Bundesgerichtshof:
Urteil vom 7. November 2002
Aktenzeichen: I ZR 175/00

(BGH: Urteil v. 07.11.2002, Az.: I ZR 175/00)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 7. November 2002 (Aktenzeichen I ZR 175/00) ein Urteil des Saarländischen Oberlandesgerichts aufgehoben. Es geht um die Ausstrahlung von Rundfunksendungen über den Sender Felsberg, der sich nur 300 m von der französischen Grenze entfernt befindet. Die Klägerin, eine Verwertungsgesellschaft, verlangt eine Vergütung von der Beklagten für die Ausstrahlung der Sendungen. Das Berufungsgericht hatte die Klage abgewiesen und argumentiert, dass französisches Urheberrecht anzuwenden sei, da die Ausstrahlung gezielt für das Inland verlegt worden sei, um die Anwendung der deutschen Rechtsordnung zu vermeiden. Der Bundesgerichtshof ist jedoch der Ansicht, dass das deutsche Urheberrechtsgesetz anwendbar ist, da die Ausstrahlungen im Inland stattfinden. Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass sie nicht selbst den Inhalt und Zeitpunkt der Programmausstrahlung bestimmt, da sie als Inhaberin der Sendelizenz auch urheberrechtlich verantwortlich ist. Das Gericht konnte jedoch nicht abschließend über die Klage entscheiden, da noch Feststellungen zur Aktivlegitimation der Klägerin getroffen werden müssen. Es wird zudem darauf hingewiesen, dass die Bemessung der Vergütungsansprüche auch die Rechtslage in Frankreich berücksichtigen muss, da dort möglicherweise ebenfalls Vergütungsansprüche bestehen. Des Weiteren wird darauf hingewiesen, dass das Empfangsgebiet der Langwellensendungen nicht nur auf Deutschland und Frankreich beschränkt ist. Die Sache wird an das Berufungsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BGH: Urteil v. 07.11.2002, Az: I ZR 175/00


Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 28. Juni 2000 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Beklagte besitzt als rechtlich selbständiges Unternehmen eine von dem Ministerpräsidenten des Landes Saarland im Jahr 1965 erteilte Erlaubnis für die Ausstrahlung von Rundfunksendungen. Sie strahlt vom Inland aus über den Sender Felsberg, der nur 300 m von der französischen Grenze entfernt steht, ein werbefinanziertes Hörfunkprogramm auf Langwelle in Richtung Frankreich aus. Die Sendungen werden von der Muttergesellschaft der Beklagten unter Verwendung von Musiktonträgern in Paris produziert und von dort mittels Richtfunk-und Kabelverbindungen, seit einiger Zeit auch über Satellit, zum Sender Felsberg übertragen. Die von der Beklagten ausgestrahlten Sendungen können im Inland nur in äußerst geringem Umfang empfangen werden. Die Beklagte überläßt Teile ihres Programms unentgeltlich dem DAB-Multimedia-Pilotprojekt Saarland, dessen digitale Sendungen nur mit Hilfe besonderer Geräte -derzeit sind 57 solcher Geräte im Einsatz -gehört werden können.

Die Hörfunksendungen sind in französischer Sprache gestaltet und ausschließlich für den französischen Raum bestimmt. Die Werbezeiten des Programms werden in Frankreich an dort ansässige Unternehmen vermarktet. Für den Betrieb des Senders Felsberg erhält die Beklagte, die keine eigenen Werbeeinnahmen erzielt, von ihrer französischen Muttergesellschaft eine Vergütung.

Bei Aufnahme der Sendetätigkeit der Beklagten ist der Senderstandort Felsberg gewählt worden, weil damals in Frankreich private werbefinanzierte Hörfunksendungen nicht erlaubt waren. Seit dem Jahre 1983 verbreitet die Muttergesellschaft der Beklagten das über den Sender Felsberg ausgestrahlte Hörfunkprogramm in Frankreich auch über UKW-Sender.

