Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen:
Beschluss vom 30. Dezember 2004
Aktenzeichen: 21 A 4813/04.A

(OVG Nordrhein-Westfalen: Beschluss v. 30.12.2004, Az.: 21 A 4813/04.A)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag des Klägers auf Verlegung der mündlichen Verhandlung ab. In seiner Begründung führte das Gericht aus, dass das Fehlen einer Begründung allein noch keinen Verfahrensfehler und somit keinen Verstoß gegen das rechtliche Gehör darstellt. Zudem sei der Kläger auch nicht daran gehindert gewesen, sich durch einen Vertreter in der Verhandlung vertreten zu lassen. Gemäß § 53 Abs. 1 BRAO ist ein Rechtsanwalt verpflichtet, für seine Vertretung zu sorgen, wenn er länger als eine Woche daran gehindert ist, seinen Beruf auszuüben oder sich länger als eine Woche von seiner Kanzlei entfernen will. Im vorliegenden Fall hatte der Kläger noch ausreichend Zeit, einen Unterbevollmächtigten zu bestellen. Da der Kläger auch keine ausreichenden Nachweise für eine posttraumatische Belastungsstörung erbracht hatte und zudem bei der Anhörung vor dem Bundesamt über sein Verfolgungsschicksal berichten konnte, wurde sein Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OVG Nordrhein-Westfalen: Beschluss v. 30.12.2004, Az: 21 A 4813/04.A


Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.

Die allein geltend gemachte Verfahrensrüge gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG in Verbindung mit § 138 Nr. 3 VwGO - Verletzung des rechtlichen Gehörs - greift nicht durch.

1. Dem Kläger ist nicht dadurch im erstinstanzlichen Verfahren rechtliches Gehör versagt geblieben, dass das Verwaltungsgericht es abgelehnt hat, den Termin zur mündlichen Verhandlung zu verlegen bzw. die mündliche Verhandlung zu vertagen.

Der Kläger macht hierzu zunächst geltend, schon die Entscheidung, den von seinem Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 30. September 2004 gestellten Terminverlegungsantrag abzulehnen, verstoße "als solche" gegen Art. 103 GG, weil eine Begründung der Verweigerung der Verlegung nicht erfolgt sei.

Mit diesem Vorbringen verkennt der Kläger, dass allein das Fehlen einer aktenkundig gemachten Begründung nicht schon zum Vorliegen eines Verfahrensfehlers mit der Folge eines Gehörsverstoßes führt.

Vgl. BFH, Beschluss vom 26. Oktober 1998 - I B 3/98 -.

Soweit der Kläger im Weiteren - wohl - sinngemäß geltend macht, erhebliche Gründe für eine Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung gemäß § 227 Abs. 1 ZPO hätten entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts vorgelegen, ist eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht anzunehmen.

Zwar kommt bei der Ablehnung einer Terminsverlegung ein Gehörsverstoß in Betracht, wenn ein erheblicher Grund im Sinne von § 173 VwGO i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO tatsächlich vorgelegen hat. Das ist indessen nicht dargelegt.

Urlaub des Prozessbevollmächtigten, wie er hier mit Schriftsatz vom 30. September 2004 geltend gemacht worden ist, kann unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs ein Gericht verpflichten, einen anberaumten Termin wegen Verhinderung des Prozessbevollmächtigten aufzuheben. Voraussetzung ist allerdings, dass der Beteiligte andernfalls das rechtliche Gehör in der mündlichen Verhandlung nicht finden könnte. Das ist regelmäßig abzulehnen, wenn eine anderweitige Vertretung möglich erscheint.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 1962 - 2 BvR 377/62 -, BVerfGE 14, 195; OVG NRW, Beschluss vom 9. Juli 1996 - 25 A 2999/96.A -, AuAS 1996, 250; Beschluss vom 19. März 2001 - 14 A 4434/00.A -; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 13. Juni 1997 - A 4 A 104/97 -, NVwZ-Beilage 1997, 89; Zöller, ZPO, 22. Auflage 2001, § 227 Rn. 6; anders wohl GK-AsylVfG, Loseblattkommentar Stand April 1998, § 78 Rn. 308.

In Anwendung dieser Grundsätze war das Verwaltungsgericht nicht gehalten, dem Verlegungsantrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers bzw. den von diesem selbst in der mündlichen Verhandlung gestellten Vertagungsantrag wegen Verhinderung des Prozessbevollmächtigten stattzugeben. Für diesen bestand die Möglichkeit, sich vertreten zu lassen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass gemäß § 53 Abs. 1 BRAO ein Rechtsanwalt für seine Vertretung zu sorgen verpflichtet ist, wenn er länger als eine Woche daran gehindert ist, seinen Beruf auszuüben (Nr. 1), bzw. sich länger als eine Woche von seiner Kanzlei entfernen will (Nr. 2). Nach der im Verfahren vorgelegten Vollmacht, die der Kläger seinem Prozessbevollmächtigten erteilt hat, umfasst diese auch die Befugnis, die Vollmacht ganz oder teilweise auf andere zu übertragen. Unter diesen Umständen ist von der Möglichkeit, einen Unterbevollmächtigten zu bestellen, jedenfalls dann Gebrauch zu machen, wenn noch ausreichende Vorbereitungszeit vorhanden und dies nicht aus anderen Gründen unzumutbar ist.

Vgl. Geiger in Eyermann/Fröhler, VwGO, 11. Auflage 2000, § 102 Rn. 7, m.w.N.; BFH, Beschluss vom 26. Oktober 1998 - I B 3/98 -.

