Verwaltungsgericht Karlsruhe:
Urteil vom 16. Februar 2011
Aktenzeichen: 7 K 1535/10
(VG Karlsruhe: Urteil v. 16.02.2011, Az.: 7 K 1535/10)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat entschieden, dass ein Hochschulabsolvent keinen Anspruch auf den Erlass einer Satzung zur nachträglichen Verleihung des Hochschulgrades "Diplom-Jurist" hat. Der Kläger, der seine Erste Juristische Staatsprüfung abgelegt hatte, beantragte bei der Beklagten die Verleihung des Hochschulgrades. Dieser Antrag wurde abgelehnt. Das Gericht entschied, dass die Verleihung eines Hochschulgrades kein unverzichtbares Erfordernis für den Beruf des Juristen ist und der Kläger seinen Studienabschluss auch anderweitig nachweisen kann. Es besteht keine Verpflichtung der Beklagten zur Verleihung des Grades, auch wenn andere Universitäten diesen vergeben. Die Entscheidung des Gerichts beruht auf der Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, dass es keine rechtliche Verpflichtung für Universitäten gibt, einen Hochschulgrad nach bestandener Prüfung zu verleihen. Der Kläger kann trotz des Fehlens des akademischen Grades seinen Beruf wie alle anderen Absolventen mit Erster Juristischer Staatsprüfung ausüben. Daher wurde die Klage abgewiesen. Das Verwaltungsgericht ließ jedoch die Berufung zu.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
VG Karlsruhe: Urteil v. 16.02.2011, Az: 7 K 1535/10
§ 35 Abs.2 LHG gewährt einem Hochschulabsolventen auch bei verfassungskonformer Auslegung keinen Anspruch gegenüber der Hochschule auf Erlass einer Satzung zur nachträglichen Verleihung des Hochschulgrades "Diplom-Jurist" aufgrund erfolgreich absolvierter Erster Juristischer (Staats-) Prüfung.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.3. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten den Erlass einer Diplomierungssatzung und die Verleihung des Hochschulgrades Diplom-Jurist.
Der Kläger war vom 08.10.1998 bis zum 31.03.2005 bei der Beklagten im Studiengang der Rechtswissenschaften immatrikuliert.Im Juni 2005 legte er erfolgreich die Erste Juristische Staatsprüfung ab. Nach Ableistung des juristischen Vorbereitungsdienstes bestand er die Zweite Juristische Staatsprüfung nicht. Mit Schreiben vom 19.05.2009 beantragte er bei der Beklagten die Verleihung des Hochschulgrades Diplom-Jurist aufgrund der erfolgreich absolvierten Ersten Juristischen Staatsprüfung. Er hoffe, die Beklagte werde ihre Universitätssatzung dementsprechend ändern. Dieser Antrag wurde durch die Juristische Fakultät der Beklagten mit Bescheid vom 24.06.2009 abgelehnt, wogegen der Kläger mit Schreiben vom 09.11.2009 Widerspruch einlegte. Per E-Mail des Fakultätsreferenten vom 04.05.2010 an die Prozessbevollmächtigte des Klägers bot die Beklagte diesem an, ihm gegen Vorlage des Originalzeugnisses über die erfolgreich absolvierte Erste Juristische (Staats-) Prüfung eine Bescheinigung darüber auszustellen, dass nach Ansicht der Juristischen Fakultät das ohne Weiteres mit der bestandenen Ersten Juristischen (Staats-) Prüfung verbundene Recht, die Bezeichnung Referendar (ref. jur.)" zu führen, hinsichtlich des akademischen Ausbildungsstandes mindestens gleichwertig sei mit einem universitären Hochschulgrad Diplom", wie er in anderen Fächern üblich sei oder gewesen sei. Dies lehnte die Prozessbevollmächtigte des Klägers mit E-Mail vom 07.05.2010 ab.Der Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 02.06.2010zurückgewiesen.
Der Kläger hat am 01.07.2010 Klage erhoben. Er beantragt,
unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 24.06.2009 sowie deren Widerspruchsbescheids vom 02.06.2010 festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, eine Diplomierungssatzung für Juristen mit Erster Juristischer Staatsprüfung mit Rückwirkung zum 01.01.2005 zu beschließen.
Zur Begründung führt er aus: Hinsichtlich des Obdes Erlasses einer solchen Satzung ergäbe sich für die Beklagte eine Ermessenreduzierung auf Null, da die Schutzbereiche der Art. 3Abs. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG eröffnet seien. Andere Absolventen in Baden-Württemberg bekämen nach erfolgreichem Abschluss der Ersten Juristischen Staatsprüfung den Hochschulgrad Diplom-Jurist verliehen. Als er sich immatrikuliert habe, sei die Vergabe der Studienplätze über die ZVS erfolgt. Die Berechtigung zum Führen des Hochschulgrades sei also davon abhängig, ob man zufällig einer Universität zugeteilt werde, die eine Diplomierungssatzung erlassen habe. Alle Absolventen in Baden-Württemberg bekämen dieselben Prüfungsaufgaben gestellt,erhielten aber uneinheitliche Bezeichnungen für ihre Ausbildung.Die Universitäten würden dabei nicht selbständig handeln, da sie zwar den Hochschulgrad verliehen, aber nicht den Inhalt der Prüfung bestimmten. Außerdem stehe die Beklagte in einer Kooperation mit der Universität Mannheim, die den Hochschulgrad Diplom-Jurist verleihen würde. Absolventen aus Tübingen oder Mannheim seien Diplom-Juristen, er lediglich erfolgreich geprüfter Rechtskandidat. Dies stelle für ihn einen Nachteil dar, da potentielle Arbeitgeber diesen Titel im Gegensatz zum international anerkannten Diplomtitel nicht kennen würden. Insbesondere sei nicht auf den ersten Blick ersichtlich, welcher Beruf hinter erfolgreich geprüftem Rechtskandidaten" stehen solle. Das in den letzten Jahren stark veränderte Berufsbild der Juristen gebiete die Verleihung dieses Titels. Neben dem Diplom-Wirtschaftsjuristen, der sein Studium an der FH