Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 23. März 2007
Aktenzeichen: 6 U 227/06
(OLG Köln: Urteil v. 23.03.2007, Az.: 6 U 227/06)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Oberlandesgericht Köln hat in einer Entscheidung vom 23. März 2007 (Aktenzeichen 6 U 227/06) das vorherige Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln (31 O 552/06) abgeändert. In dem Fall ging es um zwei Internetseiten einer Fluggesellschaft, die aus Sicht des klagenden Wettbewerbers gegen die Vorschriften der Preisangabenverordnung (PAngV) verstießen. Das Landgericht hatte diesem zugestimmt und eine einstweilige Verfügung erlassen, mit der der Beklagten untersagt wurde, mit den betreffenden Internetseiten zu werben. Das Oberlandesgericht Köln kam jedoch zu dem Ergebnis, dass kein Verstoß gegen die PAngV vorlag und hob das Urteil auf.
Die beiden Seiten auf der Website der Beklagten wurden als Werbung eingestuft, die den preisangabenrechtlichen Vorgaben genügt. Obwohl die Endpreise erst ab dem zweiten Buchungsschritt angegeben wurden, entsprach dies den rechtlichen Anforderungen. Die höchstrichterliche Rechtsprechung wurde auf den vorliegenden Fall angewendet und der Nutzer wurde ausreichend und klar auf die vorläufigen Preise hingewiesen. Auch die Zuordnung der Preise zu dem Angebot und die leichte Erkennbarkeit wurden erfüllt.
Eine Irreführung der Verbraucher nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb wurde ebenfalls ausgeschlossen. Der durchschnittliche Verbraucher erkennt, dass die angegebenen Preise vorläufig sind und dass weitere Kosten, wie Steuern, hinzugerechnet werden müssen. Ein durchschnittlich informierter Verbraucher weiß, dass erst der Endpreis entscheidend ist und dieser erst durch die vollständige Eingabe der Daten ermittelt werden kann.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
OLG Köln: Urteil v. 23.03.2007, Az: 6 U 227/06
Tenor
Auf die Berufung wird das am 26.10.2006 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln (31 O 552/06) abgeändert.
Die einstweilige Verfügung vom 27.7.2006 wird in der teilweise durch das vor-genannte Urteil abgeänderten Fassung aufgehoben und der auf sie gerichtete Antrag abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.
Gründe
Begründung
I.
Die Parteien sind Fluggesellschaften und Wettbewerber auf dem Markt für Billigflüge.
Auf der Startseite des Internetauftritts der Antragsgegnerin finden sich die Rubriken "Buchen" und "Angebot". Nach Anklicken des Feldes "Buchen" wird eine Seite geöffnet, auf der der Start- und Zielflughafen sowie das Hin- und Rückreisedatum einzugeben sind. Oben rechts auf der Seite findet sich der Hinweis, dass es sich um den ersten von insgesamt fünf Buchungsschritten handelt. Bis zur verbindlichen Buchung müssen vier weitere Seiten durchlaufen werden, wobei ab dem zweiten Buchungsschritt der jeweilige Endpreis eines Fluges angegeben wird.
Demgegenüber gelangt der Nutzer über die Rubrik "Angebote" auf eine Seite, auf der tabellarisch bestimmte Flugziele und die dafür verfügbaren günstigsten Preise, gestaffelt nach Zeiträumen, aufgeführt sind. Über der Tabelle findet sich der Hinweis "Mindestpreis Oneway zuzüglich Steuern und Gebühren" (vgl. die nachfolgend wiedergegebene Internetseite 1).
Über das Pfeilsymbol neben jeder Preisangabe gelangt der Nutzer auf eine weitere Seite, auf der für bestimmte Flugstrecken die an einem bestimmten Tag günstigsten Preise angegeben werden. Die Spaltenüberschrift "Preis" ist mit einem Sternchen versehen, welches an der Unterseite aufgelöst wird (vgl. die nachfolgend wiedergegebene Internetseite 2).
