Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. April 2004
Aktenzeichen: 33 W (pat) 221/03

(BPatG: Beschluss v. 27.04.2004, Az.: 33 W (pat) 221/03)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in einem Beschluss vom 27. April 2004 (Aktenzeichen 33 W (pat) 221/03) die Entscheidungen der Markenstelle für Klasse 1 vom 29. August 2001 und vom 19. Juni 2003 aufgehoben. In der Markenanmeldung ging es um die Wortmarke "Flüsterschiene" für Waren und Dienstleistungen der Klassen 1, 6, 19 und 37. Die Markenstelle hatte die Anmeldung abgelehnt, da die Marke ihrer Meinung nach nicht über ausreichend Unterscheidungskraft verfügt. Das Wort "Flüsterschiene" beschreibe lediglich die geräusch- und vibrationsarmen Eigenschaften von Schienen. Gegen diese Entscheidung hatte der Anmelder Beschwerde eingelegt und beantragt, die Beschlüsse aufzuheben.

Das Bundespatentgericht hält die angemeldete Marke im Zusammenhang mit den nunmehr noch beanspruchten Waren für unterscheidungskräftig und nicht freihaltungsbedürftig. Es legt bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft grundsätzlich einen großzügigen Maßstab an, da der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in aller Regel so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt und es keiner analysierenden Betrachtungsweise unterzieht. Da die angemeldete Marke keine für die beanspruchten Waren im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffe enthält und auch kein gebräuchliches Wort ist, fehlt es ihr nicht an der Unterscheidungseignung und somit auch an der Unterscheidungskraft.

Das Bundespatentgericht konnte bei Recherchen im Internet den Begriff "Flüsterschiene" mehrmals nachweisen, kann jedoch nicht mit Sicherheit ausschließen, dass die Verwendung des Begriffs hauptsächlich markenmäßig erfolgt ist, insbesondere durch die Konkurrenzfirma "Ortec". Die Verwendung des Begriffs als Gattungsbegriff konnte jedoch nicht nachgewiesen werden. Daher gibt es keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Verkehr die angemeldete Marke nur als schlagwortartige Aussage über eine Eigenschaft der Waren versteht und nicht als Kennzeichnungsmittel.

Das Bundespatentgericht stellt außerdem fest, dass die angemeldete Marke nicht ausschließlich aus Angaben besteht, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit oder der Bestimmung der Waren dienen können. Es ist derzeit nicht nachweisbar, dass die Bezeichnung als Sachangabe im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren verwendet wird. Daher besteht kein Freihaltungsbedürfnis für die angemeldete Marke.

Das Gericht weist jedoch darauf hin, dass der Schutzbereich der Marke sich nicht ohne weiteres auf entsprechende Schienensysteme erstrecken wird.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 27.04.2004, Az: 33 W (pat) 221/03


Tenor

Auf die Beschwerde des Anmelders werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 1 vom 29. August 2001 und vom 19. Juni 2003 aufgehoben.

Gründe

I Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist am 11. Juli 2000 die Wortmarke Flüsterschienefür Waren und Dienstleistungen der Klassen 1, 6, 19 und 37 zur Eintragung in das Register angemeldet worden.

Die Markenstelle für Klasse 1 hat die Anmeldung durch Beschluß vom 29. August 2001 zurückgewiesen und diese Entscheidung im Erinnerungsbeschluß vom 19. Juni 2003 bestätigt. Sie hat ausgeführt, daß es der Marke im Hinblick auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen an der erforderlichen Unterscheidungskraft fehle. Das sprachüblich gebildete Wort habe die Bedeutung "leise, geräuscharme Schiene" und beschreibe wesensbestimmende Merkmale der Waren und Dienstleistungen, die sämtlich zur Herstellung von Schienenbetten bestimmt seien. Bei Schienen, insbesondere bei Schienensystemen für Eisen und Straßenbahnen komme es darauf an, diese geräusch- und vibrationsarm auszubilden und zu installieren. Die Wortverbindung stelle damit eine aus sich verständliche schlagwortartige Aussage als Hinweis auf eine wesentliche Eigenschaft der Produkte bzw den Gegenstand der Dienstleistungen dar.

