Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 4. März 2010
Aktenzeichen: 4 U 200/09
(OLG Hamm: Urteil v. 04.03.2010, Az.: 4 U 200/09)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts wird begründet. Gegenstand des Berufungsverfahrens sind jedoch nur zwei der beanstandeten Werbeaussagen der Beklagten. Das Landgericht hat diese Aussagen zu Unrecht nicht verboten. Es handelt sich um einen Warenartenvergleich, bei dem die herkömmlichen Kochsalze mit dem Salz der Beklagten verglichen werden. Solche Vergleiche unterliegen nicht nur dem Irreführungsverbot und dem Verbot der Formalbeleidigung, sondern auch dem Gebot der Sachlichkeit. Die Beklagte hat dieses Gebot verletzt, indem sie ihr eigenes Salz einseitig vorteilhaft dargestellt hat und die Nachteile des Kochsalzes verschwiegen hat. Die beanstandeten Aussagen erwecken unsichere Vorstellungen beim Verbraucher darüber, wie die Vor- und Nachteile der Salze abzuwägen sind. Die Werbeaussagen suggerieren eine Vorteilhaftigkeit des Salzes der Beklagten, ohne konkret zu benennen, welche Mineralien und Spurenelemente im Kochsalz verloren gehen. Das Landgericht hat die Klage hinsichtlich der anderen beanstandeten Aussagen teilweise abgewiesen, gegen diese Entscheidung des Landgerichts richtet sich die Berufung des Klägers jedoch nicht. Die Kostenentscheidung des Landgerichts wird vom Kläger nicht angegriffen und bleibt somit bestehen.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
OLG Hamm: Urteil v. 04.03.2010, Az: 4 U 200/09
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 13. Oktober 2009 verkündete Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bielefeld teilweise abge-ändert.
Die Beklagte wird unter Einbeziehung der Ordnungsmittelandrohung weiterhin verurteilt, es zu unterlassen,
wie nachstehend wiedergegeben für ein Steinsalz mit dem Hinweis zu werben:
„Beim „normalen" Kochsalz handelt es sich meist um ein raffiniertes, oft unter Zusatz von chemischen Mitteln hergestelltes Produkt."
und/oder
„Häufig gehen auch viele im ursprünglichen Salz enthaltenen Mineralien und Spurenelemente bei der maschinellen Weiterverarbeitung verloren.":
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden dem Kläger 2/7 und der Beklagten 5/7 auferlegt.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 25.000,- EUR abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beklagte vertreibt Steinsalz, das in Pakistan in der sog. Salt Range abgebaut wird. Dieses Salz bringt die Beklagte naturbelassen in den Handel. Sie bewarb dieses Salz in ihrem Internetauftritt vom 4. Juni 2009 wie im Tenor des Senatsurteils als Ablichtung wiedergegeben.
Der Kläger hielt verschiedene Aussagen für wettbewerbswidrig und erhob insoweit nach entsprechender Abmahnung Unterlassungsklage gegen die Beklagte.
Nach Klageerhebung hat sich die Beklagte gegenüber dem Kläger strafbewehrt unterworfen, es zu unterlassen,
"wie in der Anlage wiedergegeben für ein Speisesalz anzukündigen:
1. "I-Salz"
und/oder
2. "ist bioenergetisch sehr wertvoll…."
und/oder
3. "Millionen Jahre sind die Salzkristalle im I unter starken Druck herangereift und waren so gut wie keinen Verunreinigungen ausgesetzt",
wobei sich die Unterlassungsverpflichtung gemäß vorstehender Ziffer 3 auf die Verwendung der geografischen Bezeichnung: "im I" bezieht."
Der Kläger hat diese Unterlassungserklärung angenommen, worauf die Parteien insoweit den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben.
Zu den noch im Streit verbliebenen Äußerungen hat der Kläger behauptet, dass die Aussage "3 Millionen Jahre sind die Salzkristalle im I unter starkem Druck herangereift und waren so gut wie keinen Verunreinigungen ausgesetzt" eine Besonderheit des Salzes der Beklagten suggeriere, die nicht gegeben sei. Salz könne nicht heranreifen. Zudem weise das unbehandelte Salz der Beklagten auch erhöhte Verunreinigungen auf.
