Verwaltungsgericht München:
Urteil vom 20. Oktober 2009
Aktenzeichen: M 16 K 09.3072

(VG München: Urteil v. 20.10.2009, Az.: M 16 K 09.3072)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Verwaltungsgericht München hat in einem Urteil vom 20. Oktober 2009 entschieden, dass die Klage eines Zahnarztes abgewiesen wird. Der Kläger hatte gegen den Widerruf seiner zahnärztlichen Approbation geklagt. Der Kläger war zuvor rechtskräftig wegen Betrugs in mehreren Fällen verurteilt worden. Er hatte Leistungen für Kassenpatienten abgerechnet, die er nicht oder nicht wie vorgeschrieben erbracht hatte. Außerdem hatte er Inlays als Teilkronen abgerechnet und damit Schaden verursacht. Das Verwaltungsgericht München hat den Widerruf der Approbation als rechtmäßig angesehen, da der Kläger sich einer schweren Verfehlung schuldig gemacht hat. Das Gericht hat auch entschieden, dass der Widerruf der Approbation nicht unverhältnismäßig ist und die Berufsfreiheit des Klägers nicht verletzt. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

VG München: Urteil v. 20.10.2009, Az: M 16 K 09.3072


Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um den Widerruf der zahnärztlichen Approbation.

Der Kläger ist seit 7. Juli 1976 approbierter Zahnarzt. Er war im relevanten Zeitraum Mitinhaber einer Gemeinschaftszahnarztpraxis in der €str. 1 in €, A€.

Mit Strafbefehl des Amtsgerichts € vom 3. Juni 2008, Az. €, der am 18. August 2008 rechtskräftig wurde, wurde der Kläger wegen Betrugs in 21 Fällen gem. §§ 263 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, 53 StGB zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, die gegen Zahlung von 6.000,-- EUR zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Dem Strafbefehl lag zugrunde, dass der Kläger zum einen im Zeitraum vom 14. Januar 2000 bis zum 16. Mai 2003 Leistungen für Kassenpatienten gegenüber der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayerns abgerechnet hatte, die er tatsächlich nicht oder nicht wie für die Abrechnung vorgeschrieben erbracht hatte. Dabei richtete er einen Schaden von 7.401,30 EUR an und handelte laut Strafbefehl gewerbsmäßig. Zum anderen gereichte ihm zum Vorwurf, dass er in der Zeit vom 21. März 2000 bis 22. April 2002 bei Patienten Inlays einsetzte, die er als Teilkronen abrechnete, damit die Kassenzahnärztliche Vereinigung Bayerns einen Teil der Kosten übernehme, nachdem die gesetzlichen Krankenkassen für Inlays keine Kosten erstatten. Dabei wurden von dem Hersteller der Inlays Scheinrechnungen über Teilkronen ausgestellt. Hierbei entstand ein Schaden von 1.750,61 EUR. Der Gesamtschaden belief sich demgemäß auf 9.151,91 EUR.

Der Strafbefehl ging dabei in 13 Fällen von gewerbsmäßigem Betrug aus, nahm jedoch im Hinblick auf die Schadenshöhe lediglich für drei Fälle einen besonders schweren Fall im Sinne des § 263 Abs. 3 StGB an. Die lange Dauer des Ermittlungsverfahrens wurde bei der Strafzumessung zu Gunsten des Klägers berücksichtigt.

Weitere Tatvorwürfe, die Gegenstand langwieriger polizeilicher und staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen waren (Betrug nach identischem Muster u. a. in den Jahren 1998 und 1999, Verstöße gegen das Zahnheilkundegesetz durch Einsetzen von Füllungen durch Zahnarzthelferinnen und damit eventuell vorliegende Körperverletzungstatbestände) wurden fallengelassen und das Verfahren insoweit nach §§ 154 Abs.1, 154 a Abs. 1 StPO eingestellt. Eine Einstellung nach § 154 Abs. 1 StPO erfolgte auch im Verfahren mit dem Aktenzeichen € wegen Untreue zum Nachteil des damaligen Mitinhabers der Gemeinschaftszahnarztpraxis.

Nachdem zunächst die Regierung von A€ Kenntnis von dem Strafbefehl erlangt hatte, richtete sie am 11. Dezember 2008 ein Schreiben mit der Bitte um Stellungnahme zu den Vorwürfen im Strafbefehl an die frühere Wohnanschrift des Klägers in €. Mit Schreiben vom 7. Januar 2009 teilte der Kläger seine neue Wohnanschrift in € sowie die Anschrift seiner neuen beruflichen Wirkungsstätte in € mit. Er wies darauf hin, dass er bereits seit 1. April 2004 in € praktiziere. Eine vom Kläger beantragte Akteneinsicht wurde von der Regierung von A€ unter Hinweis darauf abgelehnt, dass außer dem ihm bekannten Strafbefehl und des Anhörungsschreibens seine Akte keine weiteren Vorgänge enthalte. Am 4. Februar 2009 wurde der Vorgang an die Regierung von B€ abgegeben.

Auf das Anhörungsschreiben des Beklagten vom 26. März 2009 erfolgte eine eingehende Äußerung des Klägers persönlich mit Schreiben vom 15. Mai 2009. Die angebotene und auf Wunsch des Klägers mehrmals verlängerte Möglichkeit zu weiterer Stellungnahme und zur Akteneinsicht wurde vom Kläger nicht genutzt. Eine weitere Verlängerung der Stellungnahmefrist wurde mit Schreiben vom 19. Mai 2009 abgelehnt und dem Kläger die Möglichkeit eingeräumt, letztmalig am 25. Mai 2009 Akteneinsicht zu nehmen.

