Bundespatentgericht:
Urteil vom 17. Juli 2008
Aktenzeichen: 2 Ni 14/06

(BPatG: Urteil v. 17.07.2008, Az.: 2 Ni 14/06)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in seinem Urteil vom 17. Juli 2008 das europäische Patent 0 826 318 teilweise für nichtig erklärt. Das Patent betrifft einen Sportschuh mit nachgiebigen und zugfesten Umlenkungsvorrichtungen bzw. eine derartige Umlenkungsvorrichtung. Die Klägerin hatte die Klage auf teilweise Nichtigerklärung des Patents eingereicht mit dem Argument, dass der Gegenstand des Patents nicht neu oder erfinderisch sei. Das Gericht stellte fest, dass die Merkmale des Patents bereits durch den Stand der Technik bekannt waren und daher nicht patentfähig sind. Die Beklagte wurde zur Zahlung der Prozesskosten verurteilt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte hatte hilfsweise einen geänderten Anspruch 1 und Unteranspruch 8 verteidigt, die vom Gericht jedoch ebenfalls als nicht patentfähig angesehen wurden. Das Gericht erklärte, dass die zusätzlichen Merkmale der Hilfsansprüche naheliegende Anordnungen und handwerkliche Maßnahmen seien und somit keine erfinderische Tätigkeit begründen. Die Klage wurde daher vollumfänglich stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung der Prozesskosten verurteilt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Urteil v. 17.07.2008, Az: 2 Ni 14/06


Tenor

1. Das europäische Patent 0 826 318 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang der Patentansprüche 1 bis 4, und der Patentansprüche 6 und 7, soweit diese unmittelbar auf die Patentansprüche 1 bis 4 zurückbezogen sind, sowie im Umfang des Patentanspruchs 8 für nichtig erklärt.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 826 318 (Streitpatent), das am 26. Juli 1997 angemeldet worden ist, wobei die Priorität der französischen Patentanmeldung 9610700 vom 29. August 1996 in Anspruch genommen wurde.

Das in der Verfahrenssprache Französisch veröffentlichte Streitpatent betrifft einen Sportschuh mit nachgiebigen und zugfesten Umlenkungsvorrichtungen bzw. eine derartige Umlenkungsvorrichtung (Umkehrelement).

Im Einspruchsverfahren vor dem Europäischen Patentamt wurde es in beschränkter Form aufrecht erhalten und umfasst danach in deutscher Übersetzung folgende Patentansprüche:

1. Sportschuh, welcher ein Spannmittel (4) aufweist, das mit einer Reihe von Umkehrmitteln (3) für das Spannen eines Schaftabschnitts (110) zusammenwirkt; wobei jedes Umkehrmittel eine geschlossene Struktur (30) aufweist, wobei das Umkehrmittel (3) ein Führungselement (31) aufweist, das mit der Struktur (30) verbunden ist, und eine Gleitoberfläche (310) für das Durchgehen des Spannmittels (4) im Inneren der Struktur (30) gemäß einer Durchgangsebene P aufweist, wobei die Gleitoberfläche (310) des Führungselements (31) eine Mantellinie in konvexer Form in der Durchgangsebene P und eine Mantellinie in konkaver Form in der Ebene P', senkrecht zu P, aufweist, wobei das Führungselement (31) eine ausreichende Steifigkeit in der Ebene P aufweist zum Widerstehen der Deformierung während dem Unterspannungsetzen des Spannmittels (4), dadurch gekennzeichnet, dass die geschlossene Struktur (30) aus einem nachgiebigen und gegen Zug widerstandsfähigen Material gebildet ist und dass die Struktur (30) eine geschlossene Schlaufe ist.

2. Sportschuh nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die geschlossene Schlaufe (30) sich in der Form eines Gurtabschnitts darstellt, der mit dem Schaftabschnitt (110) verbunden ist.

3. Sportschuh nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass der Gurtabschnitt (30) aus einem Textilmaterial ausgewählt ist.

