Landgericht Mannheim:
Urteil vom 25. Juni 2004
Aktenzeichen: 7 O 412/03
(LG Mannheim: Urteil v. 25.06.2004, Az.: 7 O 412/03)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Die Klägerin hat die Beklagte wegen Verletzung eines Patents auf Unterlassung, Rechnungslegung und Schadensersatz verklagt. Das Klagepatent betrifft eine Kontrollvorrichtung für den Luftdruck von luftbereiften Fahrzeugrädern. Die Klägerin und die Streithelfer behaupten, dass die Beklagte in Frankreich hergestellte Mess- und Sendeeinrichtungen liefert, die in Reifendruckkontrollsysteme eingebaut werden, die wiederum an Fahrzeuge der Klägerin in Deutschland geliefert werden. Die Klägerin und die Streithelfer machen geltend, dass die Beklagte somit mittelbar das Klagepatent verletze und damit eine unerlaubte Handlung im Inland begehe. Die Klägerin ist der Ansicht, dass das Landgericht Mannheim zuständig ist, weil die Beklagte den Vertrieb der patentverletzenden Produkte in Deutschland ermöglicht. Die Beklagte bestreitet die Zuständigkeit des Gerichts und behauptet, dass keine mittelbare Patentverletzung vorliege. Das Gericht entscheidet, dass die Klage unzulässig ist, da die internationale Zuständigkeit nicht gegeben ist. Es fehlt an einem konkreten Vorwurf, dass die Beklagte im Inland eine unerlaubte Handlung begangen hat. Die Klage wird abgewiesen und die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
LG Mannheim: Urteil v. 25.06.2004, Az: 7 O 412/03
Tenor
Der Beitritt der Streitgehilfen zu 1 und zu 2 als Streithelfer der Klägerin wird zugelassen.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten der Nebenintervention tragen die Streitgehilfen. Im Übrigen trägt die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 20.000,00 vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des europäischen Patents 0626911 (Klagepatent) auf Unterlassung, Rechnungslegung und Schadensersatz in Anspruch.
Das Klagepatent wurde am 26.02.1993 angemeldet, die Anmeldung am 07.12.1994 offengelegt und die Erteilung des Klagepatents am 15.11.1995 veröffentlicht. Der deutsche Teil des Klagepatents ist in Kraft. Es ist im Einspruchsverfahren durch - inzwischen rechtskräftigen - Beschluss des Europäischen Patentamts vom 27.07.1998 in vollem Umfang aufrechterhalten worden. Als Patentinhaberin war zunächst die Firma X. AG mit Sitz in Hallwil in der Schweiz eingetragen. Die X. AG - vertreten durch die beiden Streitgehilfen - schloss am 22.01.1997 einen Vertrag mit den beiden Streithelfern zur Übertragung des Klagepatents auf diese. Die Inhaberschaft am Klagepatent wurde daraufhin im Patentregister auf die beiden Streitgehilfen umgeschrieben. Am 16.04.2004 hat die Beklagte beim Bundespatentgericht Nichtigkeitsklage gegen das Klagepatent erhoben.
Das Klagepatent betrifft eine Kontrollvorrichtung für den Luftdruck von luftbereiften Fahrzeugrädern. Solche Kontrollvorrichtungen werden insbesondere für die Messung des Luftdrucks von Kraftfahrzeugrädern, und zwar sowohl von Lastkraftwagen als auch von Personenkraftwagen verwendet.
