Landgericht München I:
Urteil vom 8. Oktober 2008
Aktenzeichen: 21 O 16599/07

(LG München I: Urteil v. 08.10.2008, Az.: 21 O 16599/07)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Landgericht München I hat in seinem Urteil vom 8. Oktober 2008 (Aktenzeichen 21 O 16599/07) die Klage abgewiesen. Die Klägerin hatte die Beklagte wegen Markenverletzung auf Markenlöschung, Unterlassung, Auskunft, Warenvernichtung und Schadensersatzfeststellung verklagt.

Die Klägerin besitzt eine Bildmarke, die als Symbol für die Krebsforschung und -behandlung verwendet wird. Die Beklagte hingegen benutzt ein ähnliches Zeichen für Präparate zur Krebsbehandlung. Die Klägerin argumentiert, dass dies gegen das Markenrecht verstößt und Verwechslungsgefahr besteht. Das Landgericht hat jedoch festgestellt, dass keine Verwechslungsgefahr besteht, da die beiden Zeichen sich deutlich voneinander unterscheiden. Die Klage wurde daher abgewiesen.

Die Klägerin konnte zudem nicht nachweisen, dass sie eine Exklusivlizenz für ihre Marke hat, was zur Folge hat, dass ihre Aktivlegitimation nicht gegeben ist. Daher konnte auch kein Unterlassungsanspruch begründet werden.

Das Urteil ist endgültig und die Klägerin muss die Kosten des Verfahrens tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, falls die Klägerin Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Der Streitwert des Verfahrens wurde auf 450.000 Euro festgesetzt.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

LG München I: Urteil v. 08.10.2008, Az: 21 O 16599/07


Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Markenverletzung auf Markenlöschung, Unterlassung, Auskunft, Warenvernichtung und Schadensersatzfeststellung in Anspruch.

Frau G. P. ist Inhaberin folgender am 21.06.2005 für die Waren- und Dienstleistungsklasse 05 (Pharmazeutische Produkte) angemeldeten und am 02.12.2005 eingetragenen deutschen Bildmarke Nr. 30536221.6:

Die Beklagte ist Inhaberin folgender ebenfalls für die Waren- und Dienstleistungsklasse 05 am 12.07.2006 beim DPMA angemeldeten und am 13.10.2006 in das Register beim DPMA eingetragenen Wort-/Bildmarke Nr. 30643268.4:

Unter der Bezeichnung SPRYCEL wird in Deutschland der Wirkstoff Dasatinib vertrieben, ein hochspezifisches und verschreibungspflichtiges Arzneimittel, das bei chronischer myeloischer Leukämie (CML) oder bei akuter lymphatischer Leukämie (ALL) angewendet wird.

Die Klägerin behauptet , eine Exklusivlizenz für die Marke Nr. 30536221.6 zu haben und diese Marke als Firmensymbol z.B. auf Briefköpfen, Stempeln, Frachtpapieren etc. sowie im Firmennamen und in Produktbezeichnungen zu nutzen. Ferner vertreibe sie mit dieser Marke auf dem Marktsegment Pharmazie/Krebsbehandlung alle ihre Anwendungen und Medikamente, so dass die Parteien Wettbewerber verschreibungspflichtiger Krebsmedikamente seien. Die Beklagte vertreibe in Deutschland Präparate zur Krebsbehandlung unter Verwendung des Zeichens

Die Klägerin ist der Ansicht , dass das Verhalten der Beklagten aufgrund Verwendung eines ähnlichen Zeichens für ähnliche Waren/Dienstleistungen gegen §§ 4, 14 MarkenG verstoße. Bei dem klägerischen Zeichen ginge es nicht um die Wiedergabe eines Menschen; vielmehr sei das Zeichen, das optisch wie ein €Y€ aussehe, ein in der Krebsforschung und -behandlung standardisiert verwendetes Symbol eines Moleküls zur Darstellung der Wirkungsweise von Antikörpern. Durch Zufügung eines €Kopfes€ als prägendes Stilelement habe die Klägerin ein Zeichen geschaffen, dass dem fachlich informierten Adressaten sofort die Assoziation zwischen der Klägerin und Krebsforschung und -behandlung nahe lege. Das in dem Begriff €Sprycel€ als Symbol für €y€ verwandte Zeichen mit demselben Stilelement €Kopf€ sei geeignet, in den Verkehrskreisen einen gedanklichen Bezug zu dem prioritätsälteren Zeichen der Klägerin hervorzurufen, weshalb Verwechslungsgefahr bestünde.