Durch Klicken des Pfeilsymbols neben der jeweiligen Preisangabe gelangt der Nutzer direkt - ohne dass es eines Umweges über die Rubrik "Buchen" bedarf - zu dem zweiten Buchungsschritt des oben beschriebenen Buchungssystems.
pp.
Die Antragstellerin ist der Ansicht, die beiden Internetseiten der Antragsgegnerin verstießen gegen die Vorschriften der PAngV.
Das Landgericht hat sich der Ansicht der Antragsstellerin angeschlossen und eine einstweilige Verfügung erlassen, mit der der Antragsgegnerin untersagt wurde, mit den streitgegenständlichen Internetseiten zu werben. Auf den Widerspruch der Antragsgegnerin hin wurde die Beschlussverfügung mit Urteil vom 26.10.2006, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Abs.1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, bestätigt.
Gegen das Urteil hat die Antragsgegnerin Berufung eingelegt und beantragt nunmehr,
wie erkannt.
Die Antragstellerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
II.
Die Berufung der Antragsgegnerin ist zulässig und hat in der Sache Erfolg. Der Antragstellerin steht - anders als es das Landgericht beurteilt hat - kein Unterlassungsanspruch gegen die Antragsgegnerin zu. Ein solcher lässt sich weder aus §§ 8 Abs. 1, 3, 4 Nr. 11 UWG i.V. mit § 1 Abs. 1 PAngV noch aus §§ 8 Abs. 1, 3, 4 Nr. 11 UWG i.V. mit § 1 Abs. 6 S. 2 PAngV herleiten. Auch eine Irreführung nach §§ 3, 5 UWG scheidet aus. Da es schon an einem Verfügungsanspruch fehlt, muss über das Vorliegen eines Verfügungsgrunds nicht entschieden werden. Die zwischen den Parteien streitige Frage, ob die Vermutung der Dringlichkeit des § 12 Abs. 2 UWG durch den Vortrag der Antragsgegnerin widerlegt worden ist, kann daher offen bleiben.
1. Zwar handelt es sich bei § 1 Abs. 1 PAngV und § 1 Abs. 6 PAngV um Normen, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln (BGH GRUR 2004, 435, 436 - FrühlingsgeFlüge). Ein Verstoß gegen die Normen der PAngV ist im Streitfall jedoch nicht gegeben. Der Internetauftritt der Antragsgegnerin genügt sowohl dem in § 1 Abs. 1 PAngV verankerten Gebot mit Endpreisen zu werben als auch dem Gebot der eindeutigen Zuordnung und leichten Erkennbarkeit nach § 1 Abs. 6 S. 2 PAngV.
a) Sowohl die Steuern als auch der Kerosinzuschlage gehören zum Endpreis einer Flugreise, denn der Endpreis setzt sich neben dem Flugtarif auch aus denjenigen Leistungen Dritter zusammen, die bei jeder Flugreise in Anspruch genommen werden müssen (BGH GRUR 2001, 1166, 1168 - Fernflugpreise). Dennoch verstößt die Antragsgegnerin nicht gegen § 1 Abs. 1 PAngV, wenn sie bei der erstmaligen Nennung von Preisen nicht bereits die Endpreise angibt, sondern diese erst bei der fortlaufenden Eingabe ermittelt werden. Ein Online-Reservierungssystem, das aus mehreren Schritten besteht, ist als Einheit zu betrachten, so dass es den preisangabenrechtlichen Vorgaben genügt, wenn der Endpreis vor Abschluss des Buchungsvorgangs genannt wird.
aa) Entgegen der von der Antragsstellerin vertretenen Ansicht ergibt sich dieses Ergebnis aus den Grundsätzen, die die höchstrichterliche Rechtsprechung in der Entscheidung Internet-Reservierungssystem (GRUR 2003, 889) aufgestellt hat. Dem Einwand der Antragstellerin, der BGH habe in der Entscheidung "Internet-Reservierungssystem" nur Online-Reservierungssysteme vor Augen gehabt, während es sich bei den streitgegenständlichen Seiten um Werbung handele, vermag sich der Senat nicht anzuschließen.