4. Sportschuh nach Anspruch 1, 2 oder 3, dadurch gekennzeichnet, dass der Schaftabschnitt (110) eine Öffnung (12) aufweist, die durch mindestens zwei zu spannende Abschnitte (110a, 110b) begrenzt wird,; wobei die Umkehrmittel (3) in gegenüberliegender Weise auf jedem Abschnitt verteilt sind und in einer Weise aufgebaut sind, dass jede Schlaufe (30) einen Teil aufweist, der mit einem der Abschnitte verbunden ist, und einen Teil, welcher das Führungselement (31) umfasst, welches von dem Abschnitt über die Öffnung (12) vorsteht.

5. Sportschuh nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass das Führungselement eine Öffnung (311) aufweist, die es ermöglicht, den Durchgang des Gurtabschnitts durch das Führungselement (31) hindurch und seine Verbindung mit dem Führungselement sicherzustellen.

6. Sportschuh nach irgendeinem der vorherigen Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass das Führungselement (31) aus einem Material mit schwachem Reibungskoeffizienten gebildet ist.

7. Sportschuh nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, dass das Führungselement (31) aus einem Kunststoffmaterial gebildet ist, ausgewählt aus den PTFE, den PTFCE, den FEP, den Nylons, den Polyamiden, den Polyethylenen, den Polyacetalen.

8. Umkehrelement (3) für das Spannen eines Schaftabschnitts (110) eines Schuhs mittels eines Spannmittels (4); wobei das Umkehrelement (3) ein Führungselement (31) aufweist, das mit einer geschlossenen Struktur (30) verbunden ist; und eine Gleitoberfläche (310) für das Durchgehen des Spannmittels (4) im Inneren der Struktur (30) gemäß einer Durchgangsebene P aufweist, wobei die Gleitoberfläche (310) des Führungselements (31) eine Mantellinie in konvexer Form in der Durchgangsebene P und eine Mantellinie in konkaver Form in der Ebene P', senkrecht zu P, aufweist, wobei das Führungselement (31) eine ausreichende Steifigkeit in der Ebene P aufweist zum Widerstehen der Deformierung während dem Unterspannungsetzen des Spannmittels (4), dadurch gekennzeichnet, dass die geschlossene Struktur (30) aus einem nachgiebigen und gegen Zug widerstandsfähigen Material gebildet ist und dass die Struktur (30) eine geschlossene Schlaufe ist.

Mit ihrer Klage macht die Klägerin geltend, der Gegenstand des Streitpatents sei - soweit angegriffen - gegenüber dem Stand der Technik im Prioritätszeitpunkt nicht neu, zumindest aber nicht erfinderisch.

Sie stützt sich hierbei auf folgende Unterlagen:

D1 US 1 242 774 D2 CH 252 738 D3 CA 1 001 843 D4 EP 0 717 942 A1 D5 US 5 117 567 A D6 US 1 246 724 D7 GB 1 055 943 K1 EP 0 826 318 B1 (Streitpatent)

K2a Prot. EPA vom 5. Juli 2005 (K2b deutsche Übersetzung)

K3a Entscheidungsgründe EPA 5. Juli 2005 K3b deutsche Übersetzung K4 Patentunterlagen für geänderte Fassung der EP 0 826 318 K5 Eingabe Patentinhaberin 2. Februar 2006 (Übersetzungen)

K6 Abmahnschreiben der Patentinhaberin vom 30. Januar 2006 K7 deutsche Übersetzung DE 697 15 759 T2 des Streitpatents K8 FR 2 726 440 A1 K9, K9A CA 634 939.

Im Prüfungsverfahren vor dem Europäischen Patentamt wurden außer der Druckschrift D4 bereits die Druckschriften D8 FR 1 349 832, D9 FR 1 404 799 und D10 US 3 239 903 berücksichtigt.

Die Klägerin beantragt, das europäische Patent EP 0 826 318 im Umfang der Ansprüche 1 bis 4 und der Unteransprüche 6 und 7, soweit diese unmittelbar auf die Ansprüche 1 bis 4 rückbezogen sind, sowie im Umfang des Unteranspruches 8 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Nichtigkeitsklage zurückzuweisen und das angegriffene Patent aufrechtzuerhalten.