Der Anspruch 1 des Patents hat folgenden Wortlaut:
Kontrollvorrichtung für den Luftdruck in der Luftkammer von luftbereiften Fahrzeugrädern miteiner am Fahrzeugrad angeordneten Messeinrichtung, welche ein Drucksignal ausgibt;einer am Fahrzeugrad angeordneten Sendeeinrichtung, welche das von der Druckmesseinrichtung ausgehende Drucksignal aufnimmt und ein diesem entsprechendes Drucksendesignal aussendet,einer in der Sendeeinrichtung vorgesehenen Sende-Steuereinrichtung, welche die Ausstrahlung des Sendesignals steuert,einer in der Sendeeinrichtung vorgesehenen Signalgenerierungseinrichtung, welche ein Identifikationssignal generiert, das für die individuelle Sendeeinrichtung charakteristisch ist, wobei diese Steuereinrichtung bewirkt, dass dieses Identifikationssignal zumindest einmal vor oder nach der Aussendung des Drucksendesignals ausgestrahlt wird;einer im Abstand zum Fahrzeugrad angeordneten Sendeeinrichtung, welche das ausgestrahlte Sendesignal empfängt, wobei die Empfangseinrichtung einen Speicher aufweist, in dem ein der zugehörigen individuellen Sendeeinrichtung nach einem vorgegebenen Kriterium zugeordnetes Identifikations-Vergleichssignal abgespeichert ist, welches veränderbar ist, um das Identifikations-Vergleichssignal von Sende- und Empfangseinrichtung aneinander anzupassen;einer Anzeigeeinrichtung, welche mit der Empfangseinrichtung verbunden ist und Daten als Zahlen oder Symbole anzeigt, welche von dem von der Empfangseinrichtung empfangenen Sendesignal abgeleitet sind;einer in der Empfangseinrichtung angeordneten Vergleichseinrichtung, welche prüft, ob das von der Sendeeinrichtung ausgestrahlte Identifikationssignal dem in der Empfangseinrichtung gespeicherten Identifikations- und Vergleichssignal zugeordnet ist, wobei eine Weiterverarbeitung nur dann erfolgt, wenn das von der Empfangseinrichtung empfangene und das in der Empfangseinrichtung gespeicherte Identifikations-Vergleichssignal das Zuordnungskriterium erfüllen,wobei die im Fahrzeugrad angeordnete Druckmesseinrichtung ein für den Druck repräsentatives Drucksignal ausgibt,dadurch gekennzeichnet,dass die Empfangseinrichtung mit einer Schalteinrichtung verbunden ist, welche ein Umschalten der Empfangseinrichtung vom normalen Betriebsmodus, in dem der Luftdruck kontrolliert wird, in einen Paarungsmodus ermöglicht, in welchem die Empfangseinrichtung das von jeder Sendeeinrichtung übertragene Identifikationssignal empfängt und als Identifikations-Vergleichssignal bevorzugt mit einer Zuordnung der jeweiligen Radposition abspeichert.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Klagepatentschrift (Anlage K1) verwiesen.
Die Beklagte, eine französische Gesellschaft mit Sitz in &, stellt in Frankreich Mess- und Sendeeinrichtungen her, die sie in Frankreich an die Firma X. liefert. Die Firma X. verwendet diese Einrichtungen in Frankreich zur Herstellung eines Reifendruckkontrollsystems, mit dem sie den seit dem Jahr 2002 auf dem Markt eingeführten PKW X. Y. weltweit und auch in Deutschland ausliefert. Wegen der Einzelheiten hinsichtlich des Reifendruckkontrollsystems der Firma X. wird auf Anlage K 8 (Reparaturhandbuch) verwiesen.
Die Klägerin und die sie unterstützenden Streithelfer halten sowohl die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte als auch die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Mannheim für gegeben. Die Zuständigkeit ergebe sich daraus, dass die Beklagte wesentliche Bestandteile eines patentgemäßen Reifendruckkontrollsystems in Kenntnis des Klagepatents an X. liefere, obwohl sie wisse, dass damit ausgerüstete Fahrzeuge des Typs Y. von X. nach Deutschland geliefert würden. Hierdurch verursache die Beklagte bewusst und willentlich den inländischen Vertrieb von Fahrzeugen mit dem patentgemäßen Reifendruckkontrollsystem mit, so dass eine mittelbare Patentverletzung der Beklagten im Sinne von § 10 Abs. 1 PatG und somit eine unerlaubte Handlung im Inland gemäß Art.5 Nr. 3 EuGVVO vorliege. Der Gerichtsstand nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO bzw. § 32 ZPO sei aber auch dadurch begründet, dass das Anbieten und Vertreiben des X. Y. in Deutschland eine unerlaubte Handlung im Sinne von § 823 BGB darstelle. An der von X. begangenen unerlaubten Handlung wirke die Beklagte bewusst und gewollt mit, so dass die Voraussetzungen einer Mittäterschaft bzw. Beihilfe zur Patentverletzung gegeben seien (§§ 830, 840 BGB).
