Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. März 2000
Aktenzeichen: 9 W (pat) 60/99
(BPatG: Beschluss v. 09.03.2000, Az.: 9 W (pat) 60/99)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Bundespatentgericht hat in einem Beschluss vom 9. März 2000 den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt und die Beschwerde als unzulässig verworfen. In dem Fall hatte der Antragsteller eine Erfindung zum Patent angemeldet und beantragte Verfahrenskostenhilfe. Die Patentabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts wies den Antrag zurück, und der Beschluss wurde dem Antragsteller am 16. März 1999 zugestellt. Der Antragsteller legte per Fax am 26. Mai 1999 Beschwerde gegen drei Bescheide des Amtes ein. Am 12. August 1999 teilte der beauftragte Patentanwalt mit, dass er von der weiteren Vertretung des Antragstellers Abstand nehme. Der Antragsteller beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und hob den Beschluss des Amtes auf. In einem Zwischenbescheid wurde der Antragsteller darauf hingewiesen, dass seine Beschwerde verspätet eingereicht worden sei. Der Antragsteller begründete seine Verspätung mit Schwierigkeiten aufgrund seiner beengten Lebensverhältnisse und Umzügen. Das Gericht stellte fest, dass die Beschwerdefrist bereits abgelaufen war und der Antragsteller keine Wiedereinsetzung beantragt hatte. Auch ein möglicher Irrtum über den Fristbeginn oder eine fehlende Kenntnis der Frist begründeten keinen Wiedereinsetzungsgrund. Da die Beschwerde unzulässig war, musste das Gericht nicht über die Erfolgsaussichten der Patentanmeldung entscheiden.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 09.03.2000, Az: 9 W (pat) 60/99
Tenor
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird zurückgewiesen.
2. Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.
Gründe
I.
Am 26. Juli 1997 hat der Antragsteller eine Erfindung mit der Bezeichnung "Fahrradantriebsaggregat mit elektromagnetischer Servounterstützung in tretlagerparalleler Anordnung" zum Patent angemeldet. Für diese Anmeldung stellte er am 16. Oktober 1997 Antrag auf Verfahrenskostenhilfe. Im nachfolgenden Verfahren ließ er sich durch einen Patentanwalt vertreten und beantragte - mit Einverständnis des Patentanwalts - dessen Beiordnung. Durch Beschluß der Patentabteilung 11 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 18. Februar 1999 wurde der Antrag zurückgewiesen. Die Zustellung dieses Beschlusses, dem eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war, erfolgte am 16. März 1999 gegen Empfangsbekenntnis des Patentanwalts.
Mit Telefax vom 26. Mai 1999 legte der Antragsteller persönlich gegen drei "Bescheide vom 08. 02. 1999" des Deutschen Patent- und Markenamts Beschwerde ein. Als Aktenzeichen dieser Bescheide werden in der Beschwerdeschrift "197 32 270.0" sowie zweimal "197 32 271.9" angegeben.
Mit Schreiben vom 12. August 1999 an das Deutsche Patent- und Markenamt teilte der im Verfahren vor dem Amt bevollmächtigte Patentanwalt mit, daß er von der weiteren Vertretung des Antragstellers Abstand nehme.
Durch Zwischenbescheid des rechtskundigen Senatsmitglieds vom 21. Januar 2000 wurde der Antragsteller darauf aufmerksam gemacht, daß in der Beschwerdeschrift die verfahrensgegenständliche Anmeldung nicht bezeichnet und daß außerdem nach Aktenlage die Beschwerde verspätet eingelegt worden sei.
Der Antragsteller stellt sinngemäß die Anträge, ihm im Hinblick auf die versäumte Beschwerdefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, den Beschluß des Deutschen Patentamts vom 18. Februar 1999 aufzuhebenund die beantragte Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen.
