Verwaltungsgericht Münster:
Urteil vom 27. Juni 2014
Aktenzeichen: 1 K 101/14
(VG Münster: Urteil v. 27.06.2014, Az.: 1 K 101/14)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Verwaltungsgericht Münster hat am 27. Juni 2014 ein Urteil gefällt (Aktenzeichen 1 K 101/14). Der Kläger hat die Klage teilweise zurückgenommen, weshalb das Verfahren in Bezug auf diesen Teil eingestellt wurde. Der Beklagte - das Finanzamt Steinfurt - wurde verpflichtet, dem Kläger bestimmte Informationen durch Herausgabe von Jahreskontoauszügen für die Kalenderjahre 2010 bis 2012 zu erteilen. Diese Informationen betreffen alle Steuerarten und sind bei dem Finanzamt T. über die N. C. L. Betriebsgesellschaft mbH gespeichert. Das Gericht verpflichtete den Beklagten zur Zahlung der Kosten des Verfahrens zu drei Fünfteln, während der Kläger die restlichen zwei Fünftel zu tragen hat. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, allerdings kann der Vollstreckungsschuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des Betrags abwenden, sofern der Vollstreckungsgläubiger seinerseits vorher Sicherheit leistet.
Das Gericht erklärt in seinen Gründen, dass die Klage zulässig und begründet ist. Der Kläger hat gemäß § 4 des Informationsfreiheitsgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (IFG NRW) einen Anspruch auf Zugang zu den bei der Behörde vorhandenen amtlichen Informationen. Die Voraussetzungen dieses Anspruchs sind erfüllt. Der Kläger ist, in seiner Funktion als Insolvenzverwalter der N. C. L. Betriebsgesellschaft mbH, anspruchsberechtigt. Das Finanzamt T. ist die passivlegitimierte Behörde und die begehrten Informationen sind dort vorhanden und im dienstlichen Zusammenhang erlangt worden. Der schriftliche Antrag des Klägers erfüllt die Anforderungen des IFG NRW. Es gibt auch keine speziellen Vorschriften, die den Informationszugang im konkreten Fall ausschließen würden. Weder die Abgabenordnung noch das Steuergeheimnis stehen dem Informationsanspruch des Klägers entgegen. Das Steuergeheimnis gilt nicht gegenüber dem Insolvenzverwalter, da dieser im Interesse der Gläubigergesamtheit handelt. Eine Unkenntlichmachung etwaiger schutzbedürftiger Daten Dritter wäre möglich, wenn erforderlich. Der Beklagte hat nicht ausreichend dargelegt, warum dies nicht möglich sein sollte. Das Gericht hat auch keine Anhaltspunkte dafür gefunden, dass personenbezogene Daten offenbart würden. Die Ablehnung des Antrags auf Informationszugang kann auch nicht auf den Schutz eines anhängigen Verwaltungsverfahrens oder eines bevorstehenden behördlichen Vorgehens gestützt werden. Das Gericht hat zudem festgestellt, dass die Voraussetzungen für eine Berufungszulassung nicht vorliegen.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
VG Münster: Urteil v. 27.06.2014, Az: 1 K 101/14
Tenor
Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren eingestellt.
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids des Finanzamts Steinfurt vom 17. Dezember 2013 verpflichtet, dem Kläger die bei dem Finanzamt T. über die N. C. L. Betriebsgesellschaft mbH gespeicherten Informationen durch Herausgabe von Jahreskontoauszügen für die Kalenderjahre 2010 bis 2012 für sämtliche Steuerarten zu erteilen.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Beklagte zu drei Fünfteln und der Kläger zu zwei Fünfteln.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags Sicherheit leistet.
Gründe
Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, war das Verfahren einzustellen (§ 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO).
Im Übrigen ist die Klage zulässig und begründet.