Hilfsweise verteidigt sie das Streitpatent in folgender Fassung der nebengeordneten Patentansprüche 1 und 8:

1. Sportschuh, welcher ein Spannmittel (4) mit einer Überkreuzanordnung aufweist, das mit einer Reihe von sich gegenüberliegenden Umkehrmitteln (3) für das Spannen eines Schaftabschnitts (110) zusammenwirkt; wobei jedes Umkehrmittel eine geschlossene Struktur (30) aufweist, wobei das Umkehrmittel (3) ein Führungselement (31) aufweist, das mit der Struktur (30) verbunden ist, und eine Gleitoberfläche (310) für das Durchgehen des Spannmittels (4) im Inneren der Struktur (30) gemäß einer Durchgangsebene P aufweist, wobei die Gleitoberfläche (310) des Führungselements (31) eine Mantellinie in konvexer Form in der Durchgangsebene P und eine Mantellinie in konkaver Form in der Ebene P', senkrecht zu P, aufweist, wobei das Führungselement (31) eine ausreichende Steifigkeit in der Ebene P aufweist zum Widerstehen der Deformierung während dem Unterspannungsetzen des Spannmittels (4), dadurch gekennzeichnet, dass die geschlossene Struktur (30) aus einem nachgiebigen und gegen Zug widerstandsfähigen Material gebildet ist, dass die Struktur (30) eine geschlossene Schlaufe ist und dass die Dicken der seitlichen Ränder (310a, 310b) des Führungselements (31) in Abhängigkeit des verwendeten Materials in einer Weise vorgesehen sind, um eine gewisse Deformierbarkeit unter Druck in Richtung gemäß der Ebene P' aufzuweisen.

8. Umkehrelement (3) für das Spannen eines Schaftabschnitts (110) eines Schuhs mittels eines Spannmittels (4) mit einer Überkreuzanordnung; wobei das Umkehrelement (3) ein Führungselement (31) aufweist, das mit einer geschlossenen Struktur(30) verbunden ist, und eine Gleitoberfläche (310) für das Durchgehen des Spannmittels (4) im Inneren der Struktur (30) gemäß einer Durchgangsebene P aufweist, wobei die Gleitoberfläche (310) des Führungselements (31) eine Mantellinie in konvexer Form in der Durchgangsebene P und eine Mantellinie in konkaver Form in der Ebene P', senkrecht zu P, aufweist, wobei das Führungselement (31) eine ausreichende Steifigkeit in der Ebene P aufweist zum Widerstehen der Deformierung während dem Unterspannungsetzen des Spannmittels (4), dadurch gekennzeichnet, dass die geschlossene Struktur (30) aus einem nachgiebigen und gegen Zug widerstandsfähigen Material gebildet ist, dass die Struktur (30) eine geschlossene Schlaufe ist und dass die Dicken der seitlichen Ränder (310a, 310b) des Führungselements (31) in Abhängigkeit des verwendeten Materials in einer Weise vorgesehen sind, um eine gewisse Deformierbarkeit unter Druck in Richtung gemäß der Ebene P' aufzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass Neuheit und erfinderische Tätigkeit nicht verneint werden könnten. Beweisanzeichen für das Vorliegen erfinderischer Tätigkeit seien auch der lange Zeitraum von fast 50 Jahren, der zwischen den letzten Bemühungen mit nachgiebigen Schlaufenösen und der Erfindung nach dem Streitpatent liege, sowie der außerordentliche Markterfolg, der mit den erfindungsgemäßen Umlenkelementen ausgestatteten Sportschuhen der Beklagten (Anlagenkonvolut NB1) erreicht werde.

Bezüglich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die Akten Bezug genommen.

Gründe

Die Klage auf teilweise Nichtigerklärung, mit der der in Artikel II § 6 Absatz 1 Nr. 1 IntPatÜG, Artikel 138 Absatz 1 lit a EPÜ i. V. m. Artikel 54 Absatz 1, 2 und Artikel 56 EPÜ vorgesehene Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend gemacht wird, ist begründet.

I.