Am € Juni 2009, zugestellt an den damaligen Bevollmächtigten des Klägers, Herrn Rechtsanwalt € am 8. Juni 2009, erging der streitgegenständliche Bescheid, mit dem die Approbation des Klägers als Zahnarzt widerrufen wurde (1.) und er unter Androhung von Zwangsgeld verpflichtet wurde, das Original seiner Approbationsurkunde und sämtliche in seinem Besitz befindlichen Ablichtungen innerhalb von zwei Wochen nach Bestandskraft des Bescheides zu übergeben oder zu übersenden (2./3.).

Begründet wurde der Widerruf damit, dass der Kläger sich eines Verhaltens schuldig gemacht habe, aus dem sich seine Unwürdigkeit und Unzuverlässigkeit zur Ausübung des zahnärztlichen Berufs ergäben. Die vom Kläger begangenen Betrugsstraftaten seien nicht mit der Vorstellung zu vereinbaren, die der objektive Betrachter mit der Persönlichkeit eines Arztes verbinde, da sie in scharfem Gegensatz zu seiner ärztlichen Berufspflicht stünden. In seinem nachhaltig gezeigten Strafverhalten offenbare sich ein überzogenes Gewinnstreben und erhebliche kriminelle Energie. Hinzu komme der Pflichtverstoß, Zahnarzthelferinnen mit zahnheilkundlichen Tätigkeiten zu betrauen, was insbesondere § 19 Abs. 2 BO-Zahnärzte zuwiderlaufe, wonach der Zahnarzt Praxismitarbeiter nur für Aufgaben einsetzen darf, für die sie ausreichend qualifiziert sind. Die Schadenswiedergutmachung durch den Kläger sowie sein seither straffreies Verhalten seien eine Selbstverständlichkeit und sprächen nicht gegen seine Berufsunwürdigkeit. Aus der Schwere der Straftaten des Klägers, die sich auch im Strafmaß ausdrücke, sowie der Tatsache, dass von der Strafverfolgung weiterer Delikte nur wegen des Vorliegens der Voraussetzungen des § 154 a Abs. 1 StPO abgesehen worden sei, ergebe sich, dass eine weitere Berufsausübung bei Würdigung aller Umstände untragbar sei.

Da er seine Berufspflicht, Strafverstöße zu Lasten des Gesundheitssystems zu unterlassen, nicht erfüllt habe, sei er auch unzuverlässig. Er biete nicht die Gewähr für eine ordnungsgemäße Berufsausübung. Der jahrelange Abrechnungsbetrug zeige den Hang des Klägers, eigene Interessen vor die des Gemeinwesens zu stellen. Damit habe er eine charakterliche Schwäche offenbart, die weiteren Betrug konkret erscheinen lasse. Hinzu komme, dass er sein Verhalten nicht aus eigenem Antrieb, sondern wegen der Strafverfolgung eingestellt habe.

Der Widerruf sei auch unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit und des schwerwiegenden Eingriffs in Art. 12 Abs. 1 GG rechtmäßig. Ermessen werde dem Beklagten nicht eingeräumt.

Mit Schriftsatz vom 8. Juli 2009, eingegangen bei Gericht am selben Tag, hat der Kläger gegen den Bescheid Klage erhoben und zuletzt beantragt,

den Bescheid vom € Juni 2009 aufzuheben.

Zur Begründung der Klage wird im Wesentlichen folgendes vorgetragen:

Der Bescheid sei in verfahrensrechtswidriger Weise zustandegekommen. Es sei gegen Art. 14 BayVwVfG verstoßen worden. Dem Kläger sei Akteneinsicht verweigert worden, weshalb er sich ohne Kenntnis des Akteninhalts verteidigen müsse. Die rechtswidrigen Aktivitäten des Regierungspräsidiums € als Teil des streitgegenständlichen Verfahrens machten dieses fehlerhaft. Der Beklagte habe sein Widerrufsrecht verwirkt, da er bereits mit Eingang des Strafbefehls in € Kenntnis vom Strafbefehl erlangt habe. Stelle man auf die Kenntniserlangung der Beklagten durch die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ab, dann habe der Beklagte seit ca. sechs Jahren keinen Bedarf gesehen, approbationsrechtlich gegen den Kläger vorzugehen. Der Strafbefehl und sein Inhalt hätten keine Bindungswirkung, so dass der Beklagte alle im Rahmen des Strafbefehls abgehandelten Vorwürfe beweisen müsse. Der Kläger verhalte sich seit nunmehr sechs Jahren rechtstreu, weshalb die Negativprognose nicht trage. Es sei auch widersprüchlich, dass eine Gefahr für die Patienten angenommen werde, gleichwohl aber die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheids unterblieben sei. Der vom Kläger verursachte Schaden sei ohnedies zu gering, um einen Widerruf zu rechtfertigen. Es handele sich lediglich um ein Prozent des damals jährlich erzielten Gesamteinkommens. Der Hinweis auf sonstige Straftaten, von deren Verfolgung abgesehen worden sei, sei rechtswidrig. Die Verfehlungen müssten der Öffentlichkeit tatsächlich bekannt geworden seien, um einen Widerruf zu rechtfertigen. Die Würdigkeit als Zahnarzt könne man außerberuflich nicht, wie vom Beklagten verlangt, wiedererlangen.