Die Klägerin ist die GVL, die als einzige Verwertungsgesellschaft in Deutschland Ansprüche ausübender Künstler und Tonträgerhersteller aus § 76 Abs. 2, § 86 UrhG wahrnimmt. Durch den "Vertrag über die Verwendung von Tonträgern in Hörfunkprogrammen" vom 19. August/23. September 1986 verpflichtete sich die Beklagte gegenüber der Klägerin, als Gegenleistung für die Verwendung von Musiktonträgern in dem von ihr ausgestrahlten Hörfunkprogramm jährlich 500.000,--DM (zuzüglich Mehrwertsteuer in der jeweils anfallenden Höhe) zu bezahlen. Diesen Vertrag kündigte sie zum 31. Dezember 1996. Grund dafür war, daß auch die Verwertungsgesellschaft SPRE, die in Frankreich Rechte von ausübenden Künstlern und Tonträgerherstellern an Rundfunksendungen wahrnimmt, gegen die französische Muttergesellschaft der Beklagten Vergütungsforderungen wegen der Ausstrahlung des Hörfunkprogramms über den Sender Felsberg geltend machte. Ein von der Verwertungsgesellschaft SPRE in Paris gegen die Muttergesellschaft der Beklagten angestrengtes gerichtliches Verfahren ist derzeit in der dritten Instanz anhängig.

Auf Antrag der Klägerin erließ die Schiedsstelle nach dem Gesetz über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten beim Deutschen Patentamt am 20. Juli 1998 einen Einigungsvorschlag (Sch-Urh 21/97), nach dem die Beklagte verpflichtet sein sollte, für die Inanspruchnahme des Senderechts am Senderstandort Felsberg eine jährliche Vergütung von 500.000,--DM (zuzüglich Mehrwertsteuer) zu zahlen. Gegen diesen Einigungsvorschlag hat die Beklagte Widerspruch eingelegt.

Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten wegen der Programmausstrahlung über den Sender Felsberg für die Jahre 1997 und 1998 eine Vergütung von 1 Mio. DM (zuzüglich Mehrwertsteuer).

Die Klägerin hat vorgetragen, durch die Ausstrahlungen des Senders Felsberg werde in die nach deutschem Recht bestehenden Leistungsschutzrechte ausübender Künstler und Tonträgerhersteller, die von ihr wahrgenommen würden, eingegriffen. Die Vergütungsforderung sei der Höhe nach angemessen.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verpflichten, an die Klägerin für die Inanspruchnahme des Senderechts am Senderstandort Saarbrücken für die Jahre 1997 und 1998 jeweils 500.000,--DM zuzüglich Mehrwertsteuer nebst 5 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte hat vorgebracht, für das vom Sender Felsberg ausgestrahlte Programm würden nahezu ausschließlich Darbietungen französischer Künstler sowie in Frankreich erschienene Tonträger verwendet. Zur Wahrnehmung der entsprechenden Rechte sei die Klägerin nicht befugt. Die für Frankreich bestimmte Programmausstrahlung durch den Sender Felsberg sei allein nach französischem Recht zu beurteilen.

Das Landgericht hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen (OLG Saarbrücken GRUR Int. 2000, 933).

Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Gründe

I. Das Berufungsgericht hat die Ansicht vertreten, daß die Sendetätigkeit der Beklagten gemäß dem Schutzlandgrundsatz an sich nach deutschem Urheberrecht zu beurteilen wäre, weil die Ausstrahlung von deutschem Hoheitsgebiet aus stattfinde. Daran ändere auch der Umstand nichts, daß die Programmsignale durch die Muttergesellschaft der Beklagten von Frankreich her -im Wege einer ununterbrochenen Übertragungskette -dem Sender Felsberg zugeleitet würden, da nach § 20 UrhG auf die Ausstrahlung der einzelnen Sendestelle an die Öffentlichkeit abzustellen sei. Statt des deutschen Urheberrechts sei hier jedoch ausnahmsweise allein französisches Urheberrecht anzuwenden, weil ein Umgehungstatbestand gegeben sei. Die Rechtsordnung des Bestimmungslandes sei anzuwenden, wenn -wie hier -gezielte Ausstrahlungen für das Inland allein deshalb in das Ausland verlegt würden, um die Anwendung der inländischen Rechtsordnung zu vermeiden. Das Hörfunkprogramm sei ursprünglich von dem Gebiet des Saarlandes aus -noch vor dessen Eingliederung in die Bundesrepublik Deutschland -ausgestrahlt worden, weil die französische Rechtsordnung Privatrundfunk nicht gestattet habe. Das ausgestrahlte und durch Werbeeinnahmen aus Frankreich finanzierte Programm sei ausschließlich für Hörer in Frankreich bestimmt. Nur technisch bedingt sei das Programm auch in kleinen Teilen des saarländischen Grenzgebiets empfangbar. Für das DAB-Multimedia-Pilotprojekt Saarland stelle die Beklagte lediglich Programmteile zur Verfügung, strahle aber insoweit nicht selbst aus.