Die Sachurteilsvoraussetzungen sind gegeben. Insbesondere ist für den auf § 4 IFG NRW gestützten und außerhalb des Steuerrechtsverhältnisses geltend gemachten Auskunftsanspruch mangels abdrängender Sonderzuweisung zu den Finanzgerichten (§ 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO) der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet. Die Zuordnung ist nach der Natur der Vorschriften zu bestimmen, aus denen sich die behördliche Auskunftspflicht ergeben kann, nicht nach dem Gegenstand der Auskunft.
Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 15. Oktober 2012 - 7 B 2.12 -, juris, Rn. 14 f.; BFH, Beschluss vom 8. Januar 2013 - VII ER-S 1/12 -, juris, Rn. 1.
Der Ablehnungsbescheid des Finanzamts T. vom 17. Dezember 2013 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Erteilung der gespeicherten steuerlichen Informationen hinsichtlich der N. C. L. Betriebsgesellschaft mbH durch Herausgabe von Jahreskontoauszügen für die Kalenderjahre 2010 bis 2012 zu (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Der Anspruch des Klägers ergibt sich aus § 4 Abs. 1 IFG NRW. Danach hat jede natürliche Person gegenüber den in § 2 IFG NRW genannten Stellen einen Anspruch auf Zugang zu den bei der Stelle vorhandenen amtlichen Informationen nach Maßgabe des Informationsfreiheitsgesetzes Nordrhein-Westfalen.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 IFG NRW sind erfüllt.
Der Kläger ist anspruchsberechtigt. Er ist als Insolvenzverwalter der N. C. L. Betriebsgesellschaft mbH als natürliche Person tätig, er nimmt diese Aufgabe als Partei kraft Amtes wahr.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. Juli 2008 - 8 A 1548/07 -, www.nrwe.de, Rn. 7.
Das Finanzamt T. ist passivlegitimiert. Es ist untere Landesbehörde im Sinne des § 9 Abs. 2 des Landesorganisationsgesetzes Nordrhein-Westfalen (LOG NRW) und daher öffentliche Stelle bzw. Behörde im Sinne des § 2 Abs. 1 IFG NRW.
Die seitens des Klägers begehrten Informationen sind bei dem Finanzamt vorhanden und wurden im dienstlichen Zusammenhang gemäß § 3 Satz 1 IFG NRW erlangt.
Der schriftliche Antrag des Klägers ist hinreichend bestimmt im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 3 IFG NRW. Er lässt mit der Nennung der Jahreskontoauszüge für sämtliche Steuerarten in den Kalenderjahren 2010 bis 2012 erkennen, welche Informationen der Kläger begehrt.
Vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 15. Juni 2011 - 8 A 1150/10 -, www.nrwe.de, Rn. 28.
Die Anwendung des § 4 Abs. 1 IFG NRW ist nicht durch die Subsidiaritätsklausel des § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW ausgeschlossen. Danach gehen besondere Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen, die Auskunftserteilung oder die Gewährung von Akteneinsicht, soweit sie bestehen, den Vorschriften des Informationsfreiheitsgesetzes Nordrhein-Westfalen vor.
Darunter sind bereichsspezifische Gesetze des Bundes oder des Landes zu verstehen, die einen Informationsanspruch abschließend - identisch oder abweichend - regeln. Konkurrenzfragen sind im konkreten Einzelfall durch eine systematische, an Sinn und Zweck des Gesetzes orientierte Auslegung der jeweiligen Informationszugangsrechte zu klären. Eine Vorrangigkeit im Sinne einer Ausschließlichkeit ist nur dort anzunehmen, wo die jeweiligen Rechte die gleichen Anliegen verfolgen und/oder identische Zielgruppen erfassen, also einen sachlich bzw. persönlich identischen Regelungsgehalt aufweisen.
OVG NRW, Beschluss vom 31. Januar 2005 - 21 E 1487/04 -, www.nrwe.de, Rn. 17 = juris, Rn. 16, und Urteil vom 15. Juni 2011 - 8 A 1150/10 -, www.nrwe.de, Rn. 31 = juris, Rn. 29.