Der Beklagte beantragt mit Schriftsatz vom 30. Juli 2009

Klageabweisung.

Hierin trat er dem Vorwurf der Verletzung von Verfahrensvorschriften entgegen. Im Übrigen wurde im Wesentlichen die Begründung des Bescheids wiederholt und vertieft.

Am 19. Oktober 2009 übermittelte der Kläger einen Bescheid des Zahnärztlichen Bezirksverbandes B€ vom 10. Juni 2009, in welchem gegen den Kläger eine Rüge wegen Verletzung seiner Berufspflichten ausgesprochen wurde, sowie einen Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte C€ vom 2. September 2009, mit dem der Antrag der ARGE vom 22. Juni 2009 auf Entziehung der kassenzahnärztlichen Zulassung des Klägers abgelehnt wurde.

Am 20. Oktober 2009 hat die mündliche Verhandlung vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht München stattgefunden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom € Juni 2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger somit nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Rechtsgrundlage für den Widerruf der Approbation ist § 4 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Gesetzes über die Ausübung der Zahnheilkunde -ZHG. Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 ZHG ist die Approbation zu widerrufen, wenn nachträglich die Voraussetzung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZHG weggefallen ist. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZHG wiederum bestimmt, dass die Approbation auf Antrag zu erteilen ist, wenn der Antragsteller sich nicht eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich die Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des zahnärztlichen Berufs ergibt. Daraus folgt, dass die zahnärztliche Approbation zu widerrufen ist, wenn der Zahnarzt sich nach Erteilung der Approbation als unwürdig oder unzuverlässig zur Ausübung des zahnärztlichen Berufs erwiesen hat.

2. Die den Widerruf der zahnärztlichen Approbation rechtfertigende, mit § 5 Abs. 2 Satz 1 der Bundesärzteordnung- BÄO- im Wesentlichen wort- und inhaltsgleiche Vorschrift des § 4 Abs. 2 Satz 1 ZHG ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, auch wenn durch sie in die durch Art. 12 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützte Freiheit der Berufswahl und in die damit gewährleistete Freiheit der Entscheidung darüber, wie lange jemand seinen Beruf ausüben will, eingegriffen wird. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 25, 1/11; 44, 105/117; 59, 302/315; 63, 266/286) sind Einschränkungen der Berufswahl nur dann verfassungsgemäß, wenn sie dem Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter dienen und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit von Zweck und Mittel beachten. Als derart wichtige Gemeinschaftsgüter, deren Schutz die Vorschriften über den Widerruf der (zahn)ärztlichen Approbation bezwecken, kommen die Gesundheitspflege, das Vertrauen der Patienten in den Arzt, die Wertschätzung der Ärzteschaft in der Gesellschaft und die Integrität des ärztlichen Berufsstandes in Betracht. Die Reinhaltung des Berufsstandes ist bei Ärzten besonders wichtig, weil Kranke wegen ihrer Schmerzen und Gebrechen ihr ganzes Vertrauen in den Arzt als Helfer setzen und deshalb in diesem Vertrauen vor einem Missbrauch durch unzuverlässige Ärzte geschützt werden müssen. § 4 Abs. 2 Satz 1 ZHG, der wie die entsprechende Vorschrift § 5 Abs. 2 Satz 1 BÄO das Vertrauen der Bevölkerung in die Integrität des ärztlichen Berufsstandes schützt, indem er bei Unzuverlässigkeit und/oder Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs den Widerruf der Approbation vorsieht, ist deshalb verfassungsgemäß (vgl. BayVGH v. 12.3.1990 Az. 21 B 89.01871, Tz. 28, zit. n. juris)

3. Der Widerrufsbescheid ist entgegen dem klägerischen Vorbringen verfahrensfehlerfrei zustande gekommen. Der Beklagte hat im Verfahren zum Widerruf der Approbation im Ergebnis weder gegen Art. 14 BayVwVfG noch gegen Art. 28 oder 29 BayVwVfG verstoßen. Dahinstehen kann, ob die Regierung von A€ als vermeintlich zuständige Behörde des Beklagten dem Kläger zu Unrecht das Recht auf Akteneinsicht nach Art. 29 BayVwVfG verwehrt hat. Denn dieses wurde ihm zumindest durch die aufgrund der Verlegung der zahnärztlichen Tätigkeit des Klägers zuständige Regierung von B€ gewährt. Akteneinsicht wurde dem Kläger im Rahmen des Anhörungsverfahrens von dieser Seite aus zum wiederholten Male schriftlich und mündlich angeboten (vgl. bspw. Aktennotiz der Regierung von B€ vom 7. Mai 2009, Bl. 75 der Verwaltungsakten; Schreiben vom 19. Mai 2009, Bl. 38 f. der Verwaltungsakten). Der Kläger hatte mithin genug Zeit und Möglichkeit, vom Akteninhalt Kenntnis zu nehmen.

Auch eine Verletzung des Art. 14 BayVwVfG ist nicht feststellbar. Nach dessen Absatz 1 Satz 3 ist eine Vollmacht vom Bevollmächtigten auf Verlangen schriftlich nachzuweisen. Dieses Verlangen wurde vom Beklagten am 18. Mai 2009 (Bl. 46 d. A) gestellt und von Herrn Dr. € nicht erfüllt. Von ihm wurde keine schriftliche Vollmacht vorgelegt. Deshalb war es nicht zu beanstanden, dass die Regierung von B€ sich nicht an Herrn Dr. €, sondern an den Kläger direkt gewandt hat (vgl. Art. 14 Abs. 3 Satz 1 BayVwVfG), und nachher der Bescheid allein an Herrn Rechtsanwalt €, für den eine schriftliche Bevollmächtigung in der streitgegenständlichen Sache (erst) vom 6. Mai 2009 vorlag (Bl. 44 d. A), zugestellt wurde.

