Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 10. Juli 2002
Aktenzeichen: 6 U 76/02
(OLG Köln: Beschluss v. 10.07.2002, Az.: 6 U 76/02)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
In dieser Gerichtsentscheidung geht es um einen Antrag des Beklagten auf Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren gegen ein Urteil des Landgerichts Köln. Das Oberlandesgericht hat den Antrag des Beklagten abgelehnt. Der Grund dafür ist, dass die beabsichtigte Berufung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, da der Beklagte ohne die erforderliche Erlaubnis eine rechtsbesorgende Tätigkeit ausübt. Nach geltender Rechtsprechung verstößt eine solche Tätigkeit grundsätzlich gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Es ist nicht notwendig, weitere Unlauterkeitsmomente nachzuweisen, sofern keine der Ausnahmefälle im Rechtsberatungsgesetz vorliegt.
Das Landgericht hat zu Recht entschieden, dass die Tätigkeit des Beklagten eine unerlaubte Rechtsberatung darstellt. Der Beklagte bietet nicht nur eine Faktenermittlung an, sondern auch eine Beratung zur Vorgehensweise und zum richtigen Zeitpunkt der Antragstellung. Dadurch betreibt der Beklagte eine Subventions- und Fördermittelberatung im Hauptgeschäft und nicht nur als Nebentätigkeit zu einer Unternehmensberatung. Das Landgericht hat daher zutreffend darauf hingewiesen, dass die Umsetzung eines solchen "Komplettangebots" nur funktionieren kann, wenn der Beklagte und die angeworbenen Subventionsberater den potenziellen Interessenten umfassend rechtlich beraten und Hilfestellung bei der Antragstellung gewähren.
Das weitere Verteidigungsvorbringen des Beklagten führt nicht zum Erfolg. Die Klageabweisungsbegründung und Aktivlegitimation des Klägers ergeben sich bereits unmittelbar aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, da er als zugelassener Rechtsanwalt bundesweit Tätigkeiten ausüben kann, die der Beklagte ohne Erlaubnis ausüben darf.
Des Weiteren besteht keine Passivlegitimation des Beklagten, da es nicht um seine Verantwortlichkeit für Werbeanzeigen geht, sondern darum, ob er die beworbene (rechtsberatende) Tätigkeit in der Vergangenheit durchgeführt oder initiiert hat, bzw. ob Begehungsgefahr besteht. Der Beklagte verteidigt das beanstandete Verhalten als rechtmäßig und beansprucht, diese Tätigkeit ausüben zu dürfen.
Eine Kostenentscheidung wurde nicht getroffen, da durch den Prozesskostenhilfeantrag des Beklagten keine Gerichtsgebühren entstanden sind und außergerichtliche Kosten gemäß Zivilprozessordnung nicht erstattet werden.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
OLG Köln: Beschluss v. 10.07.2002, Az: 6 U 76/02
Tenor
Der Antrag des Beklagten vom 29.04.2002, ihm für die Durchführung des Berufungsverfahrens gegen das am 15.03.2002 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 81 O 62/01 - Prozesskostenhilfe zu gewähren, wird zurückgewiesen.
Gründe
Der Antrag des Beklagten auf Gewährung von Prozesskostenhilfe war gemäß § 127 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 114 ZPO zurückzuweisen, ohne dass es darauf ankäme, ob der Beklagte nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen könnte. Denn die beabsichtigte Rechtsverteidigung und damit auch die beabsichtigte Berufung gegen das angefochtene Urteil bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, und zwar deshalb, weil der Beklagte ohne die nach Art. 1 § 1 des Rechtsberatungsgesetzes erforderliche Erlaubnis eine rechtsbesorgende Tätigkeit ausübt. Eine solche Tätigkeit verstößt nach gefestigter Rechtssprechung auch des Senats grundsätzlich gegen § 1 UWG, ohne dass weitere Unlauterkeitsmomente hinzuzutreten bräuchten, wenn nicht - was hier offensichtlich nicht der Fall ist - einer der im Rechtsberatungsgesetz zugelassenen Ausnahmefälle vorliegt. Nach übereinstimmender Ansicht in der Rechtsprechung und Literatur ist unter dem Tatbestandsmerkmal "Besorgung einer fremden Rechtsangelegenheit" jede auf die unmittelbare/individuelle Förderung konkreter fremder Rechtsangelegenheiten gerichtete Tätigkeit zu verstehen (vgl. statt aller: BGH WRP 2000, 727 = GRUR 2000, 729 "Sachverständigenbeauftragung" m.w.N.). Von der Erlaubnispflicht werden Tätigkeiten erfasst, die darauf gerichtet und geeignet sind, konkrete fremde Rechte zu verwirklichen oder konkrete fremde Rechtsverhältnisse zu gestalten (BGH NJW 1989, 2125 "Erbensucher"). Dagegen fallen Wirtschaftsangelegenheiten, also Geschäfte wirtschaftlicher Art, nicht unter das Rechtsberatungsgesetz (Rennen/Caliebe, Rechtsberatungsgesetz, 2. Aufl. 1992, Art. 1, § 1 Rn. 40 m.w.N.). "Geschäftsmäßig" im Zusammenhang mit der selbständigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten handelt, wer beabsichtigt, die Tätigkeit - sei es auch nur bei sich bietender Gelegenheit - in gleicher Weise zu wiederholen und dadurch zu einem wiederkehrenden Bestandteil seiner Beschäftigung zu machen (Rennen/Caliebe, a.a.O. Rn. 41). Bei der Feststellung, ob ein Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz vorliegt, ist in Anbetracht der Tatsache, dass nahezu alle Lebensbereiche rechtlich durchdrungen sind und kaum eine wirtschaftliche Betätigung ohne rechtsgeschäftliches Handeln möglich ist oder ohne rechtliche Wirkung bleibt, keine formale, sondern eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten. Dadurch soll vermieden werden, dass die Vorschriften des Rechtsberatungsgesetzes umgangen werden. Bei der Abgrenzung zwischen erlaubnisfreier wirtschaftlicher und erlaubnisbedürftiger rechtlicher Beratung ist zunächst auf den Schwerpunkt der Tätigkeit abzustellen, d.h. darauf, ob sie überwiegend auf wirtschaftlichem Gebiet liegt, oder ob die rechtliche Angelegenheit der Sache im Vordergrund steht. Auch eine überwiegend auf wirtschaftlichem Gebiet liegende Beratungstätigkeit ist allerdings dann erlaubnisbedürftig, wenn der Berater rechtliche Belange von nicht ganz unerheblichem Gewicht zu besorgen hat (OLG Rostock, OLGR 1997, 27).
