Kammergericht:
Beschluss vom 12. Februar 2016
Aktenzeichen: 22 W 93/15
(KG: Beschluss v. 12.02.2016, Az.: 22 W 93/15)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Kammergericht hat den Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 14. Juli 2015 aufgehoben. Das Amtsgericht hatte die Ausgabe von Aktien aufgrund einer Satzungsregelung zurückgewiesen. Das Kammergericht kommt jedoch zu dem Schluss, dass diese Regelung trotz der Einteilung des Grundkapitals in Stückaktien nicht gegen das Aktiengesetz verstößt, da eine Auslegung auf objektiver Grundlage ergibt, dass es sich hier um eine offenbare Unrichtigkeit handelt.
Das Kammergericht entscheidet weiterhin, dass das Amtsgericht erneut über die Ausgabe der Aktien entscheiden muss, wobei die Rechtsauffassung des Kammergerichts berücksichtigt werden soll.
Die Entscheidungsgründe des Kammergerichts erläutern, dass das Grundkapital der Klägerin nach einer Umwandlung einer GmbH in eine Aktiengesellschaft im Handelsregister eingetragen wurde. Die Hauptversammlung der Gesellschaft beschloss am 11. Mai 2009 die bedingte Erhöhung des Grundkapitals durch die Ausgabe von Aktien. Das Amtsgericht bemängelte, dass es an einer notwendigen Grundlage für die Ausgabe der Aktien fehle, da eine Satzungsregelung widersprüchlich sei. Das Kammergericht hingegen stellt fest, dass der Hauptversammlungsbeschluss den Erfordernissen des Aktiengesetzes genügt und wirksam ist. Die Satzungsregelung könne objektiv ausgelegt werden und ergebe, dass die bedingte Kapitalerhöhung durch Ausgabe von Stückaktien erfolgen soll, wie auch im Hauptversammlungsbeschluss festgelegt. Daher sei die Ausgabe der Aktien nicht zu beanstanden.
Das Kammergericht erörtert des Weiteren die Zulässigkeit der Beschwerde gegen den Entscheid des Amtsgerichts und kommt zu dem Schluss, dass die Beschwerde erfolgreich ist. Der Zurückweisungsbeschluss des Amtsgerichts wird aufgehoben und die Sache wird zur erneuten Prüfung an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Es wird keine Kostenentscheidung getroffen und die Zulassung der Rechtsbeschwerde wird ausgeschlossen.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
KG: Beschluss v. 12.02.2016, Az: 22 W 93/15
Eine Satzungsregelung, nach der das Grundkapital bedingt durch Ausgabe von Nennbetragsaktien erhöht wird, verstößt trotz Einteilung des Grundkapitals in Stückaktien nicht gegen § 8 Abs. 1 AktG, wenn eine Auslegung auf objektiver Grundlage ergibt, dass hier eine offenbare Unrichtigkeit vorliegt.
Tenor
Der Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 14. Juli 2015 wird aufgehoben. Die Sache wird an das Amtsgericht zur erneuten Entscheidung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats zurückverwiesen.
Gründe
I.
Die Klägerin ist durch Umwandlung aus einer GmbH entstanden und seit dem 29. Juli 2000 als Aktiengesellschaft im Handelsregister des Amtsgerichts Charlottenburg eingetragen. Das Grundkapital der Gesellschaft ist nach § 5 Abs. 2 der Satzung eingeteilt in Stückaktien.
Die Hauptversammlung der Gesellschaft fasste am 11. Mai 2009 einen Beschluss, wonach das Grundkapital der Gesellschaft um 1.521.234 EUR auf den Inhaber lautende Stammaktien im Nennbetrag von 1 EUR je Aktie bedingt erhöht und § 5 der Satzung um Abs. 4 ergänzt wurde, der lautete: €Das Grundkapital ist um bis zu € 1.521.234,00, eingeteilt in bis zu 1.521.234 auf den Inhaber lautende Stammaktien im Nennbetrag von € 1,00 je Aktie, bedingt erhöht (Bedingtes Kapital VII) €€. Dieser Hauptversammlungsbeschluss wurde am 17. Juni 2009 in das Handelsregister eingetragen (lfd. Nr. 23). Die Hauptversammlung beschloss in der Folge u.a. am 28. Juni 2011 und am 3. Juni 2014 die Herabsetzung des bedingten Kapitals auf zunächst 304.246 EUR und sodann 27.731 EUR (lfd. Nr. 27 und 40) mit entsprechenden Anpassungen der Satzung. Mit Schreiben vom 18. Februar 2014 hatte das Amtsgericht den für die Gesellschaft regelmäßig tätigen Notar darauf hingewiesen, dass die Regelungen über bedingtes Kapital in § 5 Abs. 4 und 8 (Bedingtes Kapital VII und VIII) geändert werden sollten, weil das Grundkapital entgegen den beiden Regelungen in Stückaktien eingeteilt sei und ein Nebeneinander von Nennwert- und Stückaktien nach § 8 Abs. 1 AktG ausscheide. Eine Anmeldung über die Ausgabe von 6.666 Stückaktien im Zeitraum vom 1. Januar bis 1. November 2014 im Rahmen des bedingten Kapitals und weitere Gegenstände vom 27. November 2014 wurde nach gerichtlichem Hinweis zurückgenommen. Auch zwei weitere Anmeldungen vom 8. Dezember 2014 und 13. Mai 2015 wurden, soweit sie sich auf das bedingte Kapital bezogen, zurückgenommen.