Auf den Zwischenbescheid vom 21. Januar 2000 antwortete der Antragsteller mit Schreiben vom 21. Februar 2000 (eingegangen am 23. Februar 2000), seine Beschwerde beziehe sich auch auf das Aktenzeichen der hier verfahrensgegenständlichen Anmeldung. Der angefochtene Beschluß sei ihm durch den Patentanwalt verspätet zugestellt worden. Der Anwalt habe sich bereits zu der Zeit, in der er die Unterlagen vom Deutschen Patent- und Markenamt bekommen habe, nicht mehr zuständig gefühlt. Ohne den Anwalt habe er sich nach Ablauf der Beschwerdefrist um die offenen Verfahren nicht kümmern können. Er habe zu der Zeit mit seinen drei Kindern in einer 40 qm kleinen Wohnung gelebt und es hätten ihm daher die räumlichen Möglichkeiten gefehlt, um die Vielzahl seiner Anmeldungen sachgerecht bearbeiten und Fristen wahren zu können. Außerdem sei er in dieser Zeit zweimal umgezogen, wobei die Akten zeitweise überhaupt nicht zugänglich gewesen seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Amts- und Gerichtsakten verwiesen.
II.
Der Antragsteller hat gegen den Beschluß der Patentabteilung 11 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 18. Februar 1999 im Verfahren der hier verfahrensgegenständlichen Patentanmeldung von dem gemäß § 73 Abs. 1 PatG statthaften Rechtsmittel der Beschwerde Gebrauch gemacht. Die Beschwerdeschrift vom 26. Mai 1999 bezieht sich auf drei unterschiedliche Verfahren, wobei für zwei dieser Verfahren offensichtlich versehentlich dasselbe Aktenzeichen angegeben worden ist. Zugunsten des Antragstellers kann unterstellt werden, daß er beabsichtigt hatte, an Stelle dieser Doppelnennung auch das vorliegend relevante Aktenzeichen anzugeben. Aus dem Zusammenhang der Beschwerdeschrift mit den verschiedenen derzeit beim Senat anhängigen, jeweils auf den Antragsteller zurückgehenden Beschwerdeverfahren kann demnach entnommen werden, daß dieser auch im vorliegenden Verfahren Beschwerde eingelegt hat.
Die Beschwerde muß jedoch wegen Überschreitung der für ihre Einlegung im Gesetz vorgesehenen Frist als unzulässig verworfen werden (§ 79 Abs. 2 Satz 1 PatG). Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 123 PatG) kann nicht gewährt werden.
Gemäß § 73 Abs. 1 und 2 Satz 1 PatG sind Beschwerden gegen Beschlüsse der Prüfungsstellen und Patentabteilungen des Deutschen Patent- und Markenamts innerhalb eines Monats einzulegen. Die Beschwerdefrist beginnt mit der Zustellung des Beschlusses an den Beschwerdeführer. Die Zustellung erfolgte hier durch Übermittlung des Schriftstücks an den für das Verfahrenskostenhilfeverfahren bestellten Patentanwalt gegen dessen Empfangsbekenntnis (§ 127 Abs. 1 PatG i. V. m. § 5 Abs. 2 VwZG). Die Behörde war gehalten, die Zustellung an den Bevollmächtigten des Antragstellers zu richten (§ 8 Abs. 1 Satz 1 VwZG; BGH GRUR 1991, 814 - Zustellungsadressat), nachdem dieser im Zeitpunkt der Zustellung noch keine Mitteilung von der Niederlegung der Vertretung gemacht hatte.
Die einmonatige Beschwerdefrist begann demnach am 16. März 1999 und endete am 16. April 1999 (§ 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 222 ZPO, § 188 Abs. 2 BGB). Sie war daher im Zeitpunkt der Beschwerdeeinlegung (26. Mai 1999) bereits abgelaufen.
