Landgericht Bonn:
Beschluss vom 21. Mai 2004
Aktenzeichen: 31 Qs 65/04

(LG Bonn: Beschluss v. 21.05.2004, Az.: 31 Qs 65/04)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Landgericht Bonn hat mit seinem Beschluss vom 21. Mai 2004 das vorherige Urteil des Amtsgerichts Bonn vom 14.05.2004 aufgehoben. Gemäß §en 100g und 100h der Strafprozessordnung (StPO) wurde angeordnet, dass die Firma U AG Auskunft über die Telekommunikationsverbindungsdaten, insbesondere die aktuellen Kundendaten zum Anschlussinhaber, der am 07.03.2004 um 00:53:22 Uhr genutzten IP-Adresse, erteilen muss. Die Beschlagnahme dieser Datenbestände nach §en 94 und 98 der StPO wurde ebenfalls angeordnet und kann nur durch die Bereitstellung der Daten abgewendet werden. Es wird vorerst von der Benachrichtigung der Beteiligten abgesehen, da dies den Untersuchungszweck gefährden könnte. Es wird keine Kostenentscheidung getroffen.

Als Hintergrund der Entscheidung ermittelt die Staatsanwaltschaft C wegen des Verdachts des Computerbetrugs. Es wird vermutet, dass eine namentlich unbekannte Person am 07.03.2003 um 00:53:22 Uhr von ihrem Rechner aus unter unbefugter Nutzung der E-Mail-Adresse sowie der Eingabe persönlicher Daten der Anzeigenerstatterin einen Vertrag per E-Mail mit der Firma X abgeschlossen hat. Im März 2004 kam es zu Abbuchungen von diesem Konto aufgrund erbrachter Leistungen seitens der Firma X.

Die Firma X hat Frau I neben dem Datum und der Uhrzeit der E-Mail auch die dem Absender für diese Internetnutzung von dem Service-Provider bzw. Onlinedienstanbieter vergebene IP-Adresse mitgeteilt. Die Staatsanwaltschaft forderte daraufhin die Firma U AG auf, Auskunft über die aktuellen Kundendaten des Anschlussinhabers zu erteilen, was von der Firma U AG unter Verweis auf die Notwendigkeit eines Beschlusses nach §en 100g und 100h der StPO abgelehnt wurde.

Das Amtsgericht Bonn lehnte den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Auskunftserteilung gemäß §en 100g und 100h der StPO ab, da die begehrte Auskunftdie sog. Bestandsdaten betrifft, die die Firma U AG im Rahmen eines Auskunftsersuchens nach § 161a der StPO, § 89 Abs.6 TKG, zu erteilen habe. Gegen diese Entscheidung hat die Staatsanwaltschaft Beschwerde eingelegt.

Das Landgericht Bonn entscheidet, dass die Auskunft über den Anschlussinhaber der fraglichen IP-Adresse nicht den in § 89 Abs.6 TKG geregelten Auskunftsverpflichtungen unterfällt, sondern den Verbindungsdaten im Sinne von §en 100g und 100h der StPO. Zudem liegen die Voraussetzungen für § 100g der StPO vor. Der Name des Anschlussnehmers ist eine "Kennung des anrufenden Anschlusses" bzw. der "Endeinrichtung". Die begehrte Auskunft ist für die Untersuchung erforderlich und verhältnismäßig. Die Auskunft muss daher erteilt werden.

Die Inhaltsangabe der Gerichtsentscheidung könnte wie folgt lauten:

Das Landgericht Bonn hat in einem Beschluss vom 21. Mai 2004 das vorhergegangene Urteil des Amtsgerichts Bonn aufgehoben. Es wurde angeordnet, dass die Firma U AG Auskunft über die Telekommunikationsverbindungsdaten im Sinne des §en 100g der Strafprozessordnung (StPO) geben muss. Diese Auskunft betrifft insbesondere die aktuellen Kundendaten zum Anschlussinhaber einer bestimmten IP-Adresse. Außerdem wurde die Beschlagnahme dieser Daten angeordnet. Die Benachrichtigung der Beteiligten wurde vorerst ausgesetzt, um den Untersuchungszweck nicht zu gefährden. Es wurde keine Kostenentscheidung getroffen.