Dass das Zeichen der Beklagten von einem Begriff umrahmt wird, ändere nichts daran, da das Zeichen aufgrund seiner symmetrischen Position in der Mitte und des größenmäßigen Herausragens prägender Bestandteil sei und so nachdrücklicher in Erinnerung bleibe; Symbole nehme man intuitiv wahr, während Schrift einen Erkenntnisprozess verlange, weshalb der Name erst in einem zweiten Schritt wahrgenommen werde. Bei der vorliegenden Frage der Verwechslungsgefahr gehe es nicht um Buchstaben.

Da es sich bei dem Produkt der Beklagten um ein Pharmaprodukt zur Krebsbehandlung handele, läge der Bezug zur Klägerin als Pharmaunternehmen der Krebstherapie und -behandlung besonders nahe. Es entstünde der Eindruck, das Produkt €Sprycel€ sei ein Produkt aus dem Haus der Klägerin oder diese habe sonst irgendeinen Bezug zu dem Produkt, seiner Herstellung oder seinem Vertrieb.

Die angesprochenen Verkehrskreise seien Apotheken, Ärzte usw., welche im ersten Eindruck wahrnehmen würden, dass es sich bei den von den Parteien vertriebenen Produkten zum einen um verschreibungspflichtige Arzneimittel, zum anderen aufgrund des €Y€-Symbols um ein onkologisches Antikörpermittel handele. Dabei werde das prägende Stilelement in der klägerischen Marke unter allen verschreibungspflichtigen Onkologiemittel als Zeichen der Krebsforschung und -behandlung assoziativ den Krebsmitteln der Klägerin zugeordnet.

Die Passivlegitimation der Beklagten folge aus dem Umstand, dass die B. GmbH & Co. KG aA die Hauptverwaltung der Beklagten sei; durch Lizensierung bzw. Erlaubnis an ihre Hauptverwaltung, die Marke zu nutzen, habe die Beklagte die Störungshandlung begangen, die sich durch den eingeräumten Verkauf in Deutschland heute noch fortsetze.

In der mündlichen Verhandlung vom 25.06.2008 hat die Klägerin ihre ursprünglich gestellten Anträge in Ziffer 2 und 8 zurückgenommen.

Die Klägerin hat zuletzt b e a n t r a g t :

1. Die Beklagte wird verurteilt, in die Löschung der für die Waren- und Dienstleistungsklasse 05 (Pharmazeutische Produkte) am 12.07.2006 beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldeten und am 13.10.2006 in das Register beim Deutschen Patent- und Markenamt eingetragenen Marke Nr. 30643268.4

gegenüber dem Deutschen Patent- und Markenamt einzuwilligen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft € jeweils zu vollstrecken an dem im Rubrum benannten Geschäftsführer € bis zu sechs Monaten zu unterlassen, das nachstehend wiedergegebene Zeichen so oder in ähnlicher Form zu verwenden oder verwenden zu lassen:

3. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin über alle Waren und Dienstleistungen, die mit dem in dem Antrag zu 1) benannten Zeichen verbunden oder assoziiert sind, damit beworben werden oder vertrieben werden, Auskunft zu erteilen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin über Namen und Anschrift der Hersteller, der Lieferanten und anderer Besitzer und Vorbesitzer, der gewerblichen Abnehmer oder der Auftraggeber sowie über die Menge der gemäß dem Antrag zu 2) hergestellten, geleisteten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Waren oder Dienstleistungen, und zwar aufgeschlüsselt nach Monaten, Auskunft zu erteilen.

5. Die Beklagte wird verurteilt, in die Vernichtung aller mit dem in dem Klageantrag zu Ziffer 1) gekennzeichneten Waren, hilfsweise aller sinnlich wahrnehmbarer Widergaben des gemäß Klageantrag zu Ziffer 1) zu unterlassenen Zeichens einzuwilligen, die bei ihr selbst eingelagert sind oder bei den nach Klageantrag zu Ziffer 3) benannten Dritten oder sonstigen Dritten, auf die die Beklagte entsprechenden Einfluss hat.

6. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der ihr aus Handlungen der aus Ziffer 1) beschriebenen Art entstanden ist und entstehen wird.

Die Beklagte b e a n t r a g t

Klageabweisung.

