Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. Mai 2001
Aktenzeichen: 30 W (pat) 127/00
(BPatG: Beschluss v. 28.05.2001, Az.: 30 W (pat) 127/00)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Bundespatentgericht hat in einem Beschluss vom 28. Mai 2001 (Aktenzeichen 30 W (pat) 127/00) die Beschwerde der Inhaberin einer Marke zurückgewiesen. Die Marke SELECT wurde für Pestizide, Herbizide, Insektizide und Fungizide zur Verwendung in der Landwirtschaft, dem Gartenbau und der Forstwirtschaft eingetragen. Die Inhaberin einer älteren EU-Marke mit dem Namen CELEST, die für Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren, Mittel zur Behandlung von Mangelerkrankungen bei Pflanzen, Fungizide, Nematizide und Herbizide steht, erhob Widerspruch gegen die Eintragung der Marke SELECT. Die Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamtes entschied, dass eine Verwechslungsgefahr bestehe und ordnete die Löschung der Marke SELECT an. Die Inhaberin der Marke SELECT legte daraufhin Beschwerde ein. Sie argumentierte, dass sich die Produkte an ein Fachpublikum richteten und in speziellen Giftschränken angeboten würden, was eine erhöhte Aufmerksamkeit des Verbrauchers bedeute. Zudem könne die Markenähnlichkeit aufgrund des unterschiedlichen Sinngehalts der beiden Marken vermieden werden. Das Bundespatentgericht entschied jedoch, dass trotz des gleichen Verwendungszwecks der Waren eine Verwechslungsgefahr bestehe. Die Marken SELECT und CELEST seien sich zu ähnlich und könnten klanglich verwechselt werden. Auch der unterschiedliche Bedeutungsanklang der Marken könne eine Verwechslungsgefahr nicht verhindern. Die Beschwerde wurde somit abgewiesen.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 28.05.2001, Az: 30 W (pat) 127/00
Tenor
Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
In das Markenregister eingetragen ist unter der Rollennummer 396 51 497 die Marke SELECT als Kennzeichnung für die Waren Pestizide, Herbizide, Insektizide und Fungizide, sämtliche zur Verwendung in der Landwirtschaft, dem Gartenbau und der Forstwirtschaft.
Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der rangälteren EU-Marke 102 988 CELEST die ua eingetragen ist für die Waren Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren; Mittel zur Behandlung von Mangelerkrankungen bei Pflanzen; Fungizide, Nematizide, Herbizide.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat mit Beschluß eine Verwechslungsgefahr bejaht und die Löschung der jüngeren Marke angeordnet. Ausgehend von einem durchschnittlichen Schutzumfang der Widerspruchsmarke - die Bedeutung himmlisch werde ganz überwiegend nicht erkannt werden und sei im übrigen nicht ohne Originalität -, sowie von Identität der Waren sei der Markenabstand in akustischer Hinsicht zu gering. Der Konsonant C in CELEST werde im beachtlichen Umfang wie S ausgesprochen, was wegen der nur geringfügigen Abweichung am Wortende (C und S) zu einem übereinstimmenden Gesamteindruck der Vergleichszeichen führe. Diese Verwechslungsgefahr könne nicht durch einen abweichenden Sinngehalt der beiden Marken verhindert werden, denn ein solcher werde nicht ohne weiteres erkannt. Das englische Wort SELECT sei nicht dem Grundwortschatz zuzurechnen und das Erkennen des Bedeutungsanklangs von CELEST an celestial sei nicht sehr wahrscheinlich. In jedem Fall aber könne eine solche Unterscheidungshilfe die überwiegenden klanglichen Gemeinsamkeiten nicht aufheben.