Deshalb bleibt festzustellen, dass das Recht des Klägers auf Wahrung des rechtlichen Gehörs im Verwaltungsverfahren nicht verletzt worden ist.

4. Der Kläger hat sich vorliegend eines Verhaltens schuldig gemacht, aus dem seine Unwürdigkeit zur Ausübung des zahnärztlichen Berufs folgt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZHG).

a) Unwürdigkeit liegt nach ständiger Rechtsprechung zu der mit der entsprechenden Vorschrift des ZHG inhaltlich übereinstimmenden Norm des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO, die auf den Widerruf der zahnärztlichen Approbation ohne Weiteres übertragbar ist, vor, wenn ein Arzt durch sein Verhalten nicht mehr das Ansehen und das Vertrauen besitzt, das für die Ausübung seines Berufs unabdingbar nötig ist. Erforderlich ist im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ein schwerwiegendes Fehlverhalten des Arztes, das bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalles seine weitere Berufsausübung zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung als untragbar erscheinen lässt (stdg. Rspr.; vgl. z B. BVerwG v. 14.4.1998, NJW 1999, 3425; BVerwG v. 2.11.1992, NJW 1993, 806). Diese Definition knüpft gerade im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz die Feststellung der Berufsunwürdigkeit an hohe Voraussetzungen (BVerwG v. 14.4.1998, a. a. O.). Entscheidend ist dabei, dass das Verhalten des Arztes für jeden billig und gerecht Denkenden als Zerstörung der für die ärztliche Tätigkeit unverzichtbaren Vertrauensbasis erscheint (BayVGH v. 28.3.2007 Az. 21 B 04.3153- juris; BVerwG v. 28.1.2003 Buchholz 418.00 Ärzte Nr. 107 m.w.N)

Die Frage der Unwürdigkeit zur Ausübung des zahnärztlichen Berufs beurteilt sich dabei nicht ausschließlich in Orientierung an dem unmittelbaren Verhältnis zwischen Arzt und Patienten und damit an der Ausübung der Heilkunde im engeren Sinne. Der Anwendungsbereich des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZHG erstreckt sich nämlich nicht nur auf das Verhalten eines Zahnarztes anlässlich der Behandlung seiner Patienten, also auf den Kernbereich zahnärztlicher Tätigkeit, sondern erfasst darüber hinaus alle berufsbezogenen, mit der eigentlichen ärztlichen Tätigkeit in nahem Zusammenhang stehenden Handlungen und Unterlassungen. Er kann auch erhebliches Fehlverhalten wie z. B. die Begehung schwerer Straftaten eines Arztes erfassen, die keinerlei Zusammenhang mit seiner als solchen unbeanstandbar ausgeübten ärztlichen Tätigkeit hat (vgl. z. B. BVerwG v 28.8.1995 Az. 3 B 7/95; BayVGH v. 29.1.2002 Az. 21 B 98.1583- juris, m. w. N.). Die Unwürdigkeit eines Zahnarztes kann dementsprechend auch aus einer Straftat zu folgern sein, die nicht unmittelbar die zahnärztlichen Pflichten gegenüber seinen Patienten betrifft. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass die Ausübung des (zahn)ärztlichen Berufs und die entsprechende Wertschätzung und das Vertrauen der Patientenschaft und der Öffentlichkeit nicht nur eine fachlich beanstandungsfreie Behandlung der Patienten, sondern auch die Einhaltung der sonstigen ärztlichen Berufspflichten, worunter auch die Wahrung des Ansehens und des Vertrauens in den Berufsstand fällt, umfasst. Durch diese Einbeziehung der Ansehenswahrung des Berufsstandes in den Pflichtenkreis des Arztes wird von dem dem ärztlichen Stand angehörigen ärztlichen Berufsträger €eine in jeder Hinsicht integre Lebensführung€ verlangt (so ausdrücklich BayVGH v. 29.1.2002, a. a. O., Tz. 41, unter Hinweis auf andere Ansichten in der Literatur und zeitweise entgegenstehende Rspr. des VGH Baden-Württemberg).

Das Abrechnungsverhalten des Arztes gegenüber den Kostenträgern für die Heilbehandlung wie zum Beispiel der Kassenzahnärztlichen Vereinigung tangiert nach dem Gesagten die Würdigkeit des Arztes. Die korrekte Abrechnung ihnen gegenüber stellt einen wesentlichen Bestandteil einer würdigen Erfüllung der beruflichen Pflichten des Arztes dar. Denn eine funktionierende und fortschrittliche Gesundheitsfürsorge ist ein der Knappheit unterliegendes volkswirtschaftliches Gut und die Leistungsfähigkeit und Qualität des Gesundheitswesens sind von den ihm zur Verfügung stehenden Finanzmitteln abhängig. Daher kann das Verhältnis des Arztes zu den Krankenkassen und sonstigen Kostenträgern nicht losgelöst von der eigentlichen Aufgabe des Arztes, nämlich der sachgerechten Heilbehandlung, gesehen werden. Denn betrügerisches Fehlverhalten auf diesem Gebiet schlägt indirekt auf die Patienten durch, deren Krankenkassenbeiträge hierdurch in die Höhe getrieben werden. Ein Abrechnungsbetrug gegenüber den Kostenträgern für die Heilbehandlung ist daher geeignet, das Vertrauen in den Arzt oder sein Ansehen in der Öffentlichkeit zu schädigen (vgl. zum Ganzen BayVGH v. 7.2.2002, Az. 21 ZS 01.2890, Rz. 9 ff. m.w.N.). Des Weiteren ist nicht erforderlich, dass ein Ansehensverlust konkret eingetreten ist, sondern es ist eine abstrakte Betrachtungsweise maßgeblich, wonach auf den hypothetischen Ansehensverlust in der Öffentlichkeit, wäre ihr das ärztliche Fehlverhalten bekannt geworden, abzustellen ist (vgl. statt vieler BayVGH v. 29.1.2002, a. a. O., Tz. 42, m. w. N.).

