Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 10. September 2009
Aktenzeichen: I-6 U 14/09

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 10.09.2009, Az.: I-6 U 14/09)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat in einem Urteil vom 10. September 2009 die Berufung der Klägerin gegen ein früheres Urteil des Landgerichts Düsseldorf zurückgewiesen. Die Klägerin verlangte von der Beklagten, einem Kreditinstitut, Schadensersatz aufgrund von unrichtigen Pressemitteilungen und dem Verschweigen von Insiderinformationen. Die Klägerin hatte Aktien der Beklagten erworben und anschließend mit Verlust wieder verkauft. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen, und das Oberlandesgericht bestätigte diese Entscheidung. Es fehlte an einem schadensersatzrechtlichen Anspruch der Klägerin, da die Beklagte weder den Kapitalmarkt bewusst falsch informiert noch eine erforderliche Adhoc-Mitteilung unterlassen hatte. Ein Anspruch aus anderen gesetzlichen Bestimmungen wie dem Aktiengesetz oder dem Wertpapierhandelsgesetz lag ebenfalls nicht vor. Das Gericht lehnte auch einen Antrag der Klägerin ab, das Verfahren bis zur Erledigung eines laufenden Strafverfahrens gegen den früheren Vorstandssprecher der Beklagten auszusetzen oder die Strafakten beizuziehen. Die Klägerin legte gegen das Urteil keine Revision ein. Der Streitwert für das Berufungsverfahren betrug 9.318,45 €.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OLG Düsseldorf: Urteil v. 10.09.2009, Az: I-6 U 14/09


Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 13. Januar 2009 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückge-wiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten - einem Kreditinstitut in der Rechtsform der Aktiengesellschaft - Schadensersatz, weil sie durch unrichtige Pressemitteilungen und das vorsätzliche Verschweigen von Insiderinformationen über die Auswirkungen der sog. Subprime-Krise auf die wirtschaftliche Lage der Beklagten Verluste aus dem Erwerb von deren Aktien erlitten haben will.

Sie erwarb am 25. Juli 2007 von ihrer Hausbank "A-Bank" 600 Stück Aktien der Beklagten zu einem Gesamtpreis von 14.364,45 € (= 600 x 23,68 € + 142,08 € Provision + 11,37 € Maklergebühr + 3,00 € Spesen gemäß dem Ankaufsbeleg vom 25. Juli 2007 (Anlage K 3)(. Am 30. November 2007 veräußerte sie diese wieder zu einem Gesamtpreis von nunmehr nur noch 5.046,00 € (= 5.100,00 € - 51,00 € Provision - 3,00 € Spesen gemäß dem Verkaufsbeleg vom 30. November 2007 (Anlage K 5). Den ihr aus der Differenz zwischen dem von ihr gezahlten Kaufpreis und dem Erlös aus der Wiederveräußerung entstandenen Verlust von 9.318,45 € (= 14.364,45 € - 5.046,00 €( verlangt sie von der Beklagten ersetzt.

Durch das angefochtene Urteil, auf das wegen aller weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und wegen der Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

Auch nach der in der mündlichen Verhandlung vom 10. September 2009 erklärten Rücknahme des unerledigten Tatbestandsberichtigungsantrages der Beklagten vom 02. Februar 2009 von Amts wegen zu berichtigen und gleichzeitig klarstellend zu ergänzen sind allerdings die Absätze 4 und 5 im unstreitigen Tatbestand auf der Seite 3 des angefochtenen Urteils, die - wegen des Sachzusammenhanges unter Einbeziehung auch des Absatz 6 - zutreffend wie folgt zu fassen sind:

"Ende Juli 2007 brach der Markt für ABCP’s infolge der Probleme auf dem US-Hypothekenmarkt vollständig zusammen. Das R-Conduit konnte seine Kreditgeschäfte daraufhin nicht mehr in der bisherigen Weise durch die Ausgabe von ABCP-Wertpapieren refinanzieren. Gleichzeitig sperrte am Morgen des 27. Juli 2007 die B-Bank die der Beklagten bis dahin eingeräumten Handelslinien im Interbankenverkehr. Andere Kreditinstitute folgten ihr in gleicher Weise nach.

Um Zahlungsprobleme der Beklagten aufgrund einer drohenden Inanspruchnahme derselben aus den von ihr dem R-Conduit eingeräumten Liquiditätslinien bei gleichzeitiger Unmöglichkeit einer eigenen Refinanzierung auf dem Interbankenmarkt zu vermeiden, kam es am letzten Wochenende im Juli (28./29. Juli 2007) zu umfassenden Krisengesprächen unter Beteiligung unter anderem der KfW als der damaligen Hauptaktionärin der Beklagten, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen, der Deutschen Bundesbank und des Bundesfinanzministeriums.

Als Ergebnis wurde ein Rettungsschirm für die Beklagte gespannt, um deren wirtschaftliches Überleben zu sichern. In diesem Zuge wurde auch der Vorstandssprecher der Beklagten abgelöst. Am 30. Juli 2007 um 01:49 Uhr wurden diese Vorgänge durch eine Adhoc-Mitteilung offengelegt, in der die Beklagte eine Gewinnwarnung auf Grund ihres Engagements auf dem US-Immobilienmarkt aussprach und unter anderem mitteilte, dass ihre Bonität in Frage gestellt sei und dass das prognostizierte Jahresergebnis deutlich niedriger als 280 Mio. Euro ausfallen werde. Am 07. August 2007 wurde die Beklagte sodann erstmals von einer der mit ihr in Verbindung stehenden Zweckgesellschaften aus den von ihr eingeräumten Liquiditätslinien in Anspruch genommen, konnte ihren insoweit übernommenen Verpflichtungen aber aufgrund des zwischenzeitlich gespannten Rettungsschirmes nachkommen."

Außerdem ist der zweite Absatz auf Seite 4 des angefochtenen Urteils dahingehend zu berichtigen, dass es dort in der ersten Zeile richtig nicht "Pressemitteilung vom 30. Juli 2007", sondern "Pressemitteilung vom 20. Juli 2007" heißen muss.

Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Klagebegehren weiter. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und macht insbesondere geltend:

Die Beklagte habe sie durch die Veröffentlichung der Pressemitteilung vom 20. Juli 2007 vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt. Jedenfalls in der Zeit vor der Herausgabe dieser Pressemitteilung habe sie die ihr finanziell drohenden Risiken auch schon bei Zugrundelegung ihres eigenen Vortrages hinreichend erkannt. Die Klage sei daher bereits ohne Durchführung einer Beweisaufnahme in ihrem Sinne entscheidungsreif. Nur für den Fall, dass der Senat dies anders beurteilen sollte, beantrage sie vorsorglich die Beiziehung des unter anderem wegen des Vorwurfs der Börsenpreismanipulation (§§ 38 Abs. 2, 39 Abs. 2 Nr. 11, 20a Abs. 1 Nr. 1 WpHG) im Zusammenhang mit der Pressemitteilung vom 20. Juli 2007 gegen den früheren Vorstandssprecher der Beklagten geführten Strafverfahrens, hilfsweise jedoch zumindest eine Aussetzung des vorliegenden Verfahrens gemäß § 149 ZPO im Hinblick auf jenes Strafverfahren.

Die schließlich zum Zusammenbruch der Märkte führende Markttendenz habe sich bereits seit Monaten abgezeichnet, weshalb auch die Bond-Spreads für die von der Beklagten emittierten Anleihen vor allem in der letzten Woche vor dem 20. Juli 2007 bereits erheblich angestiegen seien. Am 19. Juli 2007 habe außerdem der Präsident der amerikanischen Zentralbank Ben Bernanke schon deutlich vor zu erwartenden Ausfällen wegen der "Subprime-Krise" in einer Größenordnung von bis zu 100 Milliarden US-Dollar gewarnt. Nach den Umständen stehe damit nicht nur fest, dass die Presseerklärung der Beklagten vom 20. Juli 2007 objektiv unrichtig gewesen sei, sondern auch, dass die Beklagte dies erkannt und eine Schädigung von Anlegern durch die Herausgabe ihrer Erklärung dennoch zumindest billigend in Kauf genommen habe. Die Kündigung der Kreditlinien der Beklagten durch die B-Bank zeige, dass jedenfalls diese die bei der Beklagten bestehenden Risiken am 27. Juli 2007 gekannt haben müsse. Damit könne sich aber auch die Beklagte selbst mit ihren viel weiter gehenden internen Erkenntnismöglichkeiten nicht mehr darauf zurückziehen, dass ihr die bestehende Gefahrenlage vor dem 27. Juli 2007 angeblich noch vollkommen unbekannt gewesen sei.

Ausgehend von dem somit anzunehmenden Vorsatz habe die Beklagte auch sittenwidrig gehandelt. Die abweichende Beurteilung des Landgerichts beruhe auf einer grundsätzlich unrichtigen Ausgangsbasis und verenge in mehrfacher Hinsicht den Blickwinkel durch einen ungerechtfertigten Vergleich mit vom Bundesgerichtshof schon entschiedenen Präzedenzfällen. Zu Unrecht gehe das Landgericht davon aus, dass eine Haftung gemäß § 826 BGB nur dann in Betracht komme, wenn der Täter für eigene Zwecke handele. Angesichts der heute üblichen Vergütungsstrukturen sei außerdem anzunehmen, dass der Vorstandsvorsitzende der Beklagten auch eigene Aktien gehalten und somit bei der selbst nach dem eigenen Vortrag der Beklagten auf eine Beeinflussung des Aktienkurses zielenden Pressemitteilung jedenfalls auch eigene Zwecke verfolgt habe.

Zu Unrecht habe das Landgericht auch die Kausalität der Pressemitteilung für ihre Anlageentscheidung in Frage gestellt. Entgegen dem angefochtenen Urteil könne sie sich auf die Grundsätze des Anscheinsbeweises berufen, da ein Aktienkauf im Zusammenhang mit einer Pressemitteilung auf einen typischen Lebenssachverhalt herunter gebrochen werden könne. Die nur leichte Abwärtsbewegung des Aktienkurses der Beklagten in der Zeit vor dem Kauf könne diesen Anscheinsbeweis nicht erschüttern. Im Übrigen habe die Beklagte die positive Anlagestimmung, die ihrer Kaufentscheidung zugrunde gelegen habe, gerade dadurch herbeigeführt, dass sie die kurzfristigen Kursrückgänge ihrer Aktien in den Tagen vor der Veröffentlichung der Pressemitteilung zu Unrecht als nicht begründet dargestellt habe. Allein schon der geringe zeitliche Abstand von nur fünf Tagen sei als Indiz für den Kausalzusammenhang zwischen ihrer Kaufentscheidung und der Pressemitteilung ausreichend.

Auch die Voraussetzungen einer Haftung der Beklagten gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG seien gegeben. Die Pressemitteilung vom 20. Juli 2007 sei als Darstellung des Vermögensstandes der Gesellschaft im Sinne dieser Vorschrift zu bewerten. Als eine Darstellung in diesem Sinne seien grundsätzlich alle Berichte des Vorstandes oder des Aufsichtsrates zu behandeln, auf deren Grundlage eine Gesamtbeurteilung der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft möglich sei. Das sei hier jedoch der Fall. Im Übrigen habe sich die Beklagte keineswegs nur auf die Mitteilung von Erwartungen und vorläufigen Ergebnissen beschränkt, sondern auch die Ergebnisse der Analysen verschiedener Rating-Agenturen mitgeteilt und mit ihrer aktuellen Lage verglichen und sich dabei keineswegs zurückhaltend oder bloß unter Vorbehalt geäußert.