absolviere, gäbe es zahlreiche neue juristisch geprägte Studiengänge, wie z.B. Diplom-Rechtspfleger (FH). Er müsse als Absolvent eines universitären Studiums eine gleichbedeutende Bezeichnung erhalten. Wolle er selbständig tätig werden, könne er nicht unmittelbar aufführen, akademisch juristisch qualifiziert zu sein. Die Beklagte entwerte dadurch ihren Abschluss. Eine Verwechslungsgefahr mit dem einst in der ehemaligen DDR verliehenen Titel Diplom-Jurist bestehe nicht, da es die DDRnicht mehr gäbe und andere Universitäten den Titel ebenfalls verleihen würden. Die Verleihung des Titels Diplom-Jurist erwecke auch nicht den falschen Eindruck, es sei über das Studium hinaus eine weitere Ausbildung erworben worden. Das sich aus Art. 12 Abs. 1 GG ergebende Teilhaberecht auf Zulassung zum Hochschulstudium der eigenen Wahl sei wertlos, wenn dem Studenten nicht bei erfolgreichem Abschluss des Studiums eine entsprechende Qualifikation bescheinigt werde. Er verweise überdies auf das Bologna-Abkommen zur Vereinheitlichung der Studienabschlüsse.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung macht sie geltend: Das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers sei zweifelhaft, soweit er nicht bereits im Verwaltungsverfahren den Erlass einer Satzung beantragt habe,welche die Verleihung des universitären Grades Diplom-Jurist" vorsehe. Es bestehe keine Rechtsgrundlage für seinen Antrag, da sie keine Nachdiplomierungssatzung erlassen habe. Ermessensfehler bezüglich eines solchen Satzungserlasses seien nicht ersichtlich. Eine Selbstbindung könne nur bei Entscheidungen der Beklagten selbst entstehen, nicht jedoch hinsichtlich Entscheidungen anderer juristischer Fakultäten oder des Landes. Der Tatsache der einheitlichen Durchführung der Ersten Juristischen Staatsprüfung komme keine Bedeutung zu, da das Landesjustizprüfungsamt keine Zuständigkeit für die Verleihung von Hochschulgraden habe.Eventuelle Nachteile bei Bewerbungen würden, wenn sie bestünden und erheblich wären, zudem durch die klarstellende Bescheinigung aufgehoben, welche die Juristische Fakultät dem Kläger angeboten habe. Mit dem erfolgreichen Abschluss der Ersten Juristischen Staatsprüfung/Ersten Juristischen Prüfung in der jüngsten Vergangenheit sei stets das Recht erworben worden, die Bezeichnung Referendar" zu führen, nicht hingegen die Bezeichnung mit Erfolg geprüfter Rechtskandidat. Überdies sei aus dem Zeugnis sofort ersichtlich, dass die Erste Juristische Staatsprüfung bestanden worden sei. Im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1GG bestehe keine unverhältnismäßige Erschwerung der Wahl oder Ausübung eines Berufs.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die einschlägigen Akten der Beklagten verwiesen.
Gründe
Die Klage ist zulässig.
Gegen die Untätigkeit des Normgebers ist der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet (vgl. BVerwG, Urteil vom 03.11.1988 - 7 C 115/86 -, juris). Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass sie sich gegen die Beklagte als Satzungsgeberin richtet und einen Anspruch auf Satzungserlass, also auf Rechtsetzung geltend macht. Der Kläger kann sich hierfür auf Art. 19 Abs. 4 GG berufen. Rechtsschutz gewährleistet das Grundgesetz nicht nur gegen die mit höherrangigem Recht unvereinbaren Rechtsetzungsakte des - im Rang unterhalb des parlamentarischen Gesetzgebers stehenden - Normgebers, es schließt Rechtsschutz auch gegen ein mit höherrangigem Recht unvereinbares normgeberisches Unterlassen ein (BVerwG, Urteile vom 07.09.1989 - 7 C 4/89 - und vom 04.07.2002 - 2 C 13/01 -, beide juris). Der Normerlassklage steht die Satzungsautonomie der Beklagten als Körperschaft des öffentlichen Rechtes daher nicht entgegen. Statthafte Klageart bei der Normerlassklage ist die Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO (vgl. BVerwG a.a.O.). Diese tritt nicht gegenüber einer Leistungsklage auf Normerlass zurück, da dem Begehren des Klägers durch die beantragte Feststellung wirksam entsprochen werden kann. Darüber hinaus entspricht die Form des Feststellungsbegehrens besser dem im Gewaltenteilungsgrundsatz begründeten Gedanken, dass auf die Entscheidungsfreiheit der rechtssetzenden Organe gerichtlich nur in dem für den Rechtsschutz unumgänglichen Umfang eingewirkt werden darf (BVerwG a.a.O.; OVG Münster, Urteil vom 14.06.1994 - 15 A 2449/91 -, NVwZ-RR 1995, 105). § 43 Abs. 2 VwGO ist seinem Zweck entsprechend einschränkend auszulegen (BVerwG, Urteil vom 04.07.2002, a.a.O.).
Zwischen dem Kläger und der Beklagten besteht ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO. Es geht um den Status des Klägers aufgrund des ehemaligen Immatrikulationsverhältnisses (§ 60 Abs. 1 LHG) und der daraus resultierenden Mitgliedschaft bei der Beklagten (§ 9 Abs. 1 LHG). Im Raum steht die Frage, ob er hieraus einen Anspruch auf eine Regelung, nach der er den Hochschulgrad Diplom-Jurist führen darf, herleiten kann. Bei dem Diplomgrad handelt es sich um einen akzessorischen akademischen Grad. Daher richtet sich - auch wenn die Prüfung beim Landesjustizprüfungsamt, einer staatlichen Stelle, abgelegt worden ist - der geltend gemachte Anspruch gegen die Hochschule, der gegenüber der Prüfling einen Anspruch auf Verleihung des Diplomgrades als Folge des (früher bestehenden) Immatrikulationsverhältnisses behauptet. Dem Kläger kann ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung, ob ihm ein solcher Anspruch zusteht, nicht abgesprochen werden.
Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass der Kläger bei der Beklagten nicht ausdrücklich den Erlass einer Diplomierungssatzung beantragt hat. In seinem Antrag auf Verleihung des Hochschulgrades Diplom-Jurist vom 19.05.2009 führt er aus, er hoffe auf eine zwischenzeitliche Änderung der Universitätssatzung der Beklagten. Die Beklagte beruft sich in ihrer ablehnenden Entscheidung vom 24.06.2009 ausdrücklich darauf, dass sich der Fakultätsrat in seiner Sitzungen am 17.06.2009 erneut dagegen entschieden habe, eine solche Satzung zu erlassen. Den Kläger darauf zu verweisen, den Erlass einer solchen Satzung erneut bzw. ausdrücklich zu beantragen, liefe auf reine Förmelei hinaus. Die Beklagte hat in ihren Schriftsätzen deutlich gemacht, dass der Erlass einer solchen Satzung (derzeit) nicht in Frage komme. Zuletzt sei die Frage des Erlasses einer solchen Satzung in der Sitzung des Fakultätsrates vom 14.04.2010 erneut geprüft und verneint worden.
Ebenso wenig steht der Zulässigkeit der Klage im Hinblick auf das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers entgegen, dass dieser das Vergleichsangebot der Beklagten nicht angenommen hat. Durch dieses würde ihm zwar die Gleichwertigkeit seines Abschlusses mit einem Diplom bestätigt werden. Seinem eigentlichen Rechtsschutzbegehren wäre dadurch allerdings nicht Rechnung getragen, da ihm nach wie vor der von ihm begehrte akademische Grad fehlen würde.
Die isolierte Anfechtung der Ablehnungsentscheidung ist im Rahmen des Normerlassbegehrens ausnahmsweise zulässig. Der Kläger hat ein dementsprechendes Rechtsschutzinteresse. Er hält zwar sein Verpflichtungsbegehren nicht mehr aufrecht, da er eine Verpflichtung der Beklagten zur unmittelbaren Verleihung des Grades mangels Rechtsgrundlage nicht erreichen kann. Diese hat keine dementsprechende Diplomierungssatzung erlassen. Auch aus § 35 Abs. 2 des Gesetzes über die Hochschulen in Baden-Württemberg [Landeshochschulgesetz - LHG] vom 1. Januar 2005 selbst ergibt sich kein direkter Anspruch auf Verleihung des Hochschulgrades, da in dieser Vorschrift lediglich die Ermächtigung zum Erlass von Satzungsrecht enthalten ist. Der Kläger hat aber dennoch ein Interesse an der Aufhebung des belastenden Bescheides (vgl. Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 5. Auflage, vor §§ 40 ff. Rn. 30). Hätte die Normerlassklage Erfolg, wären gleichzeitig der Ablehnungsbescheid und der Widerspruchsbescheid der Beklagten aufzuheben, um diese nicht in Bestandskraft erwachsen zu lassen. Darin hat die Beklagte zweifelsfrei zu erkennen gegeben, dass sie sich nicht für verpflichtet hält, eine entsprechende Diplomierungssatzung zu erlassen.
Die Klage ist allerdings nicht begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erlass einer Diplomierungssatzung für Juristen mit Erster Juristischer Staatsprüfung mit Rückwirkung zum 01.01.2005. Eine rechtliche Verpflichtung der Beklagten zum Erlass einer solchen Satzung besteht nicht und ein Rechtsverstoß durch deren bisheriges Unterlassen kann nicht angenommen werden.
Rechtsgrundlage für den Erlass der Diplomierungssatzung ist § 35 Abs. 2 LHG, wonach die Hochschulen Hochschulgrade gemäß ihrer Prüfungsordnungen auch auf Grund von staatlichen oder kirchlichen Prüfungen verleihen können (sog. Nachgraduierung). Das Nähere hierzu ist in einer Satzung zu regeln. Bei der Ersten Juristischen Staatsprüfung handelt es sich um eine staatliche Prüfung im Sinne dieser Norm. Da es sich hierbei nicht um eine Hochschulprüfung handelt, ist mit ihrem Bestehen im Unterschied zu den Prüfungen der Diplom-, Magister-, Bachelor- oder Masterstudiengänge nicht per se ein akademischer Grad verbunden.
Diese Ermächtigung gewährt dem Kläger keinen Anspruch auf Satzungserlass, auch nicht aufgrund verfassungskonformer Auslegung der Norm. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte ihr nach dem Wortlaut des § 35 Abs. 2 LHG eingeräumtes Ermessen hinsichtlich des ob des Satzungserlasses fehlerhaft ausgeübt hat. Im Hinblick auf den weiten Entschließungs- und Gestaltungsspielraum, der der Beklagten als untergesetzlicher Normgeberin im Rahmen ihrer Satzungsautonomie zukommt, stellt sich das Unterlassen der Normsetzung erst dann als rechtswidrig dar, wenn dies in Anbetracht des Zwecks der Ermächtigung und der entsprechend zu berücksichtigenden öffentlichen und privaten Interessen schlechterdings unvertretbar oder unverhältnismäßig ist (vgl. zu diesem Maßstab OVG Saarlouis, Urteil vom 29.01.2001 - 3 R 230/00 -, juris, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BVerwG).
Ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung besteht nur dann, wenn durch § 35 Abs. 2 LHG zumindest auch der Schutz von Individualinteressen bezweckt ist und es sich nicht lediglich um eine objektive Regelung des akzessorischen Hochschulgrades handelt. Dafür müsste die aus dem Erhalt eines Hochschulgrades resultierende Begünstigung nicht nur tatsächlich und unbeabsichtigt im Sinne eines bloßen Rechtsreflexes bestehen, sondern die Norm müsste dahingehend ausgelegt werden können, dass diese Begünstigung beabsichtigt ist. Es kann vorliegend davon ausgegangen werden, dass die Verleihung eines Hochschulgrades in Anbetracht der damit verbundenen beruflichen Verwertungsmöglichkeiten zumindest auch dem Interesse einzelner Studenten dient (vgl. OVG Saarlouis, Urteil vom 29.01.2001, a.a.O.). Schließlich wird dem Hochschulabsolventen durch einen akademischen Grad der sichtbare Nachweis des erfolgreich abgeschlossenen Studiums ermöglicht, indem er dazu berechtigt ist, diesen privat und beruflich zu führen (vgl. Bewart, Der gesetzliche Anspruch auf einen akademischen Grad mit bestandenem Ersten Juristischen Staatsexamen, BayVBl. 2005, 648 ff.). Der akademische Grad ist eine öffentliche Würde eigener Art, die durch § 132a StGB (Missbrauch von Titeln, Berufsbezeichnungen und Abzeichen) geschützt wird (Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 3. Auflage, S. 322, 324).