II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Die Rundfunksendungen der Beklagten unterliegen schon deshalb den Vorschriften des deutschen Urheberrechtsgesetzes, weil sie an die Öffentlichkeit über Sendeanlagen ausgestrahlt werden, die auf dem Gebiet des Saarlandes stehen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts können somit den ausübenden Künstlern und Tonträgerherstellern, deren Leistungen bei der Gestaltung des ausgestrahlten Programms benutzt werden, Ansprüche aus § 76 Abs. 2, § 86 UrhG zustehen, die von der Klägerin als Verwertungsgesellschaft wahrgenommen werden.

a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Frage, ob bei grenzüberschreitenden Rundfunksendungen Ansprüche aus Urheberrechten oder Leistungsschutzrechten bestehen, gemäß dem deutschen internationalen Privatrecht grundsätzlich nach dem Recht des Schutzlandes zu beurteilen ist, d.h. nach dem Recht desjenigen Staates, für dessen Gebiet der Immaterialgüterschutz in Anspruch genommen wird (vgl. BGHZ 118, 394, 397 f. -ALF; 126, 252, 255 -Folgerecht bei Auslandsbezug; 136, 380, 385 f. -Spielbankaffaire; Staudinger/v. Hoffmann, BGB, 2001, Art. 40 EGBGB Rdn. 370 ff.; MünchKomm.BGB/Kreuzer, 3. Aufl., Nach Art. 38 EGBGB Anh. II Rdn. 7 ff., jeweils m.w.N.). Das Recht des Schutzlandes bestimmt, welche Handlungen als Verwertungshandlungen unter ein von ihm anerkanntes Schutzrecht fallen. Urhebern, ausübenden Künstlern und Tonträgerherstellern stehen -auch aus der Sicht der zu ihrem Schutz geschlossenen internationalen Abkommen -keine einheitlichen Schutzrechte zu, die einem einzigen Statut unterliegen, sondern jeweils ein Bündel nationaler Schutzrechte. Die für das allgemeine Deliktsrecht geltenden Anknüpfungsregeln sind bei der immaterialgüterrechtlichen Beurteilung grenzüberschreitender Rundfunksendungen nicht anzuwenden (vgl. BGHZ 136, 380, 386 -Spielbankaffaire). Daran hat sich durch die Neufassung der für unerlaubte Handlungen geltenden Kollisionsnorm des Art. 40 EGBGB durch das Gesetz zum Internationalen Privatrecht für außervertragliche Schuldverhältnisse und für Sachen vom 21. Mai 1999 (BGBl. I S. 1026) nichts geändert (vgl. Staudinger/v. Hoffmann aaO Art. 40 EGBGB Rdn. 370; Möhring/Nicolini/ Hartmann, Urheberrechtsgesetz, 2. Aufl., Vor §§ 120 ff. Rdn. 17; Thum, GRUR Int. 2001, 9, 20 Fn. 115 m.w.N.). Nach der Begründung zu Art. 1 Abs. 2 des Regierungsentwurfs zu diesem Gesetz (BT-Drucks. 14/343 S. 10) erschien eine ausdrückliche Regelung des für Verletzungen von Immaterialgüterrechten geltenden Kollisionsrechts entbehrlich.

b) Nach dem Schutzlandgrundsatz sind auf die Rundfunksendungen, die durch den Sender Felsberg ausgestrahlt werden, die Vorschriften des deutschen Urheberrechtsgesetzes anzuwenden. Im Inland, für dessen Gebiet die Klägerin Schutz begehrt, findet als urheberrechtlich relevante Handlung die Ausstrahlung der Rundfunksendung an die Öffentlichkeit statt.