Die auf das Insolvenzverfahren bezogenen Vorschriften über Auskunftsansprüche nach §§ 97, 101 InsO bzw. § 242 BGB weisen keinen mit dem Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen identischen sachlichen Regelungsgehalt auf. Sie regeln nicht den Zugang zu amtlichen Informationen gegenüber den Behörden des Landes, sondern betreffen die privatrechtlichen Rechtsverhältnisse im Insolvenzverfahren und Informationsansprüche der an jenem Verfahren Beteiligten untereinander.
Diesen Vorschriften kommt auch dann kein mit dem Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen identischer Regelungsgehalt zu, wenn im Einzelfall eine juristische Person des öffentlichen Rechts Insolvenzgläubiger und damit auskunftspflichtiger Verfahrensbeteiligter eines Insolvenzverfahrens ist.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. November 2010 - 7 B 43.10 -, juris, Rn. 8; OVG NRW, Urteil vom 15. Juni 2011 - 8 A 1150/10 -, www.nrwe.de, Rn. 36 = juris, Rn. 34.
Die Abgabenordnung beinhaltet ebenfalls keine bereichsspezifische Ausschlussregelung. Weder der dortigen Nichtregelung eines Akteneinsichtsrechts noch der Normierung des Steuergeheimnisses kommt die Wirkung einer bereichsspezifischen Ausschlussregelung i. S. d. § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW zu. Eine (etwaige) "absichtsvolle Nichtregelung" des Akteneinsichtsrechts erfasst nur das Verhältnis zwischen dem Steuerschuldner und der Finanzbehörde, betrifft aber nicht den Informationsanspruch des nicht am steuerlichen Verwaltungsverfahren beteiligten Dritten.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Mai 2012 - 7 B 53.11 -, juris, Rn. 4 und 9; OVG NRW, Urteil vom 15. Juni 2011 - 8 A 1150/10 -, www.nrwe.de, Rn. 37 ff. = juris, Rn. 35 ff.; a. A. für das Besteuerungsverfahren FG N1. , Urteil vom 28. März 2012 - 6 K 4441/10 AO -, juris, Rn. 43 f.
Der Kläger ist als Insolvenzverwalter vorliegend nicht am steuerlichen Verwaltungsverfahren unmittelbar beteiligt, sondern insoweit Dritter.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. Juni 2011 - 8 A 1150/10 -, www.nrwe.de, Rn. 61 = juris, Rn. 63.
Auch das Steuergeheimnis aus § 30 AO geht einem Informationsanspruch des Klägers nicht gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW vor. Dies folgt bereits daraus, dass § 30 AO keine Regelungen über den Zugang zu amtlichen Informationen enthält. Diese Geheimhaltungsvorschrift geht zwar als bereichsspezifische Regelung den Informationsfreiheitsgesetzen des Bundes und der Länder vor, soweit sie regelt, welche Daten dem Steuergeheimnis unterliegen und unter welchen Voraussetzungen diese Daten offenbart, verwertet oder im automatisierten Verfahren abgerufen werden dürfen. § 30 AO erfasst aber ausschließlich Fragen des Steuergeheimnisses. Die Regelung betrifft nur die Geheimhaltungspflicht des Amtsträgers sowie die Offenbarung von Steuerdaten gegenüber Dritten. Über einen Anspruch des Steuerpflichtigen, seines Vertreters oder eines Dritten gegenüber einer Finanzbehörde auf Mitteilung der über ihn gespeicherten Daten sagt die Vorschrift dagegen nichts aus. § 30 AO regelt nicht den Zugang zu amtlichen Informationen, sondern dessen Begrenzung. Die Bestimmungen in § 30 AO mögen daher im Einzelfall dem Anspruch auf Informationszugang entgegenstehen und im Rahmen der Ausschlussgründe zu prüfen sein, sie sind aber keine "besonderen Rechtsvorschriften" über den Zugang selbst.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. Juni 2011 - 8 A 1550/10 -, www.nrwe.de, Rn. 68 ff. = juris, Rn. 70 ff.; VG N1. , Urteil vom 13. September 2013 - 1 K 3312/12 -, juris, Rn. 19; Schoch, IFG, Kommentar, 2009, § 1 IFG, Rn. 200.