Schließlich habe das Landgericht auch eine Haftung der Beklagten gemäß § 37b Abs. 1 Nr. 1 WpHG zu Unrecht abgelehnt. Wie sich schon aus ihrem Vortrag zu den übrigen Anspruchsgrundlagen ergebe, seien sich die Vorstandsmitglieder der Beklagten der Gefahren der US-Immobilienkrise in vollem Umfang bewusst gewesen. Anders ließen sich auch die mittlerweile bekannt gewordenen Presseberichte nicht erklären, durch die sich die Vorwürfe gegen den Vorstand der Beklagten zunehmend weiter erhärtet hätten. Zu beachten sei in diesem Zusammenhang auch der Versuch der Beklagten, sich schon im November 2006 bei der C-Company gegen die Risiken aus den streitgegenständlichen Wertpapiergeschäften zu versichern.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an sie 9.318,45 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 891,31 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie macht geltend: Das Landgericht habe die Klage - ebenso wie eine Reihe anderer Kammern des Landgerichts Düsseldorf sowie der 9. und der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf in mehreren Parallelfällen - zu Recht und aus zutreffenden Gründen abgewiesen.

Ein Anspruch der Klägerin aus § 826 BGB scheitere am fehlenden Vorsatz, denn die ihr - der Beklagten - drohende Existenzkrise der Beklagten sei für sie vor dem 27. Juli 2007 nicht erkennbar gewesen. Die allmählich heraufziehende Krise am US-Hypothekenmarkt habe zur Auslösung dieser Krise ebenso wenig ausgereicht wie ihre Zusammenarbeit mit dem R-Conduit und die Übernahme der Liquiditätslinien für diese Zweckgesellschaft. Aufgrund des überwiegend guten Ratings ihrer Investitionen, wegen der eigenen, von ihr bereit gehaltenen Liquididätsreserven und wegen ihrer zusätzlichen Refinanzierungsmöglichkeiten bei anderen Banken habe sie zu Recht davon ausgehen dürfen, von der sich abzeichnenden Krise nur wenig oder sogar überhaupt nicht betroffen zu sein.

Die Situation habe sich erst durch die Sperrung ihrer Handelslinien auf dem Interbankenmarkt von Seiten der B-Band und anderer Kreditinstitute am 27. Juli 2007 und durch den gleichzeitigen Zusammenbruch des ABCP-Marktes plötzlich und unvorhersehbar verändert, durch den für sie und für das R-Conduit eine Refinanzierung in der bisherigen Weise ab dem 30. Juli 2007 nicht mehr möglich gewesen sei, so dass nunmehr einerseits mit einer umfassenden und dauerhaften Inanspruchnahme aus den von ihr für das R-Conduit übernommenen Liquiditätslinien habe gerechnet werden müssen und andererseits ihr selbst die Beschaffung der dafür notwendigen Refinanzierungsmittel nicht mehr möglich gewesen sei. Diese Ereignisse seien keine zwangsläufige Folge der allgemeinen volkswirtschaftlichen Entwicklung gewesen, sondern stellten sich im wesentlichen als die Folge eines in dieser Form noch nie dagewesenen Vertrauensverlustes aller Marktteilnehmer dar, mit dem in der gesamten Branche nicht gerechnet worden sei. Die Pressemitteilung vom 20. Juli 2007 sei daher aus ihrer Sicht zutreffend gewesen. Durch sie sei nicht eine Schädigung des Kapitalmarkts beabsichtigt gewesen, sondern sie habe lediglich den damals grassierenden, aus ihrer Sicht ungerechtfertigten Gerüchten über ihre wirtschaftliche Lage entgegentreten wollen.

Auch die Ausführungen des Landgerichts zum Fehlen einer sittenwidrigen Schädigung und zur mangelnden Kausalität der Pressemitteilung vom 20. Juli 2007 für die Kaufentscheidung der Klägerin seien nicht zu beanstanden. Die Grundsätze des Anscheinsbeweises seien nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hier gerade nicht anzuwenden. Eine positive Anlagestimmung sei durch die Pressemitteilung nicht erzeugt worden, ganz abgesehen davon, dass die einschlägige Rechtsprechung sich nur auf echte Adhoc-Mitteilungen im Sinne des § 15 Abs. 1 WpHG beschränke, es sich bei der Pressemitteilung vom 20. Juli 2007 aber gar nicht um eine solche Adhoc-Mitteilung handele. Auch der zeitliche Zusammenhang zwischen der Kaufentscheidung der Klägerin und der Pressemitteilung vom 20. Juli 2007 könne vor dem Hintergrund der Kursentwicklung bei den Aktien der Beklagten nicht als hinreichend aussagefähiges Indiz für den von der Klägerin behaupteten Kausalzusammenhang angesehen werden.

Einen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG habe das Landgericht zu Recht deswegen abgelehnt, weil es sich bei der Pressemitteilung vom 20. Juli 2007 nicht um eine Darstellung oder eine Übersicht über ihren Vermögensstand im Sinne dieser Vorschrift gehandelt habe. Ein Anspruch aus § 37b Abs. 1 Nr. 1 WpHG scheitere bereits an dem Fehlen einer veröffentlichungspflichtigen Insidertatsache. Außerdem fehle es aus den gleichen Gründen wie im Falle des § 826 BGB auch für eine Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG oder gemäß § 37b Abs. 1 Nr. 1 WpHG an der notwendigen Kausalität.

Eine Beiziehung der Akten des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens gegen ihren früheren Vorstandssprecher komme nicht in Betracht, weil diese auf den Versuch einer unzulässigen Ausforschung hinauslaufen würde. Auch eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 149 ZPO sei auch unter Berücksichtigung der am 01. Juli 2007 mittlerweile erfolgten Anklageerhebung vor dem Landgericht Düsseldorf - nicht angezeigt, denn es sei nicht zu erkennen, welcher Erkenntnisgewinn daraus für das vorliegende Verfahren gewonnen werden könne. Außerdem sei mit einer sehr langen Dauer des Strafverfahrens zu rechnen. Nach der sich aus § 149 Abs. 2 ZPO ergebenden Wertung habe eine Aussetzung des Zivilverfahrens jedoch in der Regel zu unterbleiben, wenn ansonsten mit einer Verzögerung von mehr als einem Jahr zu rechnen sei.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die nachfolgenden tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Der Klägerin steht ein Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagte wegen ihres Aktienkaufs vom 25. Juli 2007 unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Sie hat einen Sachverhalt, aus dem sich eine Haftung der Beklagten im Zusammenhang mit diesem Aktienkauf ergeben könnte, nicht schlüssig vorgetragen.

1. Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte ergibt sich nicht aus § 826 BGB. Es lässt sich weder feststellen, dass diese den Kapitalmarkt durch ihre - insoweit als Anknüpfungspunkt einer Haftung allein in Betracht kommende - Pressemitteilung vom 20. Juli 2007 bewusst falsch informiert, noch dass sie eine erforderliche Adhoc-Mitteilung über ihre wirtschaftliche Situation vorsätzlich unterlassen hat (vgl. Assmann/U.H. Schneider/Sethe, WpHG, 5. Auflage, §§ 37 b, 37 c Rn 118 a).

a) Die Beklagte hat die Klägerin durch die Herausgabe ihrer Pressemitteilung vom 20. Juli 2007 jedenfalls den subjektiven Tatbestand des § 826 BGB nicht verwirklicht.

Ob der Inhalt dieser Pressemitteilung für die Kaufentscheidung der Klägerin überhaupt kausal geworden ist oder ob diese die Aktien der Beklagten nicht vielmehr - wie nach ihrer persönlichen Anhörung durch den Senat in der mündlichen Verhandlung vom 20. August 2009 eher zu vermuten steht - nur aufgrund ihres allgemeinen Eindrucks von der Kursentwicklung der Aktien und aufgrund von Empfehlungen Dritter erworben hat, kann deshalb im Ergebnis dahinstehen.

aa) Für eine Haftung nach § 826 BGB reicht allein die vorsätzliche Verletzung gesetzlicher Vorschriften wie etwa der Regelungen über die Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Insiderinformationen im Sinne des § 13 WpHG nicht aus. Vielmehr müssen Umstände hinzukommen, die das Verhalten des Täters als sittenwidrig, d.h. als einen Verstoß gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden erscheinen lassen (vgl. BGH WM 2004, 1721, 1725 = juris Rn 48f.; BGH WM 2004, 1726, 1730 = juris 48f.).

Das Verhalten des Täters muss hiernach gegen die Mindestanforderungen des lauteren Rechtsverkehrs auf dem Kapitalmarkt verstoßen (vgl. BGH WM 2007, 1557, 1558 = juris Rn 10). Das ist etwa dann der Fall, wenn das Sekundärmarktpublikum bewusst durch grob unrichtige Adhoc-Mitteilungen in die Irre geführt wird, damit sich ein Vorstandsmitglied bereichern kann. Auch ein nur bedingt vorsätzliches Handeln des Täters kann den Vorwurf der Sittenwidrigkeit begründen, wenn etwa Tatsachen ins Blaue hinein behauptet werden oder wenn sich der Täter der Unrichtigkeit von Aussagen verschließt, um eigene Vorteile ohne Rücksicht auf die Belange Dritter durchzusetzen. Gleiches gilt, wenn der Täter eine an sich gebotene Adhoc-Mitteilung aus eigennützigen Motiven bewusst unterlässt (vgl. Assmann/U.H. Schneider/Sethe, a.a.O., §§ 37b, 37c Rn 118, 118 a).

bb) Diese Voraussetzungen sind im Falle der Beklagten zumindest deshalb nicht erfüllt, weil weder festgestellt werden kann, dass dieser in der Zeit bis zum 20. Juli 2007 das tatsächliche Ausmaß der Krise und deren Bedeutung für ihren Geschäftsbetrieb bereits bekannt waren, noch dass sie sich einer entsprechenden Erkenntnis sehenden Auges verschlossen hat, obwohl sie sich ihr auch schon nach ihrem damaligen Kenntnisstand hätte aufdrängen müssen.

Demgemäß steht auch nicht fest, dass die Beklagte in der Pressemitteilung vom 20. Juli 2007 in haftungsbegründender Weise vorsätzlich falsche Angaben über ihre wirtschaftliche Lage gemacht oder dass sie in der Zeit bis zur Herausgabe dieser Pressemitteilung vorsätzlich eine nach den Umständen gebotene Adhoc-Mitteilung unterlassen hat. Jedenfalls die subjektiven Voraussetzungen einer Haftung sind somit nicht gegeben. Ob die Pressemitteilung vom 20. Juli 2007 objektiv zutreffend war oder ob sie zumindest als in dem Sinne irreführend anzusehen ist, als ihr möglicherweise die Aussage entnommen werden kann, dass weder die Beklagte selbst noch die mit ihr verbundenen Zweckgesellschaften bisher von der Subprime-Krise betroffen waren und dies auch in Zukunft nicht der Fall sein werde, muss unter diesen Umständen nicht abschließend geklärt werden.

(1) Der angesichts der Pressemitteilung in der Öffentlichkeit möglicherweise entstandene und unstreitig auch sogar gerade bezweckte Eindruck, dass die Beklagte auch künftig keine substantiellen Auswirkungen der Subprime-Krise auf ihre Geschäftsentwicklung zu befürchten habe, mag zwar objektiv und rückblickend falsch gewesen sein. Das ist allerdings für sich gesehen ebenso unerheblich wie die weiteren Fragen, ob die Geschäftspolitik der Beklagten objektiv verfehlt war, ob ihr Risikomanagement sachgerecht organisiert war und funktionierte, ob rechtzeitig die richtigen Schlüsse für mögliche Gegenmaßnahmen gezogen wurden und ob der Informationsaustausch zwischen den Organen und gegenüber den Aufsichtsbehörden reibungslos erfolgte. Alle diese Fragestellungen könnten nur etwaige Managementfehler bei der Beklagten aufzeigen, die als solche aber noch nicht die Voraussetzungen des § 826 BGB erfüllen. Schon deshalb können für den vorliegenden Fall auch keine Schlüsse aus der Ablösung des Vorstandssprechers der Beklagten am 27. Juli 2007 gezogen werden. Diese kann mit unternehmerischen Fehlentscheidungen oder mit einem Vertrauensverlust zwischen den Organen der Beklagten zusammenhängen und setzt keine bewusste Fehlinformation des Kapitalmarktes voraus.