Auf der Basis dieser Kriterien hat das Landgericht zu Recht entschieden, dass die Tätigkeit des Beklagten bei der Beratung und Beschaffung von Fördermitteln auch (unerlaubte) Rechtsberatung darstellt. Denn der Beklagte respektive die Firma Dr. M. & C., für die er tätig ist, versteht den Schwerpunkt seiner Tätigkeit nicht nur in der exakten Ermittlung aller Fördermöglichkeiten, sondern insbesondere auch in der Beantragung bei den entsprechenden Stellen und in der Beratung bei evtl. der Standort- und der Mitarbeitersuche. Der Beklagte bietet nicht nur eine Faktenermittlung an, sondern zeigt auch alle Voraussetzungen auf, die erfüllt sein müssen, um die Fördergelder zu bekommen, außerdem gibt er Hinweise zur Vorgehensweise und namentlich zum richtigen Zeitpunkt der Antragstellung. Damit betreibt der Beklagte (wie auch die Firma Dr. M. & C. GmbH) eine Subventions- und Fördermittelberatung im Sinne eines "allinclusiv-Angebots" im Hauptgeschäft und nicht lediglich als Nebentätigkeit zu einer Unternehmensberatung. Zu Recht hat das Landgericht deshalb darauf hingewiesen, dass die Umsetzung eines solchermaßen angekündigten "Komplettangebots" nur dann funktionieren kann, wenn der Beklagte, die Firma Dr. M. & C. GmbH und auch die angeworbenen Subventionsberater den potenziellen Interessenten umfassend rechtlich beraten und selbst Hilfestellung bei der Stellung der Förderanträge gewähren.
Auch das weitere Verteidigungsvorbringen verhilft seinem Klageabweisungsbegehren nicht zum Erfolg. Ungeachtet der Frage, ob der Kläger tatsächlich, was der Beklagte ausweislich seines Berufungsbegründungsentwurfs in seiner nicht bei den Akten befindlichen Klageerwiderung vom 28.06.2001 bestritten haben will, bundesweit auf dem Gebiet der Subventions- und Fördermittelberatung tätig ist, ergibt sich die Prozessführungsbefugnis und auch die Aktivlegitimation des Klägers allein aus der Tatsache, dass er zugelassener Rechtsanwalt ist. Denn er kann jedenfalls potenziell, und zwar bundesweit, Tätigkeiten ausüben, die der Beklagte auch ohne Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz ausüben zu dürfen für sich in Anspruch nimmt. Damit ist der Kläger von der Tätigkeit des Beklagten unmittelbar betroffen, seine Prozessführungsbefugnis und auch seine Aktivlegitimation folgt bereits unmittelbar aus § 1 UWG, ohne dass es eines Rückgriffs auf die Vorschrift des § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG bedürfte.
Auch die Passivlegitimation des Beklagten begegnet keinen Bedenken. Es geht im Streitfall nicht darum, ob der Beklagte als Generalbevollmächtigter der Firma Dr. M. & C. GmbH für die Schaltung der Werbeanzeigen verantwortlich ist, die das Landgericht als konkrete Verletzungsform in seinen Unterlassungstenor aufgenommen hat. Entscheidend ist vielmehr, ob der Beklagte entweder, wofür die Lebenswahrscheinlichkeit spricht und wovon der Senat deshalb ausgeht, in der Vergangenheit die beworbene (rechtsberatende) Tätigkeit tatsächlich durchgeführt oder initiiert hat, oder ob insoweit jedenfalls Begehungsgefahr besteht. Letzteres ist allemal der Fall, weil der Beklagte das mit der Klage angegriffene Verhalten als rechtmäßig verteidigt und sich berühmt, eine solche Tätigkeit ausüben zu dürfen, womit zugleich gesagt ist, dass die erhobene Verjährungseinrede den titulierten Unterlassungsanspruch nicht zu Fall bringen kann. Soweit der Beklagte in diesem Zusammenhang unter Berufung auf die Entscheidung "Berühmungsaufgabe" des Bundesgerichtshofs vom 31. Mai 2001 (veröffentlicht u.a. in WRP 2001, 1076 ff.) die Auffassung vertreten hat, seine Rechtsverteidigung reiche zur Annahme einer Berühmung nicht aus, geht diese Annahme schon deshalb fehl, weil der Beklagte niemals deutlich gemacht hat, dass er sich nur im Prozess verteidigen und sich nicht des Rechts berühmen will, das beanstandete Verhalten (auch) in der Zukunft zu praktizieren.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil durch den Prozesskostenhilfeantrag des Beklagten Gerichtsgebühren nicht entstanden sind und außergerichtliche der Parteien gemäß § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO nicht erstattet werden.
OLG Köln:
Beschluss v. 10.07.2002
Az: 6 U 76/02
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