Die Aussage "Beim "normalen" Kochsalz handelt es sich meist um ein raffiniertes, oft unter dem Zusatz von chemischen Mitteln hergestelltes Produkt" sei ebenfalls unsachlich und wettbewerbswidrig nach § 4 Nr. 1, Nr. 10 und § 5 UWG. Der Verbraucher stelle sich unter chemischen Mitteln gesundheitlich bedenkliche Dinge vor; die Beklagte nutze damit diffuse Ängste in unsachlicher Weise aus.
Ein unsachlicher Warenartenvergleich liege auch in der Äußerung "Häufig gehen auch viele im ursprünglichen Salz enthaltene Mineralien und Spurenelemente bei der maschinellen Weiterverarbeitung verloren." Denn damit suggeriere die Beklagte, dass durch das sogenannte Raffinieren, welches bei handelsüblichem Kochsalz stattfinde, wertvolle Stoffe verloren gingen, weshalb das Salz der Beklagten gesünder sei. Tatsächlich enthalte das Salz der Beklagten aber keine Stoffe, die es gesünder machten. Somit sei die Werbung der Beklagten auch hinsichtlich dieser Aussage wettbewerbswidrig nach § 4 Nr. 1, Nr. 10 und § 5 UWG.
Unsachlich sei auch der Vergleich in der folgenden Äußerung: "Kristallsalz ist für uns Menschen eines der besten natürlichen Salze. Ein Vergleich mit anderen Salzen zeigt, dass es nahezu keine Rückstände aus der Umweltbelastung enthält." Diese Äußerung suggeriere eine besondere Reinheit des Produktes der Beklagten, während dies in Wahrheit als unbehandeltes Steinsalz erhebliche von Natur aus vorkommende Verunreinigungen besitze.
Auch die letzte Äußerung, die Meersalz betreffe, sei unsachlich.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, es bei Androhung von Ordnungsmitteln zu unterlassen, wie nachstehend wiedergegeben für ein Steinsalz mit dem Hinweis zu werben,
3.) "Millionen Jahre sind die Salzkristalle im I unter starkem Druck herangereift und waren so gut wie keinen Verunreinigungen ausgesetzt."
und/oder
4.) "Beim "normalen" Kochsalz handelt es sich meist um ein raffiniertes, oft unter dem Zusatz von chemischen Mitteln hergestelltes Produkt."
und/oder
5.) "Häufig gehen auch viele im ursprünglichen Salz enthaltenen Mineralien und Spurenelemente bei der maschinellen Weiterverarbeitung verloren."
und/oder
6.) "Kristallsalz ist für uns Menschen eines der besten natürlichen Salze. Ein Vergleich mit anderen Salzen zeigt, dass es nahezu keine Rückstände aus der Umweltbelastung enthält." und/oder
7.) "Meersalz kann Rückstände aus Umweltbelastungen (z.B. Schwermetalle) enthalten. Außerdem wird es von vielen Herstellern raffiniert und ist dann dadurch vergleichbar mit herkömmlichem Koch- bzw. Speisesalz."
Es folgt sodann die im Tenor des Senatsurteils wiedergegebene Werbeseite.
Den Antrag zu Ziffer 3. hat der Kläger nur insoweit gestellt, als er hinsichtlich der Ortsbezeichnung "I" nicht für erledigt erklärt worden ist.
Der Kläger hat weiter beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 181,13 € nebst Zinsen zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat geltend gemacht,
ihre Werbung enthalte sachlich zutreffende Beschreibungen, denen eine Irreführung nicht anhafte.
Der Begriff "Heranreifen" sei zwar im Zusammenhang mit Steinsalz nicht der fachlich genaueste Begriff, aber auch nicht irreführend, da damit zum Ausdruck gebracht werde, dass das Salz über Millionen Jahre starkem Druck ausgesetzt gewesen sei, durch den ursprüngliches Meersalz in Salzgestein umgewandelt worden sei. Kein Verbraucher werde dahinter eine Reifung wie bei Käse oder Wein vermuten. Auch sei das Steinsalz der Salt Range so gut wie keinen Verunreinigungen ausgesetzt gewesen, die Schwermetallgehalte für Arsen, Blei, Kadmium und Quecksilber seien so gering, dass das gebrochene Steinsalz ohne weitere Reinigung den Anforderungen von Speisesalz entspreche.
