Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen:
Urteil vom 18. Mai 2011
Aktenzeichen: 6 C 367/10

(AG Garmisch-Partenkirchen: Urteil v. 18.05.2011, Az.: 6 C 367/10)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

In dem vorliegenden Fall geht es um die Verletzung von Namensrechten. Die Klägerin, ein privates Energieversorgungsunternehmen, bietet seit 2007 ihre Leistungen unter der in ihrem Namen registrierten Domain an. Der Beklagte hatte eine ähnliche Domain als sogenannte Vorratsdomain registrieren lassen, ohne Geschäftsabsichten. Die Klägerin beauftragte daraufhin ihren Prozessbevollmächtigten, um den Beklagten abzumahnen. Nach mehreren Schreiben bot der Beklagte schließlich an, die Domain kostenlos freizugeben. Die Klägerin verlangte allerdings noch die Erstattung der entstandenen Rechtsanwaltskosten, die der Beklagte bislang nicht bezahlt hat.

Das Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen verurteilte den Beklagten dazu, der Klägerin die Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.589,00 € nebst Zinsen zu erstatten. Das Gericht stellte fest, dass der Beklagte das Namensrecht der Klägerin verletzt hatte, indem er die ähnliche Domain registrierte. Die Klägerin konnte nachweisen, dass ihr Firmenname über eine hinreichende Kennzeichnungskraft verfügt und regional bekannt ist. Dadurch führte die Registrierung der ähnlichen Domain zu einer Zuordnungsverwirrung und verletzte somit die Namensrechte der Klägerin.

Das Gericht befand, dass die Einschaltung eines Rechtsanwalts durch die Klägerin zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung gerechtfertigt war, da Streitigkeiten im Bereich des Namensrechts eine gewisse Komplexität aufweisen. Die Höhe der geltend gemachten Rechtsanwaltskosten auf Basis eines Gegenstandswertes von 50.000 € erschien angemessen und branchenüblich, da der Firmenbestandteil der Klägerin eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung hat. Die Zinsforderung beruhte auf gesetzlichen Bestimmungen.

Der Beklagte wurde verurteilt, die Klägerin finanziell zu entschädigen und die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

AG Garmisch-Partenkirchen: Urteil v. 18.05.2011, Az: 6 C 367/10


Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.589,00 € nebst 5 % Zinsen hieraus seit 08.07.2010 zu bezahlen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 1.589,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatz.

Die Klägerin ist ein privates Energieversorgungsunternehmen, das in Hessen, Bayern, Nordrhein-Westfalen und in Niedersachsen Kunden mit Strom versorgt. Ihre Leistungen bietet die Klägerin bereits seit 2007 unter der in ihrem Namen registrierten Domain ... an. Die Klägerin hat die Marke ... als Marke für die Klassen 35, 39 und 42 beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldet. Eine Eintragung im Register erfolgte am 04.09.2009.

Der Beklagte hat die Internetdomain ... am 12.08.2009 registrieren lassen.

Der Beklagte hatte diese Domain als sogenannte Vorratsdomain registrieren lassen. Eine geschäftliche Nutzung beabsichtigte er nicht.

Er behauptet hierzu, er habe als langjähriges Mitglied in der Ökologie- und Friedensbewegung zunächst vorgehabt, eine entsprechende Homepage und ein Internetportal zu erneuerbaren Energien zu eröffnen. Dieses Vorhaben hat er allerdings inzwischen aufgegeben.

Mit E-Mail vom 18.02.2010 hat er die Domain ... zum Preis von 400,00 € der Klägerin zum Kauf angeboten.

Daraufhin beauftragte die Klägerin ihren jetzige Prozessbevollmächtigte, um den Beklagten abzumahnen. Mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 26.03.2010 wurde der Beklagte abgemahnt und gleichzeitig aufgefordert eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben.

Mit E-Mail vom 27.03.2010 erklärte der Beklagte, dass er die Domain zum "Selbstkostenpreis" von 90 € an die Klägerin "abgeben" würde.

Daraufhin reagierte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit einem weiteren Schreiben vom 30.03.2010. Der Beklagte wurde daraufhin nochmals aufgefordert die strafbewehrte Unterlassungserklärung zu unterzeichnen und die Domain ... zu Gunsten der Klägerin bei der ... freizugeben.

