Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. Februar 2004
Aktenzeichen: 33 W (pat) 268/03
(BPatG: Beschluss v. 17.02.2004, Az.: 33 W (pat) 268/03)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Bundespatentgericht hat in seinem Beschluss vom 17. Februar 2004 (Aktenzeichen: 33 W (pat) 268/03) einer Beschwerde einer Widersprechenden stattgegeben und den Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 vom 16. September 2003 aufgehoben. Zudem wurde die Rückerstattung der Beschwerdegebühr angeordnet.
In der Entscheidung ging es um die Eintragung einer Marke für verschiedene Dienstleistungen wie Unternehmensverwaltung, Finanzdienstleistungen, Geldgeschäfte, Vermögensverwaltung, Erstellung von Datenverarbeitungsprogrammen und Erstellung von Webseiten. Gegen diese Eintragung hatte die Widersprechende Widerspruch erhoben, der auf zwei verschiedene Marken der Widersprechenden gestützt wurde.
Die Markenstelle für Klasse 36 hatte das Verfahren über den Widerspruch aus einer der beiden Marken ausgesetzt. Dies begründete sie damit, dass es sich um Widersprüche derselben Widersprechenden handele und dass die Widerspruchsmarke selbst noch im Widerspruchsverfahren stehe. Die Aussetzung sei sachdienlich, da sie zu Teil-Löschungen der angegriffenen Marke führen würde.
Gegen diese Entscheidung richtete sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie argumentierte, dass die Aussetzung aufgrund des Widerspruchs aus der anderen Marke nicht gerechtfertigt sei, da diese Marke rechtskräftig eingetragen sei und kein Verfahren zur Löschung anhängig sei. Es handle sich um zwei unabhängige Verfahren, für die zwei Gebühren entrichtet worden seien. Die Markenstelle habe ihr Ermessen bei der Aussetzung fehlerhaft ausgeübt und gegen die Grundsätze der Verfahrensökonomie verstoßen.
Das Bundespatentgericht gab der Beschwerde statt. Es stellte fest, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zur Verfahrensaussetzung nicht gegeben seien. Die beiden Widersprüche könnten nicht ohne sachlichen Grund miteinander verbunden werden. Auch bestehe ein berechtigtes Interesse der Widersprechenden, dass ohne weitere Verzögerungen über den Widerspruch entschieden wird.
Zusätzlich ordnete das Bundespatentgericht die Rückerstattung der Beschwerdegebühr an, da kein rechtlicher Gesichtspunkt ersichtlich war, nachdem die Verfahrensaussetzung angeordnet werden konnte.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 17.02.2004, Az: 33 W (pat) 268/03
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 vom 16. September 2003 aufgehoben.
2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.
Gründe
I Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist gegen die Eintragung der für die Dienstleistungen
"Unternehmensverwaltung; Finanzdienstleistungen aller Art, Geldgeschäfte, Vermögensverwaltung; Erstellung von Datenverarbeitungsprogrammen, Erstellen von Webseiten"
am 15. November 2001 angemeldeten und am 5. Juli 2002 registrierten Marke 301 66 183 orangetradingseitens der Beschwerdeführerin Widerspruch erhoben worden.
Der Widerspruch wurde am 11. November 2002 eingelegt und auf zwei verschiedene Marken der Beschwerdeführerin, nämlich die EU-Marken 1 950 740 und 1 078 989, gestützt.
Die Markenstelle für Klasse 36 hat mit dem angefochtenen Beschluss das Verfahren über den Widerspruch aus der EU Marke 1 950 740 ausgesetzt. Sie hat ausgeführt, dass die Aussetzung auf § 65 Abs 1 Nr 4 MarkenG iVm §§ 28 Abs 1, 29 Abs 2 MarkenV beruhe. Es handle sich um Widersprüche derselben Widersprechenden, wobei sich die Widerspruchsmarke EU 1 078 989 selbst noch im Widerspruchverfahren befinde. Die Aussetzung sei sachdienlich, da eine Löschung der angegriffenen Marke insgesamt aufgrund der Widerspruchsmarke nicht unwahrscheinlich sei, die jeweiligen Widersprüche ausweislich der in Rede stehenden Waren und Dienstleistungsklassen jeweils jedoch nur zu Teillöschungen führen würden.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie trägt vor, dass der Hinweis auf den Widerspruch aus der angemeldeten Gemeinschaftsmarke 1 078 989 die Aussetzung des vorliegenden Widerspruchverfahrens nicht tragen könne. Die Widerspruchsmarke EU 1 950 740 sei rechtskräftig eingetragen. Es sei auch kein Verfahren zur Löschung dieser Marke anhängig. Es handle sich um zwei voneinander unabhängige Verfahren, für die zwei Gebühren entrichtet worden seien und in denen jeweils eine Sachentscheidung zu treffen sei. Das Verfahren über den Widerspruch aus der Marke EU 1 950 740 sei entscheidungsreif, da die Widerspruchsbegründung vorliege und die Markeninhaberin ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt habe. Die Markenstelle habe das ihr zustehende Ermessen bei der Entscheidung über die Aussetzung des vorliegenden Verfahrens fehlerhaft ausgeübt und damit auch gegen die Grundsätze der Verfahrensökonomie verstoßen.