Dies kann jedoch letztlich dahingestellt bleiben. Denn wie das Bundesverwaltungsgericht in seiner Grundsatzentscheidung vom 22. Februar 2002 festgestellt hat, sind die Hochschulen bundesrechtlich nicht verpflichtet, den Erlass einer Satzung zu erwägen, nach der Studierenden der Rechtswissenschaft, die die Erste Juristische Staatsprüfung in der Vergangenheit bestanden haben, ein Diplomgrad verliehen wird. Weder das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) noch der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) forderten den Erlass einer solchen Altfallregelung. Für Altfälle, in denen die Erste Staatsprüfung schon mehrere Jahre zurückliege, spiele die Erwägung eines schnelleren Zugangs zum Arbeitsmarkt keine wesentliche Rolle. Bei Personen, die bereits beruflich tätig (gewesen) seien oder hätten sein können, habe das Vorhandensein eines Diplomtitels gegenüber der Frage nach den Erfahrungen und Leistungen des Bewerbers bzw. den Gründen für ihr Fehlen allenfalls geringe Bedeutung. Für diesen Personenkreis werde bei Personalentscheidungen in erster Linie auf das Alter, die Berufs- und Lebenserfahrung und den Werdegang abgestellt (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.02.2002 - 6 C 11/01 -, BVerwGE 116, 490). Diese zu § 18 Abs. 1 Satz 3 HRG ergangene Entscheidung ist auch für die Auslegung der wortgleichen Vorschrift des § 35 Abs. 2 LHG heranzuziehen, da der Landesgesetzgeber über die bundesrechtliche Rahmenvorschrift erkennbar nicht hinausgehen wollte.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts auf seinen Fall übertragbar. Auch bei ihm handelt es sich um einen sogenannten Altfall im Sinne dieser Entscheidung. Als Hochschulabsolvent ist er nicht Ziel etwaiger Neuregelungen der Beklagten. Er hat die Erste Juristische Staatsprüfung vor mittlerweile fast sechs Jahren abgelegt. Zwar war er bislang nicht beruflich tätig, sondern hat den Juristischen Vorbereitungsdienst abgeleistet und die Zweite Juristische Staatsprüfung (erfolglos) abgelegt. Dies macht jedoch keinen Unterschied. Was der Absolvent nach Abschluss des Hochschulstudiums macht - ob er sofort ins Berufsleben einsteigt oder erst den juristischen Vorbereitungsdienst ableistet - ist nicht von Bedeutung. Es kommt allein darauf an, dass es sich bei ihm um einen ehemaligen und keinen aktuell immatrikulierten Studenten handelt. Grundsätzlich ist die Hochschule allenfalls gegenüber letzteren verpflichtet, Regelungen zu erlassen. Selbst wenn die Beklagten also eine entsprechende Satzung erlassen würde, läge es in ihrem Ermessen, ob sie eine nachträgliche Verleihung des Hochschulgrades an Absolventen überhaupt ermöglicht und gegebenenfalls mit einer Stichtagsregelung versieht (vgl. dazu BayVGH, Urteile vom 08.07.2008 - 7 B 1499/07 - und 09.02.2010 - 7 B 1717/09 -, beide juris). Bei der Gestaltung von Studium und Lehre durch die Hochschulen (§§ 29 ff. LHG) handelt es sich typischerweise um zukunftsorientierte Regelungen vor allem der Studiengänge und Prüfungen. Übergangsbestimmungen kommen grundsätzlich nur zur Wahrung berechtigter Interessen aktuell betroffener Studierender in Betracht. Abgesehen vom Angebot postgradualer Studiengänge (§ 31 Abs. 2 LHG) sehen die erwähnten Vorschriften dementsprechend keine Aufgaben der Hochschulen in Bezug auf Hochschulabsolventen vor. Für die Verleihung von Hochschulgraden gilt nichts anderes. Auch hier erfolgen Änderungen zur Anpassung an Veränderungen in der Berufswelt grundsätzlich ex nunc. Es ist nicht ersichtlich, dass § 35 Abs. 2 LHG davon abweichend einen Auftrag der Hochschulen enthalten könnte, bei der Neueinführung eines Hochschulgrades dessen Verleihung auch an Personen zu erwägen, die die Hochschule nach erfolgreichem Abschluss eines Studiums bereits verlassen haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.02.2002, a.a.O.).
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Satzungserlass aufgrund verfassungskonformer Auslegung des § 35 Abs. 2 LHG bzw. einer Ermessensreduzierung auf Null. Insbesondere führen die Schutz- und Teilhaberechte aus Art. 12 Abs. 1 sowie Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu einer Verpflichtung der Universitäten zur rückwirkenden Einführung eines Diplomgrades für Hochschulabsolventen mit Erster Juristischer Staatsprüfung.
Das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG verlangt keine solche Auslegung und führt auch zu keiner Ermessensreduzierung auf Null. Art. 12 Abs. 1 GG konkretisiert das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit im Bereich individueller Leistung und Existenzerhaltung und zielt auf eine möglichst unreglementierte berufliche Betätigung ab (BVerfG, Beschluss vom 29.10.1997 - 1 BvR 780/87 -, BVerfGE 97, 12 m.w.N.). Wegen des grundsätzlich abwehrrechtlichen Charakters von Art. 12 Abs. 1 GG ist hinsichtlich der Ableitung von subjektivrechtlichen Leistungs- oder Teilhaberechten Zurückhaltung geboten (Manssen in v. Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz Band 1, 6. Auflage 2010, Art. 12 Abs. 1 GG Rn. 9). Anerkannt ist, dass aus dem in Art 12 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleisteten Recht auf freie Wahl des Berufes und der Ausbildungsstätte in Verbindung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz und dem Sozialstaatsprinzip ein Recht auf Zulassung zum Hochschulstudium folgt (BVerfG, Urteil vom 18.07.1972 - 1 BvL 32/70 - und - 1 BvL 25/71 -, BVerfGE 33, 303). Vom Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG erfasst ist auch die Möglichkeit, die Ausbildung durch eine Prüfung abzuschließen (BVerwG, Urteil vom 07.09.1973 - VII C 2/70 -, BVerwGE 44, 70). Ein Anspruch auf Erlass einer Satzung zur nachträglichen Verleihung des Hochschulgrades Diplom-Jurist aufgrund einer bestandenen Prüfung lässt sich aus diesem Grundrecht allerdings nicht ableiten.