Gleichzeitig forderte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin in diesem Schreiben vom Beklagte den Ersatz der entstandenen Rechtsanwaltskosten mit Blick auf die außergerichtliche Geschäftsgebühr. Die Klägerin legte dabei einen Gegenstandswert von 50000,00 € zu Grunde und rechnete auf Basis einer 1,5 Gebühr nach Anlage 1, Ziffer 2300 zum RVG ab.

Der Beklagte erklärte sich daraufhin bereit die Domain kostenlos freizugeben.

Die Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1589,00 € hat er bis heute nicht beglichen.

Die Klägerin beantragt mit ihrer dem Beklagten am 07.07.2010 zugestellten Klage:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1589,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt:

Klageabweisung.

Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin ist der Beklagte der Ansicht er hätte nicht das Namensrecht der Klägerin verletzt. Die Reservierung einer Domain sei noch keine Namensrechtsverletzung

Im Übrigen sei die Einschaltung eines Rechtsanwalts durch die Klägerin nicht erforderlich gewesen. Auch die Abrechnung auf Basis eines Gegenstandswertes von 50000 € sei viel zu hoch angesetzt.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11.05.2011 sowie den bei den Akten befindlichen Schriftsatzwechsel der Parteien verwiesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig.

Insbesondere ist das Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen sachlich und örtlich zuständig. Eine Kennzeichenstreitsache nach § 140 MarkenG liegt nicht vor.

§ 12 BGB ist vorliegend nicht durch speziellere markenrechtlichen Vorschriften verdrängt. Entscheidend ist, dass der Beklagte unter der von ihm registrierten Domain nicht geschäftlich tätig ist und auch nach eigenem Vortrag dies in Zukunft nicht beabsichtigte. Die vom Beklagten angegebenen Ziele in seinem Schriftsatz vom 29.07.2010 sind vielmehr ideeller als geschäftlicher Natur.

Die Klägerin stützt ihren Anspruch zu Recht auf die Verletzung ihres Namensrechts aus § 12 BGB. Der Beklagte ist unter diesem Gesichtspunkt nach § 823 I i.V.m. § 12 BGB verpflichtet, die der Klägerin durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten entstandenen Kosten zu ersetzen.

24Die Registrierung der Domain ... stellt eine Namensanmaßung zum Nachteil der Klägerin dar. Durch diese Vorgehensweise hat der Beklagte das nach § 12 BGB geschützte Namensrecht der Klägerin verletzt. Dies stellt gleichzeitig eine Verletzungshandlung im Sinne der Vorschrift des § 823 BGB dar. Das Namensrecht ist ein sonstiges von § 823 BGB absolut geschütztes Recht.

Zwar erweist sich ein Domainname nicht aus sich selbst heraus als eigenständiges Recht das von § 12 BGB geschützt wird. Ein Domainname stellt zunächst nicht mehr als eine technische Adresse im Internet dar. Rein faktisch kommt der Domainadresse zwar eine ausschließliche Wirkung zu. Der sich daraus ergebende Absolutheitsanspruch der Domain gründet sich aber nicht auf einer Geltungansordnung durch den Gesetzgeber, sondern beruht lediglich auf dem Umstand, dass ein Domainname lediglich einmal vergeben werden kann.

26Allerdings kann die gewählte Domain in den Schutzbereich des § 12 BGB gleichsam hineinwachsen, nämlich dann wenn der gewählten Domainadresse Namensfunktion zukommt, der Verkehr in ihr also einen Hinweis auf den hinter der Seite stehenden Betreiber erkennt. Dies setzt allerdings voraus, dass der gewählte Domainnamen hinreichende Unterscheidungskraft besitzt. Andernfalls scheidet eine Namensanmaßung in Gestalt der Zuordnungsverwirrung von vornherein aus.

Der hierzu notwendige Grad an Verkehrsgeltung ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles zu ermitteln. Als Faustregel kann dabei gelten, dass bei geringer originärer Unterscheidungskraft des Domainnamens selbst, erhöhte Anforderungen an die Verkehrsdurchsetzung zu stellen sind.

Die Klägerin bietet ihre Leistungen unter dem Domainnamen ... an. Zwar entspricht dies nicht 1:1 ihrem Firmennamen ... Jedoch ist der von der Klägerin verwendete Domainname zugkräftiger und damit prägender Firmenbestandteil.

