Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 29. August 2014
Aktenzeichen: I-20 U 114/13
(OLG Düsseldorf: Urteil v. 29.08.2014, Az.: I-20 U 114/13)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Die Klage wurde teilweise abgewiesen. Der Beklagte wurde dazu verurteilt, den Kläger von der Zahlung einer Forderung der Anwaltskanzlei X. in Höhe von 334,75 € wegen Rechtsanwaltsgebühren und Auslagen anlässlich einer Abmahnung vom 27.10.2011 freizustellen. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden dem Kläger zu 2/10 und dem Beklagten zu 8/10 auferlegt. Die Kosten der Berufung werden gegeneinander aufgehoben. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Das Landgericht hatte den Beklagten dazu verurteilt, den Kläger von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 603,93 € freizustellen. Das Landgericht hielt einen Gegenstandswert für die außergerichtliche Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten in Höhe von 6.900,- € für angemessen. Das Gericht sah den Freistellungsanspruch nicht durch § 97a UrhG begrenzt, da der Beklagte zu kommerziellen Zwecken gehandelt hat.
Der Beklagte legte Berufung ein und beantragte, die Klage abzuweisen. Er argumentierte, dass das Gericht erster Instanz unzuständig gewesen sei und warf dem Kläger rechtsmissbräuchliche Abmahntätigkeit vor. Er beanstandete außerdem den Betrag des Streitwerts und die Erstattung von Umsatzsteuer.
Das Oberlandesgericht teilte die Ansicht des Landgerichts hinsichtlich der Verpflichtung des Beklagten zur Freistellung und wies die Berufung ab. Das Landgericht habe die Zuständigkeit richtig angenommen. Der Einwand des Beklagten, dass die Klage unzulässig sei, da der Streitwert unter 5.000,- € liege, wurde abgewiesen. Der Beklagte habe keine Beweise für sein Argument einer rechtsmissbräuchlichen Abmahntätigkeit vorgebracht. Das Gericht stellte fest, dass der Beklagte das Copyright des Klägers unberechtigt verletzt habe.
Das Oberlandesgericht änderte jedoch die Höhe des Gegenstandswerts für die Abmahnkosten. Statt 2.000,- € pro Bild, wurde ein Gegenstandswert von bis zu 3.000,- € für die Abmahnung gerechtfertigt. Die Freistellung des Klägers von den entsprechenden Gebühren und der Umsatzsteuer wurde bestätigt.
Es besteht keine Grundlage, die Revision zuzulassen, da keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen vorliegen, die eine Beantwortung durch den Bundesgerichtshof erforderlich machen.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
OLG Düsseldorf: Urteil v. 29.08.2014, Az: I-20 U 114/13
Tenor
I.
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 22.05.2013 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Zahlung einer Forderung der Anwaltskanzlei X. in Höhe von 334,75 € wegen Rechtsanwaltsgebühren und Auslagen anlässlich einer Abmahnung vom 27.10.2011 freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden dem Kläger zu 2/10 und dem Beklagten zu 8/10 auferlegt.
Die Kosten der Berufung werden gegeneinander aufgehoben.
III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Zwangsvollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I.
Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
Durch dieses hat das Landgericht, nachdem die Parteien den Rechtsstreit im Übrigen durch Teilvergleich beendet hatten, den Beklagten dazu verurteilt, den Kläger von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 603,93 € freizustellen und die Kosten des Verfahrens zu 9/10 zu tragen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, ein Gegenstandswert für die außergerichtliche Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten in Höhe von 6.900,- € sei angemessen. Er entspreche dem Wert eines entsprechenden Hauptsacheverfahrens, der vom Gericht nach freiem Ermessen festzusetzen sei. Für den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch sei ein Streitwert von 2.000,- € pro Lichtbild nicht übersetzt. Bereits ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 1,- € löse den Gebührensprung zum Gegenstandswert bis zu 7.000,- € aus. Der Freistellungsanspruch sei nicht durch § 97a UrhG begrenzt, da der Beklagte zu kommerziellen Zwecken gehandelt habe, wobei die Rechtsverletzung auch nicht nur unerheblich gewesen sei.
