Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. Mai 2010
Aktenzeichen: 11 W (pat) 332/06
(BPatG: Beschluss v. 20.05.2010, Az.: 11 W (pat) 332/06)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Bundespatentgericht hat in seinem Beschluss vom 20. Mai 2010 (Aktenzeichen 11 W (pat) 332/06) den eingelegten Einspruch gegen das Patent als unzulässig verworfen. Das Patent bezieht sich auf eine Kämmaschine mit einem Kämmkopf und einem elektrischen Antrieb für die Rundkammwalze, sowie einem Umlaufrädergetriebe für die Erzeugung einer Pilgerschrittbewegung für eine Abreißwalze. Die Einsprechende hatte geltend gemacht, dass der Gegenstand des Patentanspruchs weder neu sei noch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe und beantragte den vollständigen Widerruf des Patents. Die Einsprechende berief sich dabei auf verschiedene Druckschriften. Die Patentinhaberin beantragte hingegen, den Einspruch zurückzuweisen und das Patent aufrechtzuerhalten. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass der Einspruch unzulässig ist, da er innerhalb der Einspruchsfrist nicht in ausreichender Weise substantiiert und mit Gründen versehen wurde. Das Gericht stellte fest, dass die Einsprechende nicht genügend dargelegt hatte, welche Merkmale des Streitpatents genau vom Stand der Technik abgedeckt werden und warum diese nicht neu oder erfinderisch sein sollten. Daher wurde der Einspruch als unzulässig verworfen und es fand keine Sachprüfung statt.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 20.05.2010, Az: 11 W (pat) 332/06
Tenor
Der Einspruch wird als unzulässig verworfen.
Gründe
I.
Auf die am 1. August 1995 beim Deutschen Patentamt (jetzt: Deutsches Patentund Markenamt) eingereichte Patentanmeldung ist das Patent 195 27 950 mit der Bezeichnung "Kämmaschine mit wenigstens einem Kämmkopf" erteilt und die Erteilung am 10. November 2005 veröffentlicht worden.
Gegen das Patent ist Einspruch erhoben worden.
Die Einsprechende macht sinngemäß geltend, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des angegriffenen Patents weder neu sei noch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe und beantragt, das angegriffene Patent vollständig zu widerrufen.
Zur Begründung ihres Einspruchs verweist sie auf die Druckschriften
(E1) E4312041A1 (E2) EP 0 360 064 A1
(E3) DD 286 376 A5
(E4) DE 1 685 576 C
(E5) DE 268 859 C
(E6) DE 1 133 288 B.
Im Prüfungsverfahren sind darüber hinaus noch folgende Druckschriften berücksichtigt worden:
(D1) DD 108 125 A1 (D2) EP 0 374 723 B1.
Die Patentinhaberin stellt mit Schriftsatz vom 3. Mai 2010 den Antrag, I. den Einspruch zurückzuweisen;
II. hilfsweise das Patent mit den als Anlage P1 vorgelegten Ansprüchen, die an Stelle der erteilten Ansprüche treten, aufrechtzuerhalten;
III. hilfsweise das Patent mit den als Anlage P2 vorgelegten Ansprüchen, die an Stelle der erteilten Ansprüche treten, aufrechtzuerhalten.
Die Patentinhaberin ist der Meinung, der Antrag der Einsprechenden sei unzulässig, da er die geltend gemachten Einspruchsgründe nicht innerhalb der Einspruchsfrist hinreichend substantiiert dargelegt worden seien. In jedem Fall sei der Einspruch aber unbegründet.
Soweit die Patentinhaberin in ihren Hilfsanträgen die Aufrechterhaltung des "deutschen Patents DE 196 41 160" und nicht die Aufrechterhaltung des Streitpatents beantragt hat, geht der Senat von einem offensichtlichen Schreibfehler aus.