Der Informationszugangsanspruch des Klägers ist auch nicht gemäß §§ 5 ff. IFG NRW ausgeschlossen.
§ 5 Abs. 4 IFG NRW steht dem Auskunftsanspruch des Klägers nicht entgegen. Danach kann der Antrag abgelehnt werden, wenn die Information dem Antragsteller bereits zur Verfügung gestellt worden ist oder wenn sich der Antragsteller die Information in zumutbarer Weise aus allgemein zugänglichen Quellen beschaffen kann.
Dass dem Kläger die begehrten Informationen tatsächlich bereits zur Verfügung stehen, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Kläger hat dargelegt, dass ihm die begehrten Informationen jedenfalls nicht umfassend und vollständig zur Verfügung stehen. Als nachvollziehbare Begründung hat der Kläger auf einen (äußerst) komplexen Sachverhalt, unzureichende Mitwirkung der Insolvenzschuldnerin bzw. ihres Geschäftsführers und deren unübersichtliche Buch- und Belegführung hingewiesen. Für die Notwendigkeit der Akteneinsicht für die vollständige Aufgabenerfüllung des Klägers spricht auch die Anerkennung seiner am 29. November 2013 erklärten Anfechtung durch das Finanzamt T. . Dass weitere Anfechtungstatbestände nicht vorliegen, hat das beklagte Land nicht behauptet, geschweige denn dargelegt.
Es dürfte grundsätzlich dem Beklagten obliegen, konkret darzulegen bzw. zu belegen, dass bzw. wodurch der Kläger bereits Kenntnis von der begehrten Information besitzt, wenn er den grundsätzlich freien und voraussetzungslosen Informationszugang beschränken will.
Vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23. April 2010 - 10 A 10091/10 -, juris, Rn. 34.
Eine Beschaffung der begehrten Jahreskontoauszüge ist auch nicht aus allgemein zugänglichen Quellen möglich.
Die kontoführende Bank der Insolvenzschuldnerin ist keine allgemein zugängliche Quelle.
Vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 16. September 2010 - 17 K 1616/09 -, juris, Rn. 36 ff.; vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 15. Juni 2011 - 8 A 1550/10 -, www.nrwe.de, Rn. 82 ff. = juris, Rn. 84 ff.
Mit dieser Begrifflichkeit knüpft § 5 Abs. 4 IFG NRW an die Formulierung in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 2. Fall GG an. Die dortige Begriffsbestimmung kann daher bei der Auslegung des § 5 Abs. 4 IFG NRW Berücksichtigung finden.
Vgl. Schoch, IFG, Kommentar, § 9 IFG, Rn. 43, zur gleichlautenden Vorschrift im IFG.
Danach ist eine Quelle allgemein zugänglich, wenn sie technisch geeignet und bestimmt ist, der Allgemeinheit, also einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen zu verschaffen.
BVerfG, Beschluss vom 3. Oktober 1969 - 1 BvR 46/65 -, BVerfGE 27, 71.
Es muss sich also um eine für jeden zugängliche Quelle wie für jeden zugängliche Bibliotheken, Presse, amtliche Mitteilungs- oder Verordnungsblätter oder das Internet handeln.
Vgl. Franßen/Seidel, Das Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen, 2007, Rn. 653.
Davon kann bei einer Bank keine Rede sein. Aufgrund des - gewohnheitsrechtlich anerkannten - Bankgeheimnisses sind Banken nicht befugt und insbesondere nicht dazu bestimmt, der Allgemeinheit Informationen über Kontobewegungen zu erteilen. Das Bankgeheimnis besteht in der Pflicht des Kreditinstituts zur Verschwiegenheit über kundenbezogene Tatsachen und Wertungen, die ihm aufgrund, aus Anlass oder im Rahmen der Geschäftsverbindung zum Kunden bekannt geworden sind und die der Kunde geheim zu halten wünscht. Die Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses ist eine besondere Ausprägung der allgemeinen Pflicht der Bank, die Vermögensinteressen des Vertragspartners zu schützen und nicht zu beeinträchtigen.