Hiergegen wendet sich der Beklagte und macht geltend, die Klage sei unzulässig, da der Streitwert unter 5.000,- € liege, so dass anstelle des Landgerichts das Amtsgericht zuständig gewesen wäre. Außerdem übe der Kläger eine rechtsmissbräuchliche Abmahntätigkeit aus, so dass die ihm entstehenden Kosten schon grundsätzlich nicht erstattungsfähig seien. Bestehe ein Erstattungsanspruch, sei er der Höhe nach gemäß § 97a UrhG beschränkt. Finde diese Norm keine Anwendung, betrage der Streitwert trotzdem nicht mehr als 1.200,- €. Die Erstattung von Umsatzsteuer stehe dem Kläger nicht zu, da er vorsteuerabzugsberechtigt sei.
Der Beklagte beantragt,
die Klage unter Aufhebung des landgerichtlichen Urteils abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens als zutreffend und macht insbesondere geltend, eine fehlende Zuständigkeit des Gerichts erster Instanz sei in der Berufung nicht zu prüfen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache zum Teil Erfolg. Die Klage ist hinsichtlich der allein noch streitgegenständlichen Abmahnkosten nur im tenorierten Umfang begründet. Was den Erstattungsanspruch dem Grunde nach anbelangt, hat das Landgericht zu Recht eine Verpflichtung des Beklagten bejaht. Seine Berufungsbegründung rechtfertigt keine andere Beurteilung.
Was den Einwand der fehlenden Zuständigkeit des Landgerichts anbelangt, gilt § 513 Abs. 2 ZPO. Danach kann die Berufung nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.
Dem Erstattungsanspruch des Klägers in Bezug auf seine vorprozessualen Kosten steht dem Grunde nach auch nicht der vom Beklagten erhobene Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens entgegen. Zwar ist § 8 Abs. 4 UWG nicht, auch nicht entsprechend anwendbar. Allerdings gilt auch für urheberrechtliche Ansprüche das allgemeine Verbot unzulässiger Rechtsausübung nach § 242 BGB (vgl. BGH GRUR 2013, 176 - Ferienluxuswohnung). Eine solche leitet der Beklagte aus der Vermutung her, der Kläger verfolge mit seinen Internetangeboten nicht den ernsthaften Verkauf der angepriesenen Produkte, sondern lege es nur darauf an, dass unbedarfte Privatpersonen seine Lichtbilder kopierten, um diesen gegenüber Ansprüche geltend zu machen. Dem kann schon deshalb nicht gefolgt werden, weil der Kläger unstreitig in seine Angebote einen Copyrightvermerk entsprechend der Anlage K 9 (Bl. 94 GA) aufnimmt. Damit warnt er die Leser seiner Anzeige gerade davor, das Lichtbild ohne seine Einwilligung zu benutzen.
Aufgrund der Tatsache, dass sich der Beklagte über diesen Copyrightvermerk hinweggesetzt hat, liegt auch ein qualitativer Verstoß vor, der gemäß § 97a Abs. 3 Satz 4 UrhG die Anwendung von § 97a Abs. 3 Satz 2 UrhG ausschließt (vgl. Reber in: Beck€scher Online-Kommentar Urheberrecht, § 97a Rdnr. 28).
Nicht gefolgt werden kann dem Landgericht jedoch in seiner Ansicht, der der Abmahnung zugrunde zu legende Gegenstandswert sei für den Unterlassungsanspruch mit 2.000,- € pro Bild anzusetzen. Vielmehr ist insoweit insgesamt nur ein Gegenstandswert von 2.000,- € gerechtfertigt, weshalb für die Abmahnung ein Gegenstandswert von bis zu 3.000,- € gerechtfertigt ist, was zu einem Kostenfreistellungsanspruch in ausgeurteilter Höhe führt.
Wie schon andere Oberlandesgerichte zuvor sieht auch der Senat aufgrund der zwischenzeitlichen technischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung Veranlassung, von seiner bisherigen Rechtsprechung zur Wertbemessung in Urheberrechtsstreitigkeiten der vorliegenden Art abzurücken und die Werte nach unten zu korrigieren. Der Umstand, dass die Nutzung des Internets mit all seinen Möglichkeiten durch breite Bevölkerungskreise in den letzten Jahren immer mehr zugenommen hat, was naturgemäß auch für die dabei vorkommenden Urheberrechtsverletzungen gilt, führt dazu, dass dem einzelne Verstoß ein geringeres Gewicht zukommt als früher.
