Finanzgericht Berlin-Brandenburg:
Urteil vom 7. September 2007
Aktenzeichen: 6 K 2320/03
(FG Berlin-Brandenburg: Urteil v. 07.09.2007, Az.: 6 K 2320/03)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
In dem vorliegenden Gerichtsverfahren geht es um die Frage, ob das Recht auf Vorsteuerabzug aus einem Übertragungsvorgang gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten bei einer Kapitalgesellschaft ertragsteuerrechtlich als Einlageforderung zu behandeln ist. Konkret geht es um eine Klägerin, die durch einen Notarvertrag gegründet wurde und eine Stammeinlage in Form eines PKWs erhalten hat. Die Klägerin hat diese Umsatzsteuer in ihre Bilanz als Kapitalrücklage eingestellt. Der Beklagte hat jedoch in seinen Bescheiden festgestellt, dass der Teilbetrag des verwendbaren Eigenkapitals, der nicht mit Körperschaftsteuer belastet ist, in Höhe von 0,00 DM anzusetzen ist. Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Umsatzsteuerforderung gegenüber dem Fiskus bilanziert werden muss. Sie beantragt daher die Änderung der Bescheide. Der Beklagte hält dagegen, dass die Einlageforderung erst im Zeitpunkt der Erfüllung im Eigenkapital zu erfassen ist. Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass der Erwerb des Rechts auf Vorsteuerabzug ertragsteuerrechtlich als verdeckte Sacheinlage zu qualifizieren ist. Eine solche Einlage muss jedoch erst im Zeitpunkt der Erfüllung im Eigenkapital erfasst werden. Daher ist die Klage unbegründet.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
FG Berlin-Brandenburg: Urteil v. 07.09.2007, Az: 6 K 2320/03
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob das Recht auf Vorsteuerabzug aus einem Übertragungsvorgang gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten bei der begünstigten Kapitalgesellschaft ertragsteuerrechtlich als Einlageforderung zu behandeln und damit gliederungsrechtlich erst im Zeitpunkt der Erfüllung dieser Forderung durch den Fiskus im EK 04 zu erfassen ist.
Die Klägerin wurde durch Notarvertrag vom 3. Februar 2000 durch die Gesellschafter A und B gegründet. § 4 des Vertrages sah vor, dass A die von ihm übernommene Stammeinlage von 25 000 EUR in Höhe von 10 000 EUR in bar und in Höhe von 15 000 EUR durch Einbringung eines ihm gehörenden Pkw VW Golf Variant erbringen sollte. Der Wert dieses Pkw wurde nach dem Sachgründungsbericht vom selben Tag auf 34 000 DM einschließlich Umsatzsteuer festgelegt. Im ebenfalls am 3. Februar 2000 geschlossenen Kaufvertrag zwischen A und der Klägerin in Gründung wurde der Kaufpreis für den Pkw mit 15 000 EUR zuzüglich 2 400 EUR Umsatzsteuer berechnet. Ferner wurde vereinbart, dass das Fahrzeug mit Unterzeichnung des Vertrages in das Eigentum der Klägerin übergehen sollte. Die Klägerin bestätigte, Kraftfahrzeugbrief und -schein erhalten zu haben.
In ihrer Bilanz auf den 31. Dezember 1990 stellte die Klägerin die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer in Höhe von 4 693,99 DM (= 2 400 EUR) in die Kapitalrücklage ein. In ihrer Erklärung zur gesonderten Feststellung des steuerlichen Einlagekontos und anderer Feststellungen nach § 27 Abs. 2 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG), § 28 Abs. 1 Satz 3, § 36 Abs. 7 KStG und § 38 Abs. 1 KStG zum 31. Dezember 2001 berücksichtigte sie den Umsatzsteuerbetrag als Anfangs- und Endbestand des Einlagenkontos zum 31. Dezember 2001, der aus dem Vorjahr resultiert. Sie ordnete den Betrag dem nicht mit Körperschaftsteuer belasteten Teilbetrag aus Einlagen (EK 04) zu. Gleiches tat sie im Rahmen ihrer Erklärung zur Feststellung des verwendbaren Eigenkapitals i. S. von § 47 Abs. 1 KStG zum 31. Dezember 2000.