Die Beklagte behauptet , dass das von der Klägerin beanstandete Medikament €SPRYCEL€ nicht selbst von der Beklagten in Deutschland vertrieben werde, sondern von dem selbständigen deutschen Unternehmen B. GmbH & Co. KG aA. Dieses Medikament werde auch nicht unter Verwendung des bloßen Bildzeichens, sondern unter der stilisierten Wortmarke €SPRYCEL€ vertrieben.

Die Beklagte ist der Auffassung , dass es bereits an einer relevanten Benutzungshandlung der Beklagten in Deutschland fehle, so dass sie für die Klageansprüche in Ziff. 2 bis 6. nicht passivlegitimiert sei.

Außerdem bestünde unabhängig von einer möglichen Warenähnlichkeit vorliegend keine Gefahr, dass die angesprochenen Verkehrskreise die beiden Zeichen miteinander verwechseln: Die Marke Nr. 30536221.6 verfüge € insbesondere unter Berücksichtigung des Vortrags der Klägerin, dass ihre Marke aus einem in der Krebsforschung und -behandlung standardisiert verwendeten Symbol zur Darstellung der Wirkweise der Antikörper bestehe € nur über geringe originäre Kennzeichnungskraft und damit nur über einen geringen Schutzumfang, von dem die sehr unterschiedlichen Marke der Beklagten nicht umfasst würde. Darüber hinaus fehle es bei einem Vergleich des Gesamteindrucks beider Zeichen an einer phonetischen und visuellen Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Marken, da es sich bei der von der Klägerin geltend gemachten Marke um eine reine Bildmarke im Stile eines Piktogramms handele, wohingegen die Marke der Beklagten aus einem Wortzeichen mit einem leicht stilisierten Schriftbild bestünde. Es sei unzulässig, bei einem Vergleich des optischen Gesamteindrucks beider Zeichen den Buchstaben €Y€ aus dem Markenwort €SPRYCEL€ herauszutrennen und isoliert mit der klägerischen Marke zu vergleichen, weil dies zu einer Monopolisierung der Verwendung des Buchstaben €Y€ zugunsten der Klägerin führen würde. Das stilisierte €Y€ der Beklagten werde von den Verkehrskreisen keineswegs als das Markenwort prägende und selbst nicht aussprechbares Bildzeichen wahrgenommen, sondern als Buchstabe €Y€. Im übrigen verwende die Klägerin selbst ihr Bildsymbol als stilisierten Buchstaben €i€ des Firmennamens A.

Weiterhin bestünden deutliche Unterschiede zwischen der graphischen Gestaltung des Buchstabens €Y€ in der Marke der Beklagten und der graphischen Gestaltung des Piktogramms bei der Klägerin.

Eine mittelbare Verwechslungsgefahr scheitere an der fehlenden Serienmarke der Klägerin, die auf der deutschen Marke Nr. 30536221.6 als Stammzeichen aufgebaut ist, sowie an der fehlenden eigenständigen kennzeichenrechtlichen Bedeutung des stilisierten €Y€, so dass der angesprochene Verkehr € spezialisierte Fachkräfte, die erfahrungsgemäß im Umgang mit Arzneimitteln sorgfältiger seien und deshalb seltener Markenverletzungen unterlägen € diesen Buchstaben erst gar nicht als Stammbezeichnung eines anderen Markeninhabers wahrnehmen könne. Die Möglichkeit einer bloßen allgemeinen Assoziation in dem Sinne, dass eine gedankliche Verbindung zwischen zwei Zeichen hergestellt werden könne, reiche nicht aus, um eine Verwechslungsgefahr zu begründen.

In der mündlichen Verhandlung vom 25.06.2008 hat die Kammer die Klägerin darauf hingewiesen, dass sie für die bestrittene Einräumung einer Exklusivlizenz durch Frau P. noch nicht Beweis angeboten hat.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Parteien samt Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 25.06.2008 (Bl. 28/30 d. A.).

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

A.

Die Klägerin hat bereits ihre Aktivlegitimation nicht nachgewiesen (I.) . Darüber hinaus besteht aber auch keine Verwechslungsgefahr zwischen den streitgegenständlichen Zeichen als Voraussetzung für die geltend gemachten Ansprüche auf Markenlöschung (§§ 51 Abs. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG), Unterlassung (§ 14 Abs. 5 S. 1, Abs. 2 Nr. 2 MarkenG), Auskunft (§ 19 MarkenG), Warenvernichtung (§ 18 Abs. 1 MarkenG) und Schadensersatzfeststellung (§ 14 Abs. 6 MarkenG) (II.) . Es kann daher offenbleiben, ob die € für den Klageantrag in Ziff. 1 passivlegitimierte € Beklagte auch für die Klageanträge in Ziff. 2 bis 6 richtiger Klagegegner ist (III.) .