Die Aussage im Klageantrag 4 sei nicht zu beanstanden. Normales Tafelsalz werde raffiniert, Bleichmittel und Rieselhilfen, also chemische Mittel, würden dabei eingesetzt. Die Beklagte erwecke nicht den Eindruck, dass normales Kochsalz gesundheitlich bedenklich sei. Die Beklagte dürfe durchaus darauf hinweisen, wie das andere Lebensmittelhersteller auch täten, dass ihr Salz frei von Zusatzstoffen und naturbelassen sei.
Auch die Aussage im Klageantrag 5 sei nicht zu beanstanden, denn es sei zutreffend, dass mit den für herkömmliches Kochsalz angewendeten Raffinationsverfahren bestimmte Stoffe, nämlich Mineralien und Spurenelemente, aus dem Salz entfernt würden. Die Aussage der Beklagten beinhalte nicht, dass dieser Weiterverarbeitung zu Kochsalz ein gesundheitlicher Nachteil innewohne. Es müsse aber erlaubt sein, die objektiv bestehenden Unterschiede zwischen unbehandeltem Steinsalz und raffiniertem Salz zu benennen.
Was die im Klageantrag zu 6) enthaltene Aussage angehe, so stehe sie im Zusammenhang mit der Beschreibung von Meersalz. Meersalz könne in der Tat aus Umweltbelastung Rückstände, insbesondere Schwermetallrückstände, enthalten. Hingegen sei das Salz der Beklagten praktisch rückstandsfrei und deshalb eines der besten natürlichen Salze. Ihre Aussage beziehe sich auf natürliche, nicht raffinierte Salze; selbstverständlich werde dem Salz sodann gleich welchen Ursprungs im Wege der Raffination die Verunreinigung entzogen.
Schließlich sei auch gegen die im Klageantrag zu 7) enthaltene Aussage nichts einzuwenden. Die Qualität des Meersalzes sei, was Rückstände aus Umweltbelastungen angehe, abhängig von der Wasserqualität. Wenn Öl, Chemikalien und Schwermetalle die Küsten verschmutzten, wirke sich das auf das Meersalz aus. Darauf dürfe die Beklagte hinweisen, ebenso wie auf den Umstand, dass man das Meersalz zwar von diesen Verunreinigungen durch Raffination befreien könne, dass damit aber das raffinierte Meersalz dann nicht mehr von raffiniertem Steinsalz zu unterscheiden sei.
Das Landgericht hat durch Urteil vom 13. Oktober 2009 wie folgt für Recht erkannt:
I.
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 250.000,00 Euro, ersatzweise von Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zur Dauer von sechs Monaten zu unterlassen.
wie nachstehend wiedergegeben für ein Steinsalz mit dem Hinweis zu werben,
"Millionen Jahre sind die Salzkristalle unter starkem Druck herangereift"
und/oder
"Ein Vergleich mit anderen Salzen zeigt, dass es nahezu keine Rückstände aus der Umweltbelastung enthält"
und/oder
"Meersalz kann Rückstände aus Umweltbelastungen (z.B. Schwermetalle) enthalten."
Es folgt sodann das im Tenor des Senatsurteils wiedergegebene Werbeblatt. Das Landgericht hat die Beklagte des weiteren verurteilt, an den Kläger 181,13 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20. Juli 2009 zu zahlen.
Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben.
Die noch umstrittenen Werbeaussagen der Beklagten befänden sich alle unter der Überschrift "Salz ist nicht gleich Salz". Wie diese Überschrift andeute, vergleiche die Beklagte ihr Salz in allgemeiner Weise mit anderem Speisesalz. Dabei nehme sie auf keinen bestimmten Hersteller anderer Salze Bezug, so dass die Werbung der Beklagten keine vergleichende Werbung i.S.d. § 6 UWG sei. Die Darstellung der Naturbelassenheit des Salzes der Beklagten in immer neuen Variationen bringe es mit sich, dass die Beklagte auf die davon abweichenden Eigenschaften anderer Salze eingehe. Dass die Beklagte dabei für die Eigenschaften des eigenen Produktes schöne Worte finde ("Kristallsalz"), für die Eigenschaften der Wettbewerbsprodukte weniger schöne ("oft unter dem Zusatz von chemischen Mitteln hergestelltes Produkt"), sei werbungstypisch und nicht unsachlich, jedenfalls nicht unsachlicher als Werbung nun einmal sei. Die Grenze des Erlaubten sei bei Herabsetzungen und Verunglimpfungen, sowie bei Irreführungen zu ziehen. Diese Grenze sei bei der Werbeaussage überschritten, dass die Salzkristalle Millionen Jahre unter starkem Druck herangereift seien. Dies erwecke den Eindruck, dass das Salz der Beklagten im Laufe der Jahrmillionen immer besser geworden sei. Das sei unrichtig, da das (ursprüngliche Meer) Salz nach der Überdeckung und Gebirgsbildung für den Rest der Zeit bis zur gegenwärtigen Förderung schlicht dagelegen habe ohne weitere Reifung oder Verbesserung.