Das Streitpatent betrifft das Gebiet von Sportschuhen, insbesondere das Gebiet des technischen Schuhs von der Art eines Wanderschuhs, Snowboardstiefels etc. Ein derartiger Sportschuh weist beiderseits einer Schaftöffnung Umkehrmittel oder Ösen auf, welche mit einem oder mehreren Spannmitteln wie z. B. einem Schnürsenkel zusammenwirken. Snowboardstiefel werden mittels einer Snowboardbindung auf dem Board gehalten, die transversale Befestigungsriemen aufweist, welche auf die Oberseite des Fußes Druck ausüben, wobei sie auch die Umkehrmittel oder Ösen auf dem Stiefel zusammendrücken. Steife Ösen wie Haken, Schlaufen oder metallische oder Kunststoff- Schnürösen können dabei Druckstellen und Schmerzen hervorrufen und zudem den Befestigungsriemen dauerhaft verformen.

Um dieses Problem zu lösen, ist es bekannt, nachgiebige und gegen Zug widerstandsfähige Ösen in der Form von textilen Bändern, die in Form von Schlaufen gefaltet sind und mit dem Schaft verbunden sind, zum Begrenzen ihres Raumbedarfs und zum Begünstigen ihrer Deformierung unter der Wirkung eines äußeren Drucks zu verwenden, siehe S. 2, Z. 9 bis 13 in der deutschen Übersetzung DE 697 15 759 T2 des Streitpatents, Druckschrift K7.

Diese Umkehrmittel sind jedoch nicht vollständig zufriedenstellend. Die Spannwirkung der Schlaufen ist nicht optimal, denn beim Schnüren ist die Reibung zwischen der Innenseite der textilen Schlaufe und der Schnürsenkeloberfläche erhöht. Der Senkel klemmt die Schlaufe zudem am Umkehrpunkt ein, was zusätzliche Reibung erzeugen und zu einer vorzeitigen Abnutzung der Schlaufe und sogar zu deren Reißen führen kann.

Hier setzt das Streitpatent an, das eine zufriedenstellende Lösung für die Nachteile der Druckstellenbildung sowie der Verformung des textilen Schlaufenmaterials und damit verbundenen hohen Reibung zwischen Schlaufe und Spannmittel bereitstellen soll.

Diese besteht gemäß gegliedertem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag in einem Sportschuh mit folgenden Merkmalen:

1. Der Sportschuh weist ein Spannmittel auf;

2. das Spannmittel wirkt mit einer Reihe von Umkehrmitteln für das Spannen eines Schaftabschnitts zusammen;

3. jedes Umkehrmittel weist eine geschlossene Struktur auf;

4. die geschlossene Struktur ist eine geschlossene Schlaufe;

5. die geschlossene Struktur ist aus einem nachgiebigen und gegen Zug widerstandsfähigen Material gebildet;

6. das Umkehrmittel weist ein Führungselement auf;

7. das Führungselement ist mit der Struktur verbunden;

8. das Führungselement weist eine ausreichende Steifigkeit in der Ebene P auf zum Widerstehen der Deformierung während dem Unterspannungsetzen des Spannmittels;

9. das Führungselement weist eine Gleitoberfläche für das Durchgehen des Spannmittels im Inneren der Struktur gemäß einer Durchgangsebene P auf;

10. die Gleitoberfläche des Führungselements weist eine Mantellinie in konvexer Form in der Durchgangsebene P und eine Mantellinie in konkaver Form in der Ebene P' senkrecht zu P auf.

Gemäß gegliedertem Patentanspruch 8 nach Hauptantrag wird die Lösung zudem in einem Umkehrelement mit den folgenden Merkmalen gesehen:

1. Das Umkehrelement ist für das Spannen eines Schaftabschnitts eines Schuhs mittels eines Spannmittels vorgesehen;

2. das Umkehrelement weist ein Führungselement auf;

3. das Führungselement ist mit einer geschlossenen Struktur verbunden;

4. die geschlossene Struktur ist eine geschlossene Schlaufe;

5. die geschlossene Struktur ist aus einem nachgiebigen und gegen Zug widerstandsfähigen Material gebildet;

6. das Führungselement weist eine Gleitoberfläche für das Durchgehen des Spannmittels im Inneren der Struktur gemäß einer Durchgangsebene P auf;

7. die Gleitoberfläche des Führungselements weist eine Mantellinie in konvexer Form in der Durchgangsebene P und eine Mantellinie in konkaver Form in der Ebene P' senkrecht zu P auf;

8. das Führungselement weist eine ausreichende Steifigkeit in der Ebene P auf zum Widerstehen der Deformierung während dem Unterspannungsetzen des Spannmittels.

