wort "LIBEHNA" und der Widerspruchsmarke reichten in klanglicher Hinsicht nicht aus, weil die Markenwörter in der Buchstabenfolge "LIBE-A" übereinstimmten und die abweichenden Konsonanten "L" und "N" verwandte Laute seien. Auch schriftbildlich seien die Markenwörter unabhängig davon, ob sie in Majuskeln oder Minuskeln geschrieben würden, verwechselbar. Das "h" in der angegriffenen Marke weise ebenso eine Oberlänge auf, wie der Doppelkonsonant "ll" in der Widerspruchsmarke. Als einziger, für eine Verneinung der Verwechslungsgefahr jedoch nicht ausreichender Unterschied verbleibe der Konsonant "n" der angegriffenen Marke. Die Widersprechende beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die angegriffene Marke wegen des Widerspruchs zu löschen. Sie hat mit Schriftsatz vom 27. Januar 2004 ferner die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung angeregt, weil sie unter Verletzung des § 139 ZPO an der Glaubhaftmachung der Benutzung für den in § 43 Abs. 1 S. 2 MarkenG bestimmten Zeitraum gehindert worden sei.
Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie hält den Widerspruch weiterhin für unzulässig, weil es aufgrund der durch das neue Markenrecht gelockerten Anforderungen an die Benutzung einer Marke durchaus möglich sei, die angegriffene Marke in einer Form zu benutzen, die den Vereinbarungen des vor dem Landgericht Magdeburg geschlossenen Vergleichs entspreche. Die Markenstelle habe insoweit verkannt, dass die Benutzung und die Eintragung einer Marke zwei verschiedene Dinge seien. Der geschlossene Vergleich bezwecke nur, dass die Widersprechende gegen eine dem Vergleich nicht entsprechende Benutzung der angegriffenen Marke vorgehen könne. Dagegen habe aus dem Vergleich gegen eine den Vereinbarungen nicht entsprechende Eintragung einer Marke, insbesondere eine solche, die - wie im Fall der angegriffenen Marke - zeitlich vor dem Vergleichsschluss angemeldet worden sei, nicht vorgegangen werden sollen. Im Hinblick auf die Frage der Verwechslungsgefahr macht sich die Markeninhaberin die Argumentation der Markenstelle zu eigen.
Der Senat hat - um der Widersprechenden ihrem Wunsch gemäß eine Überlegungsfrist zur beabsichtigten Rücknahme des Widerspruchs zu geben - am Ende der mündlichen Verhandlung eine Zustellung der (Sach-)Entscheidung an Verkündungs Statt beschlossen.
II Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, aber unbegründet.
Der Widerspruch ist zulässig. Der Widerspruchseinlegung steht aus den von der Markenstelle dargelegten Gründen, denen sich der Senat anschließt, insbesondere der zwischen den Verfahrensbeteiligten am 23. Oktober 1998 vor dem Landgericht Magdeburg geschlossene Vergleich nicht entgegen.
Der Widerspruch - und damit auch die Beschwerde der Widersprechenden - kann jedoch schon deshalb keinen Erfolg haben, weil die Widersprechende es versäumt hat, auf die Nichtbenutzungseinrede der Markeninhaberin hin die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke für den Zeitraum von fünf Jahren vor der Entscheidung über den Widerspruch (§ 43 Abs. 1 S. 2 MarkenG) glaubhaft zu machen.
Das Bestreiten der Benutzung durch die Markeninhaberin mit Schriftsatz vom 19. Mai 1998 war zu diesem Zeitpunkt sowohl gemäß § 43 Abs. 1 S. 1 MarkenG als auch gemäß § 43 Abs. 1 S. 2 MarkenG zulässig. Sofern - wie im vorliegenden Verfahren - die fünfjährige Benutzungsschonfrist bereits vor der Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke abgelaufen ist und deshalb die Benutzung gemäß § 43 Abs. 1 S. 1 MarkenG bestritten werden kann, ist der Inhaber der angegriffenen Marke nicht gehindert, zusätzlich die Einrede nach § 43 Abs. 1 S. 2 MarkenG zu erheben (BGH GRUR 1998, 938, 939 f - DRAGON; GRUR 1999, 54, 55 f - Holtkamp). Ein undifferenziertes Bestreiten der Benutzung ist regelmäßig als die Erhebung beider Einreden zu verstehen (Kliems, GRUR 1999, 11, 14; Ströbele / Hacker, Markengesetz, § 43 Rdn 35). Ein solches undifferenziertes Bestreiten ist auch in der Erklärung der Markeninhaberin vom 19. Mai 1998 zu sehen, da die Benutzung der Widerspruchsmarke ganz allgemein "gem. § 43 I MarkenG", also ohne Beschränkung auf eine der Alternativen des S. 1 oder S. 2 dieser Bestimmung, bestritten worden ist.
