Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. Januar 2003
Aktenzeichen: 21 W (pat) 5/02
(BPatG: Beschluss v. 09.01.2003, Az.: 21 W (pat) 5/02)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Bundespatentgericht hat am 9. Januar 2003 beschlossen, den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse A 61 B des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. November 2001 aufzuheben und das Patent zu erteilen. Die Bezeichnung des Patents ist "Vorrichtung zur Darstellung entzündeter Lungenbereiche", und es wurde am 18. September 2000 angemeldet. Die Erteilung basiert auf eingereichten Patentansprüchen und einer Beschreibung, die in der mündlichen Verhandlung am 9. Januar 2003 überreicht wurden. Das Patent gilt als neu und beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die Patentansprüche erfüllen die formalen Anforderungen und die Unteransprüche enthalten vorteilhafte Ausgestaltungen des Gegenstands nach Anspruch 1. Das Patent wird unter dem Aktenzeichen erteilt.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 09.01.2003, Az: 21 W (pat) 5/02
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse A 61 B des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. November 2001 aufgehoben und das Patent erteilt.
Bezeichnung: Vorrichtung zur Darstellung entzündeter Lungenbereiche Anmeldetag: 18. September 2000 Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:
Patentansprüche 1 bis 4, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 9. Januar 2003, Beschreibung Seiten 1, 2, 2a, 3 bis 5, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 9. Januar 2003, 1 Blatt Zeichnung, eingegangen am 18. September 2000.
Gründe
I.
Die Patentanmeldung wurde am 18. September 2000 unter der Bezeichnung "Vorrichtung zur Diagnose und Behandlung der Pneumonie" beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht. Die Offenlegung erfolgte am 8. Mai 2002.
Die Prüfungsstelle für Klasse A 61 B hat mit Beschluss vom 14. November 2001 die Anmeldung auf Grund mangelnder Neuheit des Gegenstands nach Anspruch 1 zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.
Die geltenden, in der mündlichen Verhandlung überreichten Ansprüche 1 bis 4 lauten:
"1. Vorrichtung zur Darstellung entzündeter Lungenbereiche mit Hilfe eines MR-Tomographen, g e k e n n z e i c h n e t d u r c h eine Auswerteeinrichtung zur automatischen Kennzeichnung entzündeter Lungenbereiche in den gespeicherten und/oder ausgedruckten Bilddaten, wobei durch die Auswerteeinrichtung mittels Segmentierung die entzündeten Lungenbereiche aufgrund des erhöhten Wasseranteils erkennbar und markierbar sind, indem die Auswerteeinrichtung über die Signalstärke bei der Segmentierung selbsttätig die Umrisse des Brustkorbes, außerhalb dessen das MR-Signal idealerweise Null ist, das Herz als starkes Signal und die Lunge als relativ schwaches Signal erkennt und innerhalb der Lunge über einen Algorithmus den Mittelwert der Signalintensität erzeugt, um anschließend alle Pixel mit einer Signalintensität über einem vorgebbaren aus dem Mittelwert abgeleiteten Schwellenwert zu markieren, wenn gleichzeitig ein vorgebbarer Anteil dieser Pixel benachbart angeordnet ist.
2. Vorrichtung nach Anspruch 1, g e k e n n z e i c h n e t d u r c h eine Speicher- und Bewertungseinrichtung zur zeitlich gestaffelten Vermessung und Speicherung der entzündeten Lungenbereiche unter gleichzeitiger Abspeicherung der Bildaufnahmezeitpunkte zur Kontrolle des Therapieverlaufes.
3. Vorrichtung nach Anspruch 2, d a d u r c hg e k e n n z e i c h n e t , dass in zeitlich versetzten Bildaufnahmen eine unterschiedliche Markierung, insbesondere Einfärbung, der entzündeten Lungenbereiche und eine Überlagerung der verschiedenen Bildaufnahmen erfolgt.
4. Vorrichtung nach Anspruch 2 oder 3, g e k e n n z e i c h n e td u r c h eine Vergleichseinrichtung, die die Daten der Speicher- und Bewertungseinrichtung mit vorgegebenen Therapieverläufen vergleicht und gegebenenfalls automatisch ein Alarm- und/oder Therapieänderungssignal erzeugt."
Dem Anmeldungsgegenstand liegt die Aufgabe zugrunde, eine Vorrichtung zur Darstellung entzündeter Lungenbereiche zu schaffen, die ohne Strahlenbelastung des Patienten sowohl ein rasches Erkennen einer Lungenentzündung auch im Hinblick auf deren örtliche Ausdehnung ermöglicht und dadurch eine bessere und sichere Therapierung gestattet (Beschreibung überreicht in der mündlichen Verhandlung am 9. Januar 2003 Seite 2, zweiter Absatz).
Die Anmelderin hält den Gegenstand des Patentanspruchs 1 für neu und erfinderisch. Sie führt dazu aus, dass in der einzigen im Verfahren befindlichen Entgegenhaltung DE 44 36 263 A1, im Folgenden (1) genannt, die Hervorhebung der Tiefe einer Struktur senkrecht zur Bildebene durch geeignete Einfärbungen beschrieben sei. Demgegenüber handle es sich beim Anmeldungsgegenstand um die Darstellung der genauen Begrenzung eines entzündeten Bereichs in der flächigen Darstellung durch entsprechende Einfärbung.