Für die von der Antragstellerin vorgenommene Differenzierung zwischen einem Reservierungssystem (als Teil eines Kaufvorganges) und Werbung (als dem Kaufvorgang vorgeschaltet) finden sich in der Entscheidung des BGH keine Anhaltspunkte. Vielmehr handelt es sich auch bei einem herkömmlichen Reservierungssystem - wie es der Entscheidung des BGH zugrunde gelegen hat - um Werbung i.S. von § 1 Abs. 1 PAngV, denn auch ein solches hat die Förderung des Absatzes zum Ziel (zum Begriff des Werbens vgl. Völker in Harte/Henning, § 1 Rn.12). Jeder, der ein Buchungssystem im Internet zur Verfügung stellt, tut dies in der Absicht zu verkaufen. Auch der BGH bringt in seiner Entscheidung zum Ausdruck, dass er das Reservierungssystem als Werbung versteht. Andernfalls wäre die (spätere) Prüfung eines möglichen Verstoßes gegen § 1 Abs. 6 PAngV - der tatbestandsmäßig eine Werbung voraussetzt - nicht erforderlich gewesen.
bb) Steht somit fest, dass es sich sowohl bei einem herkömmlichen Reservierungssystem als auch bei den streitgegenständlichen Internetseiten der Antragsgegnerin um Werbung handelt, so ist der - insbesondere auch in der mündlichen Verhandlung geäußerten - Ansicht der Antragsstellerin nachzugehen, die streitgegenständlichen Seiten erforderten eine strengere rechtliche Beurteilung. Dafür vermag der Senat keine Gründe zu erkennen.
Allein der formale Umstand, dass der Einstieg in das herkömmliche Buchungssystem unter dem Button "Buchen" erfolgt, der Einstieg in die steitgegenständlichen Seiten unter der Bezeichnung "Angebote", kann unterschiedliche rechtliche Anforderungen nicht rechtfertigen. Auch inhaltliche Merkmale, die es gebieten könnten, die streitgegenständlichen Seiten nicht an der Rechtsprechung des BGH zu messen, sind nicht ersichtlich. Vielmehr handelt es sich auch bei den streigegenständlichen Seiten um die Möglichkeiten einer Online-Reservierung; sie wendet sich lediglich an einen anderen Kundenkreis. Während ein herkömmliches Reservierungssystem Kunden anspricht, die Wert auf einen festen Flugtermin legen, sollen es die streitgegenständlichen Internetseiten preissensiblen, aber zeitlich nicht exakt auf einen bestimmten Tag festgelegten Kunden ermöglichen, die günstigsten Tage für die Buchung eines Fluges zu den von ihnen gewünschten Zielen einfach und ohne umständliches Suchen ausfindig zu machen.
cc) Findet nach dem eben Gesagten die höchstrichterliche Rechtsprechung auf den vorliegenden Sachverhalt entsprechende Anwendung, kommt es auf die zwischen den Parteien streitige Frage, ob der Kerosinzuschlag und die Steuern von vornherein feststehen oder von der gewählten Flugstrecke abhängen, nicht an, denn die Anwendung der Entscheidung des BGH ist nicht auf Sachverhalte mit variablen Preisbestandteilen beschränkt (OLG Köln GRUR-RR 2005, 90).
b) Die streitgegenständlichen Seiten des Internetauftritts der Antragsgegnerin können auch nicht als Verstoß gegen die Verpflichtung angesehen werden, die Angaben dem Angebot eindeutig zuzordnen und es leicht erkennbar zu machen (§ 1 Abs. 6 S. 2 PAngV).