Zwar wird das Grundrecht der Berufsfreiheit durch die Verleihung eines Hochschulgrades berührt (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.02.2002, a.a.O.). Auch wenn einem Diplom keine unmittelbar berufszulassende Bedeutung zukommt, enthält es eine den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG berührende mittelbare Berufsregelung (OVG Saarlouis, Urteil vom 29.01.2001, a.a.O.). Es besteht jedoch keine Schutzpflicht des Inhalts, die normative Ausgestaltung eines Berufsbildes an Veränderungen in der Berufswelt dadurch anzupassen, dass es zugunsten der Angehörigen dieses Berufs geändert oder um einzelne Regelungselemente ergänzt wird. Eine solche Verpflichtung wäre allenfalls in Betracht zu ziehen, wenn das Unterbleiben derartiger Änderungen oder Ergänzungen die Wahl und/oder die Ausübung des Berufs unverhältnismäßig erschwerte (BVerwG, Urteil vom 22.02.2002, a.a.O.). Dies vermag die Kammer nicht festzustellen.
Der von ihm erworbene Hochschulabschluss ist für den Kläger nicht wertlos. Durch ihn ist ihm der Zugang zum Arbeitsmarkt und die Ausübung eines Berufes in demselben Maße möglich wie allen anderen Absolventen der Ersten Juristischen Staatsprüfung, ob sie nun den Hochschulgrad Diplom-Jurist führen dürfen oder nicht.
In rechtlicher Hinsicht ist ein akademischer Grad für den Zugang zum Arbeitsmarkt nicht erforderlich. Der Kläger kann mit seinem Hochschulabschluss grundsätzlich jeden Beruf ergreifen, der anderen Absolventen des Jurastudiums mit Hochschulgrad eröffnet ist. Bei dem Grad handelt es sich um keine Berufsbezeichnung, die Hochschule verleiht dadurch weder den Beruf noch das Berufsausübungsrecht (Thieme, a.a.O., S. 322). Der akademische Grad Diplom-Jurist stellt weder eine notwendige Voraussetzung für einen bestimmten Beruf dar, wie es beispielsweise bei der Zweiten Juristischen Staatsprüfung für den Beruf des Richters oder Rechtsanwalts der Fall ist, noch wird dadurch eine konkrete berufliche Tätigkeit reglementiert. Er weist lediglich auf eine einmal erbrachte Leistung - die Prüfungsleistung - hin, nicht auf eine dauernd ausgeübte Tätigkeit (Thieme a.a.O.).
Der Kläger kann die erfolgreich abgelegte Hochschulprüfung mit seinem Zeugnis auch unproblematisch nach außen dokumentieren. Er ist aufgrund des Bestehens der Ersten Juristischen (Staats-) Prüfung gemäß § 35 Abs. 3 der Verordnung des Justizministeriums über die Ausbildung und Prüfung der Juristen vom 8. Oktober 2002 (Juristenausbildungs- und Prüfungsordnung - JAPrO) dazu berechtigt, die Bezeichnung Referendar (Ref. jur.) zu führen. An keiner Stelle in der Juristenausbildungs- und Prüfungsordnung ist die Rede von der durch den Kläger bemängelten Bezeichnung mit Erfolg geprüfter Rechtskandidat. Nach dem Bestehen der Zweiten juristischen Staatsprüfung wäre der Kläger dazu berechtigt, die Bezeichnung Rechtsassessor (Ass. jur.) zu führen (§ 56 Abs. 2 JAPrO). Die Bedeutung dieser Bezeichnungen, mögen sie auch nicht sonderlich griffig sein, ist den maßgeblichen Kreisen ohne Weiteres vertraut. Der Wunsch nach einem Diplom-Titel oder anderem anerkannten akademischen Grad mag zwar durchaus nachvollziehbar sein, zumal gerade das Diplom in Berufspraxis und Gesellschaft besonders geschätzt ist (Thieme a.a.O.). Ebenso verhält es sich mit dem Wunsch, die eigene Leistung durch Vorweisen eines Hochschulgrades zum Ausdruck zu bringen. Da ein solcher Grad indes rechtlich nicht erforderlich ist und der Kläger seine Qualifikation unproblematisch nachweisen kann, vermögen allein diese Erwägungen keinen Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG zu begründen.
Es kann des Weiteren nicht angenommen werden, dass potentielle Arbeitgeber allein anhand des Vorliegens des Grades Diplom-Jurist eine Vorauswahl treffen und eine Bewerbung des Klägers von vorneherein nicht berücksichtigen werden. Es erscheint wenig lebensnah anzunehmen, dass diese sich allein aufgrund des fehlenden Hochschulgrades gegen einen Bewerber entscheiden würden. Vielmehr wird es ihnen grundsätzlich vor allem darauf ankommen, welche Note in der Ersten Juristischen Staatsprüfung erzielt wurde und gegebenenfalls welche Zusatzqualifikationen (Sprachkenntnisse, Auslandserfahrungen, Praktika u.a.) der Bewerber aufweisen kann. In den maßgeblichen Kreisen dürfte es ferner hinreichend bekannt sein, dass aufgrund der Ersten Juristischen Staatsprüfung per se kein solcher Grad erworben wird. Schließlich handelt es sich bei den Rechtswissenschaften um einen Massenstudiengang mit zahlreichen Absolventen, dessen Ausbildungsstruktur seit Jahren besteht. Für die potentiellen Arbeitgeber ist ohne Weiteres aufgrund des Bestehens der Ersten Juristischen Staatsprüfung erkennbar, dass der Kläger ein akademisches Studium der Rechtswissenschaften erfolgreich abgeschlossen hat. Dadurch verfügt er über dieselbe Qualifikation wie andere Absolventen der Ersten Juristischen (Staats-) Prüfung. Zwar wurde eine Nachgraduierung inzwischen durch fast alle Universitäten in der Bundesrepublik eingeführt. Als erste Hochschule machte im Jahr 2001 die Universität Göttingen von dieser Möglichkeit Gebrauch. Mittlerweile wird mit Ausnahme der Universitäten Freiburg und Potsdam - und der Beklagten - von allen juristischen Fakultäten in Deutschland ein akademischer Grad aufgrund der Ersten Juristischen Prüfung verliehen. Insgesamt existiert die Möglichkeit der Nachgraduierung allerdings noch nicht lange genug, um die Annahme zu rechtfertigen, in den maßgeblichen Kreisen rufe ein fehlender Grad gesteigertes Erklärungsbedürfnis hervor. Überdies verleiht beispielsweise die Westfälische Wilhelms-Universität Münster den Grad Diplom-Jurist mittlerweile nur noch an Studenten, die spätestens zum Sommersemester 2007 das Studium der Rechtswissenschaften aufgenommen haben (http://www.jura.uni-muenster.de/go/studieren/studien informationszentrum/diplomjurist.html). Auch vor diesem Hintergrund erscheint es zumindest fraglich, ob es dauerhaft bei einer Verleihung des Grades Diplom-Jurist durch die überwiegende Mehrzahl der deutschen Hochschulen bleiben wird. Dies spricht ebenfalls gegen die Annahme, dass die Berufswelt bei Bewerbern mit Erster Juristischer Staatsprüfung grundsätzlich einen akademischen Grad erwartet. Selbst wenn sich der Kläger jedoch erklären müsste, weil er im Gegensatz zu Absolventen anderer Hochschulen keinen akademischen Grad aufweisen kann, wäre damit eine unzumutbare Beeinträchtigung seiner beruflichen Belange nicht verbunden.