(1)

Von der Anwendbarkeit des Rechts des Ausstrahlungslandes auf drahtlose Rundfunksendungen geht die Rechtspraxis im In-und Ausland seit jeher fast ausnahmslos aus (vgl. österr. OGH GRUR Int. 1991, 920, 922 f. -TELE-UNO II; Ulmer, Urheber-und Verlagsrecht, 3. Aufl., S. 547; Möhring/ Nicolini/Hartmann aaO Vor §§ 120 ff. Rdn. 26; Schricker/v. Ungern-Sternberg, Urheberrecht, 2. Aufl., Vor §§ 20 ff. Rdn. 52 ff.; Schricker/Katzenberger ebd. Vor §§ 120 ff. Rdn. 141). Diese Rechtsanknüpfung anhand eines einfach zu bestimmenden Kriteriums entspricht im allgemeinen gerade auch den Erfordernissen der Massennutzung geschützter Werke und Leistungen durch Rundfunkunternehmen, weil dabei von der Betrachtung der möglicherweise von Sendung zu Sendung unterschiedlichen Einzelfallumstände (technische Reichweite der Ausstrahlungen, bestimmungsgemäßer Empfangsbereich der jeweiligen Sendung, Zwischenspeicherungen usw.) abgesehen werden kann.

(2)

Für die urheberrechtliche Beurteilung erdgebundener drahtloser Rundfunksendungen, die -wie im vorliegenden Fall -gezielt in bestimmte Länder ausgestrahlt werden, wird allerdings teilweise die Ansicht vertreten, daß neben dem Recht des Ausstrahlungslandes auch das Recht der Bestimmungsländer anzuwenden ist. Dies wird nach einer Meinung damit begründet, daß der Sendevorgang in solchen Fällen gerade auch als Werknutzung im Bestimmungsland bedeutsam sei (vgl. österr. OGH GRUR Int. 1991, 920, 922 f. -TELE-UNO II; Schricker/Katzenberger aaO Vor §§ 120 ff. Rdn. 141; Schack, Urheber-und Urhebervertragsrecht, 2. Aufl., Rdn. 929 ff., jeweils m.w.N.; vgl.

aber auch BGHZ 136, 380 -Spielbankaffaire). Nach anderer Ansicht wird eine solche Anwendbarkeit des Rechts des Bestimmungslandes (wenn auch beschränkt auf besondere Fallgestaltungen wie vor allem Fälle, in denen der Ausstrahlungsort nur oder fast ausschließlich deshalb aus dem Bestimmungsland herausverlagert worden ist, um dessen Rechtsordnung zu entgehen) auf den Gedanken der Gesetzesumgehung gestützt (vgl. Möhring/Nicolini/Hartmann aaO Vor § 120 ff. Rdn. 26 f.; Schricker/v. Ungern-Sternberg aaO Vor §§ 20 ff. Rdn. 55; v. Ungern-Sternberg in Schwarze [Hrsg.], Rechtsschutz gegen Urheberrechtsverletzungen und Wettbewerbsverstöße in grenzüberschreitenden Medien, 2000, S. 109, 116 ff.). Die Vertreter der Rechtsmeinungen, nach denen bei drahtlosen Rundfunksendungen, die gezielt in bestimmte Länder hinein ausgestrahlt werden, das Recht des Bestimmungslandes anwendbar sein kann, vertreten jedoch im Einklang mit dem Schutzlandgrundsatz durchweg die Ansicht, daß das Recht des Ausstrahlungslandes daneben anwendbar bleibt. Nach Maßgabe des Rechts des Bestimmungslandes als Schutzland ist danach zwar gegebenenfalls dessen Recht auf die Rundfunksendung anzuwenden, der Umstand, daß nach dem Recht des Ausstrahlungslandes als Schutzland dort eine urheberrechtlich relevante Handlung vorgenommen worden ist, kann dadurch aber -entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts -nicht unbeachtlich werden. Da hier nach dem Urheberrechtsgesetz eine Rundfunksendung im Inland anzunehmen ist, kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht auf die Frage an, ob den dargelegten Rechtsmeinungen nach deutschem Recht zuzustimmen ist.