Vgl. BGH, Urteile vom 27. Februar 2007 - XI ZR 195/05 -, juris, Rn. 17, und vom 24. Januar 2006 - XI ZR 384/03 -, juris, Rn. 38 m. w. N.; vgl. auch VG Düsseldorf, Urteil vom 6. Juli 2012 - 26 K 4363/11 -, juris, Rn. 14 ff.
Zudem hat der Kläger darauf hingewiesen, dass Steuerzahlungen der Insolvenzschuldnerin teilweise von Konten Dritter erfolgten, wie anderer Gesellschaften des Geschäftsführers der Insolvenzschuldnerin. Bei diesen handelt es sich umso weniger um allgemein zugängliche Quellen, aus denen sich der Kläger die Informationen in zumutbarer Weise beschaffen könnte.
Entsprechendes gilt hinsichtlich des Steuerberaters und des Geschäftsführers der Insolvenzschuldnerin. Die Möglichkeit etwaiger Zwangsmaßnahmen zur Erlangung von dessen Zustimmung nach § 30 Abs. 4 Nr. 3 AO schließt den Informationsanspruch gegenüber dem Beklagten weder im Rahmen des § 5 Abs. 4 IFG NRW noch nach einer anderen Vorschrift dieses Gesetzes aus. Daher bleibt es dem Kläger überlassen, auf welche Weise er sich Zugang zu den benötigten Informationen verschaffen will.
Vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 16. September 2010 -17 K 1616/09 -, juris, Rn. 40.
Die Frage, ob das Steuergeheimnis in § 30 AO ein eigenständiger Ausschlussgrund ist, der als bundesrechtliche Regelung nach Art. 31 GG den Regelungen der §§ 6 ff. IFG NRW vorgeht, wie der Beklagte meint, oder ob das Steuergeheimnis nur im Rahmen von § 9 IFG NRW Berücksichtigung findet, bedarf hier keiner Entscheidung. Jedenfalls schließt das Steuergeheimnis nicht den Informationsanspruch des Klägers aus § 4 Abs. 1 IFG NRW aus. Das erkennende Gericht schließt sich der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen an, dass das Steuergeheimnis gegenüber einem im Interesse der Gläubigergesamtheit tätigen Insolvenzverwalter keine Anwendung findet.
Mit der Weitergabe von Steuerdaten des Insolvenzschuldners ohne dessen Zustimmung (§ 30 Abs. 4 Nr. 3 AO) an den Insolvenzverwalter offenbart der für die Finanzverwaltung handelnde Amtsträger nicht im Sinne des § 30 Abs. 2 AO unbefugt Steuerdaten. Der Schutzzweck des § 30 AO ist gar nicht berührt, wenn dem Insolvenzverwalter des Steuerpflichtigen Zugang zu dessen Steuerdaten gewährt wird. Die in der Steuerakte des Schuldners enthaltenen Informationen unterliegen gegenüber dem Kläger als Insolvenzverwalter von vornherein keiner Geheimhaltungspflicht, so dass das Steuergeheimnis insoweit nicht verletzt wird. Denn mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlangt der Insolvenzverwalter die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen (§ 80 Abs. 1 InsO) und hat gegenüber dem Insolvenzschuldner einen Anspruch auf Auskunft über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse (§ 97 Abs. 1 Satz 1 InsO). Dies umfasst alle Umstände, die für die Beurteilung von Gläubigerforderungen bedeutsam sein können. Der Schuldner ist damit dem Kläger gegenüber materiellrechtlich uneingeschränkt über alle Verhältnisse auskunftspflichtig, die das Insolvenzverfahren betreffen. Diese bundesrechtlichen Regelungen sollen verhindern, dass der über alle