(2) Entscheidend kommt es vielmehr darauf an, ob die Beklagte unter den besonderen Bedingungen des § 826 BGB wider besseres Wissen falsche oder zumindest irreführende Marktinformationen veröffentlicht und dabei eine Schädigung der Anleger zumindest billigend in Kauf genommen hat.

(a) Das setzt zunächst voraus, dass die weitere Entwicklung aus damaliger Sicht nicht nur als entfernte Möglichkeit denkbar war, sondern dass der Beklagten eine dramatische, ihre Existenz substantiell gefährdende oder jedenfalls das prognostizierte Geschäftsergebnis grundlegend in Frage stellende Zuspitzung der Lage aus ihrer damaligen Sicht als ernsthaft in Betracht kommend erscheinen lassen musste.

Dies lässt sich indes nach dem Vorbringen der Parteien und aus den zur Akte gereichten Unterlagen nicht feststellen, und zwar auch dann nicht, wenn man eine objektive Unrichtigkeit der Pressemitteilung vom 20. Juli 2007 in dem oben genannten Sinne unterstellt, denn selbst wenn die Beklagte - was selbst für sich genommen noch nicht einmal feststeht - erkannt haben sollte, dass die Öffentlichkeit die Angaben zu ihrer "Betroffenheit" in der streitigen Pressemitteilung auch auf die mit ihr verbundenen Zweckgesellschaften beziehen würde, musste sie auch wegen der in deren Portfolio befindlichen Wertpapiertranchen aus ihrer damaligen Sicht unwiderlegt ernsthafte Gefahren für ihre Geschäftsentwicklung noch nicht befürchten.

(b) Zwar war der Beklagten - wie allen Marktteilnehmern - bekannt, dass eine Subprime-Krise existierte, die sich fortlaufend zuspitzte und zunehmend zum Problem für die gesamte Branche wurde. Diese Krise trat in vielfältiger Weise offen zu Tage. So gab es bereits im Frühjahr 2007 Anfragen der deutschen und der luxemburgischen Bankenaufsicht an die Beklagte, die erkennbar dazu dienten, einen Überblick über das Risikopotential im Markt zu gewinnen. Die Rating-Agenturen unterzogen ihre Bewertungen einer kritischen Überprüfung, stuften verschiedene Tranchen herab und setzten andere auf die sog. "Watchlist", weil für das gesamte Marktsegment der strukturierten Forderungsportfolien ein erhöhtes Risiko angenommen wurde. Auch der Markt reagierte zunehmend nervös. Insbesondere im Finanzsektor kam es zu rückläufigen Aktienkursen. Das betraf auch die Beklagte. In Bezug auf diese kamen Gerüchte über eine mögliche substantielle Gefährdung aufgrund ihrer Investitionen in internationale Forderungsportfolien auf. Infolgedessen gaben die Kurse der von ihr emittierten Anleihen nach. Die Aufschläge auf die variable Grundverzinsung (EURIBOR) weiteten sich aus, weil der Markt ein erhöhtes Ausfallrisiko annahm. Auch die Credit Default Swaps (CDS) auf die Beklagte stiegen stark an. Schließlich sank der Kurs der Aktien der Beklagten im Juli 2007 überproportional bei gleichzeitig hohen Handelsvolumina, was ersichtlich eine Verkaufsstimmung anzeigte.

(c) Bei dieser Sachlage konnte sich die Beklagte bei der Beurteilung ihrer Situation nicht allein auf die letzten, für sie günstigen Ergebnisse der Rating-Agenturen verlassen. Sie musste vielmehr die Dynamik der Entwicklung in ihre Erwägungen einbeziehen. Auch hiernach ist jedoch nicht mit hinreichender Sicherheit festzustellen, dass sie die spätere tatsächliche Entwicklung mit einer hinreichend hohen Wahrscheinlichkeit bereits in der Zeit bis zum 20. Juli 2007 hätte voraussehen können.

Nach allen vorliegenden Erkenntnissen wurde das Ausmaß der Krise nämlich seinerzeit von der gesamten Branche einschließlich der Aufsichtsbehörden und der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften erheblich unterschätzt. Dass die Beklagten bessere Erkenntnisse gehabt hätten als die übrigen Marktteilnehmer und die Aufsichtsbehörden, trägt die Klägerin nicht schlüssig vor. Dafür sind auch keine Anhaltspunkte ersichtlich.

(d) Auch die spezifischen Verhältnisse bei der Beklagten rechtfertigen eine andere Beurteilung nicht. Nach den Angaben der Beklagten, denen die Klägerin nicht substantiiert entgegengetreten ist, war die Beklagte ganz überwiegend im Investment-Grading-Bereich engagiert, und zwar vornehmlich in Tranchen mit hohem Rating und entsprechend vermindertem Ausfallrisiko. Das gilt sowohl für ihr eigenes Engagement als auch für die Ankaufsgesellschaften des R-Conduit.

Das eigene Engagement der Beklagten lag bei ca. 6,8 Mrd. €. Das Ausfallrisiko schien damit aus ihrer damaligen Sicht überschaubar und betragsmäßig begrenzt. Dass bereits dieses Risiko von der Beklagten nicht aus eigener Kraft hätte aufgefangen werden können, hat die Klägerin nicht dargelegt. Sie hat dem Vorbringen der Beklagten, wonach hierfür unter normalen Marktbedingungen ausreichende Liquidität zur Verfügung gestanden hätte, nicht konkret widersprochen.