Mit einer Anmeldung vom 6. Juli 2015 hat der Vorstand der Gesellschaft unter Vorlage der Bezugserklärungen und eines Verzeichnisses der ihr Bezugsrecht ausübenden Personen erneut die Ausgabe von 6.666 Stückaktien auf der Grundlage des Beschlusses der Hauptversammlung über die bedingte Erhöhung des Grundkapitals (Bedingtes Kapital VII) und die Änderung der Satzung gemäß dem Hauptversammlungsbeschluss vom 13. Mai 2015 und der geänderten Satzung mit der Bescheinigung nach § 181 AktG angemeldet. Diese Anmeldung hat das Amtsgericht mit einem Beschluss vom 14. Juli 2015 zurückgewiesen. Es hat insoweit ausgeführt, dass es an der notwendigen Grundlage zur Ausgabe der Aktien fehle. Der mit einem Hauptversammlungsbeschluss vom 11. Mai 2009 gefasste § 5 Abs. 4 der Satzung, geändert durch Beschlüsse vom 28. Juni 2011 und 3. Juni 2014, genüge nicht. Eine bedingte Kapitalerhöhung setze eine entsprechende Satzungsregelung voraus. Diese stehe hier aber in einem Widerspruch zu dem Hauptversammlungsbeschluss vom 11. Mai 2009, weil sie von Nennbetragsaktien ausgehe. Dieser Widerspruch sei nicht durch den Hauptversammlungsbeschluss vom 13. Mai 2015 zu TOP 7 aufgelöst worden, der zwar eine Änderung des § 5 Abs. 4 in Bezug auf die Aktienart (nunmehr Stückaktien) vorsehe, aber die ausgegebenen 6.666 Bezugsaktien nicht berücksichtige. Aus diesem Grund komme insoweit auch kein Teilvollzug in Betracht.
II.
1. Das mit dem Schriftsatz vom 7. August 2015 gegen den Zurückweisungsbeschluss vom 14. Juli 2015 eingelegte Rechtsmittel ist nach § 58 Abs. 1 FamFG statthaft, weil es sich um eine Endentscheidung handelt, und auch im Übrigen zulässig. Die Beschwerdefrist von einem Monat nach § 63 Abs. 1 FamFG ist gewahrt, der Beschwerwert wird erreicht. Die Beteiligte ist als die betroffene Gesellschaft auch beschwerdebefugt, § 59 Abs. 1 FamFG.
2. Die Beschwerde hat auch Erfolg, so dass der Zurückweisungsbeschluss aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht zur erneuten Prüfung der Ausgabe der Bezugsakten und der bisher nicht erfolgten weiteren Anmeldegegenstände unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats zurückzuverweisen ist, vgl. § 69 Abs. 1 Satz 2 und 4 FamFG. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts fehlte der angemeldeten Ausgabe der 6.666 Stückaktien nicht die notwendige Grundlage.
Nach § 192 Abs. 1 AktG kann die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft eine Erhöhung des Grundkapitals beschließen, die nur so weit durchgeführt werden soll, wie von einem Umtausch oder Bezugsrecht Gebrauch gemacht wird. Der Beschluss über eine solche bedingte Kapitalerhöhung muss den Erfordernissen des § 193 AktG genügen und ist nach § 195 Abs. 1 AktG zum Handelsregister anzumelden und einzutragen. Diesen Anforderungen genügt der Beschluss vom 11. Mai 2009. Der Beschluss ist auch nicht nach § 241 Nr. 3 AktG wegen eines Verstoßes gegen § 8 Abs. 1 AktG nichtig. Denn anders als die zugleich gefasste Satzungsregelung geht der Beschluss über die bedingte Kapitalerhöhung von einer Erhöhung durch Ausgabe von auf den Inhaber lautenden Stückaktien aus.