Weiter machen die Klägerin und die Streithelfer geltend, die Klägerin sei als Inhaberin einer ausschließlichen Lizenz am Klagepatent und deshalb aktivlegitimiert. Die Streitgehilfen, die Patentinhaber geworden seien, hätten zunächst der Firma Z. GmbH durch Vertrag vom 14.04.1997 eine ausschließliche Lizenz gewährt. Die Z. GmbH, die ihren Namen später in ZZ. GmbH geändert habe, habe mit Wirkung vom 01.09.1999 die Rechte und Pflichten aus dem Lizenzvertrag rechtswirksam auf die Klägerin übertragen.
Die Streifhelfer sind im Übrigen der Ansicht, sie hätten als Patentinhaber nicht nur ein wirtschaftliches, sondern ein rechtliches Interesse im Sinne von § 66 Abs. 1 ZPO am Obsiegen der Klägerin. Vom Ausgang des Prozesses hänge nämlich die Frage ab, ob die Beklagte die Ausschließlichkeitsrechte der Nebenintervenienten als Patentinhaber durch einen widerrechtlichen Eingriff in das Klagepatent beeinträchtige. Es bestehe zwar keine schlechthin und unbedingt zu bejahende Verpflichtung eines Lizenzgebers gegen jeden Verletzer vorzugehen, wohl aber zumindest eine Berechtigung, woraus sich indirekt das rechtliche Interesse ergebe. Da der Patentinhaber auch nach der Bestellung einer ausschließlichen Lizenz für eine Unterlassungsklage legitimiert bleibe, müsse er erst recht ein rechtliches Interesse am Ausgang eines Unterlassungsprozesses zwischen dem Lizenznehmer und dem Verletzer haben.
Die Klägerin und die sie unterstützenden Streitgehilfen beantragen,
die Beklagte zu verurteilen,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfalls bis insgesamt zu 2 Jahren, zu unterlassen,
Geräte für die Kontrolle des Luftdrucks in der Luftkammer von luftbereiften Fahrzeugrädern,
mit einer Messeinrichtung, welche ein für den Druck repräsentatives elektrisches Drucksignal ausgibt,
mit einer Sendeeinrichtung, welche das von der Druckmesseinrichtung ausgehende Drucksignal aufnimmt und ein diesem entsprechendes Drucksendesignal aussendet,
mit einer in der Sendeeinrichtung vorgesehenen Sende-Steuereinrichtung, welche die Ausstrahlung des Sendesignals steuert,
mit einer in dem Gerät vorgesehenen Signalerzeugungseinrichtung, welche ein Identifikationssignal erzeugt, das für die individuelle Sendeeinrichtung charakteristisch ist,
wobei diese Steuereinrichtung bewirkt, dass dieses Identifikationssignal vor oder nach der Ausstrahlung des Drucksendesignals ausgestrahlt wird,
Dritten zum Anbringen an luftbereiften Fahrzeugrädern und zur Benutzung im Inland für Kontrollvorrichtungen für den Luftdruck in den Luftkammern der Fahrzeugräder anzubieten oder zu liefern, soweit die Geräte oder mit den Geräten ausgerüstete Fahrzeugräder oder mit den Geräten ausgerüstete Fahrzeuge für den Vertrieb im Bereich der Bundesrepublik Deutschland bestimmt sind, wenn diese Kontrollvorrichtungen
eine im Abstand zum Fahrzeugrad angeordnete Empfangseinrichtung haben, welche dazu eingerichtet ist, das von der Sendeeinrichtung ausgestrahlte Sendesignal zu empfangen,
und wenn die Empfangseinrichtung einen Speicher aufweist, in dem ein der zugehörigen individuellen Sendeeinrichtung zugeordnetes Identifikations-Vergleichssignal abgespeichert werden kann, welches veränderbar ist, um das Identifikationssignal und das Identifikations-Vergleichssignal von Sende- und Empfangseinrichtung aneinander anzupassen,
und wenn in der Empfangseinrichtung eine Vergleichseinrichtung angeordnet ist, welche prüft, ob das von der Sendeeinrichtung ausgestrahlte Identifikationssignal einem der in der Empfangseinrichtung gespeicherten Identifikations-Vergleichssignale zugeordnet ist,
und wenn die Empfangseinrichtung so ausgebildet ist, dass eine Weiterverarbeitung der von der Empfangseinrichtung aufgenommenen Signale nur dann erfolgt, wenn das von der Empfangseinrichtung empfangene und eines der in der Empfangseinrichtung gespeicherten Identifikations-Vergleichssignale das Zuordnungskriterium erfüllen,