c) Die Beklagte vertritt demgegenüber -im Anschluß an ein von ihr vorgelegtes Rechtsgutachten -die Ansicht, daß bei den Ausstrahlungen über den Sender Felsberg keine urheberrechtlich relevante Sendung im Inland vorliege, und deshalb ausschließlich französisches Urheberrecht anzuwenden sei. Bei grenzüberschreitenden Sendevorgängen könne nicht darauf abgestellt werden, in welchem Land die Ausstrahlung an die Öffentlichkeit stattfinde. Vielmehr sei eine ganzheitliche Betrachtung des gesamten Sendevorgangs anzustellen. Dies bedeute in einem Fall wie hier, in dem die Programmsignale in einer ununterbrochenen Übertragungskette von den Studios der französischen Muttergesellschaft in Paris zum Sender Felsberg geleitet würden, daß allein auf das französische Recht abzustellen sei. Bei wertender Betrachtung sei allein die Eingabe der Programmsignale als der ausschlaggebende Sendevorgang anzusehen, da sich bereits in ihm die Entscheidung des Sendeunternehmens über Inhalt und Zeitpunkt der Sendung ausdrücke. Die Anknüpfung an diesen Vorgang als Sendevorgang gewährleiste auch, daß nur eine einzige Urheberrechtsordnung eingreife. Eine solche Beurteilung entspreche der Regelung der direkten Satellitensendungen in Art. 2 i.V. mit Art. 1 Abs. 1 und 2 der Satelliten-und Kabelrichtlinie (Richtlinie 93/83/EWG des Rates vom 27. September 1993 zur Koordinierung bestimmter urheber-und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung, ABl. Nr. L 248/15 = GRUR Int. 1993, 936) sowie § 20a UrhG, der in Umsetzung der Richtlinie in das Urheberrechtsgesetz eingefügt worden sei. Danach werde urheberrechtlich ausschließlich auf den Vorgang abgestellt, bei dem die für den öffentlichen Empfang bestimmten programmtragenden Signale unter der Kontrolle und Verantwortung des Sendeunternehmens in eine ununterbrochene Übertragungskette, die zum Satelliten und zurück zur Erde führe, eingegeben würden.

Diesem Beurteilungsansatz der Beklagten kann nicht zugestimmt werden. Dies gilt sowohl für die Rechtsanknüpfung im Bereich des Urheberrechts als auch für diejenige im Bereich der Leistungsschutzrechte, für die nichts anderes gelten kann. Dem für die Bestimmung des anwendbaren Rechts maßgeblichen Schutzlandgrundsatz liegt u.a. der Gedanke zugrunde, daß es in erster Linie Sache des jeweiligen Landes ist, für dessen Gebiet hinsichtlich einer urheberrechtlich relevanten Handlung Schutz gewährt wird, zu bestimmen, welchen Umfang dieser Schutz dort haben soll. Dementsprechend haben die Verwertungsrechte des Urhebers -ebenso wie Verbotsrechte der Inhaber von Leistungsschutzrechten -nach dem deutschen Urheberrechtsgesetz maßgeblich auch die Aufgabe, dem Berechtigten die Kontrolle über die Nutzung seines Werkes zu sichern, und dies unabhängig davon, ob mit der Handlung eine wirtschaftlich bedeutsame Auswertung im Inland verbunden ist (vgl. BGH, Urt. v. 17.2.2000 -I ZR 194/97, GRUR 2000, 699, 700 -Kabelweitersendung). Bei ausschließlicher Anknüpfung an das Recht des Staates, auf dessen Gebiet die Programmsignale in eine ununterbrochene Übertragungskette eingegeben werden, wäre dagegen der Schutz des Urhebers in vollem Umfang von der Rechtslage in dem Staat abhängig, von dem die Sendung ihren Ausgang genommen hat. Ein solches Ergebnis wäre bei erdgebundenen Rundfunksendungen schon deshalb untragbar, weil dies die Bestimmung des anwendbaren Rechts -vor allem bei Live-Übertragungen -von wechselnden Einzelfallumständen abhängig machen würde wie dem Ort, von dem aus die Sendung eingeleitet wurde, oder von der Vornahme von Zwischenspeicherungen. Zudem wäre zu befürchten, daß der dann urheberrechtlich allein maßgebliche Vorgang der Eingabe der Programmsignale in eine ununterbrochene Übertragungskette in Staaten verlagert wird, in denen kein oder nur ein geringer Schutz besteht.