Gegen diesen Beschluß hat der Anmelder Beschwerde eingelegt. Er beantragt, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben.

Er hat das Warenverzeichnis beschränkt wie folgt:

Klasse 1:

Kunststoffe im Rohzustand einschließlich thermoplastische Polyurethane (in Form von Pulver, Flüssigkeiten oder Pasten), Reaktionsharze und -komponenten, zur Herstellung von Polyurethanen und von Polyurethaneinbettungen.

Klasse 6:

Aus Metall hergestellte Baumaterialien, insbesondere Schalungen, zum Verlegen sowie zum Herstellen von Isolierungen und Einbettungen von Schienen und Schienensystemen für Eisen- und Straßenbahnen.

Klasse 19:

Aus Kunststoff, insbesondere Polyurethan, hergestellte Baumaterialien einschließlich Formteilen und Schalungen zum Verlegen sowie zum Herstellen von Isolierungen und Einbettungen von Schienen und Schienensystemen für Eisen- und Straßenbahnen.

Er trägt vor, daß eine Schiene "nicht flüstern könne". Markenschutz werde im übrigen nicht für Schienen selbst, sondern für Schalungen zum Verlegen sowie zum Herstellen von Isolierungen und Einbettungen von Schienen und Schienensystemen begehrt. Diese Schalungen hätten mit einer Lärmentwicklung nicht das geringste zu tun. Soweit der Begriff bereits Verwendung finde, geschehe dies in kennzeichnender Art und Weise von einer Konkurrentin des Anmelders, nämlich der Firma "Ortec".

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Die Beschwerde ist begründet. Der Senat hält die angemeldete Marke "Flüsterschiene" im Zusammenhang mit den nunmehr noch beanspruchten Waren - entgegen der Beurteilung der Markenstelle des Patentamts - für unterscheidungskräftig und für nicht freihaltungsbedürftig, so daß ihrer Eintragung gemäß §§ 33 Abs 2, 41 MarkenG keine absoluten Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 oder 2 MarkenG entgegenstehen.

1. Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft als der einer Marke innewohnenden konkreten Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfaßten Waren eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden, ist grundsätzlich ein großzüger Maßstab anzulegen, dh jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um dieses Schutzhindernis zu überwinden (stRspr vgl BGH GRUR 2003, 1050 - Cityservice). Dies gilt insbesondere deshalb, weil der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in aller Regel so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt und er es keiner analysierenden Betrachtungsweise unterzieht. Kann demnach einer Wortmarke kein für die beanspruchten Waren im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, daß ihr die vorerwähnte Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (BGH GRUR 2002, 540 - OMEPRAZOK; WRP 2001, 1082 - marktfrisch).

Es kann dahinstehen, ob diese Grundsätze der jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Hinblick auf das "Farbe Orange"-Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 6. Mai 2003 (MarkenR 2003 S 227) künftig im vollem Umfang aufrecht erhalten werden können. Jedenfalls wird die Marke auch den möglicherweise strengeren Anforderungen in dem genannten Urteil gerecht.

Die beanspruchte Marke ist aus deutschen Begriffen in sprachüblicher Art und Weise zusammengesetzt. Eine Unschärfe enthält der Begriff allerdings bereits deshalb, weil eine Schiene ihrer Natur nach keine eigenen Geräusche verursacht, sondern Geräusche erst dadurch entstehen, daß Fahrzeuge auf diesen Schienen zum Einsatz kommen. Der durch das begehrte Zeichen angedeutete Bedeutungsinhalt, daß die Schiene besonders leise ist, nämlich "flüstert", kann daher bereits aus diesem Grund nicht unmittelbar ein wesentliches Merkmal einer Schiene beschreiben.