Auch aufgrund der tatsächlichen Entwicklungen des Berufsbildes des Juristen kann kein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG angenommen werden. Wie dargelegt, ist dem Kläger der Zugang zum Arbeitsmarkt in derselben Weise eröffnet wie anderen Absolventen mit Erster Juristischer Staatsprüfung, egal ob mit oder ohne Hochschulgrad. Nach wie vor zielt die juristische Ausbildung grundsätzlich auf die Justizberufe (Richter, Staatsanwalt, Rechtsanwalt, Notar) oder die höhere Verwaltungslaufbahn ab. Für die Justizberufe wird die Befähigung zum Richteramt gesetzlich vorausgesetzt, also der Abschluss eines rechtswissenschaftlichen Studiums an einer Universität mit der ersten Prüfung und eines anschließenden Vorbereitungsdienstes mit der zweiten Staatsprüfung (vgl. § 5 Abs. 1 DRiG, § 4 BRAO, § 5 BNotO). Auch der Kläger selbst strebte ursprünglich den Erwerb der Befähigung zum Richteramt, also des Volljuristen an, scheiterte jedoch an der Zweiten Juristischen Staatsprüfung. Es mag zwar durchaus Juristen geben, die schon nach der Ersten Juristischen Staatsprüfung ins Berufsleben einsteigen, was insbesondere dann naheliegt, wenn keiner der klassischen Justizberufe angestrebt wird. Es drängen allerdings jedes Jahr eine Vielzahl von Volljuristen auf den Arbeitsmarkt. Im Jahr 2010 bestanden beispielsweise 671 Kandidaten die Zweite Juristische Staatsprüfung in Baden-Württemberg (Bericht des Landesjustizprüfungsamts des Landes Baden-Württemberg für das Jahr 2010, Die Justiz 4/2011, 77, 81). Will der Hochschulabsolvent tatsächlich als Jurist in der freien Wirtschaft tätig werden, befindet er sich stets in Konkurrenz zu den Volljuristen mit Zweiter Juristischer Staatsprüfung. Daran ändert auch ein akademischer Grad nichts. Es dürfte sich nach wie vor lediglich um wenige Berufsgruppen handeln, die für Absolventen, die die Erste Juristische Staatsprüfung erfolgreich abgelegt haben, in Betracht kommen. Dies gilt beispielsweise für Banken und Versicherungen, wobei auch hier die Konkurrenz zu Juristen mit Zweiter Juristischer Staatsprüfung groß sein dürfte bzw. eine Zusatzausbildung (Bank- oder Versicherungskaufmann) erforderlich sein könnte. Bekanntermaßen sind die Berufsaussichten auf dem Arbeitsmarkt für Absolventen der Zweiten Juristischen Staatsprüfung mit ausreichenden bis befriedigenden Examina begrenzt, wobei in Ermangelung von Alternativen viele den Anwaltsberuf ergreifen. Seit 1996 hat sich die Zahl der Anwälte bundesweit auf mehr als 150.000 fast verdoppelt - Tendenz steigend - wobei im Schnitt in der Bundesrepublik auf 516 Einwohner bzw. potenzielle Mandanten ein Anwalt kommt (Quelle: Wikipedia - Stichwort: Rechtswissenschaften, Stand 2011, http://de.wikipedia.org/wiki/ Rechtswissenschaft).
Weiterhin sind zwar in den letzten Jahren vermehrt Diplom-Wirtschaftsjuristen mit einer Fachhochschulausbildung und Diplom-Rechtspfleger in Konkurrenz zu den universitär ausgebildeten Juristen auf den Arbeitsmarkt getreten. In diesen drei Bereichen werden allerdings unterschiedliche Qualifikationen vermittelt, wodurch eine etwaige Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt deutlich entschärft wird. An den Universitäten wird insbesondere die juristische Methodik gelehrt, die den Juristen das Handwerkszeug zur Lösung juristischer Probleme vermittelt. Demgegenüber besteht bei den Wirtschaftsjuristen die Ausrichtung auf eine interdisziplinäre Qualifikation im Grenzbereich zwischen Wirtschaft und Recht und Diplom-Rechtspfleger nehmen nur bestimmte ihnen übertragene Aufgaben in der Justiz wahr. Absolventen dieser Studiengänge sind demgemäß in ganz anderer Weise juristisch qualifiziert als Juristen mit Erster Juristischer (Staats-) Prüfung. Außerdem sind Wirtschaftsjuristen und Rechtspfleger gegenüber letzteren insoweit im Nachteil, als sie gerade kein vollständiges juristisches Hochschulstudium aufweisen können. Sie sind vielmehr stärker auf ihre jeweiligen Bereiche spezialisiert und daher nicht so flexibel im Hinblick auf mögliche Tätigkeitsfelder wie der an der Universität ausgebildete sogenannte Einheitsjurist.