Ein solcher Sportschuh bzw. ein solches Umkehrelement vermögen auf das Umkehrmittel wirkenden Druck aufzunehmen bei gleichzeitig reduzierter Reibung zwischen Schlaufe und Spannmittel.

II.

1. Der Sportschuh mit den im Anspruch 1 gemäß Hauptantrag angegebenen Merkmalen beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Fachmann ist vorliegend ein Ingenieur (FH) der Schuhtechnik, der über vertiefte Kenntnisse auf dem Gebiet der Sportschuhe verfügt.

Nächstliegendes Dokument ist die einen Schnürverschluss an Schuhen betreffende schweizerische Patentschrift CH 252738, Druckschrift D2. Im Vordergrund steht dort zwar ein Straßenschuh; in der Beschreibung wird jedoch bereits ausdrücklich auf die Verwendung des Schnürverschlusses an jeder Art von Schuhen hingewiesen, u. a. an Ski- und Sportschuhen, siehe S. 3, Z. 1 bis 4. Er ist dadurch gekennzeichnet, dass ein in sich geschlossener, einen Griff 15 tragender Schuhriemen 5 vorgesehen ist, siehe S. 3, Z. 6 bis 9 i. V. m. den Fig. 1, 2 und 4. Die Lehre der Druckschrift D2 umfasst somit einen Sportschuh nach Art des Streitpatents, welcher ein Spannmittel aufweist (1. Merkmal der gegliederten Fassung des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag).

Fig. 4 der Druckschrift D2 zeigt eine Anordnung zweier Reihen von jeweils drei Ösen 6, durch die der Schuhriemen 5 in an sich bekannter Weise hindurchgeführt ist. Er wird in diesem Beispiel wechselseitig von auf der einen Seite liegenden drei Ösen 6 zu den ihnen gegenüber liegenden drei Ösen 6 umgelenkt. Spannt man den Schuhriemen 5, werden die Seitenteile des Oberleders zusammengeführt. Demnach bilden die Ösen 6 die patentgemäß vorgesehene Reihe von Umkehrmitteln, mit denen ein Spannmittel für das Spannen eines Schaftabschnitts zusammenwirkt (2. Merkmal der gegliederten Fassung des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag).

Die Ösen 6 werden ihrerseits gebildet, indem zwei aufeinander gelegte Streifen 40, 41 durch Stege 42 miteinander verbunden sind, siehe S. 2, Z. 52 bis 57 i. V. m. Fig. 5, womit offensichtlich auch die Merkmale des patentgemäßen Sportschuhs erfüllt sind, wonach jedes Umkehrmittel eine geschlossene Struktur aufweist und die geschlossene Struktur eine geschlossene Schlaufe ist (3. und 4. Merkmal der gegliederten Fassung des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag).

In einer besonderen Ausführungsform bestehen die Ösen 6 des bekannten Schnürverschlusses aus einem Stoffband, siehe S. 2, Z. 53 bis 55 i. V. m. Fig. 4 und 5. Stoff ist per se nachgiebig und zugleich gegen Zug widerstandsfähig und daher ein geeignetes Material, wenn es - wie bei der einen dem Streitpatent zu Grunde gelegten Teilaufgabe - darum geht, zu vermeiden, dass ein Umkehrmittel Drücke erzeugen könnte, die den Komfort des Schuhs beeinträchtigen (5. Merkmal der gegliederten Fassung des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag). Den Ausführungen zum Stand der Technik in der Streitpatentschrift zufolge war diese Tatsache auch der Beklagten bereits bekannt, siehe S. 2, Z. 9 bis 13 in der deutschen Übersetzung DE 697 15 759 T2 des Streitpatents, Druckschrift K7.

Mit Blick auf die andere Teilaufgabe, wonach Reibung zu vermeiden ist, die das Spannen des Spannmittels erschwert und das Spannmittel selbst vorzeitig abnutzt, vertritt die Beklagte die Auffassung, die Druckschrift D2 gebe dem Fachmann keine Anregung zur Lösung gemäß Streitpatent, wonach eine Schlaufe mit einem Führungselement Öse zu kombinieren ist.