Nicht zu beanstanden sei hingegen die Aussage, dass die Salzkristalle der Beklagten so gut wie keinen Verunreinigungen ausgesetzt gewesen seien. Dies dürfe die Beklagte als positive Eigenschaft ihres naturbelassenen Salzes darstellen.
Die Aussage über die Eigenschaften natürlichen Kochsalzes sei nicht wettbewerbswidrig. Denn "normales" Kochsalz sei regelmäßig raffiniert, d.h. gereinigt und von manchen Stoffen befreit, während andere Stoffen hinzugesetzt würden. Diese Stoffe seien durchaus "chemische Mittel". Der normale Verbraucher schließe aus dem Begriff "chemische Mittel" aber nicht ohne weiteres auf gesundheitliche Bedenken, wohl aber darauf, dass normales Kochsalz eben kein Naturprodukt sei. Darauf hinzuweisen, sei der Beklagten erlaubt.
Nichts anderes gelte für die Werbeaussage, dass bei der maschinellen Weiterverarbeitung häufig viele im ursprünglichen Salz enthaltene Mineralien und Spurenelemente verloren gingen. Denn es sei gerade das Ziel der Raffinierung, Verunreinigungen, wie etwa Eisenoxyd, aus dem Natursalz zu entfernen. Dann sei es aber bloße Anschauungssache, ob man die bei der Raffination entfernten Stoffe "Mineralien und Spurenelemente" oder "Verunreinigungen" nenne.
Weder unsachlich noch irreführend sei auch die Aussage der Beklagten, Kristallsalz sei für Menschen eines der besten natürlichen Salze. Wettbewerbswidrig und zu unterlassen sei hingegen der Satz, dass ein Vergleich mit anderen Salzen zeige, dass es nahezu keine Rückstände aus Umweltbelastung enthalte. Zu beanstanden sei insoweit nicht der zweite Teil der Aussage, dass das Salz der Beklagten keine Rückstände aus Umweltbelastungen enthalte, sondern der einleitende Satz, dass dies ein Vergleich mit anderem Salz zeige. Denn damit sage die Beklagte, dass andere Salze solche Rückstände aufwiesen.
Aus demselben Grund sei der Satz wettbewerbswidrig, dass Meersalz Rückstände aus Umweltbelastungen (z.B. Schwermetalle) enthalten könne. Das möge wiederum für den Zeitpunkt der Gewinnung aus dem Meer gelten; infolge anschließender Reinigung komme das Salz aber ohne solche Rückstände in den Handel.
Wegen des Inhaltes des Urteiles im Einzelnen wird auf Blatt 53 ff der Akten verwiesen.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger form- und fristgerecht Berufung eingelegt.
Unter Ergänzung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrages legt der Kläger zunächst in Abgrenzung von dem vom Landgericht formulierten Obersatz allgemein dar, wann seiner Meinung nach Warenartenvergleiche zulässig und wann sie unzulässig seien. Dabei betont der Kläger, dass ein solcher Vergleich unzulässig sei, wenn er im Sinne des § 4 Nr. 1 UWG geeignet sei, Verbraucher unsachlich zu beeinflussen. Eine pauschale Herabsetzung ohne hinreichenden sachlichen Bezug sei selbst dann unlauter, wenn die Äußerung bei Angabe der näheren Umstände nicht zu beanstanden sei. Die Aussage zum "normalen" Kochsalz sei unsachlich. Denn mit dem Hinweis auf chemische Mittel würden diffuse Ängste des Verbrauchers vor Chemie im F ausgenutzt, um dem Verbraucher eine angebliche Minderwertigkeit des normalen Kochsalzes vor Augen zu führen.