Der erteilte Patentanspruch 1 lautet in gegliederter Form:
1.1. Kämmaschine 1.2. mit wenigstens einem Kämmkopf 1.3. mit einem elektrischen Antrieb für die Rundkammwalze vonderen Drehbewegungen weitere Antriebsbewegungen der Kämmaschine abgeleitet sind, 1.4. mit einem Umlaufrädergetriebe für die Erzeugung einer Pilgerschrittbewegung für mindestens eine Abreißwalze, 1.5. dem ein erster Antrieb mit einer vorzugsweisekontinuierlichen Umlaufbewegung und 1.6. ein zweiter Antrieb mit einer stellbaren Schwingbewegungzugeordnet sind, dadurch gekennzeichnet, 1.7. daß der Antrieb (62, 621, 622, 623) mit der kontinuierlichen Umlaufbewegung synchron zur Bewegung des Rundkammes (1) erzeugt wird und 1.8. daß der Antrieb (63) mit der stellbaren Schwingbewegungvon einem, in einer Drehrichtung steuerbaren Elektromotor (635)
1.9. über einen Kurbelschwingantrieb (634, 633, 632) auf den Steg (63) des Umlaufrädergetriebes (6) übertragen wird und 1.10. daß der Elektromotor (635) für den Kurbelschwingenantrieb (634, 633, 632) mit dem Antrieb für den Rundkamm (1)
elektronisch synchronisiert ist.
Wegen des Wortlauts der Unteransprüche 2 bis 5 und dem Wortlaut der Ansprüche gemäß den Hilfsanträgen sowie wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akte verwiesen.
II.
Der Einspruch ist unzulässig.
1.
Patentgegenstand Das Streitpatent bezieht sich auf eine Kämmmaschine mit wenigstens einem Kämmkopf, mit einem elektrischen Antrieb für die Rundkammwalze, von deren Drehbewegungen weitere Antriebsbewegungen der Kämmmaschine abgeleitet sind, mit einem Umlaufrädergetriebe für die Erzeugung einer Pilgerschrittbewegung für mindestens eine Abreißwalze, dem ein erster Antrieb mit einer vorzugsweise kontinuierlichen Umlaufbewegung und ein zweiter Antrieb mit einer stellbaren Schwingbewegung zugeordnet sind (Abs. [0001] der Patentschrift).
2.
Zulässigkeit des Einspruchs Der Einspruch ist unzulässig, weil er innerhalb der Einspruchsfrist nicht in einer den gesetzlichen Anforderungen genügenden Weise substantiiert und mit Gründen versehen worden ist.
Nach § 59 Abs. 1 Satz 4 und 5 PatG müssen die den Einspruch rechtfertigenden Tatsachen innerhalb der Einspruchsfrist "im Einzelnen" angegeben werden. Diesem Erfordernis ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nur dann Genüge getan, wenn die für die Beurteilung des behaupteten Widerrufsgrunds maßgeblichen Umstände so vollständig dargelegt sind, dass der Patentinhaber und das Patentamt (hier: das Patentgericht) daraus abschließende Folgerungen in Bezug auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Widerrufsgrundes ziehen können (vgl. BGH BlPMZ 1972, 173 -Sortiergerät; BlPMZ 1993, 439 - Tetraploide Kamille; BGH BlPMZ 1998, 201 - Tabakdose; BGH BlPMZ 2003, 241 - Automatisches Fahrzeuggetriebe). Diesen Anforderungen an die Substantiierungspflicht genügt der Einspruch nicht.
Im Einspruchsschriftsatz wird zwar als gemäß § 59 Abs. 1 Satz 3 PatG zulässiger Widerrufsgrund das Vorliegen fehlender Patentfähigkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG) behauptet, die Einspruchsbegründung enthält jedoch nicht die nach § 59 Abs. 1 Satz 4 PatG erforderliche hinreichende Substantiierung. Die Einsprechende hat insoweit ausgeführt, die im Streitpatent vorgesehene, diskontinuierliche Umlaufbewegung von Arbeitsorganen in Form von Walzen sei an Kämmmaschinen bereits bei der Speisewalze gegeben. Der Konstrukteur einer Kämmmaschine, der diese Betriebsweise kenne, werde sich daher auch beim Antrieb der Abreißwalzen an dieser Lösung orientieren. Aus DE 43 12 041 A1 (E1) sei zudem der Vorschlag bekannt, die einzelnen Arbeitsorgane einer Kämmmaschine durch gesonderte Elektromotoren anzutreiben und somit für den Antrieb ihrer einzelnen Arbeitsorganen auf Getriebezüge zu verzichten. Dass die einzelnen Motoren über einen Leitrechner synchronisiert sein müssten, verstehe sich dabei von selbst. Auch in der EP 0360064 A1 (E2) werde bereits der Vorschlag gemacht, für den intermittierend anzutreibenden Speisezylinder einer Kämmmaschine einen gesonderten Elektromotor vorzusehen.
