Bundespatentgericht:
Beschluss vom 3. August 2004
Aktenzeichen: 6 W (pat) 305/03
(BPatG: Beschluss v. 03.08.2004, Az.: 6 W (pat) 305/03)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Bundespatentgericht hat in diesem Beschluss über den Einspruch gegen das Patent 198 49 747 entschieden. Der Einspruch wurde am 3. Januar 2003 mit der Begründung erhoben, dass der Gegenstand des Patents nicht patentfähig sei. Der Einspruch wurde ausreichend substantiiert und zulässig erklärt. Das Patent wird in beschränktem Umfang aufrechterhalten.
Das Patent bezieht sich auf eine Verteilervorrichtung für Dickstoffe, insbesondere für Beton. Das Patent beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit und erfüllt die patentrechtlichen Anforderungen. Der geltende Patentanspruch 1, der die Verteilervorrichtung beschreibt, ist neu und beinhaltet zwei spezifische Merkmale. Diese Merkmale sind nicht im Stand der Technik zu finden und können daher als erfinderisch angesehen werden. Das Patentanspruch 1 wurde daher bestätigt. Die darauf rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 9 wurden ebenfalls bestätigt.
Dieser Beschluss des Bundespatentgerichts bekräftigt die Gültigkeit des Patents und hält es in beschränktem Umfang aufrecht.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 03.08.2004, Az: 6 W (pat) 305/03
Tenor
Das Patent 198 49 747 wird in beschränktem Umfang aufrechterhalten. Der geänderten Fassung liegen folgende Unterlagen zugrunde:
- Patentanspruch 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 3. August 2004,
- Patentansprüche 2 bis 9 lt. Patentschrift - Beschreibung und Zeichnungen lt. Patentschrift.
Gründe
I.
Gegen die am 10. Oktober 2002 veröffentlichte Erteilung des Patents 198 49 747 mit der Bezeichnung "Verteilervorrichtung für Dickstoffe, insbesondere für Beton" ist am 3. Januar 2003 Einspruch erhoben worden. Der Einspruch ist mit Gründen versehen und auf die Behauptung gestützt, dass der Gegenstand des Patents nicht patentfähig sei (§ 21 I 1 PatG).
In der Einspruchsbegründung verweist die Einsprechende neben der bereits im Prüfungsverfahren berücksichtigten deutschen Patentschrift DE 196 41 789 C1 und der amerikanischen Patentschrift US 39 42 454 noch auf folgende Druckschriften:
D1: deutsche Übersetzung DE 690 20 118 T2 der europäischen Patentschrift EP 0 432 854 B1 D2: amerikanische Patentschrift US 45 48 236 D3: amerikanische Patentschrift US 41 30 134 Die Einsprechende ist der Auffassung, dass der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 gegenüber der D1 und auch gegenüber der D2 nicht neu sei.
Die Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.
Die Patentinhaberin legt in der mündlichen Verhandlung einen neuen Patentanspruch 1 vor und beantragt, das Patent in beschränktem Umfang mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:
- Patentanspruch 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 3. August 2004,
- Patentansprüche 2 bis 9, Beschreibung und Zeichnungen lt. Patentschrift.
Die Patentinhaberin ist der Auffassung, dass der Gegenstand des neuen Patentanspruchs 1 durch den nachgewiesenen Stand der Technik weder vorweggenommen noch nahegelegt ist.