I. Die Klägerin hat trotz Hinweises durch die Kammer keinen Beweis für die von der Beklagten bestrittene Einräumung einer Exklusivlizenz durch die Inhaberin der Marke Nr. 30536221.6 angeboten, so dass es an einem Nachweis für die Aktivlegitimation fehlt.

1. Inhaberin der Marke ist nicht die Klägerin selbst, sondern ihre Geschäftsführerin Frau G. P. Somit bedarf es gem. § 30 Abs. 3 MarkenG für die Bejahung der Aktivlegitimation eines Lizenznehmers in einem Markenverletzungsprozess der Zustimmung zur Prozessführung durch den Inhaber. Eine ausdrückliche Zustimmung hat die Klägerin nicht vorgetragen. Es kann allerdings davon ausgegangen werden, dass in der Unterschrift für die Anwaltsvollmacht zur Klage durch die Geschäftsführerin der Klägerin gleichzeitig konkludent ihre Zustimmung in ihrer Funktion als Markeninhaberin zur Prozessführung durch die Klägerin zu sehen ist.

332. Unabhängig davon ist die Klägerin aber auch für den Umstand beweisbelastet, dass ihr tatsächlich eine Exklusivlizenz von ihrer Geschäftsführerin eingeräumt wurde. Mag nun eine solche Einräumung aufgrund der Personalunion zwischen Markeninhaberin und Geschäftsführerin der Klägerin naheliegen, so entbindet dies die Klägerin nicht von der Notwendigkeit, im Bestreitensfalle entsprechende (und im Zweifel ohne weiteres beibringbare) Nachweise vorzulegen; auf nichts anderes hat die Kammer in der mündlichen Verhandlung hingewiesen. Solche Nachweise hat die Klägerin jedoch nicht vorgelegt, so dass sie hierfür beweisfällig geblieben ist. Dass die Klägerin alternativ in Prozessstandschaft für die Markeninhaberin handelt, hat sie nicht vorgetragen.

II. Zwischen der Klagemarke und der Registermarke Nr. 30643268.4 der Beklagten besteht keine Verwechslungsgefahr i.S.v. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG, so dass der geltend gemachte Löschungsanspruch unbegründet ist (1.) . Der Unterlassungsantrag scheitert an der fehlenden isolierten Benutzung des in Klageantrag Ziff. 2 abgebildeten Zeichens durch die Beklagte sowie an der fehlenden Verwechslungsgefahr i.S.v. § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG (2.) . In der Konsequenz scheiden auch die mit den Klageanträgen Ziff. 3 bis 6 geltend gemachten Folgeansprüche auf Auskunft, Vernichtung und Schadensersatzfeststellung aus.

1. Der Löschungsanspruch ist unbegründet, da eine Verwechslungsgefahr zwischen den streitgegenständlichen Registermarken nicht gegeben ist.

a. Die Frage der Verwechslungsgefahr ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen; dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen den Beurteilungsfaktoren der Waren-/Dienstleistungsidentität oder -ähnlichkeit, der Markenidentität oder -ähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der älteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren/Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder der Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (vgl. Ingerl/Rohnke , MarkenG, 2. Aufl., § 14 Rn. 272 m.w.N.).

Diese Wechselbeziehung hat zur Folge, dass bei Warenidentität einschließlich hochgradiger Warenähnlichkeit ein wesentlich deutlicherer Abstand der Marken selbst erforderlich ist, um Verwechslungsgefahren auszuschließen, als bei einem geringeren Grad der Warenähnlichkeit; treffen außerdem Warenidentität und überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft zusammen, genügt bereits ein geringer Grad der Zeichenähnlichkeit, um eine Verwechslungsgefahr zu bejahen (vgl. Ingerl/Rohnke , a.a.O., § 14 Rn. 273).

