Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. Juli 2003
Aktenzeichen: 7 W (pat) 327/02
(BPatG: Beschluss v. 16.07.2003, Az.: 7 W (pat) 327/02)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Bundespatentgericht hat in einem Beschluss vom 16. Juli 2003 das Patent 199 63 294 in beschränkter Form aufrechterhalten. Dabei wurden die Patentansprüche 1 bis 4 sowie die Beschreibung und Zeichnungen gemäß der Patentschrift übernommen.
Der Einspruch gegen das Patent wurde am 4. Juni 2002 eingereicht und basiert auf der Behauptung, dass der Patentgegenstand nicht patentfähig sei. Die Einsprechende hat verschiedene Druckschriften als Stand der Technik genannt, darunter deutsche Patentschrift 38 21 205 und europäische Patentschrift 0 386 862. Zudem hat sie behauptet, seit 1995 Kombi-Dämpfer mit ähnlichen Merkmalen anzubieten und dies mit einer technischen Zeichnung und einem Prospekt belegt. Sie beantragt die Widerrufung des Patents.
Die Patentinhaberin hingegen beantragt, das Patent in beschränkter Form aufrechtzuerhalten und argumentiert, dass der Gegenstand des Patents patentfähig sei.
Der Patentanspruch 1 beschreibt ein Gargerät mit einem Garraum, einem Heizraum, einem Lüfter und einem Temperatursensor zur Regelung der Heizleistung. Die Beschreibung erklärt, dass das Ziel der Erfindung darin besteht, eine auf das Gargut und die Gargutmenge abgestimmte Heizungsregelung zu ermöglichen. Die Patentansprüche 2 bis 4 zielen darauf ab, das Gargerät weiterzuentwickeln.
Das Bundespatentgericht entscheidet, dass der Einspruch zulässig ist und der Gegenstand des Patents in beschränkter Form eine patentfähige Erfindung darstellt. Es stellt fest, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gegenüber dem Stand der Technik neu ist. Obwohl ähnliche Gargeräte beschrieben sind, unterscheidet sich der Gegenstand des Patents durch die spezifischen Merkmale im Anspruch.
Das Gericht gelangt zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 das Ergebnis einer erfinderischen Tätigkeit ist. Die Kombination des Temperatursensors zwischen der Lüfterscheibe und der Rückwand des Garraums sowie die Ausgestaltung des Lüfterrades mit Öffnungen und radialen Rippen werden als nicht naheliegend für einen Fachmann angesehen. Es wird festgestellt, dass der Patentanspruch 1 sowie die Ansprüche 2 bis 4 den Erfordernissen der erfinderischen Tätigkeit genügen.
Insgesamt wird der Einspruch gegen das Patent abgelehnt und das Patent wird in beschränkter Form aufrechterhalten.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 16.07.2003, Az: 7 W (pat) 327/02
Tenor
Das Patent wird beschränkt aufrechterhalten mit den am 16. Juli 2003 überreichten Patentansprüchen 1 bis 4, Beschreibung und Zeichnungen gemäß Patentschrift.
Gründe
I.
Gegen das Patent 199 63 294, dessen Erteilung am 7. März 2002 veröffentlicht wurde, ist am 4. Juni 2002 Einspruch erhoben worden. Der Einspruch ist auf die Behauptung gestützt, daß der Patentgegenstand nicht patentfähig sei.
Zum Stand der Technik hat die Einsprechende im Einspruchsschriftsatz und in weiteren Schriftsätzen folgende Druckschriften genannt:
1. deutsche Patentschrift 38 21 205, 2. europäische Patentschrift 0 386 862, 3. europäische Patentschrift 0 653 593, 4. europäische Offenlegungsschrift 0 171 522, 5. europäische Patentschrift 0 926 449.
Die Einsprechende hat außerdem geltend gemacht, sie vertreibe seit 1995 Kombi-Dämpfer des Modells C 61/101 und C 61/201 mit einem Lüfterrad, das eine Lüfterscheibe mit Öffnungen aufweise, wobei in den Öffnungen Schaufeln vorgesehen und auf der dem Garraum abgewandten Seite der Lüfterscheibe radial verlaufende Rippen angeordnet seien. Hierzu hat sie eine technische Zeichnung mit der Nr 2012.0502 vom 22. März 1995 und ein Prospekt "Kombi-Dämpfer, die neue C-Linie" vom August 1995 vorgelegt.
Die Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.
Die Patentinhaberin beantragt, das Patent aufrechtzuerhalten mit den am 16. Juli 2003 überreichten Patentansprüchen 1 bis 4, Beschreibung und Zeichnungen gemäß Patentschrift.