Hintergrund der Entscheidung ist ein Verdacht des Computerbetrugs, bei dem eine unbekannte Person unbefugt unter Verwendung der E-Mail-Adresse und persönlicher Daten der Anzeigenerstatterin einen Vertrag abgeschlossen hat. Die Firma X hat Informationen zur IP-Adresse des Absenders der E-Mail geliefert. Die Staatsanwaltschaft hat daraufhin die Firma U AG aufgefordert, Auskunft über die Kundendaten des Anschlussinhabers zu geben, was von der Firma U AG abgelehnt wurde.

Das Amtsgericht Bonn hat den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Auskunftserteilung abgelehnt, da es sich um Bestandsdaten handelt, die über ein Auskunftsersuchen nach § 89 Absatz 6 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) zu erlangen sind. Gegen diese Entscheidung hat die Staatsanwaltschaft Beschwerde eingelegt.

Das Landgericht Bonn hat festgestellt, dass die Auskunft über den Anschlussinhaber nicht den Auskunftsverpflichtungen nach § 89 Absatz 6 TKG unterliegt, sondern den Verbindungsdaten nach §en 100g und 100h der StPO. Außerdem liegen die Voraussetzungen für eine Auskunftserteilung nach § 100g StPO vor. Die begehrte Auskunft ist für die Untersuchung notwendig und verhältnismäßig. Daher muss die Auskunft erteilt werden.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

LG Bonn: Beschluss v. 21.05.2004, Az: 31 Qs 65/04


Tenor

Der Beschluss des Amtsgerichts Bonn vom 14.05.2004 wird aufgehoben.

Gemäß §§ 100 g, 100 h StPO wird angeordnet, dass die U AG Auskunft über die Telekommunikationsverbindungsdaten im Sinne des § 100 g Abs.3 StPO, insbesondere die aktuellen Kundendaten zum Anschlussinhaber, der am 07.03.2004 um 00:53:22 Uhr genutzten IP-Adresse .......#........# zu erteilen hat.

Die Beschlagnahme dieser Datenbestände gemäß den §§ 94, 98 StPO wird vorsorglich angeordnet und kann nur durch die Bereitstellung der Daten abgewendet werden.

Von der Benachrichtigung der Beteiligten ist wegen Gefährdung des Untersuchungszwecks vorerst abzusehen.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Gründe

Die Staatsanwaltschaft C ermittelt aufgrund einer am 02.04.2004 von S I gegen Unbekannt erstatteten Anzeige wegen des Verdachts des Computerbetruges.

Nach den bisherigen Ermittlungen schloss eine namentlich unbekannte Person am 07..03.2003 um 00:53:22 Uhr von ihrem Rechner aus unter unbefugter Nutzung der email-Adresse sowie Eingabe einiger persönlichen Daten der Anzeigenerstatterin - insbesondere deren Namen, Adresse und Bankverbindung - per email über das Internet mit der Firma X einen Vertrag. Im März 2004 kam es auf dem Konto der Anzeigenerstatterin zu seitens der Firma X veranlassten Abbuchungen für "erbrachte Leistungen".

Auf Nachfrage teilte die Firma X Frau I neben dem Datum und der Uhrzeit der zu dem Vertragsschluss führenden email auch die dem Absender für diese Internetnutzung von dem Service-Provider bzw. Onlinedienstanbieter vergebene IP-Adresse .......#........# mit. Weitere Nachforschungen haben ergeben, dass die email über die U AG versandt worden ist.

Am 19.04.2004 forderte die Staatsanwaltschaft C die U AG gemäß § 161 a StPO auf, Auskunft über die aktuellen Kundendaten des Anschlussinhabers der genannten Transaktion zu erteilen. Dies lehnte die U AG unter dem 19.04.2004 mit der Begründung ab, bei der begehrten Information handele es sich um sog. Verbindungsdaten, über die sie allein auf der Grundlage eines Beschlusses nach §§ 100 g, 100 h StPO Auskunft erteilen könne.

Durch Beschluss vom 14.05.2004 hat das Amtsgericht Bonn die am 04.05.2004 von der Staatsanwaltschaft C beantragte Anordnung zur Auskunftserteilung gemäß §§ 100 g, 100 h StPO mit der Begründung abgelehnt, Gegenstand der begehrten Auskunft seien sog. Bestandsdaten, die die U AG über ein Auskunftsersuchen nach § 161 a StPO, § 89 Abs.6 TKG mitzuteilen habe; daher bedürfe es keines Beschlusses nach § 100 g StPO. Hiergegen richtet sich die von der Staatsanwaltschaft erhobene Beschwerde.