Schließlich beinhaltet der Rechtsbegriff der Unwürdigkeit keine Prognoseentscheidung, so dass es für die Bejahung dieses Tatbestandsmerkmals nicht auf ein zu erwartendes zukünftiges Verhalten des Betroffenen ankommt (vgl. BayVGH v. 28.3.2007 Az. 21 B 04.3153 - juris Tz. 23).

b) Das Gericht legt seiner verwaltungsrechtlichen Beurteilung den im rechtskräftigen Strafbefehl festgestellten Sachverhalt sowie die darin vorgenommene strafrechtliche Würdigung, die im Schuld- und Rechtsfolgenausspruch zum Ausdruck gekommen ist, zugrunde. Zwar besteht für das Approbationswiderrufsverfahren keine gesetzlich angeordnete Bindungswirkung der Entscheidungsträger an tatsächliche Feststellungen im Strafurteil oder im Strafbefehl, wie sie zum Beispiel § 118 Abs. 3 Bundesrechtsanwaltsordnung -BRAO- oder § 109 Abs. 3 Steuerberatungsgesetz -StBerG- für das dort geregelte anwalts- bzw. berufsgerichtliche Verfahren anordnen. Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte dürfen ihren Entscheidungen dem Betroffenen zum Nachteil gereichende Feststellungen in rechtskräftigen Strafbefehlen dennoch grundsätzlich ohne eigene Ermittlungen zu Grunde legen, es sei denn, es bestehen erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der strafgerichtlichen Tatsachenfeststellungen (stdg. Rspr.; vgl. aus neuerer Zeit OVG NRW v. 17.2.2009 Az. 13 A 2907/08, zit. n. juris, Tz 11; OVG Niedersachsen v. 13.1.2009 Az. 8 LA 88/08, zit. n. juris, Tz 7, jeweils m. w. N.). Die Strafverfolgungsbehörden haben nämlich trotz des im Verwaltungsverfahren und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes regelmäßig ungleich bessere und weitergehende Ermittlungsmöglichkeiten als die Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte. Das erkennende Gericht ist also grundsätzlich zwar nicht von Gesetzes wegen an die nicht in Rechtskraft erwachsenen Feststellungen im Strafbefehl gebunden. Es darf insbesondere bei sich aufdrängenden Zweifeln an deren Richtigkeit immer auch aufgrund eigener Ermittlungen zu eigenen abweichenden Ergebnissen kommen. Es ist aber zu eigenen Ermittlungen bei fehlenden Zweifeln eben grundsätzlich nicht von Rechts wegen verpflichtet. Solche erhebliche Zweifel an der Richtigkeit des dem Strafurteil zugrundeliegenden Sachverhalts bestehen für die erkennende Kammer nicht. Der Kläger hat auch in dieser Richtung Substantiiertes nicht vorgetragen, sondern nur pauschal bestritten, dass er die ihm zu Last gelegten Taten begangen habe.

c) Gemessen an den oben dargelegten Grundsätzen und ausgehend von den Feststellungen im Strafbefehl hat sich der Kläger vorliegend durch sein betrügerisches Abrechnungsverhalten einer derart schweren Verfehlung schuldig gemacht, dass seine Unwürdigkeit anzunehmen ist.

Der dem Strafbefehl zugrundeliegende Sachverhalt der fehlerhaften Abrechnungen wiegt schwer. Denn hier hat der Kläger der oben beschriebenen Solidargemeinschaft der Gesundheitsfürsorge eine Summe von mehreren Tausend Euro entzogen, weshalb man von einem bloßen Bagatellschaden nicht ausgehen kann. Entscheidend ist hierbei nicht, ob die Schadenssumme für den Kläger, gemessen an seinem sonstigen Einkommen, die Bagatellgrenze überschreitet, sondern eine objektive Betrachtungsweise. Dass der Kläger seine betrügerische Tätigkeit über annähernd zweieinhalb Jahre regelmäßig verfolgt hat und hier insgesamt nach den Feststellungen des Strafbefehls Dutzende von Patienten betroffen waren, lässt eine besonders verwerfliche Selbstverständlichkeit des eigennützigen deliktischen Handelns auf Seiten des Klägers erkennen. Insgesamt hat der Kläger hier ein hohes Maß an Habgier, Rücksichtslosigkeit und Eigensucht an den Tag gelegt.