Der Beklagte erließ dagegen am 15. Mai 2003 Bescheide über die gesonderte Feststellung der Endbestände gemäß § 36 Abs. 7 KStG und über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 27 Abs.2, § 28 Abs. 1 Satz 3 und § 38 Abs. 1 KStG, in denen er den nicht mit Körperschaftsteuer belasteten Teilbetrag des verwendbaren Eigenkapitals (EK 04) mit 0,00 DM bezifferte. Bereits am 7. Oktober 2002 erließ er einen entsprechenden Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 Abs. 1 KStG zum 31. Dezember 2000. Die hiergegen gerichteten Einsprüche der Klägerin blieben erfolglos und wurden vom Beklagten mit Einspruchsentscheidungen vom 17. September 2003 als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Beklagte im Wesentlichen aus, dass die Klägerin aufgrund der Sacheinlage von A keinen Vorsteuererstattungsanspruch gegenüber dem Fiskus erworben habe.
Mit inzwischen rechtskräftigem Urteil vom 9. März 2005 (Az.: 1 K €/05) hat das FG des Landes Brandenburg entschieden, dass die Klägerin zum Abzug der Vorsteuer aus dem Pkw-Ankauf vom 3. Februar 2000 berechtigt sei. Daraufhin erstattete der Beklagte der Klägerin die streitgegenständliche Vorsteuer am 22. April 2005.
Mit ihrer Klage macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass die vom FG des Landes Brandenburg bestätigte Umsatzsteuerforderung der Klägerin gegenüber dem Fiskus zum 31. Dezember 2000 habe bilanziert werden müssen. Es handele sich bei der Forderung nicht um eine Einlage von A, weil sich die Forderung nicht gegen diesen Gesellschafter, sondern gegen einen Dritten, das Finanzamt, richte. Die Forderung sei im Augenblick der Sachgründung kraft Gesetzes und nicht kraft einer rechtsgeschäftlichen Übertragung seitens A auf die Klägerin entstanden.
Die Klägerin beantragt,den Bescheid gemäß § 47 Abs. 1 KStG zum 31.12.2000 vom 7. Oktober 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. September 2003 dahingehend zu ändern, dass ein Betrag in Höhe von 2 400 EUR als Bestandteil des EK 04 berücksichtigt wird, sowie den Bescheid gemäß § 36 Abs. 7 KStG zum 31.12.2001 und den Bescheid betr. die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs.2, § 28 Abs. 1 Satz 3 und § 38 Abs. 1 KStG zum 31.12.2001, beide Bescheide vom 15. Mai 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. September 2003, ebenfalls im oben genannten Sinne zu ändern.
Der Beklagte beantragt,die Klage abzuweisen.
Er verweist auf das Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 31. März 2004 I R 72/03, Sammlung der amtlich nicht veröffentlichten Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 2004, 1423, wonach Einlageforderungen gliederungsrechtlich ausnahmslos und unabhängig vom Grund ihres Entstehens erst im Zeitpunkt ihrer Erfüllung im EK 04 zu erfassen seien. Gleiches ergebe sich auch aus der Regelung in Rz. 26 des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom 4. Juni 2003 IV A 2 - S 2836 - 2/03, Bundessteuerblatt - BStBl - II 2003, 366.
Dem erkennenden Gericht haben bei seiner Entscheidung sechs Bände Steuerakten sowie zwei Heftungen mit Rechtsbehelfsvorgängen betr. die Klägerin (StNr.: €) vorgelegen, auf deren Inhalt wegen der Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Beteiligtenvorbringens Bezug genommen wird.