Darüber hinaus hat der Kläger keine weiteren Gesichtspunkte vorgetragen, die Grund zu der Annahme geben könnten, sein berufliches Fortkommen wäre unverhältnismäßig erschwert. Insbesondere ist nicht ersichtlich, inwiefern ihm das Ergreifen einer selbständigen Tätigkeit unzumutbar erschwert sein sollte. Auch hier ist es dem Kläger unter Hinweis auf die Erste Juristische Staatsprüfung möglich, seine Qualifikation zu bescheinigen. Ferner ist es ihm durchaus möglich, beispielsweise mit dem Begriff Jurist für sich zu werben.
Sonstige Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Abwägung der Beklagten im Rahmen ihres Satzungsermessens sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist nicht davon auszugehen, dass die Beklagte die hochschulpolitischen Gründe für den Nichterlass der Diplomierungssatzung mit den Belangen der Studierenden und Absolventen fehlerhaft abgewogen hat. Die Beklagte möchte nicht den falschen Eindruck des Erwerbs einer weiteren Ausbildung wecken und eine Verwechslung mit der früher in der DDR verliehenen Bezeichnung Diplom-Jurist vermeiden. Diese Gründe sind nachvollziehbar und angesichts der allenfalls geringen Auswirkungen auf die Berufsfreiheit auch nicht unverhältnismäßig.
An dieser Bewertung ändert auch der Bologna-Reformprozess zur Angleichung der Studienabschlüsse nichts. Danach soll ein System leicht verständlicher und vergleichbarer Abschlüsse geschaffen werden mit dem Ziel, die arbeitsmarktrelevanten Qualifikationen der europäischen Bürger ebenso wie die internationale Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Hochschulsystems zu fördern, (vgl. Gemeinsame Erklärung der Europäischen Bildungsminister vom 19. Juni 1999, Bologna, http://www.bmbf.de/pub/bologna_deu.pdf). Im Zuge dessen wurden an den deutschen Hochschulen die Diplom- und Magisterstudiengänge durch Bachelor- und Masterstudiengänge ersetzt (vgl. nur § 29 Abs. 2 Satz 1 LHG). Eine Umsetzung der Bologna-Richtlinien für Juristen wurde durch die Justizminister allerdings bisher ausdrücklich abgelehnt. Es werde weder ein Berufsbild noch ein Bedarf für Bachelor-Juristen gesehen. Der Bologna-Prozess mache eine Abkehr von der erst jüngst durch den Gesetzgeber getroffenen Grundentscheidung, es bei der einheitsjuristischen Ausbildung zu belassen, nicht nötig (Bericht des Ausschusses der Justizministerkonferenz zur Koordinierung der Juristenausbildung - Der Bologna-Prozess und seine möglichen Auswirkungen auf die Juristenausbildung, Stand 15.10.2005 S. 114, 303, abrufbar z.B. unter http://www.landgericht-mannheim.de/servlet/PB/show/1232024/Bologna-Bericht%20 2005.pdf). Zwar hat die Justizministerkonferenz auf ihrer Herbsttagung 2008 den Ausschuss zur Koordinierung der Juristenausbildung gebeten, anhand unterschiedlicher Modelle Möglichkeiten und Konsequenzen einer Bachelor-Master-Struktur einschließlich der berufspraktischen Phase unter Berücksichtigung des entwickelten Diskussionsmodells eines Spartenvorbereitungsdienstes aufzuzeigen und bis spätestens 2011 zu berichten (Beschluss der Herbstkonferenz der Justizministerinnen und Justizminister am 20. November 2008 in Berlin, http://www.justiz.nrw.de/WebPortal/JM/justizpolitik/jumiko/be schluesse/2008/herbstkonferenz08/I_1.pdf). Derzeit wird allerdings an dem bisherigen zweistufigen Modell festgehalten. Überdies beträfe eine konkrete Umsetzung der Bologna-Richtlinien die Umwandlung des Jurastudiums in ein modulares Studium mit Bachelor- und Masterabschluss. Nicht hingegen ginge es um die im vorliegenden Fall streitgegenständliche Einführung von Diplom-Studiengängen, diese sind zu einem großen Teil schon im Rahmen der Bologna-Reformen abgeschafft worden und sollen insgesamt ganz abgeschafft werden. Zum Teil wurde deshalb von Universitäten, wie z.B. der Universität Münster, bereits die Konsequenz gezogen, die Diplomierungsmöglichkeit wieder auslaufen zu lassen.
Auch die vom Kläger zitierte Empfehlung zur Reform der staatlichen Abschlüsse des Wissenschaftsrates vom 15.11.2002, gemäß der der Wissenschaftsrat als einen ersten Schritt zur Reform der staatlichen Abschlüsse die Hochschulen mit Nachdruck dazu auffordere, konsekutive Studiengänge für das Lehramt und die juristische Ausbildung zu entwickeln und den Absolventen auf Grund einer erfolgreich bestandenen staatlichen Prüfung zugleich einen Hochschulgrad zu verleihen, wie dies § 18 des HRG ausdrücklich vorsehe (http://www.hrk.de/bologna/de/download/dateien/Empfehlung_WissRat_staatl_Abschl_2002.pdf), ist nicht geeignet, das Normsetzungsermessen der Beklagten in rechtserheblicher Weise einzuschränken. Der Wissenschaftsrat ist ein lediglich beratendes Organ für Bundes- und Länderregierungen, er gibt Empfehlungen zur inhaltlichen und strukturellen Entwicklung der Hochschulen, der Wissenschaft und der Forschung ab (vgl. www.wissenschaftsrat.de). Nicht anders verhält es sich mit der Justizministerkonferenz, die die Einführung eines Hochschulgrades für Juristen mit Erster Juristischer (Staats-) Prüfung seit 1997 befürwortet. Zuletzt wird davon abgesehen, eine Empfehlung für die Einführung eines bestimmten Grades auszusprechen, aber vorgeschlagen, dass die Justizministerkonferenz gegenüber den Universitäten nochmals nachdrücklich anrege, den Absolventinnen und Absolventen der Ersten Juristischen (Staats-) Prüfung zusätzlich einen akademischen Abschlussgrad zu verleihen (Bericht des Ausschusses der Justizministerkonferenz zur Koordinierung der Juristenausbildung für die Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister vom 11. bis 13. Juni 2001 in Trier, S 19, zu finden unter http ://www.justiz.nrw.de/JM/landesjustizpruefungsamt/2_jur_staatspr/pdf/bericht.pdf). Rechtliche Bindungen für die Normsetzung der Beklagten ergeben sich hieraus indes nicht.