b. Konkret maßgeblicher Verkehrskreis für die Frage der Verwechslungsgefahr sind bei den vorliegend einander gegenüberstehenden, verschreibungspflichtigen Medikamenten in erster Linie Ärzte und Apotheker, bei denen angesichts der Verschreibungspflicht von einer besonderen Sorgfalt auszugehen ist, so dass sie seltener € auch schriftbildlichen € Markenverwechslungen unterliegen (vgl. BGH GRUR 2000, 603, 604 € €Ketof/ETOP€; Hacker in Ströbele/Hacker , MarkenG, 8. Aufl., § 9 Rn. 122 m.w.N.).

c. Die Klägerin trägt vor, dass ihre Marke aus einem in der Krebsforschung und -behandlung standardisiert verwendeten Symbol zur Darstellung der Wirkweise der Antikörper bestünde. Unter Zugrundelegung dieses Vortrags wäre von einer Minderung der produktbezogen festzustellenden Kennzeichnungskraft der Marke auszugehen, da sich das Motiv des Bildzeichens an eine beschreibende Angabe begrifflich anlehnt und damit Bezüge zum dazugehörigen Produkt aufweist (vgl. Ingerl/Rohnke , a.a.O., § 14 Rn. 369).

Allerdings ist zu berücksichtigen, dass einerseits durch die Hinzufügung eines ausgefüllten Punkts oberhalb des Y-förmigen Symbols, andererseits durch das Ansetzen der beiden oberen kurzen Schenkel an der oberen Kante des senkrechten Schenkels, so dass über diesem ein quadratischer Freiraum entsteht, sowie schließlich durch die Verschlankung der kurzen Schenkel gegenüber dem senkrechten Schenkel der Eindruck eines Buchstabens €Y€ (bzw. des Symbols zur Darstellung der Wirkweise von Antikörpern in der Krebsforschung) deutlich zurücktritt und vielmehr der Eindruck eines Piktogramms für ein die Arme hebendes Männchen entsteht. Für ein solches Bildzeichen ändert sich nichts an der grundsätzlich zu vermutenden normalen originären Kennzeichnungskraft.

d. Hinsichtlich der Frage der Warenidentität bzw. -ähnlichkeit ist zu beachten, dass es mangels Ablaufs der Benutzungsschonfrist der klägerischen Registermarke i.S.v. § 4 Nr. 1 MarkenG nicht auf die tatsächlichen Benutzungsverhältnisse, sondern nur auf die Waren ankommt, für die die Marke im Register eingetragen ist (vgl. Hacker , a.a.O., § 14 Rn. 129). Nachdem die beiden sich gegenüberstehenden Marken jeweils für die Warenklasse 05, die u.a. Arzneimittel für humanmedizinische Zwecke umfasst, eingetragen sind, ist vorliegend von Warenidentität bzw. zumindest von hochgradiger Wahrenähnlichkeit auszugehen.

e. Vorliegend ist der Zeichenabstand zwischen den beiden streitgegenständlichen Marken groß genug, um eine unmittelbare Verwechslungsgefahr auszuschließen.

aa. Die Tatsache, dass ein im Vergleich zu einer älteren Marke ähnlicher Bestandteil einer jüngeren Marke in kennzeichnender Weise hervortritt, führt noch nicht zwangsläufig zur Bejahung von Verwechslungsgefahr zwischen den beiden Marken; vielmehr ist als weitere Frage zu prüfen, ob der betreffende Bestandteil innerhalb der Gesamtmarke selbständig kollisionsbegründend wirkt (vgl. Hacker , a.a.O., § 9 Rn. 229).

Der BGH hat hierzu in seinem Vorlagebeschluss € Springende Raubkatze € (GRUR 1996, 198, 199) folgendes ausgeführt:

€Der Senat erachtet es sonach nicht als zulässig, ein Element aus einer Gesamtbezeichnung - mag ein Wort-, ein Bild- oder ein Wort-/Bildzeichen sein - herauszugreifen und dieses allein mit einem anderen Zeichen auf seine Identität oder Ähnlichkeit zu prüfen. Dies beruht auf der Erwägung, wonach markenrechtlicher Schutz von der Gestaltung der Marke auszugehen hat, wie sie eingetragen ist, und eine Ähnlichkeit mit einer anderen Marke nur in deren konkreter Verwendung festgestellt werden kann. Der Schutz eines aus einem Kombinationszeichen herausgelösten (Wort- oder Bild-)Elements ist dem Markenrecht fremd (BGH GRUR 1976, 353, 354 - Colorboy; GRUR 1991, 319, 320 - HURRICANE). Gleichermaßen ist es verwehrt, aus der angegriffenen Bezeichnung ein Element herauszulösen und dessen Übereinstimmung mit dem Klagezeichen festzustellen (BGH GRUR 1986, 72, 73 - Tabacco d'Harar; GRUR 1989, 425, 427 - Herzsymbol). [€]