Die folgende Aussage suggeriere, dass das Produkt der Beklagten mehr Mineralien und Spurenelemente enthielte als normales Kochsalz. Da es nur bei einem normalen Kochsalz den Verlust von Mineralien und Spurenelementen gebe, gehe der Verbraucher davon aus, das von der Beklagten vertriebene Salz sei gesünder als normales Kochsalz. Der Verbraucher sehe in der angegriffenen Werbeaussage keineswegs nur einen Hinweis der Beklagten auf die Naturbelassenheit dieses Produktes. Unsachlich sei die Werbeaussage auch deshalb, weil die Beklagte die Mineralien und Spurenelemente, die angeblich verloren gingen, nicht nenne, so dass es an der Nachprüfbarkeit der Aussage fehle.
Der Kläger rügt zudem die Kostenentscheidung des Landgerichts und meint mit näheren Darlegungen, dass das Landgericht im Hinblick auf die Anträge zu 6. und 7. zu Unrecht von einem Teilunterliegen des Klägers ausgegangen sei.
Der Kläger beantragt,
I. die Beklagte weiterhin zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 250.000,00 €, ersatzweise von Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zur Dauer von 6 Monaten zu unterlassen,
wie nachstehend wiedergegeben für ein Steinsalz mit dem Hinweis zu werben:
"Beim "normalen" Kochsalz handelt es sich meist um ein raffiniertes, oft unter Zusatz von chemischen Mitteln hergestelltes Produkt."
und/oder
"Häufig gehen auch viele im ursprünglichen Salz enthaltenen Mineralien und Spurenelemente bei der maschinellen Weiterverarbeitung verloren.":
Es folgt sodann die im Tenor des Senatsurteils wiedergegebene Werbeseite.
II. der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits insgesamt aufzuerlegen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Urteils ist die Beklagte der Ansicht, dass das Landgericht nicht nur die beiden Anträge zurückgewiesen habe, die nun Gegenstand der Berufung des Klägers seien, sondern noch drei weitere Aussagen, deren Unterlassung der Kläger erstinstanzlich begehrt habe. Diese teilweise Klageabweisung habe der Kläger nicht mit seiner Berufung angegriffen, so dass sie in Rechtskraft erwachsen sei.
Soweit der Kläger die Klageanträge zu 4. und 5. weiterverfolge, gehe der Kläger von einem unzutreffenden Verbraucherverständnis aus.
Wegen des Inhaltes der Parteivorträge im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Gründe
Die Berufung des Klägers ist begründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens sind aber nur die beiden Werbeaussagen der Beklagten "beim normalen Kochsalz …" und "häufig gehen … Mineralien … verloren". Insoweit hat das Landgericht diese beiden Werbeaussagen insgesamt für zulässig erachtet und die entsprechenden Verbotsanträge zurückgewiesen. Deshalb ist die notwendige Beschwer des Klägers insoweit auch unproblematisch. Nur in diesem Umfang greift der Kläger das angefochtene Urteil auch in der Sache an.
Hinsichtlich dieser Berufungsangriffe fehlt es auch nicht an der hinreichenden Bestimmtheit der Verbotsanträge i.S.d. § 253 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO. Es handelt sich um zwei Werbeaussagen, die nebeneinander bestehen können. Sie sind wie Bausteine, die auch in anderen Zusammenhängen selbständig verwandt werden können. Damit können sie auch jeweils isoliert zu einem selbständigen Verbot gemacht werden. Den nötigen Bezug zur konkreten Verletzungshandlung, die den Vergleichscharakter der beiden Werbeaussagen offenbart, hat der Kläger durch die Bezugnahme auf die entsprechende Internetseite hergestellt, die der Senat auch zum Inhalt seines Verbotsurteils gemacht hat.
Das Landgericht hat zwar entgegen der Ansicht des Klägers der übrigen Klage nicht vollumfänglich stattgegeben. Vielmehr hat es aus der ersten Werbeaussage "Millionen Jahre …" das Verunreinigungsverbot nicht ausgesprochen. Aus der Aussage "Kristallsalz ist für uns Menschen …" hat es den ersten Satz ebenfalls vom Verbot ausgeklammert.
Aus der letzten Aussage "Meersalz kann Rückstände … enthalten …" hat es den zweiten Satz "… außerdem wird es … raffiniert …" vom Verbot ausgeklammert.
Ob es zulässig ist, solche einheitlichen Werbeaussagen in ihre einzelnen Sätze aufzulösen, mag zweifelhaft sein. Denn so isoliert hat die Beklagte die verbotenen Satzteile nicht aufgestellt. Umgekehrt wollte der Kläger ursprünglich die Sätze insgesamt verboten wissen.