und wenn zu der Kontrollvorrichtung eine mit der Empfangseinrichtung verbundene Anzeigeneinrichtung gehört, welche Daten als Zahlen oder Symbole anzeigt, welche von dem von der Empfangseinrichtung empfangenen Sendesignal abgeleitet sind,
und wenn die Empfangseinrichtung von einem normalen Betriebsmodus, in dem der Luftdruck kontrolliert wird, in einen Paarungsmodus ungeschaltet werden kann, in welchem die Empfangseinrichtung das von jeder Sendeeinrichtung an den Rädern eines Fahrzeuges übertragene Identifikationssignal empfangen und als Identifikation-Vergleichssignal abspeichern kann,
insbesondere mit einer Zuordnung zu der jeweiligen Radposition;
insbesondere wenn in dem Gerät eine Umwandlungseinrichtung vorgesehen ist, die die von der Sendeeinrichtung zu übertragenden Signale digital codiert,
und/oder wenn in dem Gerät die Steuereinrichtung und die Signalerzeugungseinrichtung in einem Mikroprozessor zusammengefasst sind, welcher durch ein in einem Speicher gespeichertes Programm gesteuert ist,
und/oder wenn das Identifikationssignal in der Sendeeinrichtung als digitale Zahlenfolge mit derselben Anzahl Bits abgespeichert ist wie das Identifikations-Vergleichssignal, welches in der Empfangseinrichtung, welche dazu bestimmt ist, das von der Sendeeinrichtung ausgesandte Identifikationssignal zu empfangen, ebenfalls als digitale Zahlenfolge abgespeichert ist,
und/oder wenn die Übertragung der Signale von der Sendeeinrichtung zur Empfangseinrichtung mit elektromagnetischen Wellen konstanter Frequenz als Trägerwellen erfolgt,
und/oder wenn bei jeder Ausstrahlung zumindest 4 Bitfolgen mit jeweils vorgegebener Bitanzahl gesendet werden, wobei die erste Bitfolge eine Präambel ist, die die Synchronisation der Empfangseinrichtung auf die Sendeeinrichtung ermöglicht, die zweite und die dritte Bitfolge eine Datenfolge sind, von welcher eine Bitfolge für das gemessene Drucksignal repräsentativ ist und die andere das Identifikationssignal enthält, und eine letzte Bitfolge als Postambel, die jede Ausstrahlung abschließt,
und/oder wenn die Sendeeinrichtung eine Zeitgebereinheit aufweist und derart gesteuert ist, dass die Druckmesseinrichtung den Druck in vorgegebenen, im Wesentlichen festen Zeitintervallen misst,
und/oder wenn die Geräte für Kontrollvorrichtungen bestimmt sind, bei denen an mindestens zwei Rädern eines Kraftfahrzeuges eine Druckmesseinrichtung und eine Sendeeinrichtung angeordnet ist,
und/oder wenn die Geräte für Kontrollvorrichtungen bestimmt sind, welche eine Empfangseinrichtung haben, welche die Signale aller Sendeeinrichtungen eines Fahrzeuges aufnimmt,
und/oder wenn das von der Sendeeinrichtung ausgestrahlte Identifikationssignal und das in der Empfangseinrichtung, mit welchem die Sendeeinrichtung bestimmungsgemäß zusammenarbeiten soll, gespeicherte Identifikations-Vergleichssignal identisch sind,
2. der Klägerin Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die zu der Ziffer 1 bezeichneten Handlungen seit dem 15.12.1995 begangen hat, und zwar unter Angabe
a. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, Lieferzeiten, Lieferpreise und Typenbezeichnungen, sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
b. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, Angebotszeiten, Angebotspreisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
c. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
d. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
sowie die dazugehörigen Belege vorzulegen
3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, welcher der Klägerin durch die nach dem 15.12.1995 erfolgten Handlungen gemäß Ziffer 2 entstanden ist und noch entstehen wird.
