Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 12. Juli 2010
Aktenzeichen: AnwZ (B) 83/09

(BGH: Beschluss v. 12.07.2010, Az.: AnwZ (B) 83/09)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs betrifft eine Beschwerde eines Antragstellers gegen einen Beschluss des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs. Der Bundesgerichtshof weist die Beschwerde des Antragstellers zurück.

Eine Kostenentscheidung wird getroffen: Der Antragsteller muss die Kosten des Rechtsmittels tragen und der Antragsgegnerin die entstandenen außergerichtlichen Auslagen erstatten. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.

Der Antragsteller hat außerdem einen Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren gestellt, welcher ebenfalls abgelehnt wird.

Die Gründe für die Entscheidung werden erläutert: Der Antragsteller ist Rechtsanwalt und war bereits in anderen Bezirken tätig. In einem Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller wegen falscher Verdächtigung wurde eine forensischpsychiatrische Stellungnahme eingeholt. Es wurde festgestellt, dass eine seelische Störung vorliegen könnte und eine Minderung der Einsichtsfähigkeit nicht ausgeschlossen werden kann. Das Strafverfahren wurde daraufhin eingestellt.

Die Antragsgegnerin forderte den Antragsteller auf, ein Gutachten über seinen Gesundheitszustand vorzulegen. Da der Antragsteller jedoch kein Gutachten vorlegte, wurde gesetzlich vermutet, dass er aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage war, den Beruf ordnungsgemäß auszuüben.

Im gerichtlichen Verfahren konnte der Antragsteller diese Vermutung nicht widerlegen. Die Voraussetzungen für den Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft lagen vor und es bestanden keine Anhaltspunkte dafür, dass ein Verbleiben des Antragstellers in der Rechtsanwaltschaft die Rechtspflege nicht gefährdet.

Zusätzlich wird der Antrag des Antragstellers auf Verfahrenskostenhilfe abgelehnt, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg hat. Die vorherige Entscheidung des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs wird bestätigt.

Insgesamt bleibt die Beschwerde des Antragstellers ohne Erfolg und er muss die Kosten des Rechtsmittels tragen.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BGH: Beschluss v. 12.07.2010, Az: AnwZ (B) 83/09


Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 1. Senats des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs vom 29. Juni 2009 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.

Der Antrag des Beschwerdeführers auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist seit dem 25. März 2003 im Bezirk der Antragsgegnerin als Rechtsanwalt zugelassen. Zuvor war er in anderen Bezirken als Rechtsanwalt tätig gewesen. Im Rahmen eines gegen den Antragsteller geführten Ermittlungsverfahrens wegen falscher Verdächtigung holte die zuständige Staatsanwaltschaft eine forensischpsychiatrische Stellungnahme zur Frage seiner strafrechtlichen Verantwortlichkeit ein. Der mit der Erstattung des Gutachtens beauftragte Landgerichtsarzt kam in einem Vermerk vom 26. November 2007 zu dem Ergebnis, nach Aktenlage könne das Vorliegen einer krankhaften seelischen Störung mit hoher Wahrscheinlichkeit vermutet und eine erhebliche Minderung der Einsichtsfähigkeit in Verbindung mit einer Aufhebung der Steuerungsfähigkeit nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden. Das Strafverfahren wurde daraufhin gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

Mit Bescheid vom 27. Dezember 2007, zugestellt am 3. Januar 2008, gab die Antragsgegnerin dem Antragsteller auf, ein Gutachten des Facharztes Professor Dr. N. , Abteilung für forensische Psychiatrie der Klinik und Polyklinik für Psychiatrie und Psychotherapie in M. vorzulegen. Der Antragsteller legte kein Gutachten vor. Am 30. Mai 2008 stellte er Antrag auf gerichtliche Entscheidung und beantragte vorsorglich Wiedereinsetzung in die versäumte Antragsfrist; er behauptete, den Bescheid nicht erhalten zu haben. Die Anträge blieben ohne Erfolg.

Mit Bescheid vom 15. Mai 2008 widerrief die Antragsgegnerin die Zulassung des Antragstellers, weil dieser infolge einer Schwächung seiner geistigen Kräfte (§ 14 Abs. 2 Nr. 3 BRAO) unfähig sei, den Beruf des Rechtsanwalts ordnungsgemäß auszuüben. Der Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung ist zurückgewiesen worden. Der Antragsteller hat sofortige Beschwerde eingelegt und Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren beantragt.

II.

Die sofortige Beschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 BRAO a.F., § 215 Abs. 3 BRAO). Sie bleibt jedoch ohne Erfolg.

1. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt aus gesundheitlichen Gründen nicht nur vorübergehend unfähig ist, den Beruf eines Rechtsanwalts ordnungsgemäß auszuüben, es sei denn, dass sein Verbleiben in der Rechtsanwaltschaft die Rechtspflege nicht gefährdet. Wenn es zur Entscheidung über den Widerruf der Zulassung nach dieser Vorschrift erforderlich ist, gibt die Rechtsanwaltskammer nach § 16 Abs. 3a Satz 1 BRAO a.F., § 8 Abs. 1 Satz 1 BRAO dem Rechtsanwalt auf, innerhalb einer von ihr zu bestimmenden angemessenen Frist das Gutachten eines von ihr bestimmten Arztes über seinen Gesundheitszustand vorzulegen. Wird das Gutachten ohne zureichenden Grund nicht innerhalb der gesetzten Frist vorgelegt, so wird nach § 16 Abs. 3a Satz 2 BRAO a.F. gesetzlich vermutet, dass der Rechtsanwalt aus demjenigen gesetzlichen Grund, der durch das Gutachten geklärt werden soll, nicht nur vorübergehend unfähig ist, seinen Beruf ordnungsgemäß auszuüben.

2. Diese Voraussetzungen lagen bei Erlass des Widerrufsbescheides vor.

Die Antragsgegnerin hat den Antragsteller mit bestandskräftigem Bescheid vom 27. Dezember 2007 aufgefordert, ein ärztliches Gutachten über seinen Gesundheitszustand vorzulegen.

Dieser genügt auch den Bestimmtheitsanforderungen des § 16 Abs. 3a Satz 1, § 8 Abs. 1 BRAO a.F. Die Antragsgegnerin hat, wie geboten (vgl. BGH, Beschl. v. 23. September 2002 - AnwZ (B) 56/01, NJW 2003, 215), den mit der Untersuchung beauftragten Arzt namentlich bezeichnet. Der Bescheid enthält die Fragen zum Gesundheitszustand des Antragsgegners, welche der Gutachter beantworten soll, sowie diejenigen Tatsachen, welche die Antragsgegnerin veranlasst haben, die Untersuchung anzuordnen.

Nachdem der Antragsteller kein Gutachten vorgelegt hatte, griff die gesetzliche Vermutung des § 16 Abs. 3a Satz 2 BRAO a.F. ein, dass er aus den im Bescheid genannten gesundheitlichen Gründen nicht nur vorübergehend außer Stande war, den Beruf des Rechtsanwalts ordnungsgemäß auszuüben. Diese Vermutung hat der Antragsteller bis zum Erlass des Widerrufsbescheides nicht widerlegt.

3. Die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Nr. 3 BRAO sind auch nicht, was zu berücksichtigen wäre (vgl. zum Widerrufsgrund des Vermögensverfalls BGHZ 75, 356; 84, 149), während des gerichtlichen Verfahrens entfallen. Der Antragsteller hat die gegen ihn streitende Vermutung nach wie vor nicht widerlegt.

Der Antragsteller hat weder im Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof noch im Beschwerdeverfahren ein Gutachten über seinen Gesundheitszustand vorgelegt. Zureichende Gründe hierfür hat er nicht dargetan.

Im Übrigen hat sich das von der Antragsgegnerin beschriebene Verhalten, das - neben dem im Strafverfahren erstellten gutachterlichen Vermerk - Anlass zur Anordnung der Vorlage eines Gutachtens war, im gerichtlichen Verfahren fortgesetzt. Auch im Beschwerdeverfahren haben sich die von dem Landgerichtsarzt in seinem Vermerk beschriebenen "Schwierigkeiten bei der Selbst- und Problemwahrnehmung" und die Defizite bei der "Fokussierung des Denkens" gezeigt.

4. Anhaltspunkte dafür, dass ein Verbleiben des Antragstellers in der Rechtsanwaltschaft die Rechtspflege nicht gefährdet, bestanden und bestehen nicht.

III.

Der Antrag des Antragstellers auf Verfahrenskostenhilfe für die sofortige Beschwerde und Beiordnung eines beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalts oder des Rechtsanwalts K. wird zurückgewiesen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg hat.

Tolksdorf Lohmann Schäfer Wüllrich Braeuer Vorinstanz:

AGH München Entscheidung vom 29.06.09 - BayAGH I - 20/08






BGH:
Beschluss v. 12.07.2010
Az: AnwZ (B) 83/09


Link zum Urteil:
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