29Dieser Firmenbestandteil weist auch die den Anwendungsbereich des § 12 BGB eröffnende hinreichende Kennzeichnungskraft auf. Die Klägerin lässt hier unbestritten vortragen, dass ihr Unternehmen bundesweit tätig ist und mit etwa 25000 Kunden ein erfolgreiches, auf Expansion angelegtes, mittelständisches Unternehmen ist. Insoweit besitzt der Name ... zumindest regional einen hinreichenden Bekanntheitsgrad, was letztlich dem Domainnamen eine über die bloße Adressfunktion hinausgehende Namensfunktion verleiht. In diesem Zusammenhang lässt sich überdies auch die anerkannte Registrierung der Wort-Bild-Marke ... mittelbar ins Feld führen.

30Dadurch das der Beklagte die in Deutschland übliche Topleveldomain ... reservieren ließ, führt er eine sogenannte Zuordnungsverwirrung herbei und verletzt schutzwürdige Interessen der Klägerin. Es reicht dafür aus, dass der Beklagte als Dritter, möglicherweise als vermeintlicher Namensträger identifiziert wird. Eine solche Falschidentifizierung kann auch dadurch eintreten, dass ein Dritter einen fremden Namen oder Namensbestandteil zum Gegenstand einer Domain macht. Denn der Verkehr sieht in der Verwendung eines unterscheidungskräftigen Zeichens als Domain einen Hinweis auf den Namen des Betreibers des jeweiligen Internet-Auftritts. Die Zuordnungsverwirrung tritt dann mit dem Aufruf der Seite durch die jeweiligen Internetnutzer auf. Hierbei wird dann die aufgerufene Domain zunächst einmal der wahren Namensträgerin, also der Klägerin zugeordnet. Unerheblich ist dabei, inwieweit diese Zuordnungsverwirrung nur für einen kurzen Moment eintritt und möglicherweise gleich wieder aufgehoben wird.

Der Beklagte handelte auch schuldhaft. Jedenfalls in dem Zeitpunkt als er die Domain ... der Klägerin zum Verkauf anbot, muss ihm die Existenz eines bevorrechtigten Namensrechts bekannt gewesen sein. Die irrige Rechtsauffassung des Beklagten, sein Verhalten stelle keine relevante namensrechtliche Beeinträchtigung der Klägerin dar, ist dabei unerheblich und erweist sich als unbeachtlicher Rechtsirrtum, der nicht vom Vorwurf der Fahrlässigkeit zu befreien vermag.

Die Klägerin durfte auch zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung die Prozessbevollmächtigte einschalten. Streitigkeiten im Bereich des Namensrechts weisen kraft Natur der Sache eine gewisse Komplexität auf und die Hinzuziehung anwaltlicher Hilfe in diesem Bereich ist ohne weiteres auch beim erstmaligen Feststellen eines derartigen Verstoßes gerechtfertigt. Erforderlich war hier unter anderem das unverzügliche Abfassen einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, was nicht mit laienhaften juristischen Kenntnissen ordnungsgemäß bewältigt werden kann. Die Klägerin verfügt nach unbestrittenem Vortrag auch nicht über eine eigene Rechtsabteilung.

Auch der Höhe nach ist die geltend gemachte Schadensposition der Klägerin angemessen. Eine Abrechnung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegenüber auf Basis eines Gegenstandswertes von 50000 € erscheint nicht überzogen. Maßgeblich ist dabei vor allem die Branchenüblichkeit und die wirtschaftliche Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin. Die Höhe der Forderung mag möglicherweise für den Beklagten hoch erscheinen. Allerdings ist hierbei auch zu berücksichtigen, dass der unter den Namensschutz fallende Firmenbestandteil der Klägerin für diese eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung hat und auch in vergleichbaren Rechtstreitigkeiten ähnliche Streitwerte angesetzt werden.

Sofern die Prozessbevollmächtigte der Klägerin auf Basis einer 1,5-Gebühr nach Ziffer 2300, Anlage 1 zum RVG abrechnet, ist auch dies im Bereich des Zulässigen. Maßgeblich ist hierbei allein der objektive Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit auch in rechtlicher Hinsicht. Bei der vorliegenden Streitigkeit, handelt es sich um eine überdurchschnittlich schwierige Angelegenheit. Die Frage der Verletzung von Namens- oder Markenrechten und deren einzelfallbezogene Abgrenzung stellt eine nicht einfach zu bewältigende rechtliche Herausforderung dar.

Die Zinsforderung beruht auf § 291 BGB.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 91 ZPO bzw. § 709 S.2 ZPO.






AG Garmisch-Partenkirchen:
Urteil v. 18.05.2011
Az: 6 C 367/10


Link zum Urteil:
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