II

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

1.

Die seitens der Staatsanwaltschaft von der U AG begehrte Auskunft über den Anschlussinhaber, dem anlässlich der konkreten Nutzung des Internets zu dem im Tenor genannten Zeitpunkt die dynamische IP-Adresse .......#........# zugewiesen wurde, unterfällt nicht der in § 89 Abs.6 TKG geregelten Auskunftsverpflichtung der U AG. Vielmehr handelt es sich in der gegebenen Konstellation um eine Auskunft über Telekommunikationsverbindungsdaten im Sinne des § 100 g Abs.3 StPO.

Gemäß § 89 Abs.6 TKG sind die Unternehmen und Personen. die geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringen oder an der Erbringung solcher Dienste mitwirken, verpflichtet, personenbezogene Daten, die sie für die Begründung, inhaltliche Ausgestaltung oder Änderung eines Vertragsverhältnisses erhoben haben, auf ein entsprechendes Ersuchen an die zuständigen Stellen zu übermitteln. Bei diesen Daten handelt es sich um die sog. " Bestandsdaten" , § 2 Nr.3 TDSV.

Abzugrenzen sind diese "im Bestand" des Auskunftspflichtigen befindlichen Daten von den sog. Verbindungsdaten. Bei diesen handelt es sich gleichfalls um personenbezogene Daten eines an der Telekommunikation Beteiligten; sie werden allerdings bei der Bereitstellung und Erbringung von Telekommunikationsdiensten erhoben, § 2 Nr.4 TDSV, und unterfallen damit nicht der Auskunftsverpflichtung nach § 89 Abs.6 TKG. Die Auskunftserteilung über diese Daten erfolgt vielmehr nach Maßgabe der §§ 100 g, 100 h StPO.

Zwar gehört der Name eines Anschlussnehmers grundsätzlich zu den Bestandsdaten, die auf ein auf § 161 a StPO gerichtetes Auskunftsverlangen der Staatsanwaltschaft mitzuteilen sind. Dies kann allerdings nur dann gelten, wenn der Auskunftsverpflichtete die begehrte Information allein an hand der bei ihm vorliegenden bzw. gespeicherten Bestandsdaten erteilen kann. Erfasst werden hiervon mithin beispielsweise die Fälle, in denen der Anschlussinhaber einer bestimmten Rufnummer erfragt wird oder - umgekehrt - Auskunft über die für eine namentlich bekannte Person bestehenden Anschlüsse/Rufnummern verlangt wird. Auch zählt zu diesen Fällen eine Anfrage nach dem Inhaber einer bestimmten sog. statischen, d.h. für einen bestimmten Rechner dauerhaft vergebenen IP-Adresse. Denn diese Auskunft kann der nach § 89 Abs.6 TKG Verpflichtete anhand der "für die Begründung, inhaltliche Ausgestaltung oder Änderung eines Vertragsverhältnisses" erhobenen personenbezogenen Daten erteilen.

Bedarf es hingegen zur Auskunftserteilung eines Zugriffs auf bzw. einer Auswertung von - erst - bei der Bereitstellung/Erbringung von Kommunikationsdiensten erhobenen und gespeicherten Daten, so handelt es sich um eine Auskunft über Verbindungsdaten. Diese Auskunft kann in den Fällen wie dem vorliegenden - im Ergebnis - die Bekanntgabe des Namens eines Anschlussnehmers zum Gegenstand haben. Maßgeblich für die Differenzierung zwischen personenbezogenen Bestandsdaten einerseits und personenbezogenen Verbindungsdaten andererseits ist nicht, ob das "Endziel" der Auskunft zu den eigentlichen Bestandsdaten zählt oder nicht, sondern ob die Auskunftserteilung aufgrund der gespeicherten Vertragsdaten möglich ist oder es vielmehr eines Zugriffs auf die Verbindungsdaten bedarf.

