Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 11. August 2009
Aktenzeichen: NotZ 5/09
(BGH: Beschluss v. 11.08.2009, Az.: NotZ 5/09)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
In dem vorliegenden Fall geht es um die Verfügung eines Antragstellers gegen einen Beschluss des 2. Notarsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main. Der Antragsteller hatte sich auf eine ausgeschriebene Notarstelle beworben und Berufung gegen die Auswahlentscheidung eingelegt. Das Oberlandesgericht wies seinen Antrag zurück. Der Antragsteller legte daraufhin eine sofortige Beschwerde ein, die der Bundesgerichtshof jedoch als unbegründet ansah.
Der Antragsteller hatte eine Bescheinigung des Landgerichts B. über seine Beurkundungen in den Jahren 1992 bis 2002 vorgelegt und diese als Nachweis seiner fachlichen Leistungen angegeben. Allerdings wurde diese Bescheinigung vom Präsidenten des Oberlandesgerichts als unzureichend angesehen, da nicht klar ersichtlich war, ob darin auch bestimmte Beurkundungen nach dem Beurkundungsgesetz enthalten waren und ob diese persönlich vom Antragsteller protokolliert worden waren. Der Präsident forderte den Antragsteller auf, weitere Bescheinigungen vorzulegen, um die Mängel zu klären. Der Antragsteller legte daraufhin eidesstattliche Versicherungen seiner früheren Mitarbeiterin vor, die bestätigten, dass bestimmte Beurkundungen nicht durchgeführt wurden. Trotzdem wurde seine Bewerbung als nicht erfolgreich eingestuft, da die Bescheinigung des Landgerichts nicht als ausreichender Nachweis angesehen wurde.
Der Bundesgerichtshof bestätigte die Entscheidung des Oberlandesgerichts und wies die Beschwerde des Antragstellers zurück. Es wurde festgestellt, dass der Antragsteller die erforderlichen Nachweise nicht innerhalb der Bewerbungsfrist erbracht hatte und somit nicht berücksichtigt werden konnte. Die Bescheinigung des Landgerichts B. war nicht ausreichend und konnte die Mängel nicht durch nachträgliche Erläuterungen beheben. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kam nicht in Frage, da keine Gründe vorlagen, die den Antragsteller daran hinderten, die Frist einzuhalten. Auch die Aufforderung des Präsidenten zur Klärung der Mängel änderte nichts an der Tatsache, dass die erforderlichen Nachweise nicht ordnungsgemäß vorgelegt wurden. Es wurde auch betont, dass die Nachweisanforderungen der AVNot auch für ehemalige Notare gelten und nicht ausschließlich für Rechtsanwälte in Vertretungsfunktionen.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BGH: Beschluss v. 11.08.2009, Az: NotZ 5/09
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 2. Notarsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 20. Februar 2009 - 2 Not 9/08 - wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und die dem Antragsgegner sowie dem weiteren Beteiligten im Beschwerderechtszug entstandenen notwendigen Auslagen zu ersetzen.
Geschäftswert: 50.000 €.
Gründe
I.
Der Antragsgegner schrieb im Justizministerialblatt für Hessen vom 1. Juli 2007 (S. 455) für den Amtsgerichtsbezirk K. und für die Stadt K. insgesamt vier Notarstellen aus. Bewerbungsschluss war der 13. August 2007. Auf diese Stellen bewarben sich unter anderem der Antragsteller und der weitere Beteiligte. Das Auswahlverfahren wurde gemäß Abschnitt A II des durch Runderlass vom 10. August 2004 (JMBl. S. 323) geänderten Runderlasses zur Ausführung der Bundesnotarordnung (AVNot) vom 25. Februar 1999 (JMBl. S. 222) durchgeführt.
Der 1941 geborene Antragsteller war bis 2002 langjährig Notar im Oberlandesgerichtsbezirk H. , bevor er aus privaten Gründen nach K. wechselte und sein Notaramt aufgab. Bei seiner Bewerbung um die am 1. Juli 2007 ausgeschriebenen Stellen legte er eine Bescheinigung des Landgerichts B. über Beurkundungen in den Jahren 1992 bis 2002 vor, die er nach Abschnitt A II Nr. 3 Buchst. d AVNot bei der Punkteermittlung angerechnet wissen wollte.