Gründe
Die Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Feststellungsbescheide vom 7. Oktober 2002 bzw. 15. Mai 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 17. September 2003 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Erwerb des Rechtes auf den Vorsteuerabzug aus dem Pkw-Ankauf vom 3. Februar 2000 ertragsteuerrechtlich als sog. verdeckte Sacheinlage zu qualifizieren (gleicher Ansicht: Siebert, Der Betrieb - DB - 2005, 2208; Wied, in: Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 4 EStG Rz. 520 €Vorsteuerabzug€). Nach der insbesondere zu Kapitalgesellschaften entwickelten Rechtsprechung des BFH liegt eine verdeckte Einlage vor, wenn ein Gesellschafter oder ein ihm nahe stehende Person der Kapitalgesellschaft (oder Personengesellschaft) einen einlagefähigen Vermögensvorteil zuwendet, ohne dass der Gesellschafter hierfür neue Gesellschaftsanteile erhält, und diese Zuwendung ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis hat (vgl. nur BFH-Urteil vom 20. Juli 2005 X R 22/02, BFH/NV 2005, 2111 m.w.N.). Diese Tatbestandsmerkmale sind im Streitfall nach der Überzeugung des erkennenden Gerichts erfüllt. Die ertragsteuerrechtliche Einordnung des Erwerbs des Rechts auf den Vorsteuerabzug als Sacheinlage scheitert im Streitfall insbesondere auch nicht daran, dass das Gesellschaftsrecht bei Kapitalgesellschaften verlangt, dass die Sacheinlage der Gesellschaft zur freien Verfügung stehen muss (vgl. § 7 Abs. 3 des Gesetzes betr. die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG - und § 36 Abs. 2 des Aktiengesetzes - AktG - sowie zum Ganzen: K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 20 II.3 u. § 54 II.2.a, und Gesell, Betriebs-Berater - BB - 2007, 2241 ff., 2242, jeweils m.w.N.). Letzteres ist hinsichtlich des Rechts auf den Vorsteuerabzug nicht gegeben, da es sich um eine unselbständige Besteuerungsgrundlage bei der Umsatzsteuer handelt (vgl. Wagner, in: Sölch/Ringleb/List, UStG, § 15 Rz. 45).
Steuerlich von Interesse ist die Einlage im Hinblick auf die Korrektur der Vermögensmehrung gemäß § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG bei gewerblichen Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften. Es gibt auch keine Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Einlage im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG (vgl. Roser, in: Gosch, KStG, § 8 Rz. 88). Der Gläubigerschutz wird bei § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG nicht berücksichtigt (vgl. Scheel, BB 1988, 1211 ff., 1213). Sinn und Zweck der Korrektur von Vermögensmehrungen gemäß § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG ist es nämlich, die Besteuerung von steuerfreiem oder bereits versteuertem Vermögen zu verhindern (vgl. Heinicke, in: Schmidt, EStG, 26. Aufl., § 4 Rz. 300 m.w.N.).
Nach Ansicht von Siebert, a.a.O., der sich das erkennende Gericht anschließt, folgt daraus, dass eine Einlage gemäß § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG auch dann gegeben sein kann, wenn eine Berücksichtigung im Gesellschaftsrecht an der freien Verfügbarkeit des Vermögensgegenstandes scheitert. Eine ertragsteuerrechtliche Einlage ist danach gegeben, wenn ein Aktivposten gemehrt oder ein Passivposten gemindert wird (vgl. dazu auch BFH-Urteil vom 24. Mai 1984 I R 166/78, BStBl II 1984, 747). Folglich liegt im Streitfall eine verdeckte Sacheinlage vor, weil die Umsatzsteuer-Zahllast gemindert bzw. der Umsatzsteuer-Erstattungsanspruch der Klägerin erhöht wird.
Einlageforderungen sind aber gliederungsrechtlich ausnahmslos und unabhängig vom Grund ihres Entstehens erst im Zeitpunkt ihrer Erfüllung im EK 04 zu erfassen. Dies folgt aus der Behandlung der Ausschüttungen, die das verwendbare Eigenkapital erst mindern, wenn sie abfließen. Dementsprechend dürfen Einlagen das verwendbare Eigenkapital erst erhöhen, wenn sie zufließen; andernfalls könnte es zu Differenzen kommen, wenn ein eingelegter, aber noch nicht zugeflossener Betrag ausgeschüttet wird (vgl. dazu BFH-Urteile vom 29. Mai 1996 I R 118/93, BStBl II 1997, 92 und vom 31. März 2004 I R 72/03, BFH/NV 2004, 1423 sowie Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 30 KStG Rz. 171). Die Erfüllung des Vorsteuererstattungsanspruchs seitens des Beklagten ist hier aber erst am 22. April 2005 erfolgt, also zeitlich weit nach Ablauf der hiesigen Streitjahre.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-.
FG Berlin-Brandenburg:
Urteil v. 07.09.2007
Az: 6 K 2320/03
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