Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. Oktober 2000
Aktenzeichen: 34 W (pat) 2/00
(BPatG: Beschluss v. 24.10.2000, Az.: 34 W (pat) 2/00)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Bundespatentgericht hat in der Entscheidung vom 24. Oktober 2000, Aktenzeichen 34 W (pat) 2/00, die Beschwerde des Anmelders gegen den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B 27 C des Deutschen Patent- und Markenamts vom 21. September 1999 aufgehoben und das Patent erteilt. Die Hobeleinrichtung mit einem Handhobel zur Holzbearbeitung erfüllt die gewerbliche Anwendbarkeit und ist gegenüber dem Stand der Technik neu. Die bekannteste ähnliche Einrichtung nach der GB 21 74 956 A erfüllt die Merkmale a) bis e) des Patentanspruchs 1, jedoch nicht das Merkmal e.1) (entspricht dem damaligen Merkmal f)) bezüglich der querverschieblichen vorderen Hobelsohlenverlängerung. Die Beschwerde war erfolgreich, da diese Querverstellbarkeit in der Entgegenhaltung nicht eindeutig erkennbar ist. In den anderen Druckschriften wurden keine Hobelsohlenverlängerungen offenbart. Das Patent wurde daher mit Patentanspruch 1 und den Unteransprüchen 2 bis 7 erteilt. Die Prüfungsstelle hat zudem einen wesentlichen Verfahrensmangel begangen, indem der Anmelder nicht angehört wurde, obwohl er dies beantragt hatte. Aus diesem Grund wurde auch die Rückzahlung der Beschwerdegebühr angeordnet.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 24.10.2000, Az: 34 W (pat) 2/00
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse B 27 C des Deutschen Patent- und Markenamts vom 21. September 1999 aufgehoben und das Patent erteilt.
B e z e i c h n u n g : Hobeleinrichtung A n m e l d e t a g : 18. Dezember 1998.
Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:
Patentansprüche 1 bis 7, Beschreibung Seiten 1 bis 17, sämtlich überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 24. Oktober 2000, 1 Blatt Zeichnung, eine Figur, eingegangen am Anmeldetag.
2. Die Beschwerdegebühr ist zurückzuzahlen.
Gründe
I Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Prüfungsstelle die Patentanmeldung mangels erfinderischer Tätigkeit zurückgewiesen.
Hiergegen wendet sich die Beschwerde des Anmelders.
Er legt im Beschwerdeverfahren eine überarbeitete Anspruchsfassung vor und beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent mit den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Unterlagen zu erteilen.
Ferner beantragt er, die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.
Der Patentanspruch 1 lautet:
1. Hobeleinrichtung mit einem Handhobel (7) für die Holzbearbeitung, bei welcher:
a) der Handhobel (7) eine hintere und eine vordere Hobelsohle (13, 15) aufweist, zwischen den beiden Hobelsohlen (13, 15) ein rotierendes Hobelwerkzeug (18) angeordnet ist und die vordere Hobelsohle (15) zur Einstellung der Spantiefe parallel zur hinteren Hobelsohle (13) querverstellbar ist.
b) eine Grundplatte (1) mit einer ebenen Arbeitsfläche (3) vorgesehen ist, auf welcher der Handhobel (7) derart verankerbar ist, daß die Längsachse des Hobelwerkzeugs (18) und die beiden Hobelsohlen (13 15) sich senkrecht zur Arbeitsfläche (3) erstrecken, c) eine hintere Sohlenverlängerung (21) die hintere Hobelsohle (13) nach hinten fortsetzt undd) eine vordere Sohlenverlängerung (23) die vordere Hobelsohle (15) nach vorne fortsetzt, e) wobei die Sohlenverlängerungen (21, 23) an der Grundplatte (1) und/oder am Handhobel (7) feststellbar sind unde.1) dabei zumindest die vordere Sohlenverlängerung (23) zusätzlich querverschieblich ist.
Hieran schließen sich 6 Unteransprüche an.
Im Verfahren befinden sich folgende Druckschriften:
(1) GB 21 74 956 A
(2) DE 90 10 807 U1
(3) DE 33 41 329 C2
(4) DE 36 00 882 C2
(5) DE 41 17 196 A1
(6) DE 196 05 445 C1
(7) DE 39 03 215 A1
(8) US 4 448 229 A
(Anlage 1a) Kopie einer Bedienungsanleitung der Firma Black & Decker für Handhobel 710 und 730.