Aber auch in Bezug auf die Engagements der Ankaufsgesellschaften des R-Conduit erschien eine existentielle Bedrohung der Beklagten aus damaliger Sicht nicht hinreichend wahrscheinlich. Die Beklagte hatte zwar insoweit Liquiditätslinien über ca. 8,1 Mrd. € gestellt. Hinzu kamen die über die sog. "Havenrock"-Gesellschaften eingegangenen Risiken aus Liquiditätslinien anderer Liquiditätsgeber, die sich auf 25 % von 6,5 Mrd. US-$ beliefen. Allerdings mussten mehrere - in dieser Form jedenfalls zu diesem konkreten Zeitpunkt nicht voraussehbare - Faktoren zusammenkommen, um hieraus eine ernsthafte Krise der Beklagten entstehen zu lassen:

Auch im Bereich der Ankaufsgesellschaften schien das Ausfallrisiko aufgrund der Ratings an sich überschaubar. Das Conduit refinanzierte sich über die R-CONDUIT durch die Ausgabe von ABCP’s grundsätzlich selbst. Bei funktionierenden Märkten hätte danach selbst eine weitere Zuspitzung möglicherweise zu einer Verteuerung der Refinanzierung durch erhöhte Risikoaufschläge oder zu beschränkten Absatzproblemen geführt. Daraus hätten sich Rückgänge der Marge und eventuell begrenzte Inanspruchnahmen der Liquiditätslinien ergeben können. Auch hierfür hätten nach der Darstellung der Beklagten aber noch Liquiditätsreserven und gegebenenfalls die Möglichkeit einer Refinanzierung im Interbankenmarkt zur Verfügung gestanden. Konkrete Tatsachen, die geeignet wären, die Darstellung der Beklagten zu widerlegen, hat die Klägerin auch hierzu nicht vorgetragen.

Die später eingetretene Entwicklung konnte demgegenüber nur entstehen, wenn der ABCP-Markt derart ein- oder gar zusammenbrach, dass die Liquiditätslinien in zumindest weit überwiegendem Umfang und über einen längeren Zeitraum gezogen wurden, so dass die Beklagte die erforderliche Liquidität nicht mehr aus eigenen Mitteln aufbringen konnte, und gleichzeitig die Möglichkeit einer Refinanzierung über den Interbankenmarkt wegfiel. Ein solches Szenario ist in der gesamten Branche aber jedenfalls für den hier in Frage stehenden Zeitraum nicht vorausgesehen worden. Vielmehr wurden die Risiken aus den Liquiditätslinien auch von anderer Seite selbst noch bis unmittelbar vor dem Krisenwochenende vom 27. bis 29. Juli 2007 als gering eingestuft (vgl. z.B. Research-Publikationen der D-Bank vom 23. Juli 2007 und der E-Bank vom 26.Juli 2007 = Anlagenkonvolut B 10). Tatsächlich kam es erst nach der Pressemitteilung vom 20. Juli 2007 zu einem solchen Zusammentreffen negativer Entwicklungen. Die B-Bank schloss unstreitig erst am 27. Juli 2007 die Kreditlinie der Beklagten. Erste Liquiditätslinien durch die Zweckgesellschaften wurden erst am 07. August 2007 gezogen.

(e) In der Gesamtschau mag daher am 20. Juli 2007 zwar objektiv eine Fehleinschätzung in Bezug auf die Risiken der unmittelbaren und mittelbaren Investitionen der Beklagten in strukturierte Forderungsportfolien vorgelegen haben. Dass die Beklagte die weitere Entwicklung als mit hoher Wahrscheinlichkeit bevorstehend hätte voraussehen müssen oder dass sie den Markt durch die Pressemitteilung gar wider besseres Wissen und mit zumindest bedingtem Schädigungsvorsatz falsch oder irreführend informiert hätte, ist jedoch nicht feststellbar.

Die abweichenden, von der Klägerin auf der Grundlage des beiderseitigen Parteivortrages gezogenen Rückschlüsse sind nicht gerechtfertigt. Zwar dürfen die Anforderungen an die Darlegungslast der Klägerin in diesem Zusammenhang nicht überspannt werden, da sie keinen umfassenden Einblick in die Interna der Beklagten besitzt. Der Klägerin ist auch zuzugestehen, dass die Dynamik der vorangegangenen Entwicklung, die Tatsache, dass der Beinahe-Zusammenbruch der Beklagten bereits eine Woche nach der Pressemitteilung vom 20. Juli 2007 erfolgte, und die Tatsache, dass andere Banken zu diesem Zeitpunkt eine so weitreichende Maßnahme trafen wie die Sperrung der Handelslinien im Interbankenverkehr mit der Beklagten, die Frage aufwerfen, ob diese Entwicklung für den Vorstand tatsächlich so überraschend eingetreten sein kann. Andererseits entspricht es jedoch der allgemeinen Auffassung der damals beteiligten Kreise bis hin zu den Aufsichtsinstanzen, dass die Krise damals von der gesamten Branche unterschätzt und der Markt vom Zusammenbruch des ABCP-Segments praktisch "überrollt" wurde.

Dieser Zusammenbruch beruhte letztlich auf dem Vertrauensverlust des Marktes in ein gesamtes Marktsegment. Die Subprime-Krise bewirkte zudem einen erheblichen Vertrauensverlust der Kreditinstitute untereinander, der im weiteren Verlauf zur weitgehenden Lähmung des Interbankenverkehrs führte. Vor diesem Hintergrund besagt die Sperrung der Handelslinien nicht, dass der B-Band oder anderen Kreditinstituten schon früher bessere Erkenntnisse über objektive Tatsachen vorgelegen haben müssen, die der Beklagten nicht verborgen geblieben sein können und die sie am 20. Juli 2007 falsch dargestellt hat. Diese Entscheidung kann auch andere Ursachen gehabt oder darauf beruht haben, dass die Presseerklärung offenbar nicht zu einer Marktberuhigung führte, sondern der Aktienkurs der Beklagten weiter zurückging und am 25. Juli 2007 regelrecht einbrach. Es kann zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass die Beklagte hier nur das "erste Opfer" einer Vertrauenskrise war, die später auf den gesamten Interbankenverkehr übergriff.