Der geltende Patentanspruch 1 lautet:
"Verteilervorrichtung für Dickstoffe, insbesondere für Beton, mit einem eine Betonförderleitung tragenden Verteilermast, der insbesondere aus mehreren, vorzugsweise in vertikaler Ebene zueinander faltbaren Mastabschnitten gebildet ist, von denen mindestens einer teleskopierbar ist und mindestens ein erstes Teleskoprohr (3) und ein gegenüber diesem ausfahrbares zweites Teleskoprohr (4) aufweist und bei dem die Betonförderleitung im Bereich des teleskopierbaren Verteilermastabschnitts (2) zum Zwecke der Längenanpassung der Betonförderleitung an die Teleskopierbewegung als ein System aus mehreren, scherenartig gelenkig miteinander verbundenen Förderleitungselementen (9, 13) ausgebildet ist, von denen ein Förderleitungselement (9) mit einem Ende gelenkig bezüglich des ersten Teleskoprohres (3) und ein weiteres Förderleitungselement (13) mit seinem Ende gelenkig bezüglich des zweiten Teleskoprohres (4) angeordnet ist, die Anlenkpunkte (10, 15) der beiden an die Teleskoprohre (3, 4) angelenkten Förderleitungselemente (9, 13) in den beiden Teleskopendstellungen im wesentlichen wechselweise über Kreuz zueinander angeordnet sind, und dass beim Ein- und Ausfahren des einen Teleskoprohres (4) in seine Teleskopendstellung die beiden Anlenkpunkte (10, 15) aneinander vorbeilaufen, wobei die Förderleitungselemente (9, 13) in der einen Teleskopendstellung entgegen der Betonförderrichtung (F) und in der anderen Teleskopendstellung in der Betonförderrichtung (F) erstreckt sind, dadurch gekennzeichnet, dassbeim Ein- und Ausfahren des einen Teleskoprohres (4) in dem Punkt, in welchem die beiden Anlenkpunkte (10, 15) einander passieren, der Winkel zwischen den beiden gelenkig miteinander verbundenen Förderleitungselementen (9, 13) ungleich Null ist, und dass die Förderleitungselemente (9, 13) mit einem der Ausfaltbewegung der Förderleitungselemente (9, 13) gegengerichteten elastisch wirkenden Schwenkmoment beaufschlagt sind."
Wegen der auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 9 wird auf die Patentschrift und wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
1. Über den Einspruch ist gemäß § 147 Abs. 3 Ziff. 1 PatG in der Fassung des Gesetzes zur Bereinigung von Kostenregelungen auf dem Gebiet des Geistigen Eigentums vom 13. Dezember 2001 Art 7 durch den Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts zu entscheiden.
2. Der frist- und formgerecht erhobene Einspruch ist ausreichend substantiiert und zulässig, was auch von der Patentinhaberin nicht in Zweifel gezogen worden ist.
3. Der Gegenstand des angefochtenen Patents stellt eine patentfähige Erfindung im Sinne der §§ 1 bis 5 PatG dar.
a. Die Gegenstände der geltenden Patentansprüche 1 bis 9 sind in den ursprünglichen Unterlagen offenbart, die Patentansprüche sind somit zulässig. Der erteilte Patentanspruch 1 ergibt sich aus dem ursprünglichen Anspruch 1 sowie Seite 11, Absatz 4 und Seite 10, Absatz 3 der Anmeldungsunterlagen bzw. dem erteilten Patentanspruch 1 sowie Spalte 7, Zeilen 60 bis 65 und 20 bis 25 der Patentschrift und die erteilten Unteransprüche 2 bis 9 gehen auf die ursprünglichen Ansprüche 2 bis 6 und 8 bis 10 zurück.
b. Der geltende Patentanspruch 1 stellt eine klare Lehre zum technischen Handeln dar, da die Lehre des Patents so deutlich und vollständig offenbart ist, dass ein Fachmann - ein mit dem Entwurf und der Konstruktion von Betonfördereinrichtungen befasster Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau - sie nacharbeiten kann.
Die Einsprechende hat in ihrer Eingabe vom 14. Juli 2004 vorgetragen, dass das Merkmal, wonach die Förderleitungselemente mit einem ... elastisch wirkenden Schwenkmoment beaufschlagt seien, wegen fehlender Klarheit unzulässig sei.
Dieser Vorhalt vermag nicht zu greifen. Wie die Einsprechende in ihrer Eingabe zutreffend ausführt, bedeutet das fragliche Merkmal, dass aufgrund einer am Förderleitungselement angreifenden Feder ein Drehmoment erzeugt wird, welches entgegen der Ausfaltbewegung gerichtet ist. Mit diesen Ausführungen gibt die Einsprechende aber bereits selbst zu erkennen, wie das fragliche Merkmal zu verstehen ist, so dass von einer unklaren Lehre keine Rede sein kann. Überdies ergibt sich auch aus der Beschreibung (vgl. insbes. Absatz 0041) klar und eindeutig, was mit dem fraglichen Merkmal gemeint sein soll.
c. Die zweifelsfrei gewerblich anwendbare Verteilervorrichtung für Dickstoffe nach Patentanspruch 1 ist neu, da keine der genannten Druckschriften sämtliche nunmehr im Patentanspruch 1 enthaltenen Merkmale zeigt, wie sich auch aus den folgenden Ausführungen ergibt.