Wegen Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.
II A) Die zulässige Beschwerde hat Erfolg.
B) Zu formalen Bedenken gegen die geltenden Patentansprüche besteht kein Anlass. Sie gehen im wesentlichen bereits aus den ursprünglichen Ansprüchen hervor. Das Kennzeichen des Anspruchs 2 wurde hinsichtlich der Länge der Führungsleiste (29) gemäß der Offenbarung auf der ursprünglichen Seite 9, Absatz 3 präzisiert.
C) Der Gegenstand des Anspruchs 1 erfüllt die Patentierungsvoraussetzungen.
1. Die gewerbliche Anwendbarkeit der beanspruchten Hobeleinrichtung ist zweifellos gegeben. Die Hobeleinrichtung erweist sich gegenüber dem zu berücksichtigenden Stand der Technik auch als neu.
Dem Anmeldungsgegenstand am nächsten kommt die Hobeleinrichtung nach der GB 21 74 956 A (1). Die dort gezeigte und beschriebene Einrichtung erfüllt die Merkmale a) bis e) gemäß dem geltenden Anspruch 1.
Wie aus der vom Anmelder eingereichten Bedienungsanleitung des in (1) beschriebenen Handhobels 710 der Firma Black & Decker (vgl Anlage 1a) ersichtlich ist, besitzt dieser Hobel eine Spantiefeneinstellung (Bezugszeichen 3 in der Bedienungsanleitung). Die Spantiefe kann dort lediglich bis maximal 0,5 mm stufenlos eingestellt werden. Die bekannte Hobeleinrichtung ist außerdem nicht auf die Anwendung dieses speziellen Hobels beschränkt.
Wenn nun aber die Prüfungsstelle schlussfolgert, dass das Merkmal e.1) (etwa entsprechend dem damals geltenden Merkmal f)) des Anspruchs 1, wonach zumindest die vordere Sohlenverlängerung zusätzlich querverschieblich ist, sich für den Fachmann aus dem technischen Zusammenhang und der bestimmungsgemäßen Funktion zwingend ergäbe, so kann ihr darin der Senat nicht folgen. Denn aus keiner Stelle der Entgegenhaltung (1) läßt sich nämlich ein konkreter Hinweis für eine Querverstellbarkeit der Sohlenverlängerung 50 entnehmen. Vielmehr kann der Fachmann - ein Techniker mit langjähriger Erfahrung in Konstruktion und praktischem Betrieb von Holzbearbeitungsmaschinen für den Heimwerkerbereich - die Ausführungen nur so verstehen, dass die Sohlenverlängerungen 50 an bestimmter Stelle auf der Grundplatte 10 fixiert werden. Während nämlich die Sohlenverlängerungen (guides) 50 auf der Grundplatte (baseboard) 10 ausdrücklich zu befestigen (secured) sind (vgl Abstract Z 6 von unten sowie S 1 Z 46, 67 und S 2 Z 36), soll die gegenüberliegende Führungsplatte (guide plate) 51 verstellbar (adjustable) sein (vgl S 1 Z 49, 68 und S 2 Z 47, 55). Schon daraus geht hervor, dass die Druckschrift zwischen verstellbaren und fest zu verankernden Bauteilen unterscheidet. Die Festlegung der Sohlenverlängerungen an bestimmter Stelle auf der Grundplatte ergibt sich auch aus dem Verständnis der einschlägigen Figuren, insbesondere der Figuren 4 und 5. Demnach sind auf der Grundplatte 10 Führungsschienen (guide rails) 16 fest verankert. Auf diesen liegen die Plattformen (platforms) 55 mit ihren Kanten mit der jeweiligen Führungsschienenkante zum Handhobel hin fluchtend auf, während sie auf der anderen Seite mit ihren Stützschienen (support rail) 56 mittels Dübelbolzen (dowel pins) 57 auf der Grundplatte unverrückbar festgelegt sind. An die ortsfeste Plattform 55 schließt sich, wie den Figuren 4 und insbesondere 5 zu entnehmen ist, unmittelbar und daran senkrecht aufragend die Sohlenverlängerung 50 an. Lediglich die Halterung (cradle) 12 für den Handhobel 15 selbst ist, ersichtlich an den Schlitzlöchern (slotted holes) 36 (Fig 7) in geringem Umfang querverschieblich auf die Führungsschienen 16 hin ausgebildet.