Die Sonderregelungen der Satelliten-und Kabelrichtlinie und des § 20a UrhG, der in Umsetzung der Richtlinie in das Urheberrechtsgesetz eingefügt worden ist, sprechen nicht für die Rechtsansicht der Beklagten. Die Satellitenund Kabelrichtlinie hat hinsichtlich drahtloser Rundfunksendungen nur die Rechtslage bei direkten Satellitensendungen vereinheitlicht (vgl. Erwägungsgrund 33 f. der Satelliten-und Kabelrichtlinie; vgl. weiter Schricker/v. Ungern-Sternberg aaO Vor §§ 20 ff. Rdn. 60 m.w.N.). Diese Regelungen haben zudem zur Grundlage, daß zugleich mit der Vereinheitlichung der Rechtsanknüpfung, die durch das einheitliche Abstellen auf den Ort der Eingabehandlung erreicht wird, auch das Schutzniveau in den Staaten, in denen die Richtlinie Geltunghat, harmonisiert worden ist (vgl. Erwägungsgrund 24 der Satelliten-und Kabelrichtlinie; Dreier in Walter [Hrsg.], Europäisches Urheberrecht, 2001, S. 420 f.) und bei einer Verlagerung der maßgeblichen Verwertungshandlung in Drittstaaten mit unzureichendem Schutzniveau das Recht anderer Staaten für anwendbar erklärt wird, indem unter bestimmten Voraussetzungen die Vornahme der Verwertungshandlung in deren Gebiet fingiert wird. Solche Rahmenbedingungen sind bei erdgebundenen Rundfunksendungen nicht gegeben. Die Hinnahme von Schutzlücken, die bei einer ganzheitlichen Betrachtung des gesamten zur Ausstrahlung an die Öffentlichkeit führenden Sendevorgangs unvermeidbar wären, stünde zudem in Widerspruch zu den Verpflichtungen der Verbandsländer aus Art. 11bis RBÜ, bei Rundfunksendungen an eine Öffentlichkeit Urheberrechtsschutz zu gewährleisten (vgl. dazu auch Schricker/v. Ungern-Sternberg aaO § 20a Rdn. 5).

2. Die Ausstrahlung von Rundfunksendungen über den Sender Felsberg erfüllt den Tatbestand des Senderechts (§ 20 UrhG), auf den § 76 UrhG inhaltlich Bezug nimmt. Eine Rundfunksendung ist schon deshalb anzunehmen, weil die drahtlose Rundfunkausstrahlung unmittelbar an die Allgemeinheit gerichtet ist. Bei dieser Beurteilung ist nicht lediglich darauf abzustellen, ob die Ausstrahlungen des Senders Felsberg im Inland eine Öffentlichkeit erreichen. Der Geltungsbereich des Senderechts aus § 20 UrhG (und der darauf bezogenen Rechte der ausübenden Künstler und der Tonträgerhersteller) ist zwar räumlich durch den sachlich-rechtlichen Territorialitätsgrundsatz auf das Inland beschränkt (vgl. dazu BGHZ 126, 252, 255 -Folgerecht bei Auslandsbezug; MünchKomm.BGB/Kreuzer aaO Nach Art. 38 EGBGB Anh. II Rdn. 13 f.; Schricker/Katzenberger aaO Vor §§ 120 ff. Rdn. 120), der Territorialitätsgrundsatz gebietet jedoch nicht, bei der Anwendung der Vorschriften des Urheberrechtsgesetzes nur inländische Sachverhalte zu berücksichtigen (vgl. BGHZ 126, 252, 255 f. -Folgerecht bei Auslandsbezug; Schricker/Katzenberger aaO Vor §§ 120 ff. Rdn. 123; MünchKomm.BGB/Kreuzer aaO Nach Art. 38 EGBGB Anh. II Rdn. 17). Für das Eingreifen des Senderechts des § 20 UrhG genügt es, daß durch die im Inland durchgeführte drahtlose Ausstrahlung eine Öffentlichkeit erreicht werden kann. Ob sich diese Öffentlichkeit im Inland oder im Ausland befindet, ist dabei unerheblich. Das Senderecht des § 20 UrhG hat jedenfalls den Zweck, dem Urheber die Kontrolle über alle Rundfunksendungen zu geben, bei denen die für die Nutzung maßgebliche Handlung im Inland stattfindet. Auf die Frage, ob die Ausstrahlungen des Senders Felsberg das gesendete Programm auch im Inland einer Öffentlichkeit zugänglich machen, kommt es danach nicht an (vgl. dazu auch v. Ungern-Sternberg, Die Rechte der Urheber an Rundfunk-und Drahtfunksendungen, 1973, S. 113 ff.). Eine Sendung an eine Öffentlichkeit im Inland ist im übrigen auch schon dann gegeben, wenn dort Sendungen -wie im vorliegenden Fall unstreitig -durch einen unbestimmten Personenkreis empfangen werden können, auch wenn dies nur in äußerst geringem Umfang der Fall ist. Schon dies genügt für die Erfüllung des Tatbestands des Senderechts; eine breitere Öffentlichkeit muß durch die Ausstrahlung nicht angesprochen werden (vgl. BGHZ 123, 149, 151 -Verteileranlagen, m.w.N.).