Die Beklagte rügt die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte und beantragt,
die Klage abzuweisen.
Ferner beantragt sie, die Nebenintervention zurückzuweisen und die Verhandlung bis zur Entscheidung über die Nichtigkeitsklage gegen das Klagepatent auszusetzen.
Die Klägerin und die Nebenintervenienten treten dem Aussetzungsantrag entgegen, die Nebenintervenienten weiterhin dem Antrag, die Nebenintervention zurückzuweisen.
Die Beklagte macht geltend,
für eine Nebenintervention fehle es an einem rechtlichen Interesse im Sinne von § 66 Abs. 1 ZPO. Zwar hänge der Wert einer ausschließlichen Lizenz von der Umsetzung des Patents ab, insoweit seien jedoch ausschließlich wirtschaftliche Interessen betroffen, die insoweit nicht ausreichend seien. Außerdem werde das Rechtsverhältnis zwischen Lizenzgeber und Lizenznehmer in der vorliegenden Situation durch den Rechtsstreit nicht berührt, so dass die rechtliche Position des Lizenzgebers auch nicht beeinflusst werde. Die Nebenintervention sei daher zurückzuweisen.
Die Beklagte ist weiter der Ansicht, die Klage sei bereits unzulässig, da es an der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts fehle. Die angegriffenen Handlungen der Beklagten seien rein innerfranzösische Lieferungen bestimmter Teile an X., so dass sowohl der Handlungs- als auch der Schadensort in Frankreich liege. Ein eventuell in Deutschland eintretender Vermögensschaden genüge als lediglich mittelbarer Schaden nicht, um einen in Deutschland liegenden Ort der unerlaubten Handlung im Sinne von Art.5 Nr. 3 EuGVVO zu begründen.
Die Beklagte ist schließlich der Ansicht, dass die Klage darüber hinaus auch unbegründet sei. Zum einen fehle es bereits an der Aktivlegitimation der Klägerin und zum anderen liege keine mittelbare Patentverletzung vor. Mangels Angebot und Lieferung in Deutschland fehle es an dem erforderlichen Inlandsbezug. Die gelieferten Teile bezögen sich nicht auf ein wesentliches Element der Erfindung und außerdem beabsichtige X. keine Handlungen, die als unmittelbare Patentverletzung gewertet werden könnten.
Wegen der weiteren Einzelheiten im Hinblick auf das Vorbringen der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28.05.2004 verwiesen.
Gründe
I.
Der Beitritt der beiden Streitgehilfen auf Seiten der Klägerin ist nach § 71 Abs. 1 ZPO zuzulassen, da sie ein rechtliches Interesse im Sinne von § 66 Abs. 1 ZPO am Obsiegen der Klägerin glaubhaft gemacht haben. Über den Antrag der Beklagten auf Zurückweisung der Nebenintervention kann im Endurteil entschieden werden (vgl. BGH NJW 1982, 2070; OLG Düsseldorf NJW-RR 1998, 606).
Ein rechtliches Interesse am Obsiegen einer Partei im Sinne von § 66 Abs. 1 ZPO liegt bei einem Nebenintervenienten dann vor, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits durch Inhalt oder Vollstreckung unmittelbar oder mittelbar auf seine privat- oder öffentlichrechtlichen Verhältnisse rechtlich günstig oder ungünstig einwirkt, wobei der Begriff des rechtlichen Interesses weit auszulegen ist (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 66 Rn. 8f.). Ein rein ideales, sittliches, berufliches oder ausschließlich wirtschaftliches Interesse genügt hingegen nicht (OLG München GRUR 1976, 388).