das Insolvenzverfahren betreffenden Verhältnisse in der Regel am besten informierte Insolvenzschuldner bzw. seine Organe und Angestellten durch Schweigen die Arbeit des Insolvenzverwalters unnötig erschweren und Gläubigeransprüche noch weiter gefährdet werden. Der Insolvenzverwalter soll sich über die wirtschaftlichen und rechtlichen Verhältnisse des Schuldners umfassend informieren können, um das Insolvenzverfahren im Hinblick auf die Gläubigerbefriedigung sachgerecht und effektiv durchführen zu können. Diesem Schutzzweck liefe es zuwider, wenn sich der Insolvenzschuldner bzw. im Fall seiner fehlenden Zustimmung zur Offenbarung seiner Steuerdaten das Finanzamt zum Nachteil der (anderen) Insolvenzgläubiger auf das Steuergeheimnis berufen könnte.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. Juni 2011 - 8 A 1150/10 -, www.nrwe.de, Rn.97 = juris, Rn. 99; VG Köln, Urteil vom 27. März 2014 - 13 K 4636/13 -, S. 15 UA; ebenso zum Sozialgeheimnis OVG Rheinland-Pfalz, Urteile vom 12. Februar 2010 - 10 A 11156/09 -, juris, Rn. 31, und vom 23. April 2010 - 10 A 10091/10 -, juris, Rn. 30; VG Hamburg, Urteil vom 27. August 2010 - 7 K 619/09 -, juris, Rn. 53 f.
Damit kommt es darauf, ob eine Zustimmung des Insolvenzschuldners eingeholt werden könnte oder durch die Zustimmung des Klägers ersetzt werden kann, nicht an.
Folglich steht dem Auskunftsanspruch auch nicht entgegen, dass die Offenbarung der Steuerdaten nicht durch § 80 Abs. 1, § 97 Abs. 1 Satz 1 InsO ausdrücklich zugelassen ist im Sinne des § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO.
Der von dem Beklagten in der mündlichen Verhandlung erwähnte Anwendungserlass des Bundesministeriums der Finanzen vom 31. Januar 2014 zu § 251 AO (Gz. IV A 3 - S0062/14/10002, BStBl. I 2014, 290), nach dessen Ziff. 4.5 ein Auskunftsanspruch des Insolvenzverwalters nach den Informationsfreiheitsgesetzen bestehe, wenn der Schuldners zustimme (§ 30 Abs. 4 Nr. 3 AO), führt zu keinem anderen Ergebnis. Diese Verwaltungsvorschrift bindet nur die Finanzbehörden im Innenverhältnis, nicht aber die Gerichte und die Bürger. Dies gilt insbesondere, wenn sie über ihren unmittelbar steuerverwaltungsrechtlichen Regelungsgehalt auch auf Verfahren nach dem Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen angewendet werden sollte und ihr ein der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts widersprechender Aussagegehalt zugemessen würde, dass die Zustimmung des Schuldners insoweit unumgänglich sei. Darüber hinaus betrifft dieser Erlass das Verfahren nach § 251 AO. Gemäß § 251 Abs. 2 Satz 1 AO bleiben die Vorschriften der Insolvenzordnung aber unberührt.
Dass durch die begehrte Akteneinsicht dem Steuergeheimnis unterliegende Steuerdaten Dritter notwendigerweise offenbart würden, hat der Beklagte nicht nachvollziehbar vorgetragen.
Der nicht näher substantiierte Hinweis, es seien auch Daten Dritter betroffen, nähere Ausführungen könnten aber aufgrund des Steuergeheimnisses nicht erfolgen, reicht für einen Ausschluss des Informationsanspruchs aufgrund der Geheimhaltungsvorschrift des § 30 AO nicht aus.