Bei der unter Berücksichtigung des Gesagten vorzunehmenden Abwägung der den Streitwert des Unterlassungsanspruchs beeinflussenden Umstände, der eine schematische Vervielfachung des Lizenzsatzes, die von einigen Oberlandesgericht vorgenommen wird (vgl. OLG Braunschweig GRUR-RR 2012, 93; OLG Hamm GRUR-RR 2013, 39; OLG Brandenburg NJW-RR 2014, 227), nicht gerecht wird, ist vorliegend zum einen zu vergegenwärtigen, dass der Antragsgegner eine Privatperson ist, die gelegentliche Verkäufe bei eBay vornimmt, welche kein gewerbliches Ausmaß erreichen. Die urheberrechtlich angeeigneten Lichtbilder dienten damit lediglich der Illustration eines einzelnen Verkaufsvorgangs. Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsgegner weitere Gegenstände der streitgegenständlichen Art zum Verkauf hat oder hatte, liegen nicht vor. Der Verkaufswert des vom Beklagten angebotenen Produkts lag im mittleren Bereich. Bei den rechtsverletzend genutzten Produktfotos handelt es sich andererseits um professionell hergestellte Aufnahmen von besonders guter Qualität, die allerdings denselben Gegenstand betreffen. Schließlich muss berücksichtigt werden, dass der Beklagte sich das Werkschaffen des Klägers unter Hinwegsetzung über den vom Kläger angebrachten Copyright-Vermerk unrechtmäßig angeeignet hat. Alles in allem erscheint es daher gerechtfertigt, den Wert des streitgegenständlichen Unterlassungsbegehrens insgesamt mit 2.000,- € zu bewerten, so dass sich zusammen mit dem Wert des Schadensersatzbegehrens, der nicht konkret beziffert zu werden braucht, für die vorprozessuale Abmahnung jedenfalls ein Gegenstandswert von bis zu 3.000,- € ergibt.
Der Kläger kann auch Freistellung von der auf die entsprechenden Gebühren entfallenden Umsatzsteuer verlangen, obwohl er grundsätzlich zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Entgegen der Ansicht des Beklagten hat der Steuerberater des Klägers in seiner Erklärung vom 11.03.2011 (Anlage K 6, Bl. 29 GA), wonach für Kosten, die mit nicht steuerbaren Umsätzen wie echtem Schadensersatz in Zusammenhang stehen, ein Vorsteuerabzug nicht möglich ist, nichts durcheinandergebracht. Vielmehr hat er die sich aufgrund von § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG ergebende Rechtslage wiedergegeben. Das Recht zum Vorsteuerabzug besteht nur, wenn die Leistungsbezüge direkt und unmittelbar mit Ausgangsumsätzen zusammenhängen, die das Recht zum Vorsteuerabzug eröffnen. Das ist vorliegend nicht der Fall, da der geltend gemachte Schadensersatz mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 1 UStG nicht der Umsatzsteuer unterliegt.
Freizustellen ist der Kläger danach von dem sich wie folgt berechnenden Anspruch:
Gegenstandswert: bis zu 3.000,- €
Geschäftsgebühr 1,3 (x 201,- €) 261,30 €
Post- u. Telekommunikation 20,00 €
Zwischensumme netto 281,30 €
19 % Umsatzsteuer 53,45 €
334,75 €
III.
Die Kostenentscheidung folgt für die erste Instanz aus § 91 Abs. 1, § 91a Abs. 1, § 98 Satz 1 2. Halbsatz Abs. 1 ZPO, für die Berufungsinstanz aus § 92 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht. Vorliegend stellen sich keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen, deren Beantwortung durch den Bundesgerichtshof zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich wäre.
Streitwert für die Berufungsinstanz: 603,93,- €
OLG Düsseldorf:
Urteil v. 29.08.2014
Az: I-20 U 114/13
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