Allerdings konnte der Senat den Begriff "Flüsterschiene" (u.a. für Gleise) im Rahmen einer Internetrecherche einige Male nachweisen. Es kann jedoch nicht mit ausreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die Verwendung im wesentlichen markenmäßig erfolgte, und zwar insbesondere durch die Konkurrentin des Markenanmelders, die Firma "Ortec" (vgl insoweit zB www.dataskip.com, oder auch "www.ortecgmbh.de). Daß sich das begehrte Zeichen als Gattungsbegriff bei den angesprochenen Verkehrskreisen, hier im wesentlichen Fachkreise bereits eingebürgert hat, konnte der Senat bei seinen Recherchen nicht nachweisen. Anhaltspunkte für eine beschreibende Verwendung des Wortbestandteils "Flüster-" haben sich lediglich für verwandte Begriffe wie beispielsweise "Flüsterasphalt" (Süddeutsche Zeitung, 26. Januar 2002, Seite VI/I; www.spd.bayern.landtag.de) oder auch "Flüsterreifen" ergeben. Dass der Begriff als rein beschreibender Ausdruck noch nicht ausreichend sicher nachgewiesen werden kann, mag auch daran liegen, dass die Firma des Anmelders bereits Inhaberin der Marke 399 69 214 "SILENCE die Flüsterschiene" ist.

Im vorliegenden Fall kommt jedoch noch ein weiterer Gesichtspunkt hinzu. Der Anmelder beansprucht den von ihm begehrten Markenschutz nicht für Schienen, sondern lediglich für verschiedene Materialien der Klassen 1, 6 und 19, die zum Verlegen sowie zum Herstellen von Isolierungen und Einbettungen von Schienen und Schienensystemen verwendet werden können. Es bedarf daher mehrerer analysierender Zwischenschritte um von den hier beanspruchten Waren auf eine besondere Geräuscharmut der letztlich auf den Schienen verkehrenden Eisen- und Straßenbahnen zu schließen. Auch unter dem Gesichtspunkt der Zweckbestimmung der hier begehrten Waren kann eine Unterscheidungskraft letztlich nicht verneint werden, da der Begriff "Flüsterschiene" - wie ausgeführt zum einen unscharf gebildet und zum anderen als beschreibender Ausdruck nicht ausreichend geläufig ist.

Insgesamt fehlt es daher an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, daß der Verkehr die angemeldete Marke nur im Sinne einer schlagwortartigen Aussage über eine Eigenschaft oder die Verwendungsbestimmung der noch beanspruchten Waren wertet, nicht aber schon als Kennzeichnungsmittel verstehen wird.

2. Nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG sind von der Eintragung weiter solche Marken ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr ua zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder der Bezeichnung sonstiger Merkmale der in Frage stehenden Waren dienen können. Dabei ist davon auszugehen, daß ein Eintragungshindernis auch dann besteht, wenn eine Benutzung als Sachangabe bisher noch nicht erfolgt ist, eine solche jedoch nach den Umständen erfolgen wird (BGH GRUR 1995, 408, 409 - PROTECH). Zu den nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG vom Markenschutz ausgeschlossenen Angaben zählen allerdings nicht nur die ausdrücklich aufgeführten, sondern auch solche, die für den Verkehr wichtige und die umworbenen Abnehmerkreise irgendwie bedeutsame Umstände mit konkretem Bezug auf die betreffenden Waren selbst beschreiben (vgl BGH GRUR 1998, 813, 814 - CHANGE).

Zu diesen Angaben oder Umständen gehört die angemeldete Wortmarke "Flüsterschiene" nicht. Eine Verwendung der Bezeichnung als beschreibende Angabe im Zusammenhang mit den nunmehr noch beanspruchten Waren ist, wie ausgeführt, derzeit nicht nachweisbar. Von einem auf gegenwärtiger Benutzung als Sachangabe beruhenden Freihaltungsbedürfnis kann insoweit nicht ausgegangen werden. Ebenso wenig liegen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, daß im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren in Zukunft eine Verwendung der angemeldeten Bezeichnung als Sachangabe erfolgen wird.

Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang allerdings gegebenenfalls bei zukünftigen Kollisionsverfahren, dass der Schutzbereich der Marke sich auf entsprechende Schienensysteme nicht ohne weiteres erstrecken wird (BGH GRUR 1977, 717 - Cokies; GRUR 1990, 517 - SMARTWARE).

Vorsitzender Richter Winkler ist im Urlaub und daher verhindert zu unterschreiben Pagenberg Pagenberg Dr. Hock Cl






BPatG:
Beschluss v. 27.04.2004
Az: 33 W (pat) 221/03


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/96b28a3a48fe/BPatG_Beschluss_vom_27-April-2004_Az_33-W-pat-221-03




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