Insoweit ist im vorliegenden Fall zunächst zu beachten, dass die Nebenintervenienten der Auffassung sind, Patentinhaber zu sein. Sie stützen sich hierbei auf den am 20./22.01.1997 in Hallwil in der Schweiz geschlossenen Vertrag (Anlage K 3) zur Übertragung des Patents von der X. AG auf die Nebenintervenienten. Im vorliegenden Zusammenhang muss nicht endgültig entschieden werden ob dieser Vertrag nach dem gemäß Art. 28 Abs. 1 und 2 EGBGB anzuwendenden Schweizer Recht im Hinblick auf eine eventuelle mit § 181 BGB vergleichbare Regelung wirksam ist und die Nebenintervenienten damit auch tatsächlich Patentinhaber geworden sind. Bei Prüfung der Frage, ob das nach § 66 Abs.1 ZPO erforderliche rechtliche Interesse gegeben ist, reicht es nämlich aus, dass ein derartiges Interesse glaubhaft gemacht wird. Das ist im Hinblick auf die vorgelegten Unterlagen sowie bei Berücksichtigung des Umstandes, dass das Klagepatent auf die Streitgehilfen umgeschrieben worden ist, zu bejahen.
Das Patent entfaltet als staatlich gewährtes subjektives Ausschlussrecht nach § 9 PatG Benutzungs- und Ausschlussrechte für den Patentinhaber. Als Träger des materiellen Rechts an dem Schutzrecht haben die Patentinhaber - ähnlich wie in Fällen der Prozessstandschaft - auch ein rechtliches Interesse im Sinne von § 66 Abs.1 ZPO am Obsiegen der Klägerin in dem Patentverletzungsstreit, den die Klägerin als (angebliche) Inhaberin einer ausschließlichen Lizenz im eigenen Namen führt, da es (auch) um Eingriffe in ihre Rechtsposition als Inhaber des Patents geht (vgl. Zöller-Vollkommer, a.a.O., § 66 Rn. 13a).
II.
Die Klage ist unzulässig. Es fehlt an der Prozessvoraussetzung der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte.
Im vorliegenden Rechtsstreit handelt es sich um einen Fall mit Auslandsberührung, da die Beklagte eine französische Gesellschaft mit Sitz in Frankreich ist. In solchen Fällen richtet sich die internationale Zuständigkeit nach der EG-Verordnung Nr. 44/2001 vom 22.12.2000 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO), die am 1. März 2002 in den Mitgliedsstaaten der EU in Kraft getreten ist. Die EuGVVO ist hier anwendbar, weil Patentverletzungsprozesse zu den Zivil- und Handelssachen nach Art. 1 Abs. 1 EuGVVO gehören und weil die Beklagte ihren Sitz innerhalb eines der Mitgliedsstaaten hat (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 60 Abs. 1 EuGVVO).
Da die Beklagte die internationale Zuständigkeit gerügt hat, ein Fall des Art. 24 EuGVVO also nicht gegeben ist, kommt im Streitfall lediglich eine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach Art. 3, 5 Nr. 3 EuGVVO in Betracht. Nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO können Ansprüche aus unerlaubter Handlung vor dem Gericht des Ortes geltend gemacht werden, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht. Die Vorschrift schafft am Tatort als forum delicti commissi einen besonderen Gerichtsstand für deliktische und quasideliktische Ansprüche, wozu - nach der vorzunehmenden autonomen Qualifikation (EuGH 17.10.1998 Rs C-51/97 Réunion) - auch Ansprüche wegen Patentverletzung gehören. Da diese Vorschrift dem Geschädigten die Rechtsverfolgung erleichtern soll, wird ihm die Wahl gegeben zwischen dem Handlungsort und dem Erfolgsort als Ort des Primärschadens. Kompetenzrechtlich irrelevant ist jedoch der bloße Schadensort, so dass der Ort, an dem ein reiner Vermögensschaden eintritt, keine internationale Zuständigkeit begründet (BGH NJW 1987, 592; EuGH 27.10.1998 Rs C-51/97 Réunion).
Zur Begründung der internationalen Zuständigkeit reicht es nicht aus, dass der Kläger die Rechtsaufassung vorträgt, der Beklagte habe im Inland eine unerlaubte Handlung begangen. Vielmehr ermöglicht Art. 5 Nr. 3 EuGVVO den deutschen Gerichte in Fällen mit Auslandsberührung eine Entscheidung in der Sache nur dann, wenn die klagende Partei schlüssig Tatsachen behauptet, aus denen sich das Vorliegen einer im Inland begangenen (oder drohenden) unerlaubten Handlung ergibt An dieser Voraussetzung fehlt es im Streitfall. Nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin und der Streithelfer liegt weder der Handlungsort noch der Erfolgsort in Deutschland.