Der Beklagte hätte wenigstens ausführen müssen, welche potentiellen Dritten betroffen sein könnten, damit der Kläger die Möglichkeit hat, die ggf. erforderlichen Zustimmungen der Betroffenen nach § 30 Abs. 4 Nr. 3 AO einzuholen. Würde schon der pauschale Hinweis der Drittbetroffenheit ausreichen, könnten Auskunftsansprüche grundsätzlich ohne nähere diesbezügliche Substantiierung abgelehnt werden. Dies widerspräche der mit den Informationsfreiheitsgesetzen bezweckten transparenteren Verwaltung.
Eine Betroffenheit persönlicher Daten Dritter ist auch nicht offensichtlich. Das Auskunftsbegehren betrifft nur Zahlungen der Insolvenzschuldnerin an den Beklagten bzw. Vollstreckungsmaßnahmen in Form von Kontopfändungen ihr gegenüber. Die begehrten Jahreskontoauszüge dürften nur eine Übersicht der Zahlungen an den Beklagten mit Angaben der steuerlichen Rückstände und eingebuchten Mahn- und Vollstreckungskosten sowie etwaige Kontopfändungen enthalten. Dies sind Informationen, welche die Schuldnerin betreffen und keine andere natürliche oder juristische Person. Auch ist nicht erkennbar, inwiefern zusammenveranlagte Ehegatten bei Auskünften über die Schuldnerin als juristische Person betroffen sein sollten. Es ist auch nicht Aufgabe des Gerichts, nach potentiell betroffenen Dritten zu suchen, zumal ihm die Steuerakten der Schuldnerin nicht bekannt sind.
Darüber hinaus hat der Beklagte insoweit in keiner Weise näher aufgezeigt, weshalb eine Unkenntlichmachung etwaiger schutzbedürftiger Daten Dritter durch Schwärzung oder (vorübergehende) Löschung nicht möglich sein soll. Diesbezüglich ist der Beklagte aber materiell beweisbelastet, da nur ihm die zu Grunde liegenden Verhältnisse bekannt sind.
Der Anspruch ist auch nicht gemäß § 6 Satz 1 lit. b) IFG NRW ausgeschlossen. Danach ist der Antrag auf Informationszugang abzulehnen, soweit und solange durch die Bekanntgabe der Information der Verfahrensablauf eines anhängigen Verwaltungsverfahrens, eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens, eines Disziplinarverfahrens oder der Erfolg einer bevorstehenden behördlichen Maßnahme erheblich beeinträchtigt würde. Eine drohende Beeinträchtigung eines anhängigen Verwaltungsverfahrens, insbesondere eines Steuerverfahrens, ist ebenso wenig geltend gemacht wie die eines anhängigen Gerichtsverfahrens. Eine Beeinträchtigung des Insolvenzverfahrens ist nicht erkennbar. Ein Anfechtungsprozess ist noch nicht anhängig. Darüber hinaus ist eine diesbezügliche erhebliche Beeinträchtigung nicht dargetan.
Vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 15. Juni 2011 - 8 A 1150/10 -, www.nrwe.de, Rn. 85 = juris, Rn. 87.
Schließlich ist nicht ersichtlich, dass durch die begehrten Jahreskontoauszüge personenbezogene Daten im Sinne des § 9 Abs. 1 IFG NRW offenbart würden. Personenbezogene Daten sind - in Anlehnung an die Definition in § 3 Abs. 1 DSG NRW, § 3 BDSG - Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person.
Vgl. Franßen/Seidel, Das Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen, 2007, Rn. 954 f.
Solche Angaben enthalten die allein eine juristische Person betreffenden Jahreskontoauszüge nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über deren vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung nach § 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO liegen nicht vor. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Durch das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 15. Juni 2011 - 8 A 1150/10 - und den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Mai 2012 - 7 B 53.11 - ist geklärt, dass § 30 AO einem außerhalb eines Besteuerungsverfahrens nach § 4 Abs. 1 IFG NRW geltend gemachten Informationsrecht des Insolvenzverwalters nicht entgegensteht.
VG Münster:
Urteil v. 27.06.2014
Az: 1 K 101/14
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