Der Kläger greift in der Sache diese Vorgehensweise des Landgerichts aber nicht an. Er rügt in seiner Berufungsbegründung dies nur im Rahmen der Kostenentscheidung. Damit muss es zugunsten der Beklagten bei der teilweisen Zurückweisung des Verbotsbegehrens hinsichtlich der genannten Aussagen verbleiben. Mithin hat der Senat nur über die beiden Aussagen zu befinden, die er auch zum Gegenstand seines Verbotstenors gemacht hat.
Diese Werbeaussagen hat das Landgericht zu Unrecht nicht verboten.
Es liegt zwar keine vergleichende Werbung i.S.d. § 6 UWG vor. Denn es werden ganz allgemein die herkömmlichen Kochsalze dem Salz der Beklagten gegenübergestellt, wenn es unter "Informationen zum Thema:" heißt
"Salz ist nicht gleich Salz." Damit liegt kein Produktvergleich vor, an den § 6 UWG anknüpft. Es liegt vielmehr der Fall eines bloßen Warenartenvergleiches vor.
Auch ein solcher Warenartenvergleich unterliegt aber nicht nur dem Irreführungsverbot und dem Verbot der Formalbeleidigung (so Piper/Ohly/Soßnitzer UWG § 6 Rz. 83 ff). Danach mag man mit dem Landgericht die beanstandeten Werbesätze für zulässig halten. Denn die beiden Aussagen sind nicht beleidigend. Auch eine manifeste Irreführung hat der Kläger nicht detailliert genug dartun können. Eine solche Irreführung ließe sich allenfalls bei der ersten Aussage am "Zusatz chemischer Mittel" festmachen. Dann müsste der Verkehr dies aber im Sinne gesundheitlicher Bedenken verstehen. Denn dass überhaupt Zusätze gemacht werden, ist unstreitig; ebenso unstreitig ist, dass es sich dabei wie immer um chemische Zusätze handelt. Denn letztlich lässt sich jeder Stoff auf chemische Zusammensetzungen zurückführen. Auch der Kläger rügt insoweit keine konkrete Irreführung, sondern rügt in erster Linie die Unsachlichkeit der Werbeaussagen.
Gleiches gilt für die zweite Aussage. Auch die ist nicht ohne weiteres irreführend, weil durch die Raffinierung in der Tat eine gewisse Reinigung des Salzes von anderen Elementen außer dem Natriumchlorid stattfindet. So rügt der Kläger auch hier in erster Linie, dass die Werbeaussage so diffus sei und deshalb keine Nachprüfbarkeit erlaube, ohne eine konkrete Irreführung darzutun.
Diese Beschränkung des Warenartenvergleiches auf das Verbot irreführender oder beleidigender Aussagen ist aber abzulehnen. Auch der Warenartenvergleich geht über die bloße Anpreisung der eigenen Ware hinaus und bezieht die Produkte der Mitbewerber in seine eigene Werbung jedenfalls generell mit ein. Diese Mitbewerber sind für den Kunden als solche zwar nicht erkennbar. Letztlich bezieht der Kunde aber alle die Mitbewerber in seine Betrachtung mit ein, die wie hier Kochsalz verkaufen. Insoweit sind solche Mitbewerber durch eine pauschale Abqualifizierung ihres Produktes in ähnlicher Weise betroffen wie durch eine Irreführung des Werbenden über sein eigenes Produkt (Köhler/Bornkamm UWG § 4 Rz. 10.145 ff; Harte/Henning UWG § 4 Rz. 28 ff).
Dieses Sachlichkeitsgebot, das auch für den bloßen Warenartenvergleich gilt, hat die Beklagte hier verletzt.
Wenn die Beklagte im Zusammenhang mit "normalem" Kochsalz vom Zusatz von chemischen Mitteln spricht, knüpft sie damit an den bekannten Umstand an, dass auch Naturprodukte chemisch behandelt werden. Demgegenüber wirbt sie für ihr eigenes Salz als "reines Naturprodukt ohne chemische Zusätze", wie es in dem ersten Satz des bereits mehrfach erwähnten Werbeblattes heißt. Das ist insofern nicht falsch, als im Kochsalz Bleichmittel und Rieselhilfen zugesetzt werden, wie der Kläger selbst einräumen muss. Es wird aber auch noch Jod und Fluor zugesetzt, was von vielen Verbrauchern als positiv gesehen wird, gerade auch im Hinblick auf die Gesundheit. Insgesamt suggeriert die Beklagte eine Vorteilhaftigkeit ihres Salzes als reines Naturprodukt, in dem aber auch von Natur aus Gips enthalten ist, was als Rieselhilfe wirkt. Die Beklagte hat dies zwar pauschal in Abrede gestellt (vgl. die Klageerwiderung Bl. 26 d.A.), zugleich aber eingeräumt, dass Gips in ihrem Salz durchaus festgestellt worden ist.