Mit Schreiben vom 12. August 2008 teilte der Präsident des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main dem Antragsteller mit, die von ihm vorgelegte Bescheinigung des Landgerichts B. sei unzureichend, da nicht erkennbar sei, ob in der Rubrik "Sonstige Beurkundungen" nicht auch Niederschriften nach § 38 BeurkG und Vermerke nach § 39 BeurkG enthalten seien. Überdies ergebe sich aus der Bescheinigung nicht, ob sämtliche aufgeführten Urkunden von dem Antragsteller persönlich protokolliert worden seien oder nicht zum Teil von Vertretern. Er wurde unter Fristsetzung von drei Wochen um Klarstellung und Beifügung entsprechender Bescheinigungen gebeten.
Mit Schreiben vom 1. September 2008 legte der Antragsteller eine eidesstattliche Versicherung seiner früheren Notarsachbearbeiterin vor, dass von 1992 bis 2002 keine Vermerke nach § 39 BeurkG mit einer UR-Nummer versehen worden seien und dies von 1995 bis 2002 auch für Niederschriften gemäß § 38 BeurkG gelte. Unter dem 9. September 2008 reichte der Antragsteller eine weitere eidesstattliche Versicherung seiner vormaligen Mitarbeiterin mit einer Übersicht der für ihn tätig gewordenen Notarvertreter und der von diesen gefertigten Urkunden nach.
Mit Bescheid vom 26. September 2008 teilte der Präsident des Oberlandesgerichts dem Antragsteller mit, seine Bewerbung sei nicht erfolgreich. Die Bescheinigung des Landgerichts sei nicht ausreichend. Die eidesstattlichen Versicherungen seiner früheren Notarsachbearbeiterin seien nicht geeignet, die Bestätigung zu ergänzen, da es hierzu nach der AVNot einer Bescheinigung der Behördenleitung des zuständigen Amtsgerichts oder des aktenverwaltenden Notars bedürfe. Für den Antragsteller hatte der Oberlandesgerichtspräsident unter Außerachtlassung der seiner Ansicht nach nicht ordnungsgemäß nachgewiesenen Beurkundungen eine Gesamtpunktzahl von 113,15 Punkten errechnet. Der weitere Beteiligte, der unter den Bewerbern die vierte und damit letzte erfolgreiche Rangstelle belegte, erhielt 137,65 Punkte zugebilligt.
Am 8. Oktober 2008 legte der Antragsteller eine Bescheinigung der Direktorin des Amtsgerichts R. vor, dass die in der Erklärung der ehemaligen Angestellten angegebene Übersicht der Notarvertreter mit den Urkundenrollen übereinstimme und es keine Hinweise auf getätigte Niederschriften nach § 38 BeurkG gebe.
Der Antragsteller hat gegen die Auswahlentscheidung des Antragsgegners die gerichtliche Entscheidung beantragt. Das Oberlandesgericht hat seinen Antrag zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit der sofortigen Beschwerde.
II.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 111 Abs. 4 BNotO i.V.m. § 42 Abs. 4 BRAO zulässig, aber in der Sache unbegründet. Die Auswahlentscheidung des Antragsgegners erweist sich als rechtsfehlerfrei.
1. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist es nicht zu beanstanden, dass der Präsident des Oberlandesgerichts ihm die vom Landgericht B. , von der früheren Notarsachbearbeiterin und von der Amtsgerichtsdirektorin bescheinigten Beurkundungen nicht nach Abschnitt A II Nr. 3 Buchst. d Satz 1 AVNot bei der Punkteermittlung angerechnet hat. Der Antragsteller hat die hierfür erforderlichen Nachweise entgegen § 6b Abs. 4 Satz 1 BNotO nicht innerhalb der Bewerbungsfrist beigebracht. Nach dieser Vorschrift sind bei der Auswahlentscheidung nach § 6 Abs. 3 BNotO nur solche Umstände zu berücksichtigen, die bei Ablauf der Bewerbungsfrist bereits vorlagen. Die Justizverwaltung darf die fachliche Eignung eines Bewerbers um das Amt des Notars nur dann bejahen, wenn diese bis zum Ablauf der Bewerbungsfrist nachgewiesen ist, soweit es sich nicht um bloße nachträgliche Erläuterungen eines bereits rechtzeitig eingebrachten Umstands handelt. Das gilt, anders als der Antragsteller meint, nicht nur für die Erbringung, sondern vor allem auch für den Nachweis der fachlichen Leistungen. Dieser setzt neben der Mitteilung des Bewerbers, welche von ihm bei der Vorbereitung auf den Notarberuf bereits erbrachten Leistungen zu seinen Gunsten in die Auswahlentscheidung einbezogen werden sollen, die fristgemäße Vorlage entsprechender Bescheinigungen voraus. Insoweit dient die Festlegung des Stichtags der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit, aber auch der Gleichbehandlung aller Bewerber auf Grund einer einheitlichen Bewertungssituation, die nur gewährleistet ist, wenn zu Beginn des Auswahlverfahrens sämtliche für jeden Bewerber maßgeblichen Kriterien feststehen (Senatsbeschlüsse vom 17. November 2008 - NotZ 18/08 - juris Rn. 6 und vom 20. November 2006 - NotZ 15/06 - NJW 2007, 1283, 1285, Rn. 32 m.w.N.). Als ein solcher Nachweis kam die vom Antragsteller vorgelegte Bescheinigung des Landgerichts B. nicht in Betracht. Sie war nicht nur von einer unzuständigen Stelle erteilt worden (Abschnitt A II Nr. 3 Buchst. d Satz 2 AVNot), sondern ließ, wie der Präsident des Oberlandesgerichts mit seinem Schreiben vom 12. August 2008 mit Recht beanstandete, entgegen Abschnitt A II Nr. 3 Buchst. d Satz 1 AVNot nicht erkennen, ob in den mitgeteilten Urkundsgeschäften auch Niederschriften nach § 38 BeurkG oder Vermerke nach § 39 BeurkG enthalten waren. Weiter war nicht ersichtlich, ob und in welchem Umfang die Urkunden von Vertretern des Antragstellers erstellt worden waren.
Entgegen der Ansicht des Antragstellers konnten diese Mängel auch nicht durch bloße ergänzende Erläuterungen behoben werden (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 14. Juli 2007 - NotZ 2/03 - NJW 2003, 2752, 2753). Vielmehr war hierzu ein inhaltlich veränderter, von der zuständigen Stelle ausgestellter neuer Nachweis notwendig.
2. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 6b Abs. 3 Satz 1 BNotO kam vorliegend nicht in Frage. Der Antragsteller durfte, anders als bei der der Senatsentscheidung vom 20. November 2006 (aaO, Rn. 33) zugrunde liegenden Fallkonstellation, nicht darauf vertrauen, dass der Präsident des Oberlandesgerichts die mit der Bewerbung vorgelegte Bescheinigung als ausreichenden Nachweis der anrechenbaren Urkundsgeschäfte ansehen würde. Sowohl die inhaltlichen Unzulänglichkeiten als auch die fehlende Zuständigkeit des Landgerichts B. lagen bei der Lektüre des Abschnitts A II Nr. 3 Buchst. d AVNot auf der Hand. Darüber hinaus ist weder ersichtlich noch dargetan, dass der Antragsteller ohne sein Verschulden gehindert war, die Frist einzuhalten. Es ist kein Grund dafür erkennbar, dass er die erforderliche Bescheinigung der Direktorin des Amtsgerichts R. oder des zuvor die Akten verwahrenden Notars nicht innerhalb der Bewerbungsfrist beizubringen in der Lage war.