Der genannte Grundsatz verbietet es indessen nicht, einem einzelnen Bestandteil eine besondere, das Gesamtzeichen prägende Kennzeichnungskraft zuzumessen und deshalb bei einer Übereinstimmung des Drittzeichens mit dem so geprägten Gesamtzeichen eine Verwechslungsgefahr im kennzeichenrechtlichen Sinne anzunehmen. Dies ist dann der Fall, wenn der übereinstimmende Teil in dem Gesamtzeichen eine selbständig kennzeichnende Stellung hat und nicht derart in den Hintergrund tritt, daß er durch Einfügen in das Gesamtzeichen seine Eignung verliert, die Erinnerung an dieses wachzurufen (BGH, a.a.O. - Tabacco d'Harar; a.a.O. - Herzsymbol).

Es geht aber auch in einem solchen Fall immer nur um die Betrachtung der beiden Zeichen in ihrer Gesamtheit und nicht etwa nur der einzelnen (prägenden) Elemente.€

Ein einzelner Zeichenbestandteil kann also unter Umständen eine besondere das gesamte Zeichen prägende Kennzeichnungskraft aufweisen, so dass die anderen Bestandteile im Rahmen des Gesamteindrucks weitgehend in den Hintergrund treten; nicht ausreichend ist dagegen, dass der übereinstimmende Bestandteil für den Gesamteindruck eines der beiden sich gegenüberstehenden Zeichen lediglich mitbestimmend ist (vgl. BGH GRUR 2003, 880, 881 € City Plus ; GRUR 2004, 598, 599 € Kleiner Feigling ; GRUR 2004, 865, 866 € Mustang ; GRUR 2006, 60, 62 Rz. 19 € cocodrillo ). Ferner ist nicht ausreichend, dass sich der Bestandteil als lediglich gleichgewichtig mit anderen Markenteilen darstellt (BGH GRUR 1999, 52, 53 € EKKO BLEIFREI ).

bb. Unter Zugrundelegung vorgenannter Grundsätze ist eine Verwechslungsgefahr für die eingetragene Wort-/Bildmarke Nr. 30643268.4 der Beklagten zu verneinen.

(1) Der von der Klägerin zur Begründung der Verwechslungsgefahr in ihren Schriftsätzen vorgenommene Einzelvergleich ihrer Marke mit dem entsprechenden, aus der Wort-/Bildmarke der Beklagten isolierten €Y-Symbol€ ist unzulässig; vielmehr ist ein Gesamtvergleich der sich gegenüberstehenden Marken vorzunehmen.

(2) Da sich aber nur dieser Bestandteil innerhalb der Beklagtenmarke als die Verwechslungsgefahr begründend erweisen könnte, müsste er eine besondere, das gesamte Zeichen prägende Kennzeichnungskraft aufweisen. Hieran fehlt es jedoch:

Gegen die Annahme einer selbständigen Kennzeichnungsfunktion des Bestandteils spricht zunächst der Umstand, dass es an einer deutlichen Absetzung von den übrigen Markenteilen fehlt. Zwar befindet sich das €Y-Symbol€ in der Mitte der Marke, ist leicht größer als die übrigen Buchstaben und unterbricht die Unterstreichung, so dass durchaus eine gesonderte Bemerkbarkeit angenommen werden kann; diese ändert aber nichts daran, dass die maßgeblichen Verkehrskreise die Marke als einheitlichen Gesamtbegriff auffassen. Deutlich wird dies daran, dass beim Lesen der Marke eine Trennung zwischen dem das €Y€ darstellenden Bestandteil und dem Rest (€SPR CEL€) schon wegen der Aufeinanderfolge der vielen Konsonanten und der damit einhergehenden schlechten Aussprechbarkeit nicht in Betracht kommt; der Leser wird vielmehr den Bildbestandteil stets als €Y€ lesen, was einen gesamtbegrifflichen Charakter begründet.