3.

Die Beklagte verwirklicht durch die Rundfunkausstrahlungen des Senders Felsberg den Tatbestand der Rundfunksendung im Sinne des § 20 UrhG. Sie kann sich nicht darauf berufen, daß sie nicht selbst Inhalt und Zeitpunkt der Programmausstrahlung bestimmt, weil sie das gesamte Programm von ihrer französischen Muttergesellschaft zur Ausstrahlung zugeleitet erhält. Als Inhaberin der inländischen Sendeerlaubnis stellt die Beklagte nicht lediglich die technischen Hilfsmittel für die Ausstrahlung zur Verfügung, sondern ist auch urheberrechtlich für die Rundfunksendungen selbst verantwortlich.

4.

Für die Zeit nach der Umsetzung der Satelliten-und Kabelrichtlinie durch das Vierte Gesetz zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes vom 8. Mai 1998 (BGBl. I S. 902) mit Wirkung vom 1. Juni 1998 (Art. 3 des 4. UrhGÄndG) gilt für die Beurteilung der Ausstrahlungen über den Sender Felsberg, die allein Gegenstand des Rechtsstreits sind, nichts anderes, auch soweit die Programmsignale an den Sender Felsberg über einen Satelliten zugeleitet worden sein sollten. Der von der Beklagten -erstmals in der mündlichen Revisionsverhandlung -vertretenen Rechtsansicht, die Ausstrahlungen des Senders Felsberg seien in diesen Fällen gemäß den Vorschriften der Satelliten-und Kabelrichtlinie allein nach französischem Recht zu beurteilen, kann nicht zugestimmt werden. Die Satelliten-und Kabelrichtlinie erfaßt als Satellitensendungen nur öffentliche Wiedergaben über einen Satelliten. Nutzungshandlungen, die einer Satellitenübertragung nachgeschaltet sind, wie erdgebunden durchgeführte drahtlose und kabelgebundene Sendungen an eine Öffentlichkeit, sind auch dann nicht mehr Teil einer Satellitensendung im Sinne der Richtlinie, wenn sie auf der Grundlage einer Satellitenübertragung stattfinden.

Dafür spricht bereits, daß Art. 1 Abs. 2 lit. a der Satelliten-und Kabelrichtlinie die "öffentliche Wiedergabe über Satellit" definiert als "die Handlung, mit der unter der Kontrolle des Sendeunternehmens und auf dessen Verantwortung die programmtragenden Signale, die für den öffentlichen Empfang bestimmt sind, in eine ununterbrochene Kommunikationskette, die zum Satelliten und zurück zur Erde führt, eingegeben werden". Durch diese Definition wird die Satellitensendung von Handlungen, die sich an die Satellitenabstrahlung anschließen, abgegrenzt (vgl. dazu auch Satz 3 des Erwägungsgrundes 14 der Richtlinie, aus dem sich ergibt, daß der als Satellitensendung im Sinne der Richtlinie erfaßte Vorgang mit der "Rückkehr der Signale zur Erde" endet). Von dieser Bestimmung der maßgeblichen Nutzungshandlung geht auch die Definition des Begriffs des Satelliten in Art. 1 Abs. 1 der Satelliten-und Kabelrichtlinie aus. Diese hat den Zweck sicherzustellen, daß die Programmverbreitung über Fernmeldesatelliten im Anwendungsbereich der Richtlinie mit Sendungen über Direktsatelliten gleichbehandelt wird, sofern ein Individualempfang der Sendungen über den Fernmeldesatelliten vergleichbar wie bei Sendungen über einen Direktsatelliten möglich ist (vgl. dazu auch die Erwägungsgründe 6, 7 und 13 der Richtlinie; vgl. weiter Dreier in Walter [Hrsg.] aaO S. 417). Eine solche Beschränkung der von der Richtlinie als Satellitensendung erfaßten Satellitenübertragungen wäre sinnlos, wenn erdgebundene Sendungen an eine Öffentlichkeit, die sich unmittelbar an eine Satellitenübertragung anschließen, als Teil der Satellitensendung behandelt werden sollten. Daß dies nicht der Fall ist, ergibt sich im übrigen auch aus der Regelung des Kabelweiterverbreitungsrechts in der Satelliten-und Kabelrichtlinie. Dieses Recht greift auch dann ein, wenn eine über Satelliten übermittelte Erstsendung zeitgleich, unverändert und vollständig durch Kabelsysteme weiterübertragen wird (vgl. Art. 1 Abs. 3, Art. 8 der Richtlinie).