Der Zulassungsantrag enthält - wie im Übrigen der Verlegungsantrag selbst - keine Darlegungen dazu, dass und warum es vorliegend nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen sein sollte, dass ein Vertreter für den Prozessbevollmächtigten den Termin wahrnimmt.

Es kann deshalb auf sich beruhen, ob überhaupt hinreichend geltend gemacht worden war, dass und warum der Prozessbevollmächtigte selbst den Termin nicht wahrnehmen konnte. Im Verlegungsantrag heißt es allein, der "Unterzeichnete [sei] vom 2.10.2004 bis 17.10.2004 im Urlaub"; von einer geplanten Reise, die überdies nur noch unter Schwierigkeiten rückgängig zu machen wäre,

vgl. zu derartigen Anforderungen Zöller, a.a.O., § 227 Rn. 6,

ist nicht die Rede.

2. Eine Versagung des rechtlichen Gehörs des Klägers ergibt sich ferner nicht aus der weiter von ihm vorgebrachten Erwägung, im Termin habe sich, was sich dem Richter geradezu aufgedrängt habe, bewiesen, dass der Kläger, offensichtlich unter einem schweren posttraumatischen Belastungsschock stehend, seine Rechte nicht habe wahrnehmen können. Bei ihm habe offensichtlich der Krankheitszustand eines "frozen status" bestanden, der es ihm nicht ermöglicht habe, ohne die reale Gefahr schwerster Retraumatisierung über seine Erlebnisse zu sprechen.

Diesem Vorbringen ist von vornherein der Boden entzogen, weil kein Anhalt dafür besteht, dass der Kläger tatsächlich an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet. Zwar hatte der Kläger bei seiner Asylantragstellung eine ärztliche Bescheinigung des praktischen Arztes Q. G. M. I. vom 10. Dezember 2001 vorgelegt, in der es heißt, der Kläger stehe in seiner ärztlichen Behandlung; bei ihm bestehe eine Depression mit Angstzuständen, Unruhezuständen und Schlafstörungen seit seiner Verhaftung und Folterung durch srilankische Sicherheitskräfte. Diese Bescheinigung kann aber schon deshalb nicht zum Beleg des Vorliegens einer posttraumatischen Belastungsstörung dienen, weil in ihr nicht einmal erwähnt ist, dass der Kläger an dieser Erkrankung leidet. Hinzu kommt, dass Herr I. als praktischer Arzt auch nicht hinreichend fachlich qualifiziert wäre, das Vorliegen einer schwerwiegenden psychischen Erkrankung festzustellen, und dass es ferner an der erforderlichen Befassung des Arztes mit dem Kläger fehlen würde.

Vgl. zu diesen Erfordernissen etwa Middekke, DVBl. 2004, 150 (153 f.); VG Sigmaringen, Urteil vom 8. Oktober 2003 - A 7 K 12635/02 -, Asylmagazin 2004, 38.

Da der Kläger nach eigenen Angaben erst am 3. Dezember 2001 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist, die Bescheinigung jedoch bereits sieben Tage später ausgestellt worden ist, drängt es sich vielmehr auf, dass es sich um eine Gefälligkeitsbescheinigung handelt, die allein auf den entsprechenden Angaben des Klägers beruht und auf dessen Bitte hin ausgestellt worden ist.

Weiter spricht gegen das Vorliegen einer schwerwiegenden psychischen Erkrankung, dass der Kläger in der Folgezeit bis heute keine weitere ärztliche Bescheinigung eingereicht hat. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass er sich nicht mehr in ärztlicher Behandlung befindet, weil dies nicht erforderlich ist.

Ferner hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht mit keinem Wort erwähnt, dass er aufgrund einer psychischen Erkrankung keine Angaben machen könne. Allein der Umstand, dass er sich in der mündlichen Verhandlung geweigert hat, etwas zur Sache zu sagen, kann nicht als hinreichender Beleg für das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung oder gar des behaupteten "frozen status" angesehen werden. Diese Weigerung des Klägers dürfte vielmehr im Zusammenhang damit gestanden haben, dass das Verwaltungsgericht dem gestellten Terminverlegungsantrag nicht gefolgt war und dem Vertagungsantrag nicht folgen wollte und er nicht ohne seinen Anwalt verhandeln wollte.

Endlich ist im Verfahren nicht offenbar geworden, dass der Kläger Schwierigkeiten hätte, über sein Verfolgungsschicksal zu berichten. Das Gegenteil ist richtig: In der Anhörung vor dem Bundesamt am 13. Dezember 2001 hat der Kläger - ohne dass Probleme erkennbar geworden sind - über sein behauptetes Verfolgungsschicksal berichten können. In der Klageschrift ist sein Aussageverhalten diesbezüglich folgendermaßen charakterisiert: "Die Anhörung ist voller konkreter, nachvollziehbarer und lebensnaher Schilderungen der beiden Inhaftierungen, des konkreten Geschehens während derselben und der jeweiligen Haftbedingungen sowie der Bedingungen der Freilassung. Die Schilderung enthält die erforderlichen Rahmenbedingungen des Geschehens, die ausgiebig und detailliert vorgetragen werden". Dazu, dass der Kläger etwa im Gespräch mit seinem Prozessbevollmächtigten Schwierigkeiten gezeigt hätte, über Geschehnisse in Sri Lanka zu sprechen, ist weder der Klageschrift noch weiteren Schriftsätzen etwas zu entnehmen. Auch mit dem Zulassungsantrag hat der Kläger derartiges nicht vorgetragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.






OVG Nordrhein-Westfalen:
Beschluss v. 30.12.2004
Az: 21 A 4813/04.A


Link zum Urteil:
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