Die Anmelderin stellt den Antrag:
angefochtenen Beschluss aufzuheben und ein Patent mit den in der mündlichen Verhandlung eingereichten Unterlagen (Patentansprüche 1 bis 4, Beschreibung S. 1, 2, 2a, 3 bis 5) sowie mit einem Blatt Zeichnung, eingegangen am 18. September 2000, zu erteilen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist begründet, denn der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist neu und beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die Unteransprüche betreffen vorteilhafte Ausgestaltungen des Gegenstands nach Anspruch 1 und die übrigen Unterlagen erfüllen insgesamt die an sie zu stellenden Anforderungen.
Die Patentansprüche sind formal zulässig. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist in den ursprünglichen Ansprüchen 1 bis 3 offenbart und die Ansprüche 2 bis 4 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 4 bis 6.
Die Ansprüche 1 bis 4 fallen unter die Patentkategorie Erzeugnispatent, wobei neben den gegenständlichen Merkmalen auch funktionelle Merkmale zur klarstellenden Konkretisierung der gegenständlichen Merkmale vorhanden sind. Diese Verwendung von funktionellen Merkmalen zur Definition der erzielten Wirkung oder Eigenschaft von gegenständlichen Merkmalen ist nach gängiger Rechtsprechung zulässig (vgl. GRUR 1981, 260 (IIa) - Heuwerbungsmaschine II und Schulte 6. Auflage, § 1 PatG Rdn 302-304 in Verbindung mit Rdn 133ff sowie §34 PatG Rdn 100ff).
Der gewerblich anwendbare Gegenstand nach Anspruch 1 ist neu, denn der einzigen im Verfahren befindlichen Druckschrift (1) ist keine Vorrichtung zur Darstellung entzündeter Lungenbereiche zu entnehmen.
Dem Gegenstand des Anspruchs 1 liegt auch eine erfinderische Tätigkeit zugrunde.
Aus der Druckschrift (1) ist ein Verfahren und ein System zur Darstellung der 3D-Messdaten eines Volumens in zweidimensionalen Schnittbildern bekannt. Dieses Verfahren und System eignet sich zur Visualisierung der Messdaten aus der Computer- oder Kernspin-Tomographie in der Medizin (vgl. die Zusammenfassung), wobei der räumliche Verlauf von Strukturen durch Einfärbung der detektierten Helligkeitssignale visualisiert wird. Damit ist es möglich, für eine ausgewählte Schichtebene (Referenzebene) mit entsprechenden Strukturen, die räumliche Veränderung der Strukturen in dahinter- oder davorliegenden Schichtebenen mittels Farbsignalen darzustellen (vgl. Sp. 2, Z. 29ff). Zur Analyse von Strukturgrenzen in der Referenzebene kommt dabei ein geeignetes Segmentierverfahren zum Einsatz (vgl. Sp. 4, Z. 63ff).
Der Druckschrift (1) ist weder ein Hinweis auf eine Vorrichtung zur Darstellung entzündeter Lungenteile zu entnehmen, noch finden sich Anregungen das in (1) beschriebene System in einer diesbezüglichen Vorrichtung zu verwenden. Aber selbst wenn der Durchschnittsfachmann, ein Diplomphysiker oder Diplomingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik, der in medizinischen Fragen von einem Arzt unterstützt wird, versucht hätte, die in (1) gezeigte Lehre auf eine Vorrichtung zur Darstellung entzündlicher Lungenteile zu übertragen, so wäre ihm nur der Weg gewiesen worden, in den Bilddaten den Verlauf dreidimensionaler Strukturen in den zweidimensionalen Bildern durch Einfärbungen sichtbar zu machen. Demgegenüber wird beim Gegenstand nach Anspruch 1 ein völlig anderer durch die Ausführungen in (1) bzw. das Fachwissen des Durchschnittsfachmann nicht nahegelegter Weg beschritten. So ist eine Auswerteeinrichtung vorgesehen, durch die in den Bilddaten mittels Segmentierung der Bereich der Lunge bestimmbar und innerhalb der Lunge der Mittelwert der Bilddaten erzeugbar ist. In der Auswerteeinrichtung werden anschließend diejenigen Pixel in der Lunge markiert, deren Signalintensität über einem aus dem Mittelwert ableitbaren Schwellenwert liegt, wobei gleichzeitig ein vorgebbarer Anteil dieser Pixel benachbart angeordnet sein muss.
Aus dem bekannt gewordenen Stand der Technik ist die erfindungsgemäße Vorrichtung zur Darstellung entzündeter Lungenteile nach Anspruch 1 demnach nicht nahegelegt.
Der Patentanspruch 1 ist daher gewährbar.
Die auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 4 enthalten vorteilhafte und nicht selbstverständliche Ausgestaltungen des Gegenstandes nach Anspruch 1 und sind zusammen mit diesem ebenfalls gewährbar.
Dr. Winterfeldt Klosterhuber Dr. Franz Dr. Strößner Pr
BPatG:
Beschluss v. 09.01.2003
Az: 21 W (pat) 5/02
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/9d82b33594bb/BPatG_Beschluss_vom_9-Januar-2003_Az_21-W-pat-5-02