Diese Differenzierung zwischen - vorhandenen - personenbezogenen Daten und erst durch Auswertung von Verbindungsdaten zu gewinnenden personenbezogenen Daten entspricht auch der in der Gesetzesbegründung zu § 100 g Abs.3 StPO zum Ausdruck kommenden Absicht des Gesetzgebers. Zwar sollen nach dem Wortlaut der in die Begründung aufgenommen Beispielsfälle u.a. Auskünfte über den Namen einer "hinter einer" IP-Adresse oder email-Adresse stehenden Person zu den über § 89 Abs.6 TKG auskunftspflichtigen Bestandsdaten gehören und damit nicht dem § 100 g Abs. 3 StPO unterfallen. Indes lässt sich den Begründungserwägungen in ihrer Gesamtheit entnehmen, dass von dem Geltungsbereich des § 100 g Abs.3 StPO in Anlehnung an § 6 Abs.1 Nr.1 bis 4 TDSV - dieser regelt, weIche Verbindungsdaten der Dienstanbieter erheben, verarbeiten und nutzen darf - die Daten erfasst werden sollen, die bei der Inanspruchnahme von Leistungen übertragen oder erfasst werden. Dass der Gesetzgeber in den in der Begründung aufgezählten Beispielen nicht ausdrücklich zwischen statischen und dynamischen IP-Adressen unterschieden hat, steht der von ihm beabsichtigten und - wie dargelegt - auch zum Ausdruck gebrachten Ausrichtung des § 100 g Abs.3 StPO entsprechend den angeführten Vorschriften des Telekommunikationsrechts nicht entgegen.

Diese Beurteilung wird auch dadurch bestätigt, dass der Gesetzgeber ausweislich der Begründungserwägungen die sog. IMEI-Nummer - hierbei handelt es sich um die elektronische Gerätenummer eines Mobiltelefons, die im Rahmen der Telekommunikation übertragen wird - dem Begriff der "Kennung" im Sinne des § 100 g Abs.3 Nr.1 StPO und damit dessen Anwendungsbereich zuordnet, obwohl die Gerätenummer selbst bereits bei dem Vertragsschluss "erhoben" wird und damit zu den eigentlichen Bestandsdaten zählt.

Vorliegend bedarf es, um den Namen des Anschlussinhabers für den konkreten Kommunikationsvorgang mitteilen zu können, einer Auswertung der zu diesem Verbindungsvorgang erhobenen Daten, da allein hierdurch der Nutzer der aus. einem Pool von IP-Adressen für einen konkreten Kommunikationsvorgang zugewiesenen fraglichen IP-Adresse zu dem angegebenen Zeitpunkt ermittelt werden kann. Mithin hat die begehrte Auskunft personenbezogene Daten - den Namen des Anschlussinhabers - zum Gegenstand, die allerdings erst im Zuge erbrachter Dienstleistungen erhoben wurden. Dass bei dem hier fraglichen Kommunikationsvorgang die an den Anschlussinhaber für den Einzelfall vergebene sog. dynamische IP-Adresse ebenso bekannt ist wie das Datum und die Uhrzeit der Verbindung, mithin wesentliche Daten der betroffenen Verbindung bereits bekannt sind, steht dem nicht entgegen, sondern ermöglicht vielmehr erst den Erlass eines auf eine konkrete Verbindung zu stützenden Beschlusses nach § 100 g StPO.

2.

Die Voraussetzungen des § 100 g StPO sind auch gegeben

Gegen den derzeit namentlich noch unbekannten Anschlussnehmer besteht der Verdacht, dass er von seinem Rechner aus unbefugt unter Verwendung der email-Adresse sowie weitere Angaben der Anzeigenerstatterin einen Vertrag abgeschlossen hat, durch den es zu Abbuchungen auf deren Konto kam.

Die begehrte Auskunft unterfällt auch dem Regelungsbereich des § 100 g Abs.3 StPO. In der gegebenen Konstellation ist der Name eines Anschlussnehmers eine "Kennung des anrufenden Anschlusses" bzw. der "Endeinrichtung".

Die begehrte Auskunft über den Namen des Anschlussnehmers der in Rede stehenden Verbindung ist für die Untersuchung auch erforderlich, da ohne diese eine weitere Aufklärung nicht möglich ist.

Aus diesem Grunde Bestehen auch keine Bedenken gegen die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Auskunftserteilung.






LG Bonn:
Beschluss v. 21.05.2004
Az: 31 Qs 65/04


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/9ad9568654a6/LG-Bonn_Beschluss_vom_21-Mai-2004_Az_31-Qs-65-04




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