Daneben ist zu beachten, dass bei der Frage der (schrift-)bildlichen Verwechslungsgefahr beim Zusammentreffen von Wort- und Bildbestandteilen der Verkehr regelmäßig dem Wort € welches vorliegend nicht rein beschreibend, sondern kennzeichnungsstark ist € als einfachster und kürzester Bezeichnungsform eine prägende Bedeutung zumisst, zumindest wenn sich das Bild nur als bloße Illustration des im Vordergrund stehenden Wortes darstellt (vgl. BGH GRUR 1999, 241, 244 € Lions ). So liegt der Fall aber hier, da das Bild eindeutig für den Buchstaben €Y€ im überwiegenden Wortbestandteil der Marke steht und somit der zwischen den kurzen Schenkeln angeordnete Punkt sowie die für ein €Y€ etwas ungewöhnliche Form € die beiden kurzen Schenkel gehen kurvenförmig und nicht wie üblich gerade vom senkrechten Schenkel ab, zudem ist der von den beiden kurzen Schenkeln gebildete Winkel spitzer als bei einem herkömmlichen €Y€ € (lediglich) als besondere Darstellung des Buchstabens aufgefasst werden.

54Im Ergebnis ist daher festzustellen, dass die Verwechslungsgefahr daran scheitert, dass dem in Frage stehenden Bild-Bestandteil €Y-Symbol€ keine prägende Kennzeichnungskraft zukommt; die übrigen Bestandteile der Marke € also die Buchstaben SPR und CEL € treten nicht weitgehend in den Hintergrund, sondern sind vielmehr ihrerseits prägend. Aber auch wenn man zugunsten der Klägerin davon ausgehen würde, dass der Bild-Bestandteil zumindest über eine Mitbestimmung für den Gesamteindruck der Marke verfügt bzw. gleichgewichtig im Vergleich zu den anderen genannten Markenbestandteilen ist, würde dies nicht zur Bejahung einer Verwechslungsgefahr genügen.

(3) Bejahte man im übrigen zu Diskussionszwecken eine prägende Kennzeichnungskraft des Bild-Bestandteils für die Beklagtenmarke, so ergäbe ein Vergleich des Gesamteindrucks der sich gegenüberstehenden Marken ebenfalls keine unmittelbare Verwechslungsgefahr.

In diesem Zusammenhang ist nämlich zu berücksichtigen, dass bereits der Bild-Bestandteil auf Beklagtenseite sich hinreichend deutlich von der Klagemarke unterscheidet. Wie oben unter Ziff. II. 1. c. festgestellt, ergibt sich bei der Klagemarke der Eindruck eines Piktogramms für ein die Arme hebendes Männchen. Demgegenüber sind bei der Beklagtenmarke alle drei Schenkel stets gleich dick und die beiden oberen nur unwesentlich kürzer als der untere, senkrechte; darüber hinaus ist ein fließender Übergang vom unteren zu den beiden oberen Schenkeln gegeben. Die letzteren Merkmale führen dazu, dass für den Betrachter in erster Linie der Eindruck eines Buchstabens €Y€ und erst in zweiter Linie derjenige eines die Arme hebenden Männchens entsteht. Dieser erste Eindruck wird außerdem dadurch bestärkt, dass der ausgefüllte Punkt im Vergleich zur Klagemarke wesentlich kleiner ist und sich nicht oberhalb der beiden Schenkel, sondern dazwischen befindet, so dass die Assoziation mit einem Kopf nicht ohne weiteres entsteht.

Sind aber bereits deutliche Unterschiede zwischen einem (prägenden) Teilzeichen auf der einen und der Marke auf der anderen Seite vorhanden und berücksichtigt man weiterhin den aufmerksameren Verkehrskreis der Ärzte und Apotheker (s.o. Ziff. II. 1. b.), so ist erst recht bei dem Vergleich des Gesamteindrucks der jeweiligen Marken eine Verwechslungsgefahr abzulehnen.

f. Schließlich sind weder eine mittelbare Verwechslungsgefahr noch eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne gegeben.