Der Widersprechenden oblag folglich im vorliegenden Verfahren auch eine Glaubhaftmachung der Benutzung für den in § 43 Abs. 1 S. 2 MarkenG bestimmten Zeitraum. Unter dem in dieser Vorschrift benannten Zeitraum von fünf Jahren vor der Entscheidung über den Widerspruch ist der Zeitraum von fünf Jahren vor der das jeweilige Verfahren abschließenden Entscheidung zu verstehen. Maßgeblich für die Bestimmung dieses Zeitraums ist somit in einem Beschwerdeverfahren der Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde (BGH GRUR 2000, 510 - Contura). Dementsprechend oblag es der Widersprechenden gemäß § 43 Abs. 1 S. 2 MarkenG, eine rechtserhaltende Benutzung ihrer Marke im Zeitraum vom 22. Januar 1999 bis zum 21. Januar 2004 glaubhaft zu machen. Dieser Obliegenheit ist sie - was von ihrer Vertreterin im Termin auch eingeräumt worden ist - bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht nachgekommen. Die von ihr mit der eidesstattlichen Versicherung ihres Verkaufsleiters am 01. September 1998 glaubhaft gemachten Umsätze beziehen sich nur auf den Zeitraum von 1990 - 1997 und sind daher zwar geeignet, eine Benutzung der Widerspruchsmarke gemäß § 43 Abs. 1 S. 1 MarkenG, nicht jedoch eine solche für den in § 43 Abs. 1 S. 2 MarkenG bestimmten Zeitraum nachzuweisen, da sämtliche angegebenen Benutzungshandlungen vor dem maßgeblichen Glaubhaftmachungszeitraum liegen.
Die Widersprechende kann sich nicht auf eine Verletzung der gemäß § 139 ZPO bestehenden Aufklärungspflicht berufen. Eine solche Aufklärungspflicht besteht zwar grundsätzlich auch in markenrechtlichen Widerspruchsbeschwerdeverfahren. Der im Rahmen des Benutzungszwangs herrschende Beibringungsgrundsatz und das Gebot der Unparteilichkeit verbieten es dem Senat jedoch grundsätzlich, den Widersprechenden auf die Notwendigkeit einer Glaubhaftmachung oder auf Mängel der vorgelegten Glaubhaftmachungsunterlagen aufmerksam zu machen. Die prozessuale Aufklärungspflicht findet ihre Grenze nämlich dort, wo Hinweise des Gerichts die Stärkung der prozessualen Position einer Partei und damit gleichzeitig eine entsprechende Schwächung der Stellung der anderen Partei nach sich ziehen würden. Insoweit ist streng auf das Gebot der Unparteilichkeit zu achten, das einseitige Hilfestellungen selbst bei ausdrücklichen Bitten eines Verfahrensbeteiligten um geeignete Hinweise ausschließt (BPatG GRUR 2000, 900, 902 - Neuro-Vibolex). Insbesondere muss das Gericht auch nach der durch die ZPO-Novelle bewirkten Verstärkung der Aufklärungspflicht nicht auf einen Tatsachenvortrag hinwirken, der eine Einwendung oder ein sonstiges Gegenrecht ausfüllt oder entkräftet (Thomas / Putzo, ZPO, 24. Auflage 2002, § 139 Rdn 6). Vor allem besteht kein Raum für Aufklärung, soweit in Rechtsprechung und Literatur bereits erörterte und weitgehend geklärte Rechtsfragen betroffen sind, wie dies im Hinblick auf den rechtlichen Umfang einer undifferenzierten Benutzungseinrede der Fall ist (BGH aaO - DRAGON; aaO - Holtkamp; Kliems aaO; Stöbele/Hacker aaO). Deshalb konnte die Widersprechende auch im vorliegenden Verfahren nicht darauf vertrauen, dass ihr vor der mündlichen Verhandlung eine ausdrückliche Aufforderung zur einer (ergänzenden) Glaubhaftmachung gemäß § 43 Abs. 1 S. 2 MarkenG zugehen würde und ihr entsprechende Äußerungsfristen gesetzt würden (BGH GRUR 1997, 223, 224 - Ceco).