3. Entgegen der Ansicht des Antragstellers kann er auch nichts für sich Günstiges daraus herleiten, dass der Präsident des Oberlandesgerichts ihn lange nach Ablauf der Bewerbungsfrist mit Schreiben vom 12. August 2008 unter Hinweis auf die Mängel des Attests des Landgerichts B. um Klarstellung und Beifügung entsprechender Bescheinigungen gebeten hat. Weil aufgrund der fehlenden Eignung der vorgelegten Bestätigung zum Nachweis der Anrechnungsvoraussetzungen von A II Nr. 3 Buchst. d Satz 1 AVNot eine zusätzliche besondere Bescheinigung notwendig war und zudem, wie ausgeführt, die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vorlagen, hätte der Präsident des Oberlandesgerichts auch eine innerhalb der mit dem Schreiben vom 12. August 2008 gesetzten Frist vorgelegte ordnungsgemäße Bescheinigung nicht mehr - zum Nachteil der anderen Mitbewerber - berücksichtigen dürfen (vgl. auch Senatsbeschluss vom 17. November 2008 aaO, Rn. 9).
4. Selbst wenn man dies mit dem Oberlandesgericht anders sehen wollte, wäre jedenfalls eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgeschlossen gewesen, weil weder innerhalb der Zweiwochenfrist des § 6b Abs. 3 Satz 2 BNotO noch innerhalb der vom Präsidenten des Oberlandesgerichts gesetzten "Nachbesserungsfrist" von drei Wochen ordnungsgemäße Nachweise vorgelegt wurden. Die mit Schreiben des Antragstellers vom 1. September 2008 vorgelegte eidesstattliche Versicherung seiner vormaligen Kanzleiangestellten genügte den Anforderungen von Abschnitt A II Nr. 3 Buchst. d Satz 2 AVNot offenkundig nicht.
5. Der Antragsteller war eines Nachweises, der die Voraussetzungen des Abschnitts A II Nr. 3 Buchst. d AVNot erfüllte, auch nicht deshalb enthoben, weil er bis 2002 Anwaltsnotar war. Zwar mag diese Bestimmung der AVNot in erster Linie die typische Konstellation betreffen, dass sich Rechtsanwälte um eine Notarstelle bemühen, die ihre Beurkundungserfahrungen lediglich im Rahmen von Notarvertretungen und Notariatsverwaltungen gewonnen haben. Jedoch erfasst die AVNot auch die Fälle, in denen sich, wie hier, frühere Notare bewerben. Abschnitt II Nr. 3 Buchst. d Satz 1 AVNot hat nicht nur Notarvertretungen und Notariatsverwaltungen im Blick, sondern, wie sich aus dem Zusatz "o.ä." ergibt, auch sonstige Tätigkeiten, in denen Urkundstätigkeiten anfallen, mithin auch Erfahrungen als Notar. In Abschnitt A II Nr. 3 Buchst. e aa ist überdies ausdrücklich die - auch dem Antragsteller in erheblichem Umfang zugute gekommene - punktemäßige Berücksichtigung von Erfahrungen aus einer Tätigkeit als Notar geregelt. Da Regelungsgegenstand der AVNot explizit auch die Bewerbung von (früheren) Notaren ist und für diese keine Ausnahme von den Nachweisanforderungen des Buchstaben d des Abschnitts A II Nr. 3 vorgesehen ist, sind die Bestimmungen dieses Abschnitts uneingeschränkt auch für diesen Personenkreis anwendbar.
Dies ist jedenfalls bei (vormaligen) Anwaltsnotaren auch sachgerecht, da bei ihnen, anders als möglicherweise bei Notaren im Hauptberuf, nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden kann, dass sie in größerem Umfang Urkundsgeschäfte getätigt haben.
Schlick Wendt Herrmann Doye Eule Vorinstanz:
OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 20.02.2009 - 2 Not 9/08 -
BGH:
Beschluss v. 11.08.2009
Az: NotZ 5/09
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/907386c8fc0a/BGH_Beschluss_vom_11-August-2009_Az_NotZ-5-09