Auch die rechtliche Qualifikation der Taten des Klägers durch den Strafbefehl stützt die Annahme eines schwerwiegenden Vergehens, denn der Kläger wurde nicht bloß wegen einfachen Betrugs, sondern aufgrund der teilweise angenommenen Gewerbsmäßigkeit wegen Betrugs in einem besonderen schweren Fall gemäß § 263 Abs. 3 Nr. 1 StGB bestraft. Zudem zeugt die Verurteilung zu einem Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung von einem eher hohen Tatunrecht, besonders wenn man in Betracht zieht, dass die lange Dauer des Strafverfahrens sich in der Strafzumessung strafmildernd ausgewirkt hat, ohne diese die Strafe mithin höher ausgefallen wäre. Im Hinblick auf die Tatsache, dass das Strafbefehlsverfahren eine Ahndung durch maximal ein Jahr Freiheitsstrafe zulässt, wenn der Angeschuldigte einen Verteidiger hat (§ 407 Abs. 2 Satz 2 StPO), bedeutet die Bestrafung des Klägers eine gänzliche Ausschöpfung des in diesem Verfahren möglichen Bestrafungsrahmens.

Zu berücksichtigen ist weiter, dass der Strafbefehl nur einen Teil des deliktischen Verhaltens des Klägers erfasst. Soweit dem Kläger zur Last gelegt wurde, weitere gleichartige Betrugstaten begangen zu haben, wurde von der Verfolgung gemäß §154 a Abs. 1 StPO abgesehen. Von der Verfolgung weiterer Straftaten, die Vermögensstraftaten wie Betrug und Untreue, aber auch Straftaten gegen die körperliche Integrität zum Gegenstand hatten, wurde nach

§ 154 Abs. 1 StPO abgesehen. Dies zeigt, dass nicht nur der Betrugskomplex, sondern weitere, die engere berufliche Sphäre des Klägers betreffende Tatkomplexe vorhanden sind, der Strafbefehl also nur einen Ausschnitt aus dem Fehlverhalten des Klägers herausgenommen und einer strafgerichtlichen Ahndung zugeführt hat.

Ein weiterer Gesichtspunkt, der bei der Gesamtwürdigung des klägerischen Verhaltens zu berücksichtigen ist, ist die Tatsache, dass der Kläger sein Tun nicht aus innerer Umkehr eingestellt hat. Vielmehr war allein das Strafverfahren Auslöser für die Aufgabe seiner Tätigkeiten. Der Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass nicht einmal die Einleitung polizeilicher Ermittlungen den Kläger zur Aufgabe seiner Abrechnungspraxis bestimmt hat. Ein Wille, sich von seinem Verhalten zu distanzieren, war und ist auch aus den Ausführungen in der Klageschrift nicht erkennbar. Der Kläger hat nicht gezeigt, dass er den Tatgewinn zu Gunsten einer Schadenswiedergutmachung freiwillig aufzugeben gewillt ist, wie dies zum Beispiel mittels einer Selbstanzeige der Fall sein könnte.

Insgesamt ist festzustellen, dass der Kläger sich mit den abgeurteilten Taten bei den Patienten, der Ärzteschaft und in der Öffentlichkeit als praktizierender Zahnarzt untragbar gemacht hat. Er hat das von den Patienten in ihn als Zahnarzt gesetzte Vertrauen missbraucht, indem er sich über Jahre hinweg unter Aufwendung erheblicher krimineller Energie und augenscheinlich ohne Unrechtsbewusstsein in erheblichem Ausmaß unter Verstoß gegen strafrechtlich sanktionierte Verhaltensregeln auf Kosten anderer bereichert hat. Von einem Arzt erwartet der billig und gerecht denkende Durchschnittspatient, dass er nicht in strafbarer Weise sein Gewinnstreben über die Vermögensinteressen anderer setzt. Denn nur so kann der erkrankte und leidende Patient, der sich in die Obhut eines Arztes begibt, sicher sein, dass der ihn behandelnde Arzt, dem er sich ganz anvertraut, seine Leiden und seine Gebrechen in erster Linie in Orientierung an dem, was der Kranke bedarf, und nicht an dem, was seinen Gewinn maximiert, behandelt. Der heutige Durchschnittspatient weiß und akzeptiert, dass es sich bei einem Arzt um einen Gewinn erzielenden €Unternehmer€ handelt, er vertraut aber zu Recht darauf, dass der Arzt in einem denkbaren Konflikt zwischen seinen materiellen Interessen und den Gesundheitsinteressen des Patienten jene hintanstellt. Insoweit beinhaltet das ärztliche Berufsethos auch den Gedanken eines zuallererst idealistisch handelnden Arztes, der durch die vom Kläger gezeigte Verhaltensweise konterkariert wird. Das Gericht will damit den Arztberuf keineswegs dahingehend idealisieren, dass er einen Verzicht auf Gewinnmaximierung und gleichsam berufsmäßige Bescheidenheit verlangt. Die Öffentlichkeit erwartet aber von einem Arzt zu Recht, dass er die fremdes Vermögen schützenden Gebote der Rechtsordnung einhält, und wird in dieser Erwartung empfindlich enttäuscht, wenn ein Arzt, wie hier der Kläger, jahrelang unter Ausnutzung seines Ansehens als Arzt Vermögensdelikte begeht, um sich damit ohne Not, d. h. ohne dass die Vermögensstraftaten durch finanzielle Nöte des Arztes, wenn nicht entschuldbar, so doch wenigstens erklärbar wären, zu bereichern.