Die Widersprechende beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat sich zur Frage der Aussetzung nicht geäußert.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II 1. Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Die gesetzlichen Voraussetzungen zur Verfahrensaussetzung sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die Aussetzung eines Widerspruchsverfahrens kommt in den Fällen des - hier nicht einschlägigen - § 43 Abs 3 MarkenG sowie nach ganz herrschender Rechtsprechung auch in anderen Fällen der Sachdienlichkeit in Betracht, insbesondere soweit ein vorgreifliches Rechtsverhältnis iSv § 148 ZPO besteht. Diesem Grundsatz trägt § 65 Abs 1 Nr 4 MarkenG iVm § 29 Abs 1 MarkenV Rechnung (vgl Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl, § 43 Rdz 122 mwN). Nach dieser Vorschrift kann das Verfahren über einen Widerspruch im Falle der Sachdienlichkeit ausgesetzt werden, wobei in § 29 Abs 2 MarkenV insbesondere als Fall der Sachdienlichkeit die Fallkonstellation genannt wird, dass einem Widerspruch voraussichtlich stattzugeben wäre und der Widerspruch auf eine angemeldete Marke gestützt worden ist oder vor dem Patentamt ein Verfahren zur Löschung der Widerspruchsmarke anhängig ist.
Im vorliegenden Fall hat die Widersprechende getrennt voneinander zwei Widersprüche aus den Gemeinschaftsmarken EU 1 950 740 sowie EU 1 078 989 eingelegt. Bezüglich der EU Marke 1 078 989 ist noch ein Widerspruchsverfahren anhängig. Die EU Marke 1 950 740, auf die sich die Entscheidung der Markenstelle im vorliegenden Verfahren bezieht, ist rechtskräftig eingetragen, ein Löschungsverfahren nicht anhängig. Einen sachdienlichen Grund, der die Aussetzung im vorliegenden Fall rechtfertigen würde, vermag der Senat nicht zu erkennen. Die beiden von der Widersprechenden getrennt eingelegten Widersprüche können nicht ohne sachlichen Grund dergestalt miteinander verbunden werden, dass allein aufgrund der Tatsache, dass sich eine der beiden Marken noch im Widerspruchsverfahren befindet, der zweite Widerspruch nicht weiter betrieben werden kann. Dies würde bedeuten, dass ein Widersprechender der aus zwei Marken Widersprüche einlegt, schlechter gestellt wird als ein Widersprechender, der lediglich aus einer Widerspruchsmarke gegen eine andere Marke vorgehen will. Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass in absehbarer Zeit die Benutzungsschonfrist für die vorliegende Widerspruchsmarke ablaufen wird, besteht ein berechtigtes Interesse der Widersprechenden daran, dass ohne weitere Verfahrensverzögerungen über den Widerspruch entschieden wird. Dies gilt insbesondere deshalb, weil der Widerspruch aus der Marke EU 1 950 740 nicht ohne weiteres als aussichtslos angesehen werden kann.
2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr beruht auf § 71 Abs 3 MarkenG. Es wäre im vorliegenden Fall unbillig, die Beschwerdegebühr einzubehalten, da kein rechtlicher Gesichtspunkt ersichtlich ist, nach dem die Verfahrensaussetzung im vorliegenden Fall angeordnet werden konnte (Ströbele/Hacker Markengesetz, 7. Aufl, Rdz 59).
Winkler Pagenberg Dr. Hock Cl
BPatG:
Beschluss v. 17.02.2004
Az: 33 W (pat) 268/03
Link zum Urteil:
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