Vor diesem Hintergrund rechtfertigen die zeitlichen Abläufe und die Sperrung der Handelslinien die von der Klägerin angestellten Vermutungen nicht. Es bedürfte vielmehr konkreter Anhaltspunkte dafür, dass maßgebliche Umstände für die Auslösung der akuten Krise bei der Beklagten - wie z.B. Liquiditätsengpässe, Inanspruchnahme der gewährten Liquiditätslinien durch die Zweckgesellschaften, Sperrung der Handelslinien im Interbankenverkehr - tatsächlich schon vor dem 20. Juli 2007 eingetreten und der Beklagten bekannt geworden sind. Daran fehlt es indes. Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang eine sekundäre Darlegungslast treffen sollte, ist sie dieser jedenfalls nachgekommen. Sie hat hinreichend dargelegt, wie und wann es zu der existenzbedrohenden Krise gekommen ist und warum diese für sie sogar am 20. Juli 2007 noch nicht hinreichend vorauszusehen war.

b) Die Beklagte hat den Tatbestand des § 826 BGB auch nicht dadurch verwirklicht, dass sie eine nach den Umständen gebotene Adhoc-Mitteilung vorsätzlich unterlassen hat.

Es ist bereits nicht ersichtlich, welche publikationspflichtigen Tatsachen die Beklagte hätte mitteilen müssen. Publikationspflichtig sind Insiderinformationen, die den Emittenten unmittelbar betreffen (§ 15 Abs. 1 WpHG). Als Insiderinformation ist gemäß § 13 Abs. 1 WpHG eine konkrete Information über nicht öffentlich bekannte Umstände anzusehen, die sich auf einen oder mehrere Emittenten von Insiderpapieren oder auf die Insiderpapiere selbst beziehen und die geeignet sind, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktpreis der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen. Dabei kann es sich auch um künftige Umstände oder Ereignisse handeln, wenn deren Eintritt zumindest überwiegend, d. h. zu mehr als 50 % wahrscheinlich ist (vgl. BGH WM 2008, 641, 644 = juris Rn 20, 25).

Die Existenz der Subprime-Krise und ihre Zuspitzung waren im Juli 2007 allgemein bekannt und daher nicht publikationspflichtig. Gleiches gilt für die Kursentwicklung der Aktien der Beklagten und die Gerüchte über deren Betroffenheit von der Krise. Diese Gerüchte gingen vom Markt aus und hatten ihren Ursprung nicht in einem Sonderwissen der Beklagten.

Auch die Übernahme von Liquiditätslinien für das R-Conduit und sonstige mit der Beklagten in Verbindung stehende Zweckgesellschaften war der Öffentlichkeit z.B. ausweislich der Research-Analyse der E-Bank vom 26. Juli 2007 (Teil des Anlagenkonvoluts B 10) ohne weiteres bekannt. Außerdem waren die daraus resultierenden Risiken unbestritten in den Jahresabschlüssen der Beklagten ordnungsgemäß als Eventualverbindlichkeiten ausgewiesen.

Eine darüber hinausgehende Haftung der Beklagten hat die Klägerin nicht dargetan. Im Übrigen lag insoweit auch deshalb keine publikationsbedürftige Insiderinformation vor, weil die Beklagte nicht mit zumindest überwiegender Wahrscheinlichkeit mit einer Inanspruchnahme aus den Liquiditätslinien rechnen musste. Wie bereits ausgeführt, hatten sowohl die gesamte Branche als auch die Bankenaufsicht die Inanspruchnahme aus den Liquiditätslinien nicht als nennenswertes Risiko eingeschätzt. Die Faktoren, die schließlich doch zu der Inanspruchnahme der Beklagten aus den Liquiditätslinien führten und ihren finanziellen Engpass auslösten, waren im Zeitpunkt der Veröffentlichung der Pressemitteilung am 20. Juli 2007 nicht mit der erforderlichen, überwiegenden Wahrscheinlichkeit voraussehbar.

2. Ein Schadensersatzanspruch der Kläger gegen die Beklagten ergibt sich auch nicht aus §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG.

Bei der zuletzt genannten Vorschrift handelt es sich zwar um ein Schutzgesetz zu Gunsten von Anlegern. Die Voraussetzungen einer Haftung nach den genannten Bestimmungen sind jedoch unabhängig von der inhaltlichen Richtigkeit der Pressemitteilung vom 20. Juli 2007 nicht erfüllt. § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG setzt nämlich voraus, dass ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats die Verhältnisse der Gesellschaft einschließlich ihrer Beziehungen zu verbundenen Unternehmen in Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand oder in Vorträgen oder Auskünften in der Hauptversammlung unrichtig wiedergibt oder verschleiert. Eine unzutreffende Übersicht oder Darstellung über den Vermögensstand einer Aktiengesellschaft liegt nur dann vor, wenn ein unzutreffendes Gesamtbild über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft gezeichnet und der Eindruck der Vollständigkeit erweckt wird (vgl. BGH WM 2004, 1721, 1723 = juris Rn 27 f.; BGH WM 2004, 1726, 1728 = juris Rn 27 f.; BGH WM 2004, 1731, 1733 = juris Rn 26 f.). Das kann zwar auch durch die Mitteilung von Quartals- oder Halbjahreszahlen geschehen (vgl. BGH WM 2005, 1358, 1359 = juris Rn 25; BGH(St) WM 2005, 227, 230 = juris Rn 38 ff.). Die Pressemitteilung vom 20. Juli 2007 erweckte jedoch nicht den Eindruck der Vollständigkeit in dem hier erforderlichen Sinne. Dort wurden vielmehr nur einige Eckdaten aus dem Quartalsbericht vorläufig mitgeteilt und es wurde zugleich darauf hingewiesen, dass der vollständige Quartalsbericht (erst) am 14. August 2007 veröffentlicht werden sollte. Damit liegt auf der Hand, dass die in der Pressemitteilung veröffentlichten Daten gerade kein vollständiges und umfassendes Bild vom Vermögensstand der Beklagten darstellten.