Sie vertritt die Auffassung, daß der Gegenstand des Patents in der verteidigten Fassung eine patentfähige Erfindung darstelle.
Der Patentanspruch 1 lautet:
"Gargerät mit einem Garraum und einem Heizraum, in dem ein zur Umwälzung des im Garraum befindlichen Mediums dienender Lüfter mit einer an ihrem Außenrand Schaufeln tragenden, antreibbaren Lüfterscheibe vorgesehen ist, der das Medium in axialer Richtung aus dem Garraum ansaugt und in radialer Richtung über eine Heizung in den Garraum zurückfördert sowie mit einem im Mediumstrom vor der Heizung angeordneten Temperaturfühler zur Regelung der Heizleistung, dadurch gekennzeichnet, daß in der Lüfterscheibe zumindest eine Öffnung vorgesehen und der Temperaturfühler in dem Raum hinter der Lüfterscheibe angeordnet ist, der sich an der dem Garraum abgewandten Seite der Lüfterscheibe befindet, daß auf der dem Garraum abgewandten Seite der Lüfterscheibe radiale Rippen angeordnet sind, daß der Temperaturfühler in unmittelbarer Nähe zur Lüfterscheibe angeordnet ist."
Laut Beschreibung (Abs [0007]) ist es Aufgabe der Erfindung, ein Gargerät der gattungsgemäßen Art so auszubilden, daß bei einer einfachen konstruktiven Ausgestaltung für die Temperaturfühleranordnung eine auf das Gargut und die Gargutmenge abgestimmte Heizungsregelung möglich ist.
Die Patentansprüche 2 bis 4 sind auf Merkmale gerichtet, mit denen das Gargerät nach Anspruch 1 weiter ausgebildet werden soll.
Für weitere Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.
II.
1. Über den Einspruch ist gemäß § 147 Abs 3 Ziff 2 PatG in der Fassung des Gesetzes zur Bereinigung von Kostenregelungen auf dem Gebiet des geistigen Eigentums vom 13. Dezember 2001 Art 7 durch den Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts zu entscheiden.
2. Der frist- und formgerecht erhobene Einspruch ist zulässig.
3. Der Gegenstand des angefochtenen Patents in der beschränkten Fassung stellt eine patentfähige Erfindung im Sinne des PatG § 1 bis § 5 dar.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist gegenüber dem aufgezeigten Stand der Technik neu.
In der deutschen Patentschrift 38 21 205 ist ein Gargerät beschrieben, bei dem ein Lüfter Gas, zB ein Luft-Dampf-Gemisch, in axialer Richtung aus dem Garraum ansaugt und in radialer Richtung über eine Heizung in den Garraum zurückfördert. In dem vom Lüfter angesaugten Mediumstrom ist ein Temperaturfühler zur Regelung der Heizleistung angeordnet. Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von diesem bekannten Gargerät durch die im kennzeichnenden Teil des Anspruchs angegebenen Merkmale.
Bei dem in der europäischen Patentschrift 0 653 593 beschriebenen Gargerät wird aus einem externen Verdampfer 8 Dampf in den Garraum eingespeist. Das im Garraum befindliche Medium wird von einem Lüfter 3 axial angesaugt und radial nach außen gefördert. Um festzustellen, ob im Garraum Überdruck oder Unterdruck herrscht - dementsprechend wird die Dampfzufuhr aus- oder eingeschaltet - ist der Garraum über ein dünnes Rohr 9 mit der Umgebung verbunden. In diesem Rohr ist der Fühler 11 eines Thermostaten 12 zur Steuerung des Dampferzeugers angeordnet. Je nachdem, ob im Garraum Überdruck oder Unterdruck herrscht, stellt sich in dem Rohr eine Strömung relativ heißen Mediums aus dem Garraum heraus oder relativ kühlen Mediums aus der Umgebung in den Garraum hinein ein. Das Rohr mündet in den Garraum in dem Zwischenraum zwischen der Lüfterscheibe und der Rückwand des Garraums. Dadurch solle eine einfache Montage und eine die Reinigung des Garraums nicht beeinträchtigende Anordnung erreicht werden. Die Lüfterscheibe kann Durchgangsöffnungen aufweisen. Von dieser bekanten Einrichtung unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 dadurch, daß ein Temperaturfühler zur Regelung der Heizleistung in dem Raum zwischen der Lüfterscheibe und der Rückseite des Garraums angeordnet ist und daß die Lüfterscheibe an ihrer Rückseite radiale Rippen aufweist.