Dem kann sich der Senat nicht anschließen, denn Fig. 5 in Druckschrift D2 lässt schon für sich betrachtet dieses Merkmal erkennen, wonach in der Schlaufe (Öse 6 nach D2) eine Metallöse 43 als Führungselement mit Gleitoberfläche für das Spannmittel (Schuhriemen 5) angeordnet ist. Zusätzlich wird in der Beschreibung wörtlich ausgeführt, dass das die Öse 6 bildende Stoffband dadurch versteift ist, dass Stege 42 um die Metallösen 43 gelegt sind, und die Stege 42 mit diesen die den Schuhriemen 5 aufnehmenden Ösen 6 bilden, siehe Fig. 5 und S. 2, Z. 52 bis 59. Die Metallöse 43 entspricht somit hinsichtlich Anordnung und Funktion dem patentgemäß vorgesehenen Führungselement (31), der Steg 42 der Schlaufe bzw. Struktur (30) (6. Merkmal der gegliederten Fassung des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag). Die aus Druckschrift D2 bekannte Anordnung stimmt folglich genau mit der patentgemäßen Kombination aus Schlaufe und Führungselement überein.

Es versteht sich von selbst, dass die Metallöse 43 mit dem Steg 42 auch verbunden sein muss, denn wäre sie nur lose eingelegt, könnte sie herausgleiten und die Schnürung offensichtlich nicht problemlos funktionieren (7. Merkmal der gegliederten Fassung des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag).

Da das aus D2 derart bekannte Führungselement aus Metall besteht, um das Stoffband zu versteifen, ist für den Fachmann klar, dass in der Durchgangsebene des Spannmittels - entsprechend der Ebene P bei dem Patentgegenstand - eine ausreichende Steifigkeit zum Widerstehen der Deformierung des Führungselements während dem Unterspannungsetzen des Spannmittels vorliegt (8. Merkmal der gegliederten Fassung des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag).

Aus diesen Angaben und der Schilderung der Funktionsweise der bekannten Schnürung auf S. 1, Z. 46 bis 54, ist offensichtlich, dass das Führungselement im Innern des Stegs 42 gemäß der Durchgangsebene eine Gleitoberfläche für das Durchgehen des Schuhriemens 5 aufweist (9. Merkmal der gegliederten Fassung des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag).

Der Vorteil des in diesem Merkmalsumfang aus der Druckschrift D2 bekannten Schnürverschlusses liegt neben der raschen und einfachen Handhabung in einem geringen Raumbedarf, siehe S. 2, Z. 43 bis 51, und in der Ausgestaltung gemäß den Figuren 4 und 5, wo das Umkehrmittel aus einem Stoffband gebildet wird, zusätzlich in einer gegenüber massiven Umkehrmitteln offensichtlich größeren Nachgiebigkeit.

Dass die Gleitoberfläche des Führungselements eine Mantellinie in konvexer Form in der Durchgangsebene P und eine Mantellinie in konkaver Form in der Ebene P' senkrecht zu P aufweist (10. Merkmal der gegliederten Fassung des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag), ist in der Druckschrift D2 nicht explizit beschrieben. Der Fachmann kann dies aber in Fig. 5 in Verbindung mit Fig. 2 oder 4 erkennen.

Die Neuheit des Anspruchsgegenstandes kann jedoch dahingestellt bleiben, weil in jedem Falle die erfinderische Tätigkeit fehlt.

Als weiterer Stand der Technik liefert die kanadische Patentschrift CA 761221, Druckschrift D3, das Vorbild zu der im Streitpatent vorgesehenen reibungsarm ausgestalteten Innenkontur. In D3 ist gezeigt und wörtlich beschrieben, dass ein Teil der Wand 62 des Umlenkmittels 48, der die Öffnung 60 definiert, konvex ist, um den Senkel 50 zu unterstützen, damit bestimmte Winkeländerungen in Richtung des Senkels 50 begrenzt werden, siehe S. 6, Z. 23 bis 26 i. V. m. Fig. 1, 2 und 4. Die konkave Form der Innenwand senkrecht zu der von der konvexen Linie begrenzten Ebene ist der Zeichnung ebenfalls eindeutig zu entnehmen, siehe Fig. 2 und 4.