Insgesamt bestehen damit an der Unwürdigkeit des Klägers keine Zweifel. Auf eine Prognoseentscheidung, ob er in Zukunft seine beruflichen Pflichten zuverlässig erfüllen wird, kommt es damit nicht mehr an. Allein die Unwürdigkeit des Klägers rechtfertigt den von der Regierung von B€ vorgenommenen Widerruf der Approbation (vgl. BayVGH v. 7.2.2002, a. a. O. Tz. 13 -juris).

5. Die Einwendungen des Klägers vermögen an diesem Ergebnis nichts zu ändern.

Der Beklagte hat sein Recht, gegen den Kläger mit dem Widerruf seiner Approbation einzuschreiten, nicht verwirkt. Denn abgesehen von der Frage, ob eine solche Verwirkung des Rechts der Widerrufsbehörde, die Approbation eines Arztes, der sich als unwürdig und/oder unzuverlässig erwiesen hat, zu entziehen, überhaupt möglich ist, ist hier kein zeitliches Versäumnis des Beklagten zu erkennen. Aus den obigen Ausführungen zur Bindungswirkung strafgerichtlicher Feststellungen ergibt sich die Befugnis des Beklagten, das Ergebnis der Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden abzuwarten, um sodann aufgrund der strafgerichtlichen rechtskräftigen Feststellungen einzuschreiten. Dies hat der Beklagte im vorliegenden Fall zeitnah getan. Der Widerruf ist ein Jahr nach Erlass des Strafbefehls und ein gutes halbes Jahr nach Bekanntwerden desselben bei der Regierung von A€ verfügt worden. Anhaltspunkte für eine Verwirkung ergeben sich bei dieser Sachlage in keinem Fall.

Unerheblich ist der klägerische Vortrag, dass ein Ansehensverlust der Ärzteschaft in der Öffentlichkeit hier nicht konkret zu befürchten ist, da der Öffentlichkeit seine Verfehlung nicht bekannt geworden sei. Hierauf kommt es nach dem oben unter 4. a) (Seite 12) Gesagten, wonach hier eine abstrakt-hypothetische Betrachtungsweise angezeigt ist, nicht entscheidungserheblich an.

Von falschen rechtlichen Voraussetzungen geht auch sein Vortrag dahingehend aus, eine Patientengefährdung nehme der Beklagte offenbar selbst nicht an, da die Anordnung des Sofortvollzugs des Widerrufs unterblieben sei. Die Anordnung des Sofortvollzuges nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO unterliegt, insbesondere bei berufsentziehenden Maßnahmen wie der vorliegenden, besonderen verfassungsrechtlich begründeten Voraussetzungen und steht im Ermessen des Beklagten. Aus dem Unterbleiben einer solchen Anordnung kann mitnichten auf eine fehlende Gefährdung von Patienteninteressen geschlossen werden.

Gegen die Annahme der Unwürdigkeit spricht auch nicht die Tatsache, dass der Kläger sich seit nunmehr ca. 6 Jahren straffrei verhält. Denn abgesehen, dass dies nicht gegen die Unwürdigkeitsbewertung spricht, der kein prognostisches Element innewohnt, ist ein Wohlverhalten unter dem Druck der Ermittlungen nicht dazu geeignet, ein Wohlverhalten des Klägers darzutun. Eine etwaige sozialgerichtliche €Wohlverhaltensrechtsprechung€ existiert für den Bereich des Approbationswiderrufs, über den die Verwaltungsgerichtsbarkeit befindet, nicht. Ein etwaiges Wohlverhalten ist vielmehr bei der Wiedererteilung der Approbation zu berücksichtigen.

Schließlich begründen die vom Kläger vorgelegten Schriftstücke, zum einen der Bescheid des Zahnärztlichen Bezirksverbandes B€ vom 10. Juni 2009, in welchem gegen den Kläger eine Rüge wegen Verletzung seiner Berufspflichten ausgesprochen wurde, zum anderen der Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte C€ vom 2. September 2009, mit dem der Antrag der ARGE vom 22. Juni 2009 auf Entziehung der kassenzahnärztlichen Zulassung des Klägers abgelehnt wurde, keine Einwände gegen den Widerruf. Denn abgesehen davon, dass die vorgelegten Entscheidungen sich mit dem Sachverhalt eher in oberflächlicher Weise befassen (der Beschluss des Zulassungsausschusses für Zahnärzte C€ zitiert nicht einmal das genaue Strafmaß des Strafbefehls; der Bescheid des Zahnärztlichen Bezirksverbands B€ handelt das Tatbestandsmerkmal der €geringen Schuld€ nach Art. 38 Abs. 1 Satz 1 Heilberufe- Kammer- Gesetz -HKaG- nicht ab), basiert der hier streitgegenständliche Approbationswiderruf auf der Befugnisnorm des § 4 Abs. 2 Satz 1 mit § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr.2 ZHG, der sich weder vom Tatbestand noch von seiner Zwecksetzung her mit den in den vorgelegten Entscheidungen von den jeweiligen Gremien angewendeten Befugnisnormen, nämlich Art. 38 Abs. 1 HKaG einerseits und § 95 Abs. 5 Satz 1 SGB V andererseits, deckt.

6. Der Widerruf der Approbation verstößt im konkreten Fall auch nicht gegen die Berufsfreiheit des Klägers aus Art. 12 Abs. 1 GG, insbesondere ist er nicht unverhältnismäßig.