Der BGH hat in der Entscheidung "Internet-Reservierungssysteme" die Zulässigkeit der Angabe des Endpreises zu einem späteren Zeitpunkt davon abhängig gemacht, dass der Nutzer bei erstmaliger Nennung der Preise klar und unmissverständlich darauf hingewiesen wird, dass diese Preise vorläufig sind und sich die Endpreise leicht erkennbar und gut wahrnehmbar bestimmen lassen. Bei der Beurteilung dieser Frage ist von einem verständigen, durchschnittlich informierten Nutzer auszugehen. Zudem sind die Besonderheiten des Telekommunikationsmittels Internet zu berücksichtigen (BGH WRP 2006, 1507, 1510 - Anbieterkennzeichnung im Internet). Legt man diese Maßstäbe zugrunde, sind die notwendigen Voraussetzungen erfüllt. Die Endpreise sind ab dem Buchungsschritt 2 und in allen folgenden Buchungsschritten gut erkennbar dargestellt. Auch wird der Nutzer in einer dem Kommunikationsmittel Internet entsprechenden Weise klar und unmissverständlich auf die Vorläufigkeit der Preise hingewiesen, denn die jeweiligen Hinweise sind gut lesbar und können räumlich eindeutig zugeordnet werden. So findet sich auf der ersten streitgegenständlichen Internetseite vor der Auflistung der Flugziele der Hinweise: "Mindestpreis Oneway zuzüglich Steuern und Gebühren zuzüglich Kerosinzuschlag." Geht man von einem durchschnittlichen Nutzer aus, der eine Seite von oben nach unten liest, kann dieser hinreichend groß geschriebene Hinweis nicht übersehen werden. Auf der zweiten streitgegenständlichen Seite befindet sich eine mit der Bezeichnung "Preis" überschriebene Spalte. Direkt an dem Begriff "Preis" findet sich ein Sternchenhinweis, der am Ende der Übersicht ausgelöst wird und der erneut darauf hinweist, dass sich die Preise ohne Steuern und Gebühren und ohne Kerosinzuschlag verstehen. Diese Auflösung des Sternchenhinweises ist gut lesbar und sie erschließt sich dem Nutzer ohne zu Scrollen, so dass auch hier eine eindeutige räumliche Zuordnung möglich ist.
2. Schließlich ist eine Irreführung der Verbraucher nach §§ 3, 5 UWG ausgeschlossen, denn ein durchschnittlicher Verbraucher erkennt, dass die zunächst angegeben Preise nur vorläufig sind. Dies folgt schon daraus, dass ein Kunde, der die Seiten der Antragsgegnerin aktiv aufruft, erfahrungsgemäß über die Fähigkeit verfügt, einen elektronischen Verweis zu erkennen (BGH GRUR 2005, 690, 692 - Internet-Versandhandel). Aufgrund dieser Verweise wird er die verschiedenen Internetseiten als zusammengehörig auffassen. Hinzu kommt, dass ein durchschnittlich informierter Verbraucher damit rechnet, dass einem angegebenen Flugpreis Kosten etwa in Form von Steuern hinzuzurechnen sind (OLG Köln GRUR-RR 2005, 90, 91). Ein durchschnittlich informierter Verbraucher weiß, dass bei Flügen, die über das Internet gebucht werden, erst der Endpreis zählt und dass man diesen erst durch die vollständige Eingabe aller Daten und durch das Durchlaufen mehrerer Internetseiten ermitteln muss. Selbst wenn er von einzelnen Kostenpunkten - etwa von einem Kerosinzuschlag - nichts weiß, wird er über deren Existenz nicht irregeführt, denn er wird im Rahmen des Buchungsvorganges darüber in hinreichend deutlicher Weise aufgeklärt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
OLG Köln:
Urteil v. 23.03.2007
Az: 6 U 227/06
Link zum Urteil:
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