Das vornehmliche Ziel dieser bekannten Ausgestaltung besteht, ebenso wie das des Streitpatents, darin, Reibungs- und Bindungseffekte ("frictional and binding effects") zwischen Senkel und Umlenkmittel zu begrenzen, siehe Anspruch 2. Zur Lösung der gleichen Aufgabe lag es daher nahe, die aus der Druckschrift D3 als in diesem Sinne vorteilhaft bekannte Innenkonturgestaltung auch bei der Druckschrift D2 am Umlenkmittel so auszubilden. Ein Fachmann vermochte somit ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents zu gelangen.

2. Das Umkehrelement, welches der Gegenstand des nebengeordneten Anspruchs 8 gemäß Hauptantrag ist, weist ausnahmslos die Merkmale des Umkehrmittels auf, das bei dem Sportschuh gemäß dem Anspruch 1 vorgesehen ist. Mit Blick auf den sich aus der fachmännischen Zusammenschau der Druckschriften D2 und D3 ergebenden Stand der Technik beruht es folglich ebenso wenig auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die von der Beklagten genannten Beweisanzeichen können demgegenüber eine erfinderische Tätigkeit nicht rechtfertigen.

Die rückbezogenen Unteransprüche wurden nicht als eigenständig erfinderisch verteidigt, und es ist darin auch nichts zu erkennen, was eine erfinderische Tätigkeit begründen könnte.

Den von der Klägerin angegriffenen Unteransprüchen 2 bis 4 sowie 6 und 7 ist somit durch den Fortfall des Anspruchs 1 die Grundlage entzogen. Sie haben daher ebenfalls keinen Bestand.

III.

Die von der Beklagten hilfsweise beanspruchten Gegenstände erweisen sich gleichfalls als nicht patentfähig.

Der Sportschuh gemäß dem hilfsweise von der Beklagten verteidigten Anspruch 1 unterscheidet sich von dem gemäß dem Anspruch 1 nach Hauptantrag durch die folgenden zusätzlich aufgenommenen Merkmale:

1a. das Spannmittel weist eine Überkreuzanordnung auf:

2a. die Umkehrmittel liegen sich gegenüber;

11. die Dicken der seitlichen Ränder des Führungselements sind in Abhängigkeit des verwendeten Materials in einer Weise vorgesehen, um eine gewisse Deformierbarkeit unter Druck in Richtung gemäß der Ebene P' aufzuweisen.

Das Umkehrelement gemäß dem hilfsweise von der Beklagten verteidigten Anspruch 8 unterscheidet sich von dem gemäß dem Anspruch 8 nach dem Hauptantrag durch die folgenden zusätzlich aufgenommenen Merkmale:

1a. das Spannmittel weist eine Überkreuzanordnung auf:

9. die Dicken der seitlichen Ränder des Führungselements sind in Abhängigkeit des verwendeten Materials in einer Weise vorgesehen, um eine gewisse Deformierbarkeit unter Druck in Richtung gemäß der Ebene P' aufzuweisen.

Diese Merkmale sind in den die Priorität des Streitpatents begründenden Unterlagen ursprünglich offenbart, siehe S. 3, Z. 13 bis 16 und S. 4, Z. 19 bis 26 der beglaubigten Abschrift der französischen Patentanmeldung 9610700, und die vorgenommene Änderung führt auch zu keiner Erweiterung des Schutzbereichs oder des Gegenstandes des Streitpatents, so dass die mit dem Hilfsantrag verteidigten Ansprüche 1 und 8 zulässig sind.