Da mithin eine gerichtliche Aufklärungspflicht nicht bestand, besteht auch keine Notwendigkeit, gemäß § 82 Abs. 1 MarkenG i.V.m. § 156 ZPO eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung anzuordnen. Vielmehr war auf der Grundlage der letzten mündlichen Verhandlung zu entscheiden, so dass der nachträgliche Tatsachenvortrag der Widersprechenden, einschließlich der nachträglich vorgelegten Glaubhaftmachungsunterlagen verspätet ist und für die Entscheidung außer Betracht bleiben muss.
Für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung besteht außerdem deshalb keine Veranlassung, weil die Beschwerde der Widersprechenden auch wegen fehlender Verwechslungsgefahr der Marken (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG) keinen Erfolg haben kann, was in der mündlichen Verhandlung mit den Beteiligten ebenfalls ausführlich erörtert worden ist.
Die beiderseitigen Marken weisen unter Berücksichtigung der Identität bzw hochgradigen Ähnlichkeit der Waren sowie einer zugunsten der Widersprechenden unterstellten gesteigerten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in jeder Richtung ausreichende Unterschiede auf. In bildlicher Hinsicht tragen zur Unterscheidung der Marken die weiteren Wort- sowie die Bildbestandteile der angegriffenen Marke bei. Aber auch bei dem die angegriffene Marke prägenden Wort "LIBEHNA" überwiegen die Abweichungen die Übereinstimmungen mit der Widerspruchsmarke. Durch die unterschiedlichen Konsonanten "LL" bzw "HN" wird, auch bei Einbeziehung der Übereinstimmungen in den Wortanfängen und den Wortenden, angesichts der nicht sehr großen Wortlängen ein insgesamt abweichendes Schriftbild sowie ein deutlich unterschiedliches Gesamtklangbild bewirkt. Die unterschiedlichen Konsonanten führen zudem zu einer Veränderung in der Silbengliederung der Markenwörter ("LI-BEH-NA" ggü "Libella") sowie zu einer unterschiedlichen Länge und damit einem unterschiedlichen Klang des ihnen vorangehenden Vokals "e", der in der Widerspruchsmarke kurz und eher wie ein "ä" anklingt, während er in der angegriffenen Marke hell und gedehnt gesprochen wird. Zwar sind Unterschiede in der Wortmitte grundsätzlich weniger auffällig als solche am Wortanfang. Innerhalb der beiderseitigen Marken treten sie jedoch klanglich deshalb deutlich in den Vordergrund, weil beide Markenwörter auf der mittleren, die Abweichungen enthaltenden Silbe betont werden. Ein Auseinanderhalten der Marken wird auch dadurch erheblich gefördert, dass die Widerspruchsmarke eng an den geläufigen deutschen Begriff "Libelle" angelehnt ist. Diese begriffliche Stütze erleichtert den angesprochenen Verkehrskreisen das Wiedererkennen der Widerspruchsmarke auch bei ansonsten eher unsicherer Erinnerung. Einen entsprechenden Begriffsinhalt weist die Widerspruchsmarke nicht auf.
Für eine Verwechslungsgefahr in anderen Richtungen, insbesondere auch für die Gefahr einer gedanklichen Verbindung der Marken, fehlt es an tatsächlichen Anhaltspunkten.
Für eine Kostenauferlegung aus Gründen der Billigkeit (§ 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG) besteht keine Veranlassung.
Albert Kraft Reker Bb Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/26W(pat)207-01.1.3.gif
BPatG:
Beschluss v. 21.01.2004
Az: 26 W (pat) 207/01
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