Durch den Nichterlass der Satzung verstößt die Beklagte schließlich auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Es besteht keine Ungleichbehandlung des Klägers mit Absolventen anderer Universitäten. Eine Ungleichbehandlung setzt voraus, dass verfassungsrechtlich relevante Vergleichsfälle herangezogen werden (Sachs, Kommentar zum Grundgesetz, 5. Auflage 2009, Art. 3 Rn. 80). Die Absolventen der Beklagten und die Absolventen anderer Hochschulen stellen jedoch unterschiedliche Vergleichsgruppen dar. Bei der Beklagten handelt es sich um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 8 Abs. 1 Satz 1 LHG), die das Recht zur Selbstverwaltung im Rahmen der Gesetze hat (§ 8 Abs. 1 Satz 4 LHG). Innerhalb des eigenen Zuständigkeitsbereichs einer Selbstverwaltungskörperschaft kann zwar eine Ungleichbehandlung vorliegen, nicht jedoch zwischen verschiedenen autonomen Körperschaften (Dürig in Maunz-Dürig, Grundgesetz Kommentar, Stand Oktober 2010, Art. 3 Abs. 1 Rn. 245). Eine Ungleichbehandlung könnte vorliegend also dann angenommen werden, wenn der Kläger gegenüber anderen Absolventen der Beklagten benachteiligt würde. Das ist jedoch nicht der Fall. Keiner der Hochschulabsolventen der Beklagten erhält den Hochschulgrad Diplom-Jurist. In anderen Studiengängen, die in einer staatlichen Prüfung enden, hat sie von der Ermächtigung des § 35 Abs. 2 LHG ebenfalls keinen Gebrauch gemacht. Bei der Beklagten können in den Fächern Medizin, Zahnmedizin, Pharmazie und den Lehramtsstudiengängen für Gymnasien staatliche Prüfungen absolviert werden. Auch diesen Absolventen wird kein Hochschulgrad verliehen.
Ein Gleichheitsverstoß folgt auch nicht daraus, dass die Absolventen anderer Studiengänge, die nicht mit einer staatlichen oder kirchlichen Prüfung enden, einen akademischen Grad erhalten. Denn dies ist gemäß § 35 Abs. 1 LHG immer der Fall, während es nach § 35 Abs. 2 LHG bei einer staatlichen oder kirchlichen Prüfung im Ermessen der Beklagten liegt. Im Vergleich zu Abs. 1 besteht nach Abs. 2 gerade keine Verpflichtung der Hochschulen zur Verleihung eines Hochschulgrades. Es ist danach erkennbarer Wille des Landesgesetzgebers, dass die Hochschule hierüber frei innerhalb ihrer Satzungsautonomie entscheiden kann. Die divergierende Regelung ist letztlich Ausfluss der unterschiedlichen Ausbildungsstruktur eines universitären Studiums mit Erwerb eines Hochschulabschlusses durch Hochschulprüfung und eines solchen, das mit einer staatlichen oder kirchlichen Prüfung endet, wie etwa die juristische Ausbildung. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG kann hieraus nicht abgeleitet werden.
Entsprechendes gilt für die Tatsache, dass an allen Universitäten in Baden-Württemberg dieselben Klausuren in der Staatsprüfung gestellt werden. Das liegt daran, dass zur Sicherung bestimmter Qualifikationsstandards diese Prüfungen nicht der Eigenregie der Hochschulen unterliegen, sondern vom Staat (Landesjustizprüfungsamt) durchgeführt werden. Über das Staatsexamen will der Staat den Kenntnis- und Leistungsstand zentraler Berufsgruppen wie Richter, Lehrer und Ärzte im Interesse der Bevölkerung garantieren. Durch die staatliche Kontrolle und Ausgestaltung bestimmter Ausbildungen sollen Qualität, Vergleichbarkeit und Transparenz solcher Qualifikationen gesichert werden, die für die Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten und für das öffentliche Wohl von besonderer Bedeutung sind. Außerdem sollen die staatlichen Prüfungsämter für Verfahrens- und Rechtssicherheit sorgen. Dadurch wird jedoch die grundgesetzlich garantierte Autonomie der Hochschulen, insbesondere auch in der Frage der normativen Einführung eines Hochschulgrades, nicht berührt. Eine Kooperation mit der Universität Mannheim führt ebenfalls nicht dazu, dass diese und die Beklagte als eine einheitliche Körperschaft anzusehen sind. Davon abgesehen ist von der Kooperation lediglich die Anerkennung bestimmter Seminarscheine bei der Zulassung zur Ersten Juristischen Staatsprüfung erfasst.
Mit Blick auf die erwähnte Autonomie der Hochschulen kommt schließlich der Tatsache, dass der Kläger über die Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS), jetzt Stiftung für Hochschulzulassung, der Beklagten zugeteilt wurde, keine maßgebliche Bedeutung zu. Der Kläger hätte während des Studiums überdies jederzeit die Möglichkeit gehabt, an eine andere Hochschule zu wechseln. Es mag zwar sein, dass er damals noch davon ausging, auch die Zweite Juristische Staatsprüfung zu absolvieren und deshalb an solche Fragen wie den Erwerb eines Hochschulgrades nach der Ersten Juristischen Staatsprüfung gar nicht gedacht hat. Dies ist jedoch letztlich seiner Risikosphäre zuzurechnen und führt nicht zu einer Verletzung in Art. 3 Abs. 1 GG.
Ob der Nichterlass der begehrten Regelung die sachgerechteste und zweckmäßigste Lösung darstellt, unterliegt nicht der Beurteilung der Kammer. Diese kann sich schon aus Gründen der Gewaltenteilung nicht an die Stelle der Beklagten setzen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die Berufung ist zuzulassen, weil die Frage, ob die Beklagten gegenüber Juristen mit Erster Juristischer Staatsprüfung zum rückwirkenden Erlass einer Diplomierungssatzung verpflichtet ist, grundsätzliche Bedeutung besitzt (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
BESCHLUSS
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 18.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom 07./08.07.2004 (DVBl. 2004, 1529) auf EUR 15.000,- festgesetzt.
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.
VG Karlsruhe:
Urteil v. 16.02.2011
Az: 7 K 1535/10
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/9c5ce879a703/VG-Karlsruhe_Urteil_vom_16-Februar-2011_Az_7-K-1535-10