Der Wirksamkeit der beschlossenen bedingten Kapitalerhöhung steht auch nicht die Fassung des § 5 Abs. 4 der Satzung entgegen. Die Regelung sieht allerdings, wie das Amtsgericht zu Recht beanstandet, die bedingte Ausgabe von Nennbetragsaktien vor. Dies steht im Widerspruch zu § 5 Abs. 1 der Satzung, nach dem das Grundkapital in Stückaktien eingeteilt ist, und zu dem Beschluss vom 11. Mai 2009, nach dem eine bedingte Erhöhung durch Stückaktien erfolgen soll. Nach der ausdrücklichen Regelung des § 8 Abs. 1 AktG kann das Grundkapital aber nur entweder in Stückaktien oder in Nennbetragsaktien unterteilt werden (vgl. BegrRegE zum StückAG, BT-Drs. 13/9573, S. 14; Hüffer/Koch, AktG, 11. Aufl., § 8 Rdn. 4; Münchener Kommentar zum AktG/Heider, 4. Aufl., § 8 Rdn. 43). Die Satzungsregelung in § 5 Abs. 4 wäre daher auf der Grundlage ihres Wortlautes gemäß § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG unwirksam. Die Regelung ist allerdings grundsätzlich der Auslegung zugänglich. Diese hat auf einer objektiven Grundlage zu erfolgen, so dass es nicht allein auf die Absichten der Verfasser der Regelung des § 5 Abs. 4 ankommen kann (vgl. dazu BGH, Urteil vom 11. Oktober 21993, II ZR 155/92, BGHZ 123, 347 = NJW 1994, 51; Urteil vom 26. November 2007, II ZR 227/06, NJR-RR 2008, 309 = WM 2008, 540). Denn die Regelungen wenden sich an eine unbekannte Vielzahl von Adressaten, sei es, dass diese bereits Gesellschafter sind oder auch nur Gesellschafter werden wollen. Insoweit kommt es dann aber nicht nur auf den Wortlaut, Zweck und die systematische Stellung der Regelung an, sondern zur Auslegung sind auch alle allgemein zugänglichen Unterlagen heranzuziehen (vgl. BGH, Urteil vom 26. November 2007, II ZR 227/06, NJR-RR 2008, 309 = WM 2008, 540; Hüffer/Koch, aaO, § 23 Rdn. 39). Unter Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, dass die Regelung in § 5 Abs. 4 offensichtlich fehlerhaft ist und aus diesem Grund dahin verstanden werden muss, dass sich die bedingte Kapitalerhöhung auf Stückaktien bezieht, wie dies auch in dem Beschluss vom 11. Mai 2009 zum Ausdruck kommt. Der Wortlaut des Beschlusses vom 11. Mai 2009 ist zwar nicht in das Register eingetragen worden. Er ergibt sich auch nicht ausdrücklich aus dem Protokoll der Versammlung vom 11. Mai 2009. Denn dort wird nur auf die Beschlussvorschläge aus der Einladung zur Hauptversammlung Bezug genommen. Gerade diese Einladung ist aber öffentlich zugänglich, weil sie von der Gesellschaft bekannt zu machen war und demgemäß etwa auch über das Unternehmensregister einsehbar ist, vgl. §§ 121 Abs. 4 Satz 1, 25 Satz 1 AktG in Verbindung mit § 8b Abs. 2 Nr. 5 HGB. Darüber handelt es sich im vorliegenden Fall um eine börsennotierte Gesellschaft, so dass darüber hinaus § 121 Abs. 4a AktG gilt. Ist danach die Regelung des § 5 Abs. 4 dahin zu verstehen, dass eine bedingte Kapitalerhöhung mit Stückaktien vorgesehen ist, kommt es nicht mehr auf die vom Amtsgericht aufgeworfene Frage an, ob es für die bedingte Kapitalerhöhung tatsächlich einer (wirksamen) Satzungsregelung bedarf.
3. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen. Gerichtskosten fallen nicht an, eine Kostenerstattung kommt nicht in Betracht. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde scheidet aus.
KG:
Beschluss v. 12.02.2016
Az: 22 W 93/15
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/9620127f3de1/KG_Beschluss_vom_12-Februar-2016_Az_22-W-93-15