Ein Hinweis für eine Querverstellbarkeit der Sohlenverlängerungen erhellt auch nicht aus der Kenntnis der Betriebsanleitung des in dieser Vorrichtung einsetzbaren Handhobels 710 der Firma Black & Decker (Anlage 1a). Denn diese spricht zwar den stationären Einsatz des Hobels in einem Hobelständer an (vgl. Abschnitt "Stationärer Einsatz des Hobels") nicht aber eine Hobelsohlenverlängerung.
Damit ist die hier beanspruchte Hobeleinrichtung gegenüber der aus (1) GB 21 74 956 A bekannten neu.
2. Der Anmeldungsgegenstand beruht auch auf erfinderischer Tätigkeit.
Die GB 21 74 956 A (1) gab dem Fachmann keine Veranlassung über eine Querverstellbarkeit der Hobelsohlenverlängerungen Überlegungen anzustellen, denn diese Schrift lehrt ihn explizit, die Sohlenverlängerung stationär an der Grundplatte zu verankern. Selbst wenn er diese bekannte Einrichtung mit einem anderen, möglicherweise bis zu einer größeren Spantiefe verstellbaren Handhobel einsetzen wollte, so brauchte er, außer bei der Hobelhalterung selbst, keinerlei Veränderungen an der Hobeltischeinrichtung vorzunehmen. Denn mit den stationären Hobelsohlenverlängerungen - entsprechend der dort gegebenen Lehre - konnte er diese Einrichtung ebenfalls zum Schlichten einsetzen. Es lag dabei lediglich nahe, die Spantiefe auf ein geringes Schlicht-Maß einzustellen.
Erst der Anmeldungsgegenstand lehrt mit seinem Anspruch 1, Merkmal e.1), zumindest die vordere Hobelsohlenverlängerung querverschieblich auszuführen um die Sohlenverlängerungen nicht nur beim Schlichten sondern auch beim Schruppen vorteilhaft einzusetzen zu können.
Die restlichen, bereits in den Anmeldungsunterlagen genannten Druckschriften offenbaren keine Hobelsohlenverlängerungen, sie liegen damit erheblich weiter ab. Weitere Ausführungen dazu erübrigen sich deshalb.
Somit ist Patentanspruch 1 gewährbar. Ihm können sich die Ansprüche 2 bis 7 anschließen, die auf nicht platt selbstverständliche Ausführungsformen gerichtet sind.
III Das Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt leidet an einem wesentlichen Verfahrensmangel. Nach PatG § 46 Abs.1 Satz 2 ist der Anmelder nämlich bis zum Beschluss über die Erteilung auf Antrag zu hören, wenn es sachdienlich ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundespatentgerichts (Bl.f.PMZ 1983, 181 (juristischer Beschwerdesenat) und auch des erkennenden Senats in BPatGE 15, 149 und 18, 30) ist eine einmalige Anhörung auf Antrag des Anmelders vor Abschluss des Prüfungsverfahrens in aller Regel sachdienlich, wenn noch Meinungsverschiedenheiten mit der Prüfungsstelle über entscheidungserhebliche Fragen fortbestehen und mit der Anhörung nicht nur eine Verzögerung der Entscheidung bewirkt werden soll.
Die Prüfungsstelle hat sich bei ihrer Zurückweisung des Antrages auf Anberaumung einer Anhörung auf den Beschluss 9 W (pat) 34/97 vom 17. Juni 1998 gestützt. In diesem Verfahren bestand jedoch insofern eine andere Sachlage, als dort die Anmelderin keinen Antrag auf Anhörung gestellt hatte (vgl dort S 9). Hier jedoch hat der Anmelder, was der angefochtene Beschluss auf Seite 5 unter IV. ausdrücklich einräumt, hilfsweise Antrag auf Anberaumung einer Anhörung gestellt.
In der Beschwerde hat der Anmelder den technischen Sachverhalt so klar darzustellen vermocht, dass vermutlich auch die Prüfungsstelle in der beantragten Anhörung von ihrer zuvor gefaßten Meinung abgerückt wäre und eine Beschwerde sich erübrigt hätte.
Aus diesem Grunde schien es billig, die Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß PatG § 80 Abs. 3 anzuordnen.
Ch.Ulrich Hövelmann Dr. Barton Dr. W. Maier Bb
BPatG:
Beschluss v. 24.10.2000
Az: 34 W (pat) 2/00
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