Der übrige aufgezeigte Stand der Technik kommt dem Gegenstand des angefochtenen Patents auch nicht näher. Bei dem Gargerät nach der europäischen Patentschrift 0 386 862 ist ein Temperaturfühler an einer Wand des Garraums angeordnet. Das Lüfterrad kann auf seiner Rückseite Hilfsschaufeln 324 zur Zufuhr von Trockenluft aufweisen (Fig 3, Sp 5 Z 53 bis Sp 6 Z 3). Auch bei dem Gargerät nach der europäischen Offenlegungsschrift 0 926 449 (die von der Einsprechenden genannte Patentschrift ist nicht vorveröffentlicht) ist das Lüfterrad zur Verbesserung der Luftzufuhr in den Garraum besonders ausgestaltet, indem in der Lüfterscheibe Öffnungen 27 und Ablenkeinrichtungen 29 vorgesehen sind. Die Anordnung von Temperaturfühlern ist nicht erwähnt. Bei dem Gargerät nach der europäischen Offenlegungsschrift 0 171 522 ist ein Temperaturfühler in einem den Garraum mit der Umgebung verbindenden Meßfühlerrohr vorgesehen. Gegenstand der geltendgemachten Vorbenutzung ist ein Lüfterrad mit radialen Rippen auf der Rückseite der Lüfterscheibe und zwei Öffnungen in der Rückseite der Lüfterscheibe, die etwa auf dem gleichen Radius liegen wie die Mitte der radialen Rippen (Zeichnung 2 012.0 502). Einzelheiten eines Garraums oder einer Temperaturfühler-Anordnung gehen daraus nicht hervor.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1, dessen gewerbliche Anwendbarkeit nicht in Zweifel steht, ist auch das Ergebnis einer erfinderischen Tätigkeit.
Der Senat sieht die Kombination der Anordnung des Temperatursensors in dem Zwischenraum zwischen der Lüfterscheibe und der Rückwand des Garraums bzw des zum Garraum gehörenden Heizraums mit der Ausbildung des Lüfterrades mit Öffnungen und radialen Rippen auf der Rückseite der Lüfterscheibe nicht als dem Fachmann durch den aufgezeigten Stand der Technik nahegelegt an. Als Fachmann ist hier ein Ingenieur des Maschinenbaus mit Erfahrungen in der Konstruktion von Gargeräten und Kenntnissen der Thermodynamik und Wärmetechnik anzusehen.
Die Frage der Erfindungshöhe stellt sich im wesentlichen gegenüber dem Stand der Technik nach der europäischen Patentschrift 0 653 593, denn nur dort liegt der Meßort in dem Raum zwischen der Rückseite der Lüfterscheibe und der Rückwand des Gargeräts. Allerdings geht es dort um die Feststellung, ob am Meßort Unterdruck oder Überdruck herrscht. Der Temperaturfühler im Meßrohr, der außerhalb des Gargeräts angeordnet ist, muß nur zwischen der Temperatur der in einem Falle aus der Umgebung angesaugten Luft und der Temperatur des im anderen Falle aus dem Garraum abströmenden Mediums unterscheiden können. Für den Druck an der Mündung des Meßrohrs, der die Strömungsrichtung im Meßrohr bestimmt, ist es praktisch ohne Bedeutung, ob an der Mündung des Meßrohrs eine definierte Strömungsrichtung des Mediums im Gar- bzw Heizraum vorliegt. Demgegenüber sind für eine zuverlässige Temperaturmessung des Mediums im Garraum zur Regelung der Heizleistung, wie sie beim Gegenstand des angefochtenen Patents vorgenommen wird, ganz andere Anforderungen zu erfüllen. Insbesondere muß dafür gesorgt werden, daß der Temperaturfühler von demjenigen Medium angeströmt wird, dessen Temperatur gemessen werden soll, und daß er vor der Wärmeeinstrahlung einer Heizeinrichtung geschützt ist. Daher fand der Fachmann nach Auffassung des Senats im aufgezeigten Stand der Technik keine Anregung dafür, den Temperaturfühler im Heizraum hinter der Lüfterscheibe anzuordnen und die Lüfterscheibe mit Öffnungen und radialen Rippen an ihrer Rückseite zu versehen, um eine definierte Anströmung des Temperaturfühlers zu erreichen.
Der geltende Anspruch 1 hat somit Bestand. Das Gleiche gilt auch für die Ansprüche 2 bis 4, die auf Merkmale zur Weiterbildung des Gargeräts nach Anspruch 1 gerichtet sind.
Dr. Schnegg Eberhard Dr. Pösentrup Frühauf Hu
BPatG:
Beschluss v. 16.07.2003
Az: 7 W (pat) 327/02
Link zum Urteil:
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