59aa. Der Annahme einer mittelbaren Verwechslungsgefahr (vgl. hierzu Hacker , a.a.O., § 9 Rn. 318 ff.) steht der bereits unter Ziff. II. 1. e. bb. (3) ausgeführte Gesichtspunkt entgegen, dass kein in beiden Marken übereinstimmendes oder zumindest wesensgleiches Element als €Stammbestandteil€ vorhanden ist. Außerdem ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin mit ihrem Stammbestandteil (vorliegend also der streitgegenständlichen Marke selbst) mehrere eigene Serienmarken gebildet hätte und im Verkehr damit aufgetreten wäre. Ebenso wenig ist erkennbar, dass die Marke der Klägerin Hinweischarakter auf sie besitzt (vgl. OLG Hamburg GRUR-RR 2004, 42, 45 € Sitting Bull ). Schließlich spricht gegen eine mittelbare Verwechslungsgefahr auch das Vorliegen eines Gesamtbegriffs auf Seiten der Beklagten (s.o. Ziff. II. 1. e. bb. (2)), der von der Vorstellung wegführt, es handle sich um eine Serienmarke eines Unternehmens (vgl. OLG Hamburg a.a.O.)

60bb. Für eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne (vgl. zu den Voraussetzungen Hacker , a.a.O., § 9 Rn. 338 ff.) sind besondere Umstände, die dem Verkehr die Annahme von wirtschaftlichen oder organisatorischen Beziehungen zwischen den Parteien nahelegen, nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich.

2. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch liegt ebenfalls nicht vor.

a. Eine isolierte Benutzung des in Klageantrag Ziff. 2 abgebildeten Zeichens durch die Beklagte hat diese bestritten. Entsprechende Beweise für eine solche Benutzungshandlung hat die Klägerin jedoch nicht angeboten, so dass bereits aus diesem Grund ein Unterlassungsanspruch nicht in Betracht kommt.

b. Aber auch die von der Beklagten eingeräumte Benutzung des genannten Zeichens innerhalb des Schriftzugs €SPRYCEL€ für die vertriebenen Produkte (vgl. die Packungsabbildung in Anlage B 3 oder z.B. die Abbildung auf der Homepage unter www.sprycel.com) begründet keinen Unterlassungsanspruch, weil es an einer Verwechslungsgefahr i.S.v. § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG fehlt. Insofern kann auf die Ausführungen unter Ziff. I. 1. verwiesen werden, die angesichts der vernachlässigbaren Unterschiede zwischen dem verwendeten Zeichen und dem innerhalb der Registermarke entsprechend gelten. Insbesondere verbleibt es bei der fehlenden Absetzung des Zeichens von den übrigen Markenteilen und der Prägung durch die Wortbestandteile.

III. Während die Beklagte als Markeninhaberin für den Löschungsantrag in Ziff. 1. ohne weiteres richtiger Klagegegner ist, kann angesichts der oben unter Ziff. I. und II. dargestellten, zur Klageabweisung führenden Gründe offenbleiben, ob ihre Passivlegitimation für die weiteren Klageanträge in Ziff. 2 bis 6 aus den Grundsätzen der Störerhaftung bzw. über § 14 Abs. 7 MarkenG nach den in der € Meißner Dekor II €-Entscheidung des BGH (GRUR 2005, 864 f.) aufgestellten Grundsätzen (bei dem beauftragten Unternehmen müsste es sich um eine Tochtergesellschaft des Betriebsinhabers handeln, der über die Funktion einer reinen Holding-Gesellschaft hinaus beherrschenden Einfluss auf die Tätigkeit des Tochterunternehmens ausübt) folgen könnte.

B.

I. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.

II. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.

III. Der Streitwert richtet sich nach §§ 39 Abs. 1, 51 Abs. 1 GKG, §§ 3, 5 ZPO. Bei der Streitwertfestsetzung hat sich die Kammer an die von der Klägerin in ihrem vorgerichtlichen Schreiben an die B. GmbH & Co. KG aA vom 05.06.2007 (Anlage B 6) selbst geschätzten Verfahrenskosten € i.H.v. durchschnittlich 25.000,00 € € bei € rechtlicher Durchsetzung € der geltend gemachten Ansprüche orientiert; dies entspricht auf Basis des RVG einem Streitwert von € 450.000,00 (Anwaltskosten: € 8.585,85 x 2 = € 17.170,70 + Gerichtskosten: € 8.418,00 = € 25.589,70). Die von der Klägerin in ihrem genannten Schreiben herangezogenen Umstände zur Streitwertberechnung begegnen aus Sicht der Kammer keinen Bedenken.

Beschluss

Der Streitwert des Verfahrens wird auf € 450.000,00 festgesetzt.






LG München I:
Urteil v. 08.10.2008
Az: 21 O 16599/07


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/907cc478c9b2/LG-Muenchen-I_Urteil_vom_8-Oktober-2008_Az_21-O-16599-07




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share