1.Die Klägerin wirft der Beklagten in erster Linie eine mittelbare Patentverletzung vor, die dadurch begangen werde, dass die Beklagte in Frankreich Mess- und Sendeeinrichtungen mit bestimmten Merkmalen anbiete und an die Firma X. liefere, obwohl sie wisse, dass die gelieferten Einrichtungen in Reifendruckkontrollsysteme eingefügt würden, die von sämtlichen Merkmalen des Anspruchs 1 des Klagepatents Gebrauch machten, und obwohl ihr - der Beklagten - außerdem bekannt sei, dass X. Fahrzeuge mit derartigen Reifendruckkontrollsystemen auch nach Deutschland exportiere. Mit diesem Vortrag ist eine im Inland begangene mittelbare Patentverletzung nicht schlüssig behauptet. Gem. § 10 Abs. 1 PatG hat das Patent - bei Vorliegen bestimmter subjektiver Voraussetzungen - die Wirkung, dass es jedem Dritten verboten ist, ohne Zustimmung des Patentinhabers im Geltungsbereich des Patentgesetzes anderen als zur Benutzung der Erfindung berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung im Geltungsbereich des Patentgesetzes anzubieten oder zu liefern. Der Tatbestand weist einen doppelten Inlandsbezug auf: Sowohl das Anbieten und Liefern durch den Dritten (den mittelbaren Verletzer) als auch die zu erwartende Benutzung durch den Belieferten muss im Inland erfolgen. Nach der Rechtsprechung der Kammer reicht es aus, dass der wegen mittelbarer Verletzung des Schutzrechts in Anspruch Genommene vom Ausland aus ins Inland an den Dritten zur Benutzung im Inland liefert (vgl. Busse/Keukenschrivjer, PatG, § 10 Rn 15). Ein derartiger Fall liegt hier indes nach dem von der Klägerin vorgetragenen Sachverhalt nicht vor. Danach beliefert nämlich die Beklagte ausschließlich einen Abnehmer mit Sitz im Ausland (Frankreich). Erst dieser Abnehmer, der gleichzeitig derjenige ist, der nach der Vorstellung des Lieferanten (Beklagte) beabsichtigt, die Erfindung im Inland zu benutzen, liefert ins Inland. Bei dieser Sachlage fehlt es an einem Angebot bzw. an einer Lieferung durch den mittelbaren Verletzer im Inland (Benkard/Bruchhausen, PatG, 9. Aufl., § 10 Rn 18). Wollte man Lieferungen des ausländischen Abnehmers der Beklagten ins Inland ausreichen lassen und dem wegen mittelbarer Patentverletzung in Anspruch Genommenen zurechnen, so würde die in § 10 PatG vorgesehene doppelte Inlandsbindung vollständig aufgegeben. Dies hätte eine nicht zu rechtfertigende Ausdehnung des Schutzbereichs von Patenten zur Folge, die für das Inland erteilt sind. Jeder ausländische Hersteller von Gegenständen, die zwar nicht unter ein inländisches Patent fallen, aber zusammen mit anderen Teilen zu einer patentverletzenden Vorrichtung zusammengefügt werden können, wäre jedenfalls dann, wenn er Kenntnis von diesem Schutzrecht hat und außerdem damit rechnet, dass sein Abnehmer auch ins Inland liefert, gehindert, ausländische Abnehmer mit an sich zum freien Stand der Technik gehörenden Vorrichtungen zu beliefern. Gerade dann, wenn es sich bei dem Abnehmer um einen Großkonzern handelt, wird der Lieferant in aller Regel damit rechnen, dass auch ein Absatz in Deutschland in Betracht kommt. Er würde damit im Ergebnis für ein patentverletzendes Verhalten seines Abnehmers (mit) verantwortlich gemacht, obwohl er selbst weder ins Inland liefert noch sonstige Benutzungshandlungen im Inland vornimmt. Eine derart uferlose Ausdehnung des Schutzes inländischer Patente wäre nicht durch § 10 PatG gedeckt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Funkuhr-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH GRUR 2002, 599), auf die die Klägerin und die Streithelfer sich berufen. Dort hatte die Beklagte in Kenntnis des Klagepatents Funkuhren in Hongkong vollständig hergestellt und ebenfalls in Hongkong einem Dritten zum Zwecke des Transports nach Deutschland übergeben, wohin der Dritte sie dann auch ausgeliefert hat. Der Unterschied zum vorliegenden Sachverhalt liegt zum einen darin, dass es der Beklagte selbst war, der - wenn auch unter Einschaltung des Dritten - eine patentverletzende Vorrichtung ins Inland geliefert hat. Zum anderen ging es in dem vom BGH entschiedenen Fall um eine unmittelbare Patentverletzung, für die die doppelte Inlandsbindung des § 10 PatG gerade nicht gilt.