3. Ein Anspruch der Klägerin ergibt sich schließlich auch nicht aus den §§ 37 b, 37 c WpHG. Nach diesen Bestimmungen haftet der Emittent, der es unterlässt, unverzüglich eine Insiderinformation zu veröffentlichen (§ 37 b WpHG), oder der eine falsche Insiderinformation veröffentlicht (§ 37 c WpHG), unter den weiteren, sich im Einzelnen aus dem Gesetz ergebenden Voraussetzungen auf Schadensersatz. Ein Anspruch aus § 37 c WpHG scheidet hier jedoch bereits deshalb aus, weil eine unwahre Adhoc-Mitteilung nicht veröffentlicht worden ist. Bei der Pressemitteilung vom 20. Juli 2007 handelt es sich ersichtlich schon nicht um eine Adhoc-Mitteilung. Sie ist vielmehr ausdrücklich als (einfache) Pressemitteilung gekennzeichnet und auch nicht in den Publikationsorganen für Adhoc-Publizität veröffentlicht worden. Auch ein Fall des § 37 b WpHG ist nicht ersichtlich, denn wie oben im Zusammenhang mit der Erkennbarkeit der Krise für die Beklagte bereits ausgeführt, lag eine publikationspflichtige Insiderinformation zu dem hier in Rede stehenden Zeitpunkt bei der Beklagten noch nicht vor.

III.

Eine Beiziehung des bei dem Landgericht Düsseldorf anhängigen Strafverfahrens gegen den früheren Vorstandssprecher der Beklagten oder eine Aussetzung des vorliegenden Verfahrens bis zur Erledigung des genannten Strafverfahrens sind nicht angezeigt.

1. Voraussetzung für eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 149 ZPO ist ein aus der Sicht des Gerichts bestehender Verdacht einer strafbaren Handlung eines Prozessbeteiligten oder eines Dritten, der geeignet ist, im Falle seiner Begründetheit Einfluss auf die Sachverhaltsfeststellung in dem ausgesetzten Zivilverfahren auszuüben (Zöller/Greger, Zivilprozessordnung, 27. Auflage, § 149 ZPO Rn 3). Die Ergebnisse des Strafverfahrens müssen also für die Beweisaufnahme und die Beweiswürdigung von Bedeutung sein (MüKoZPO/Wagner, 3. Auflage, § 149 ZPO Rn 1).

Eine derartige Situation ist hier nicht gegeben. Tatsächlich versucht die Klägerin nicht, ihren schlüssigen Tatsachenvortrag mit Hilfe möglicher Erkenntnisse aus dem Strafverfahren zu beweisen, sondern sie hofft letztlich nur, dass sich dort neue Erkenntnisse ergeben könnten, die es ihr erst ermöglichen würden, ihren bisher nicht schlüssigen Tatsachenvortrag in entsprechender Weise zu ergänzen. Selbst für diese Erwartung gibt es aber zum derzeitigen Zeitpunkt keinerlei konkreten Anhaltspunkte. Der Ausgang des Strafverfahrens ist vielmehr bislang vollständig offen. Es steht derzeit noch nicht einmal fest, ob es überhaupt zu einer Hauptverhandlung gegen den früheren Vorstandssprecher der Beklagten kommen wird.

Hinzu kommt, dass bei der Ermessensentscheidung des Gerichts, ob eine Aussetzung des Zivilverfahrens in Betracht kommt, die mit einer solchen Aussetzung verbundene Verzögerung gegen den möglichen Erkenntnisgewinn aus dem Strafverfahren abgewogen werden muss (Zöller/Greger, a.a.O., § 149 ZPO Rn 2). Ist dabei mit einer Verzögerung des Strafverfahrens von mehr als einem Jahr zu rechnen, so ist der Wertung des § 149 Abs. 2 Satz 1 ZPO wonach grundsätzlich auf Antrag einer Partei das unterbrochene Verfahren fortgesetzt werden muss, wenn seit der Aussetzung ein Jahr vergangen ist - zu entnehmen, dass eine Aussetzung des Verfahrens in aller Regel unterbleiben sollte (Zöller/Greger, a.a.O., § 149 ZPO Rn 2). In einem Fall wie dem hier vorliegenden, in dem die zu erwartende Dauer des Strafverfahrens in keiner Weise eingeschätzt werden kann, spricht auch dies zusätzlich gegen eine mögliche Aussetzung des Zivilverfahrens.

2. Auch eine Beiziehung der Strafakten kommt weder zu Beweis- noch auch nur zu Informationszwecken in Betracht. Die pauschale Bezugnahme der Kläger auf die senatsbekannt sehr umfangreichen Strafakten erweist sich vielmehr ebenfalls als bloßer Versuch einer unzulässigen Ausforschung des Sachverhalts, um Material zu erhalten, mit dem die bisher unschlüssige Klage schlüssig gemacht werden könnte. Eine derartige Vorgehensweise wird auch nicht allein deshalb zulässig, weil in dem Strafverfahren mittlerweile Anklage erhoben worden ist.

Ob einer Beiziehung der Strafakten darüber hinaus auch noch ein überwiegendes Geheimhaltungsinteresse der Beklagtenseite entgegensteht, kann unter diesen Umständen dahingestellt bleiben. Das Gleiche gilt auch für die weitere Frage, ob die für das Verfahren zuständige Strafkammer bei dem Landgericht Düsseldorf, die eine dort beantragte Aktensicht der Klägerin in ihrem Beschluss vom 03. August 2009 (Anlage BB 3) ausdrücklich abgelehnt hat, dem Senat die Strafakten überhaupt überlassen und ihm darüber hinaus auch die zusätzlich erforderliche Verwertung des Inhalt dieser Akten ermöglichen würde bzw. ob und unter welchen Voraussetzungen das Landgericht im Rahmen der Amtshilfe zu einer derartigen Überlassung der Akten gegebenenfalls verpflichtet sein könnte.

IV.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § § 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ein Anlass zur Zulassung der Revision besteht nicht.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 9.318,45 €






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 10.09.2009
Az: I-6 U 14/09


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/9de796d70ada/OLG-Duesseldorf_Urteil_vom_10-September-2009_Az_I-6-U-14-09




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