Ein Fachmann versteht unter dem Ausdruck "Ränder" im Allgemeinen äußere Begrenzungen. Deren Verlauf und Ausdehnung an dem Führungselement definiert der Anspruchswortlaut nicht näher. Er gibt lediglich an, dass die Dicken der Ränder so vorgesehen sind, dass sie eine "gewisse Deformierbarkeit" unter Druck aufweisen, was vorliegend bedeutet, dass die elastischen, reversiblen Verformungseigenschaften am Führungselement auf Grund der Dicke der Bereiche der Begrenzungen so sind, dass das "Phänomen eines harten Punktes" vollständig verschwindet. Die Beklagte hat zwar vorgetragen, die patentgemäßen Führungselemente seien offen mit seitlichen Rändern, wie es die Fig. 5 des Streitpatents zeige. Die nach dem Hilfsantrag geltenden Anspruchswortlaute lassen aber eine allein auf dieses Ausführungsbeispiel beschränkte Auslegung nicht zu. Vielmehr umfassen die mit Hilfsantrag verteidigten Ansprüche 1 und 8 weiterhin Führungselemente mit beliebig weit umgriffenen bzw. umschlossenen Gleitoberflächenformen, und in der Patentbeschreibung ist nach wie vor unverändert angegeben, dass man auch eine Röhrenform der Gleitoberfläche vorsehen kann, um ein Führen des Schnürsenkels in allen radialen Richtungen sicherzustellen, siehe S, 6, Z. 20 bis 22 in der deutschen Übersetzung DE 697 15 759 T2 des Streitpatents, Druckschrift K7.

Dies zugrundegelegt, beruhen die Gegenstände der Ansprüche 1 und 8 gemäß Hilfsantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die zusätzlichen Merkmale 1a und 2a betreffen übliche, dem Fachmann wohlbekannte Anordnungen von Spann- und Umkehrmitteln, die sowohl der aus der Druckschrift D2 als auch der aus der Druckschrift D3 bekannte Schuh bzw. das daraus jeweils bekannte Umkehrmittel offensichtlich aufweisen, siehe insbesondere Fig. 4 in D2 bzw. Fig. 1 in D3. Sie sind daher nicht geeignet, eine Patentfähigkeit zu begründen.

Das gilt auch für das 11. Merkmal im Anspruch 1 bzw. das gleichlautende 9. Merkmal im Anspruch 8 gemäß Hilfsantrag, das nach Überzeugung des Senats lediglich eine handwerkliche Maßnahme betrifft.

Den Ausführungen in der Patentschrift zum Stand der Technik zufolge war es bereits bekannt, dass die Platz einnehmenden und steifen Ösen, wie Haken, Schlaufen oder metallische oder Kunststoff- Schnürösen, u. a. harte Punkte hervorrufen können, siehe S. 1, Z. 21 bis 23 in der deutschen Übersetzung DE 697 15 759 T2 des Streitpatents, Druckschrift K7. Im Umkehrschluss liegt somit bereits auf der Hand, dass ein vergleichsweise weniger Platz einnehmendes, nachgiebigeres Umkehrmittel dieses Problem lösen wird.

Der hier einschlägige Fachmann weiß zudem, dass das Verformungsvermögen eines Bauteils eine Frage der Steifigkeit durch die Festigkeit des Materials und der Bauteilgestalt wie der Wanddimensionierung ist. Die Dicke von Bereichen eines Führungselements so vorzusehen, dass es eine gewisse Nachgiebigkeit aufweist, liegt somit im unmittelbaren Griffbereich des Fachmanns. Da eine Verformung nur soweit vertretbar ist, wie die Gleit- und Führungseigenschaften durch ein Nachgeben des Führungselements nicht beeinträchtigt werden, liegt es nahe, diese Maßnahme lokal begrenzt, nicht in dem Bereich der Gleitoberfläche, sondern seitlich an den Rändern des Führungselements vorzunehmen.

An diesem Ergebnis können die von der Beklagten angeführten Beweisanzeichen - deren Richtigkeit unterstellt werden kann - für das Vorliegen erfinderischer Tätigkeit nichts ändern. Ein näheres Eingehen darauf erscheint dem Senat daher nicht veranlasst.

IV.

Als Unterlegene hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits gemäß §§ 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 99 Abs. 1 PatG, 709 ZPO.

Sredl Dr. Henkel Gutermuth Dr. Fritze Rothe Be






BPatG:
Urteil v. 17.07.2008
Az: 2 Ni 14/06


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/9707734a85c3/BPatG_Urteil_vom_17-Juli-2008_Az_2-Ni-14-06




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