2.Die Klägerin und die Streithelfer haben nicht schlüssig vorgetragen, dass die Beklagte patentgemäße Reifendruchkontrollsysteme oder Teile solcher Vorrichtungen (unter den Voraussetzungen des § 10 PatG) im Inland angeboten haben. Die Vorlage der Pressemitteilungen der W. AG gem. Anlagen K 20 und K 21 reicht schon deshalb nicht aus, weil sich aus diesen Anlagen auch nicht ansatzweise ergibt, dass bei den dort erwähnten Reifendruck-Überwachungssystemen die im Klagepatent unter Schutz gestellte technische Lehre benutzt wird. Die Beklagte hat das in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer ausdrücklich bestritten.
3.In der mündlichen Verhandlung haben die Klägerin und die Streithelfer ergänzend geltend gemacht, es bestehe Begehungsgefahr im Inland, weil die Beklagte ja auch den französischen Teil des Klagepatents missachte. Selbst wenn man dies als richtig unterstellt (obwohl jeder Vortrag zur patentrechtlichen Situation in Frankreich fehlt und aus der Anlage K 1 nur hervorgeht, dass Frankreich zu den benannten Vertragsstaaten gehört), lässt sich daraus nicht die konkrete Befürchtung ableiten, die Beklagte werde in naher Zukunft Patentverletzungen im Inland begehen. Konkrete Anhaltspunkte, die dafür sprechen würden, dass die Beklagte alsbald ihre bisherige Praxis ändern und zur Belieferung von Abnehmern im Inland übergehen könnte, sind nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich. Auch insoweit fehlt es mithin an schlüssigem Vortrag zu einer (bevorstehenden) unerlaubten Handlung im Inland.
4.Der weitere Vortrag der Streithelfer in der mündlichen Verhandlung, sie gingen davon aus, dass die Beklagte das gesamte von X. verwendete System und nicht nur Teile davon lieferten, beruht, wie die Streithelfer selbst eingeräumt haben, auf nicht beweisbaren Vermutungen und ist schon deshalb ungeeignet, die deutsche internationale Zuständigkeit zu begründen. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob eine im Inland begangene (unmittelbare) Patentverletzung vorliegen würde, wenn die geäußerte Vermutung zuträfe.
5.Auch die Voraussetzungen einer Haftung der Beklagten wegen Beteiligung an einer von X. im Inland begangenen (vorsätzlichen) Patentverletzung sind nicht schlüssig dargetan. Zwar schließt § 10 PatG eine Verurteilung wegen Mittäterschaft oder vorsätzlicher Beteiligung an einer von einem Dritten begangenen vorsätzlichen Patentverletzung nicht völlig aus. Eine derartige Haftung lässt sich aber nicht mit der Erwägung begründen, die Beklagte liefere im Ausland nicht patentverletzende Teile an einen Abnehmer, der diese Teile dann innerhalb patentgemäßer Vorrichtungen verwende und die Vorrichtungen ins Inland liefere. Das geschilderte Verhalten des Teilelieferanten ist für sich genommen keine Beteiligung an einer im Inland begangenen unerlaubten Handlung.
Nach allem ist eine im Inland begangene Patentverletzung nicht schlüssig vorgetragen, so dass sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nicht aus Art. 5 Nr. 3 EuGVVO herleiten lässt.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 101 ZPO. Einer gesonderten Entscheidung über die Kosten des Zwischenstreits über die Zulassung der Nebenintervention bedarf es nicht, weil durch einheitliches Endurteil entschieden wird und besondere Kosten nicht angefallen sind. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 ZPO.
LG Mannheim:
Urteil v. 25.06.2004
Az: 7 O 412/03
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