Mit diesem Vortrag weist die Einsprechende aber lediglich auf einzelne Bauelemente (Planetengetriebe, gesonderte Antriebe) hin, ohne jedoch - wie erforderlich - in ihrem Vorbringen auf deren patentgemäße Funktion bzw. auf die erfindungswesentlichen Merkmale des Streitpatents einzugehen. So ist dem Einspruchsschriftsatz nicht zu entnehmen, aus welcher Druckschrift die Merkmale 1.4 bis 1.6 des Anspruchs 1 des Streitpatents zu entnehmen sein sollen, wonach ein Umlaufrädergetriebe für die Erzeugung einer Pilgerschrittbewegung für mindestens eine Abreißwalze vorgesehen ist, dem ein erster Antrieb mit einer vorzugsweise kontinuierlichen Umlaufbewegung und ein zweiter Antrieb mit einer stellbaren Schwingbewegung zugeordnet sind. Die Einsprechende hat zwar vorgetragen, die DD 286 376 A5 (E3) offenbare eine Kämmmaschine, die eine Regeleinrichtung für das Kammband aufweise, wobei die Änderung der Höhe des Verzuges im Streckwerk 11 durch einen Regelmotor M1 bewirkt werde, der über ein Planetengetriebe 28 zwei der drei Unterwalzen des Streckwerkes mit einer durch die Abweichung der Banddicke gegebenen, variablen Drehzahl antreibe. Da Streckwerke aber keine Pilgerschrittbewegung durchführen und in der E3 auch nur ein einziger Antrieb mit dem Planetengetriebe verbunden ist, der überdies keine stellbare Schwingbewegung ausführt, ist in diesen Ausführungen der Einsprechenden kein Eingehen auf die Merkmale 1.4 bis 1.6 des angegriffenen Patents zu erkennen.
Auch zum technischen Zusammenhang zwischen den Merkmalen 1.8 und 1.9 des Anspruchs 1 des Streitpatents und dem entgegengehaltenen Stand der Technik, lässt sich der Einspruchsbegründung nichts entnehmen. Gemäß den genannten Merkmalen des Streitpatents wird der Antrieb mit der stellbaren Schwingbewegung von einem, in einer Drehrichtung steuerbaren Elektromotor über einen Kurbelschwingantrieb auf den Steg des Umlaufrädergetriebes übertragen. Insoweit weist die Einsprechende lediglich darauf hin, dass, wie bei der E3, auch im Falle des Streitpatentes durch einen Motor (635) eine Veränderung der Winkelgeschwindigkeit des Arbeitsorgans erreicht werde, welches das Kämmband fördere. Es fehle in der E3 an jeglichem Hinweis, hierzu keinen Kurbelschwingenantrieb einzusetzen. Da die Vorteile von Kurbelschwingenantrieben aber bekannt seien, liege es nahe, einen solchen Antrieb auch bei einer Kämmmaschine gemäß dem Streitpatent einzusetzen. Selbst wenn jedoch nach der Lehre der E3 tatsächlich (auch) ein Kurbelschwingenantrieb einsetzbar wäre, fehlt es in den Ausführungen der Einsprechenden an jeglichem Vortrag dazu, warum zur Erzeugung einer Pilgerschrittbewegung die Schwingbewegung auf den Steg des Umlaufrädergetriebes übertragen werden sollte, zumal das Streckwerk gemäß der E3, wie oben ausgeführt, keine Pilgerschrittbewegung durchführt.
Die Einspruchsbegründung stellt somit nicht den erforderlichen Zusammenhang zwischen sämtlichen Merkmalen des Patentanspruchs 1 und dem Stand der Technik her, sondern setzt sich lediglich mit Teilen bzw. Teilaspekten des Streitpatents auseinander und lässt dabei erfindungswesentliche Merkmale außer Betracht. Im Ergebnis fehlt es daher an einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden, hinreichend substantiierten Darstellung des Widerrufsgrundes. Eine Überprüfung, ob der von der Einsprechenden behauptete Widerrufsgrund vorliegt oder nicht, ist auf Grund der Angaben in dem Einspruchsschriftsatz nicht möglich, sondern bedarf weitergehendere Ermittlungen.
Nach alledem war der Einspruch als unzulässig zu verwerfen. Für eine Sachprüfung ist unter diesen Umständen kein Raum.
Dr. W. Maier Schell Rothe Hubert Bb
BPatG:
Beschluss v. 20.05.2010
Az: 11 W (pat) 332/06
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