Zwar liegt im Widerruf der Approbation des Klägers ein schwerwiegender Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit in Form einer subjektiven Berufswahlbeschränkung, indem sie den Kläger dazu zwingt, seine Berufsbetätigung als Arzt auf Dauer zu beenden (s. o. unter 2.). Nach der im Apothekenurteil entwickelten Stufenlehre des BVerfG können aber Eingriffe solcher Art zum Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter gerechtfertigt sein. Diese Rechtfertigung liegt hier vor, denn die Integrität des Ärztestandes, seine Wertschätzung in der Gesellschaft und das schutzwürdige Vertrauen der Bevölkerung in den Arzt als Grundbedingungen für ein funktionierendes Gesundheitswesen müssen hier durch den Approbationswiderruf geschützt werden.

Der Widerruf der Approbation ist im konkreten Fall geeignet, die genannten Gemeinschaftsgüter zu schützen. Denn sowohl der Ärzteschaft, als auch der Bevölkerung wird aufgezeigt, dass ein Fehlverhalten der in Rede stehenden Art mit dem Berufsethos dieses Berufsstands nicht vereinbar ist und eine Ausübung des zahnärztlichen Berufes, also die Ausübung der Zahnheilkunde unter der Berufsbezeichnung €Zahnarzt€, durch den Betroffenen nicht toleriert wird. Die Integrität des Ärztestandes kann durch die Entfernung des unwürdigen Arztes aus dem Ärztestand gewahrt werden.

Der Widerruf der Approbation ist zudem erforderlich, da nach geltendem Recht kein milderes Mittel in Betracht kommt. Insbesondere stellt das berufsgerichtliche Verfahren nach Art. 39 Abs. 1 i.V.m. Art. 77 HKaG keine mildere Alternative zum Widerruf der Approbation dar, da dieses ein gegenüber dem bundesrechtlich geregelten Approbationswiderrufsverfahren eigenständiges landesrechtlich geregeltes Verfahren mit demgegenüber eigenständiger Zwecksetzung ist (vgl. oben unter 5. a. E.; dazu auch BVerwG v. 14.4.1998, a. a. O, Tz 8 und 11, zit. n. juris). Im Übrigen stehen dem Beklagten keine weniger einschneidenden Reaktionsmittel zu Gebote, da die ärztliche Approbation als solche unteilbar, ein Teilwiderruf oder eine Approbation unter Auflagen oder Nebenbestimmungen somit nicht vorgesehen ist (BayVGH v. 29.1.2002 Az. 21 B 98.1583 Tz. 60 - juris). Ermessen ist ihm nach dem eindeutigen Wortlaut des § 4 Abs. 2 Satz 1 ZHG, im Unterschied zu dessen Satz 2, nicht eingeräumt.

Der Widerruf der Approbation greift nicht unangemessen in die Berufsfreiheit des Klägers ein. Denn er kann einerseits nach Abschluss des Widerrufsverfahrens und Einhaltung unter den dortigen Voraussetzungen eine Erlaubnis nach § 7 a ZHG erhalten, daran anschließend die Wiedererteilung der Approbation beantragen und dies auch im Klagewege geltend machen. Die berufliche Existenz des Klägers als Arzt wird ihm also nicht auf Lebenszeit streitig gemacht. Andererseits ist es angesichts der Art und Schwere der Verfehlung des Klägers zum Schutz der Integrität des (zahn)ärztlichen Berufsstandes und zum Schutz des Vertrauens der Bevölkerung in diese Integrität nicht unangemessen, den Kläger auf eine bestimmte Zeit vom ärztlichen Berufsstand auszuschließen. Während dieser Zeit kann und muss er seine Würdigkeit zur Ausübung des zahnärztlichen Berufes wiedererlangen, sie sich gewissermaßen wieder neu verdienen. Dabei ist der Begriff der Würdigkeit ersichtlich nicht in einem metaphysischen Sinne oder im Sinne einer Seinseigenschaft ihres Trägers zu interpretieren; denn dann wäre in der Tat nicht ersichtlich, wie der Kläger sie aufgrund der bloßen Tatsache seines Ausschlusses aus dem zahnärztlichen Berufsstand, ohne eigenes Zutun und allein durch Zeitablauf €plötzlich€ wiedererlangen sollte. Die Rechtsprechungsdefinition der Unwürdigkeit zeigt vielmehr, dass der Begriff der Unwürdigkeit als Verlust von Ansehen und Vertrauen zu verstehen ist; dieser Verlust aber kann durchaus durch unbeanstandbares Verhalten während einer gewissen Zeitspanne wieder wettgemacht, enttäuschtes Vertrauen wieder gewonnen, beschädigtes Ansehen wiederhergestellt werden. Da sonstige approbationsrechtliche Maßnahmen dem Beklagten nicht zu Gebote stehen, kann das gestörte Vertrauen in die Integrität des ärztlichen Berufsstandes nur durch einen gänzliche Ausschluss des Klägers aus dem ärztlichen Berufsstand für eine bestimmte Zeit wiederhergestellt werden. Allein die strafrechtliche Verurteilung reicht hierfür nicht aus, da sie dem Kläger die ärztliche Berufsausübung nicht verboten, insoweit also nichts zur Wiederherstellung der Vertrauensbasis gerade zwischen Ärzteschaft und Patientenöffentlichkeit beigetragen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über deren vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Beschluss

Der Streitwert wird auf EUR 30.000,-- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG-).






VG München:
Urteil v. 20.10.2009
Az: M 16 K 09.3072


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/976a0d4c8bab/VG-Muenchen_Urteil_vom_20-Oktober-2009_Az_M-16-K-093072




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