Die Inhaberin der jüngeren Marke hat Beschwerde erhoben. Sie ist der Ansicht, die jeweiligen Waren richteten sich an das Fachpublikum und würden von den übrigen Produkten getrennt in sog Giftschränken angeboten. Dies, ein gesteigertes Umweltbewußtsein, sowie die Tatsache, daß eine falsche Auswahl des Produkts weitreichende Auswirkung zB auf die Ernte haben könne, führe zu einer erhöhten Aufmerksamkeit des Verbrauchers. Deshalb reiche der Markenabstand trotz Warenidentität bzw mittlerer Warenähnlichkeit aus. Die ältere Marke werde überwiegend wie "Zelest" ausgesprochen, was zu einer deutlichen Abweichung des weich artikulierten "Selekt" führe. Der unterschiedliche Sinngehalt beider Marken werde vom Verkehr erkannt, denn dieser erwarte eine "selektive" Wirkung bei den Produkten der Markeninhaberin. Auch der Bedeutungsanklang an himmlisch in der älteren Marke sei nicht ungeläufig.
Die Markeninhaberin beantragt, den Beschluß der Markenstelle aufzuheben und den Widerspruch zurückzuweisen.
Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält die Ausführungen der Markenstelle für zutreffend und weist darauf hin, daß die betreffenden Produkte durchaus in Selbstbedienung ohne Einschaltung von Fachpersonal gekauft werden könnten.
Ergänzend wird auf die Schriftsätze der Parteien sowie auf den patentamtlichen Beschluß Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig (§ 66 Abs 1 und 2 MarkenG), hat in der Sache aber keinen Erfolg. Zwischen den Marken besteht Verwechslungsgefahr iSv § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG, so daß die Löschung der jüngeren Marke zu Recht angeordnet worden ist.
Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr bedeutet eine Gewichtung der maßgeblichen Umstände des Einzelfalls, nämlich insbesondere der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke (st Rspr, zuletzt BGH MarkenR 2001, 204 EVIAN/REVIAN). Im vorliegenden Fall ist von einer Identität der Waren auszugehen. Die Fungizide und Herbizide der jüngeren Marke sind wortgleich im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke enthalten. Die übrigen Waren (Pestizide = chemische Mittel zur Vernichtung von pflanzlichen und tierischen Schädlingen aller Art, Insektizide = insektenvernichtend in bezug auf chemische Mittel) werden von dem weiten Oberbegriff der Widerspruchswaren, nämlich "Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren" vollständig umfaßt.
Bei Warenidentität ist entweder ein besonders deutlicher Abstand der Marke notwendig, oder aber es scheidet eine Verwechslungsgefahr aus sonstigen Gründen (zB Rechtsgründen) aus. Dies liegt hier nicht vor. Für die Entscheidung kann dahinstehen, ob die Widerspruchsmarke wegen ihrer Anlehnung an die fremdsprachlichen Worte celeste (französisch) = himmlisch, bzw celeste (italienisch und spanisch) = himmlisch, himmelblau nur über einen etwas eingeschränkten Schutzumfang verfügt, denn der Abstand der Vergleichsmarken ist auch dann zu gering. Dabei kann entgegen der Ansicht der Markeninhaberin nicht von einer über das Normalmaß hinausgehenden Aufmerksamkeit des Verbrauchers und insbesondere der Einschaltung von Fachpersonal ausgegangen werden. Der im Warenverzeichnis der jüngeren Marke als Verwendung in "der Landwirtschaft, dem Gartenbau und der Forstwirtschaft" bestimmte Zweck bedeutet nicht, daß es sich bei den Waren zB nicht auch um ein Rosensprühmittel oder ein Ameisenpulver, angeboten im Gartencenter handeln kann. Auch ein Mottenspray oder Klebestreifen für Fliegen zur Verwendung in der Landwirtschaft werden in den entsprechenden Verkaufsstellen (zB Baywa) nicht ausschließlich im "Giftschrank" angeboten werden. Derartige "harmlose" Produkte sind auch ohne weiteres im Drogeriemarkt ohne Einschaltung von Fachpersonal erhältlich.