Trotz der Fristversäumnis wäre die Beschwerde zulässig, wenn dem Antragsteller eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden könnte, weil er ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Beschwerdefrist verhindert war (§ 123 Abs. 1 Satz 1 PatG). Dem Schreiben des Antragstellers vom 21. Februar 2000 ist sinngemäß ein Wiedereinsetzungsgesuch zu entnehmen. Der Antragsteller macht geltend, daß ihm der angefochtene Beschluß von seinem früheren Bevollmächtigten erst mit Verspätung zugeleitet worden sei. Dieser Umstand könnte die Wiedereinsetzung allenfalls dann rechtfertigen, wenn der Beschluß dem Antragsteller erst nach Ablauf der Beschwerdefrist übermittelt wurde. Letztlich kommt es jedoch auf das genaue Datum der Übermittlung nicht an. Die auf die verspätete Zuleitung des Beschlusses gestützte Wiedereinsetzung würde jedenfalls daran scheitern, daß die in § 123 Abs. 2 Satz 1 PatG vorgesehene Frist für die Stellung und die Begründung des Wiedereinsetzungsantrags nicht gewahrt worden ist. Der Antragsteller hätte innerhalb von zwei Monaten, nachdem ihm der angefochtene Beschluß zugegangen war, die Tatsachen, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen könnten, vorbringen und sie gleichzeitig oder zumindest im weiteren Verlauf des Verfahrens glaubhaft machen müssen (§ 123 Abs. 2 Satz 2 PatG). Wenn man davon ausgeht, daß ihm der Beschluß spätestens am Tag der Beschwerdeeinlegung, d. h. am 26. Mai 1999, zuging, hätte der Antragsteller die Wiedereinsetzung bis spätestens 26. Juli 1999 beantragen müssen, was er jedoch nicht tat.
Ob die vom Antragsteller dargelegten Schwierigkeiten im Zusammenhang mit seinen beengten Wohn- und Lebensverhältnissen sowie zweimaligen Umzügen dazu führten, daß ihm die Einhaltung der Beschwerdefrist nicht zumutbar war, kann ebenfalls dahingestellt bleiben. Diese Umstände hinderten den Antragsteller jedenfalls nicht daran, am 26. Mai 1999 Beschwerde einzulegen. Die zweimonatige Frist zur Beantragung der Wiedereinsetzung begann daher spätestens an diesem Tag zu laufen und endete am 26. Juli 1999. Sollten die genannten Schwierigkeiten während dieser zwei Monate wieder so groß geworden sein, daß ihm auch die Einhaltung dieser Frist nicht möglich war, so käme auch insoweit eine Wiedereinsetzung in Betracht, wobei der Antragsteller wiederum innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall der Hinderungsgründe einen entsprechenden Antrag hätte stellen müssen. Das Wiedereinsetzungsgesuch vom 23. Februar 2000 wäre demnach nur dann fristgemäß gewesen, wenn der Antragsteller auf Grund der von ihm genannten Umstände mindestens bis zum 23. Dezember 1999 nicht in der Lage war, die Wiedereinsetzung zu beantragen. Es ist jedoch - auch mangels konkreter gegenteiliger Angaben seitens des Antragstellers - nicht davon auszugehen, daß dieser tatsächlich in der Zeit vom 26. Juli 1999 bis 23. Dezember 1999, d. h. beinahe fünf Monate lang, nicht in der Lage war, mit einem Wiedereinsetzungsgesuch an das Gericht heranzutreten.
Auch eine etwaige (vom Antragsteller nicht geltend gemachte) fehlende Kenntnis von der Beschwerdefrist und von den Folgen ihrer Nichteinhaltung würde keinen Wiedereinsetzungsgrund darstellen, zumal dem Antragsteller zusammen mit dem angefochtenen Beschluß eine Rechtsmittelbelehrung übermittelt wurde. Sollte er fälschlicherweise angenommen haben, die Beschwerdefrist beginne erst in dem Zeitpunkt, in dem ihm der angefochtene Beschluß von seinem früheren Bevollmächtigten übermittelt worden war, so kann auch dieser Irrtum die Wiedereinsetzung nicht begründen. Er hätte zumindest in Betracht ziehen müssen, daß es für den Fristenlauf maßgeblich auf den Eingang des Beschlusses beim Patentanwalt ankommt. Im Zweifelsfall hätte er sich bei diesem Anwalt oder bei einer anderen rechtskundigen Person, ggf. auch beim Deutschen Patent- und Markenamt oder beim Bundespatentgericht, erkundigen können.
Da die Beschwerde demnach unzulässig ist, kommt es für die Entscheidung des Senats nicht darauf an, ob im vorliegenden Fall die weiteren Voraussetzungen für die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe gegeben sind. Insbesondere ist nicht zu prüfen, ob für die Patentanmeldung im Falle der Zulässigkeit der Beschwerde hinreichende Erfolgsaussichten bestehen würden.
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BPatG:
Beschluss v. 09.03.2000
Az: 9 W (pat) 60/99
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