d. Die Verteilervorrichtung gemäß dem erteilten Patentanspruch 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Der geltende Patentanspruch 1 geht von einer Verteilervorrichtung für Dickstoffe, insbesondere für Beton aus, wie sie beispielsweise in der deutschen Übersetzung DE 690 20 118 T2 der europäischen Patentschrift EP 0 432 854 B1 (D1) oder in der amerikanischen Patentschrift US 45 48 236 (D2) erläutert ist, und weist in seinem kennzeichnenden Teil die folgenden zwei Merkmale auf:
1.) beim Ein- und Ausfahren des einen Teleskoprohres (4) ist in dem Punkt, in welchem die beiden Anlenkpunkte (10, 15) einander passieren, der Winkel zwischen den beiden gelenkig miteinander verbundenen Förderleitungselementen (9, 13) ungleich Null, 2.) die Förderleitungselemente (9, 13) sind mit einem der Ausfaltbewegung der Förderleitungselemente (9, 13) gegengerichteten elastisch wirkenden Schwenkmoment beaufschlagt.
Zu keinem dieser Merkmale kann der Stand der Technik eine Anregung liefern.
Die deutsche Übersetzung DE 690 20 118 T2 der europäischen Patentschrift EP 0 432 854 B1 beschreibt eine Vorrichtung zum Ferngiessen von Beton, bei der mehrere Förderleitungselemente miteinander und mit Teleskoprohren verbunden sind. Dieser Druckschrift kann aber nichts darüber entnommen werden, dass beim Ein- und Ausfahren des einen Teleskoprohres in dem Punkt, in welchem die beiden Anlenkpunkte einander passieren, der Winkel zwischen den beiden gelenkig miteinander verbundenen Förderleitungselementen ungleich Null ist. Vielmehr ist über den fraglichen Winkel in dieser Druckschrift keine Aussage getroffen und auch den Figuren lässt sich nichts entnehmen, was darauf hindeutet, dass sich der Winkel zwischen den Anlenkpunkten beim Ein- und Ausfahren des einen Teleskoprohres in der beanspruchten Art und Weise verhält.
Eine ähnliche Ausgestaltung wie die deutsche Übersetzung DE 690 20 118 T2 der europäischen Patentschrift EP 0 432 854 B1 zeigen die beiden amerikanischen Patentschriften US 45 48 236 und US 41 30 134. Auch dort ist über das Verhalten des Winkels zwischen den beiden gelenkig miteinander verbundenen Förderleitungselementen weder etwas ausgesagt, noch lassen die Figuren eine Schluss darüber zu.
Weiterhin fehlt den vorgenannten Verteilervorrichtungen allesamt das Merkmal, wonach die Förderleitungselemente mit einem der Ausfaltbewegung der Förderleitungselemente gegengerichteten elastisch wirkenden Schwenkmoment beaufschlagt sind.
Von diesem Stand der Technik kann somit kein Hinweis in Richtung auf den Patentgegenstand ausgehen.
Einen solchen Hinweis erhält der Fachmann auch nicht bei Kenntnis der verbleibenden Druckschriften, die im übrigen von der Einsprechenden nicht mehr angezogen worden sind. Denn diese Druckschriften liegen erkennbar noch weiter vom Patentgegenstand ab als der vorstehend erläuterte Stand der Technik. Sie können mangels entsprechender Hinweise somit ebenfalls keine Anregungen zum Patentgegenstand liefern, da auch ihnen Hinweise auf die nunmehr im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmale fehlen.
Nach alledem kann der aufgezeigte Stand der Technik weder für sich allein betrachtet noch in einer Zusammenschau zum Patentgegenstand führen, da dort jegliche Hinweise auf das Verhalten des Winkels zwischen den beiden Förderleitungselementen und erst recht auf die Beaufschlagung der Förderleitungselemente mit einem der Ausfaltbewegung entgegengerichteten elastisch wirkenden Schwenkmoment fehlen.
Der Patentanspruch 1 hat daher Bestand.
e. Das gleiche gilt für die auf diesen Patentanspruch rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 9, die auf Merkmale zur Weiterbildung der Verteilervorrichtung nach Patentanspruch 1 gerichtet sind.
Lischke Heyne Schmidt-Kolb Schneider Hu
BPatG:
Beschluss v. 03.08.2004
Az: 6 W (pat) 305/03
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