Stehen sich die Marken SELECT und CELEST gegenüber, so ist festzustellen, daß vier von sechs Buchstaben identisch sind und sich an der gleichen Stelle befinden. Lediglich der erste und fünfte Buchstabe, bei denen es sich um die jeweils gleichen Buchstaben, nämlich S und C handelt - womit beide Worte aus denselben Buchstaben gebildet sind - sind verschieden platziert. Entgegen der Ansicht der Markeninhaberin kann auch nicht damit gerechnet werden, daß die Widerspruchsmarke im überwiegenden Umfang mit "Zelest" ausgesprochen wird (wobei auch diese Aussprache am Ergebnis nichts ändern würde, denn ts hat eine deutliche Klangnähe zu s). Wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat, ist vielmehr im rechtserheblichem Umfang auch mit einer Artikulation wie "Selest" zu rechnen. Das C in Fremdwörtern wird regelmäßig entsprechend dem fremdsprachigen Ursprung des Wortes ausgesprochen; bei Wörtern aus der lateinischen und griechischen Sprache wie ein z-Laut (zB Cäsar, circa), bei solchen aus dem Französischen, Englischen oder Spanischen wie ein (scharfes) s (zB Actrice, Cent) und bei italienischen Wörtern wie ein tsch-Laut (celeste; vgl Duden, Aussprachewörterbuch, 2. Aufl, 1974, S 74). Die Widerspruchsmarke ist ein Fantasiewort und der Verbraucher wird dieses Wort, je nach dem, an welche Sprache er denkt und insbesondere über welche Sprachkenntnisse er verfügt, entsprechend artikulieren; womit alle drei Aussprachemöglichkeiten im Bereich des rechtlich zu Beachtenden liegen. Nur wenn eine Aussprachemöglichkeit wegen ihrer Seltenheit und Ungebräuchlichkeit fern liegt, kann sie unberücksichtigt bleiben. Es gibt zudem im deutschen Sprachgebrauch das häufig anzutreffende Wort Center, nunmehr auch den Cent und den nicht seltenen Mädchenvornamen Celine. Verbraucher ohne jegliche Fremdsprachenkenntnisse oder solche, die sich - was ja wohl die Regel sein wird - nur wenig Gedanken über die Aussprache einer Marke machen, können sich durchaus dieser ihnen bekannten Worte erinnern und das C hier wie ein (scharfes) S aussprechen. Stehen sich aber "Selekt" und "Selest" bei der oben genannten Warensituation gegenüber, so können klangliche Verwechslungen nicht mehr ausgeschlossen werden.
Diese Verwechslungsgefahr kann auch nicht durch einen ohne weiteres erkennbaren unterschiedlichen Bedeutungsanklang vermieden werden. Zum einen bestehen erhebliche Zweifel ob dem angesprochenen allgemeinen Verkehr der englische Begriff select (= auswählen, auserwählt, exklusiv) durchweg und ohne weiteres bekannt ist, zum anderen könnte auch das Erkennen des englischen Wortes nur geringfügig zur Unterscheidung beitragen, denn "auserwählt" und "erlesen" ist in seiner Bedeutung nicht sehr weit entfernt vom Sinngehalt der Widerspruchsmarke ("himmlisch, überirdisch, wunderbar") (vgl Langenscheidt, Handwörterbuch Französisch Teil 1, Französisch-Deutsch 1995, S 131; Pons Collins Englisch-Deutsch 1991, S 609). Angesichts der zahlreichen verwechslungsfördernden Faktoren genügen diese Bedeutungsanklänge für ein sicheres Auseinanderhalten der Marken nicht.
Die Beschwerde ist demnach ohne Erfolg.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt § 71 Abs 1 MarkenG.
Dr. Buchetmann Winter Schwarz-Angele Hu
BPatG:
Beschluss v. 28.05.2001
Az: 30 W (pat) 127/00
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/8b5fc849eca6/BPatG_Beschluss_vom_28-Mai-2001_Az_30-W-pat-127-00