Wie dargelegt mag diese Darstellung der Beklagten die Grenze zur Irreführung noch nicht überschreiten. Die Beklagte muss aber Vorteile und Nachteile der beiden Salzarten differenzierter darstellen, insbesondere, dass sich unter den erwähnten Zusatzstoffen bei Kochsalz auch Jod und Fluor finden als gewünschte Beigabe. Die fehlende Erwähnung konkreter Mitbewerber kann kein Freibrief dafür sein, die Vorteilhaftigkeit des eigenen Produktes einseitig darzustellen.
Soweit der Kläger die zweite Werbeaussage über die verlorenen Mineralien als irreführend ansieht, weil die Beklagte ihr Salz als gesünder als das der Mitbewerber darstellt, liegt wohl, wie die Beklagte zu Recht meint, eine Überinterpretation des Klägers vor. Denn von Gesundheit steht in der Aussage nichts. Im Übrigen dürfte es sich auch wohl um eine Wertung handeln, ob das eine oder das andere Salz gesünder ist, was keine für eine Irreführung erforderliche Tatsachenfeststellung erlaubt.
Zu Recht rügt der Kläger aber auch hier wiederum die Unsachlichkeit der Gegenüberstellung. Denn der Verbraucher kann mit dieser Verlustmeldung nichts anfangen, solange ihm nicht gesagt wird, welche Mineralien und Spurenelemente verloren gehen. Angesichts des Umstandes, dass Salz schlechthin aus Natriumchlorid besteht und in erster Linie salzen soll, ist es für den Verbraucher rein von Interesse zu wissen, was denn konkret verloren geht. Dies ist vor allem auch wieder deshalb von Bedeutung, weil Kochsalz ja Jod und Fluor zugeführt wird, was bei dem Salz der Beklagten gerade nicht der Fall ist. Die Werbeaussage erweckt aber den Eindruck, als wiese Kochsalz gegenüber dem Salz der Beklagten nur Defizite auf.
Auch das reicht zwar wiederum nicht zur Irreführung aus, weil die beanstandete Aussage eben keine Gesamtgegenüberstellung der Bestandteile ist. Dass durch die Raffinade dem Salz aber Bestandteile entzogen werden, ist gerade der Sinn der Raffinade. Deshalb kann man den Satz nicht in toto als falsch bezeichnen. Auch hier wird wiederum geschickt mit der Verbrauchervorstellung gearbeitet, dass regelmäßig durch Behandlung der Lebensmittel wertvolle Zusatzstoffe verloren gehen. Auch dies reicht für eine Irreführung wiederum nicht aus, weil die verloren gegangenen Stoffe nicht genannt werden. Auch der Kläger kann keine konkrete Verbrauchervorstellung umreißen, die die beanstandete Werbeaussage fälschlicherweise erweckt. Es bleibt aber dabei, dass die Werbeaussage aufgrund ihrer fehlenden Nachprüfbarkeit beim Verbraucher unsichere Vorstellungen darüber erweckt, wie denn Vorteile und Nachteile der gegenübergestellten Salze abzuwägen sind. Die Beklagte verlässt damit das Gebot der Sachlichkeit bei Warenartenvergleichen, indem sie ihrem Salz ohne nähere Rechtfertigung einen positiveren Anstrich gibt als dem Kochsalz.
Zu Unrecht greift der Kläger die Kostenentscheidung des Landgerichts an. Das Landgericht hat die Klage eben nicht nur im Hinblick auf die beiden Aussagen abgewiesen, die noch Gegenstand der Berufungsinstanz sind, sondern auch teilweise wegen der anderen Aussagen. Da der Kläger diese Abweisung in der Sache hinnimmt, muss er insoweit auch mit den Kosten belastet bleiben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziff. 10, 711 ZPO.
OLG Hamm:
Urteil v. 04.03.2010
Az: 4 U 200/09
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