Der nicht näher begründeten Ansicht der Cour d'Appel de Paris in ihrem Urteil vom 3. Oktober 2001 (Nr. 392), erdgebundene Langwellensendungen des Senders Felsberg im Anschluß an eine Satellitenübertragung unterfielen den Vorschriften der Satelliten-und Kabelrichtlinie, kann danach -entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung -nicht zugestimmt werden. Zu der von der Revisionserwiderung angeregten Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften besteht daher zumindest im gegenwärtigen Stand des Verfahrens sowie im Hinblick darauf, daß das Urteil der Cour d'Appel de Paris nicht rechtskräftig ist, kein Anlaß.

III. Der Senat kann über die Klage nicht abschließend entscheiden, weil noch Feststellungen zur Frage der Aktivlegitimation der Klägerin zu treffen sind.

Diese macht nur Ansprüche nach dem Urheberrechtsgesetz geltend, nicht auch solche aus ausländischem Recht.

IV. Im erneuten Berufungsverfahren wird gegebenenfalls zu beachten sein, daß die Bemessung der Vergütungsansprüche der Klägerin die Rechtslage in Frankreich berücksichtigen muß. Nach § 13 Abs. 3 Satz 1 UrhWG sollen Berechnungsgrundlage für die Tarife von Verwertungsgesellschaften in der Regel die geldwerten Vorteile sein, die durch die Verwertung erzielt werden. Diese geldwerten Vorteile sind hier jedoch dann gemindert, wenn Rundfunksendungen, die das Repertoire der Klägerin nutzen, nicht nur mit den von ihr wahrgenommenen inländischen Vergütungsansprüchen belastet sind, sondern auch mit Ansprüchen, die den ausübenden Künstlern und Tonträgerherstellern möglicherweise deshalb durch die französische Rechtsordnung zugestanden werden, weil die Rundfunksendungen auf den Empfang durch die Öffentlichkeit in Frankreich abzielen. Da in einem solchen Fall eine hinreichende Beziehung zu dem Empfangsland besteht, ist es dessen Sache zu bestimmen, ob es unter solchen Umständen als Schutzland sein Recht für anwendbar erklärt (vgl. dazu Schricker/Katzenberger aaO Vor §§ 120 ff. Rdn. 135; Hohloch, IPRax 1994, 387, 388). Ist dies hier der Fall, ist bei der Vergütungsbemessung anspruchsmindernd mit anzusetzen, daß die Rundfunksendungen nur möglich sind, wenn auch in Frankreich bestehende Vergütungsansprüche befriedigt werden. Die Befürchtung der Beklagten, ihre Rundfunksendungen könnten infolge von Vergütungsansprüchen ausübender Künstler und Tonträgerhersteller in Deutschland und in Frankreich doppelt belastet werden, ist daher unbegründet. Die von ihr aufgeworfene Frage, ob die Zuerkennung von Vergütungsansprüchen nach deutschem Recht den durch Art. 49 EG gewährleisteten freien Dienstleistungsverkehr mit Rundfunksendungen unzulässig beschränken würde, wenn auch in Frankreich solche Ansprüche bestehen sollten, stellt sich dementsprechend nicht.

Bei der Vergütungsbemessung wird gegebenenfalls auch zu berücksichtigen sein, daß das Empfangsgebiet der Langwellensendungen der Beklagten wegen der Reichweite dieser Sendewellen nicht auf Deutschland und Frankreich beschränkt ist (vgl. dazu auch den Rechtsgedanken des Erwägungsgrunds 17 der Satelliten-und Kabelrichtlinie; vgl. dazu weiter Dreier in Walter [Hrsg.] aaO S. 442 f.).

V. Auf die Revision der Klägerin war danach das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.






BGH:
Urteil v. 07.11.2002
Az: I ZR 175/00


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/a5cca7321484/BGH_Urteil_vom_7-November-2002_Az_I-ZR-175-00




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